Beiträge von Norius Carbo

    Carbo verabschiedete seinen Kunden und als dieser sich der Tür zuwandte, wollte auch er wieder in den hinteren Teil des Ladens, wo sich ein Teil der Mischwerkstatt befand, doch allzu weit kam er nicht, denn praktisch im gleichen Zug wo Tiberios das Geschäft verließ, betrat es ein neuer Kunde, ungefähr in seinem Alter wie er vermutete.


    So als ging Carbo freundlich lächelnd auf den jungen Mann zu und streckte ihm die Hand entgegen. "Salve und Willkommen im Farbenmischer Pater Danuvius! Ich bin Norius Carbo, wie kann ich dir weiterhelfen?"

    Nichts leichter als das für ihn! Grinsend über diese (inzwischen) leichte Aufgabe breitete Carbo alle Gegenstände auf dem kleinen flachen Tisch zwischen ihnen aus und zwar ein Weihrauchsteinchen, ein Tuch, ein Messer, eine Schale, eine Zwiebel, eine gefaltete Toga und eine Sandale.


    "Der Weihrauch steht immer am Anfang einer Opferhandlung. Man entzündet ihn und ruft Ianus an, um das Tor zu den Göttern zu öffnen. Dann daneben das Tuch ist das mallium latum, es wird dem Opferherrn nach der Handwaschung nach der Darbringungsformel gereicht."


    Carbo nahm das Messer in die Hand und zeigte es Caesoninus. "Dieses Messer wird culter genannt, das Opfermesser. Es wird vom Opferherrn dazu benutzt das Opfertier symbolisch zu entkleiden. Ansonsten trägt es einer der Opferdiener in der Position des cultarius, der am Ende auch das Tier ersticht. Das gibt natürlich viel Blut, das mit einer Schale aufgefangen werden muss. Je mehr desto besser und es sollte nichts verschüttet werden", sprach Carbo mit einem Kopfnicken in Richtung Schale, während er das Messer wieder zurücklegte. "Aber es gibt auch spezielle Opferschalen namens Patera. In die werden die entnommenen Eingeweide zur Eingeweideschau gelegt. Außerdem kann man mit ihnen Trankopfer durchführen, wie ich das schon einige Male getan habe."


    Jetzt hob er die Zwiebel hoch. "Die Zwiebel steht für alle unblutigen Opfer die man so machen kann. Die Zwiebel zum Beispiel ist der Göttin Venus heilig, neben Heilkräutern und Lauch. Jeder Gott hat andere Vorlieben. Bei großen blutigen Opfern bilden sie die Voropfer, bei unblutigen sind sie das Hauptopfer."
    Carbo legte die Zwiebel wieder zurück. Jetzt blieben nur noch die beiden Kleidungsstücke übrig. "Die Sandalen sollen mich daran erinnern sie wegzulassen, da man Opfer immer barfuß durchführen sollte. Die Toga soll ganz weiß sein. Im lateinischen Ritus zieht man sich einen Zipfel der Toga über den Kopf und im griechischen bedeckt man sein Haupt mit einem Kranz. Achja und Frauen müssen ihre Haare offen haben!"


    Das letzte hatte er beinahe vergessen gehabt zu erwähnen. Diese Aufgabe war also schon mal geschafft, er fühlte sich ganz stolz darüber, dass er gleich sofort alles gewusst hatte nach all der Lernerei.

    "Also einpacken, gerne der Herr!" Carbo erfüllte Tiberios seinen Wunsch und übergab ihm im Tausch für die Münzen die Tintenfässer in einem kleinen Lederbeutel, der innen mit kleinen Stückchen Schafswolle gefüllt war, so konnte alles unbeschadet und bruchlos die Heimreise überleben.


    "Hier bitteschön, vielen Dank für deinen Einkauf und die Weiterempfehlung, es war mir eine Freude! Mögen die Götter auch auf deine Wege Acht geben!"

    Die drei Rußtinten fürs Handelshaus und die Eisengallustinte für den Privatgebrauch, sehr schön. Anschließend rechnete Tiberios alles noch einmal laut durch, was Carbo faszinierend und aufsehenserregend fand, das machten auch nicht alle Kunden. Zur Sicherheit rechnete er noch einmal selber nach und kam auf das gleiche Ergebnis. Somit war alles in Ordnung.
    Zu seiner Freude wurde die Sepiatinte doch jetzt auch mitgenommen! Also weitere 4 Sesterze, da freute sich die Kasse.
    Langsam schien Tiberios auch menschlich etwas aufzutauen, denn gegen Ende hatte er tatsächlich einen Scherz gegenüber Carbo gemacht in Bezug auf seine vorigen Titel und Anreden für ihn, was den Jungen natürlich auch freute.


    Carbo räumte die Probefläschchen und das angekritzelte Papyrus wieder weg und holte aus den Verkaufsregalen 1x Eisengallustinte, 1x Sepiatinte und 3x Rußtinte und stellte sie auf den Ladentisch. Dann machte er sich an das Ausstellen der Rechnung.
    Als auch das erledigt war legte Carbo sie seinem Kunden zur Kontrolle vor.
    "Ist darauf alles zu deiner Zufriedenheit? Nimmst du die Tintenfässer gleich so mit, oder soll ich sie dir einpacken?"




    Farbenmischer Pater Danuvius


    Rechnung


    ANTE DIEM XII KAL MAI DCCCLXX A.U.C. (20.4.2020/117 n.Chr.)


    An: Furia Stella - Casa Furia, Roma



    Gesamtbetrag: 10 Sesterze


    Vielen Dank für euren Einkauf
    und beehrt uns bald wieder!


    Alle Preise sind in Sesterze angegeben.




    Farbenmischer Pater Danuvius


    Rechnung


    ANTE DIEM XII KAL MAI DCCCLXX A.U.C. (20.4.2020/117 n.Chr.)


    An: Handelshaus Furii - Ostia



    Gesamtbetrag: 6,75 Sesterze


    Vielen Dank für euren Einkauf
    und beehrt uns bald wieder!


    Alle Preise sind in Sesterze angegeben.

    Carbo lächelte über Tiberios‘ Bonmot.
    Ohja, das kenne ich auch nur zu gut aus meiner Zeit als Stadtschreiber der Kommunalverwaltung von Mogontiacum. In Germania Superior hatten sie praktisch nur Tinten mit Harzen und Honig. Aber deshalb bin ich auch umso froher hier sowas nicht zu haben, außerdem mischen wir auch noch Essig darunter, da dies die Benetzung und damit die Verbindung zwischen Ruß und Wasser verbessert. Was hätte ich damals nicht alles gegeben für so eine Tinte wie die hier, das hätte mir einiges erspart“, grinste er.
    Bei diesen Gedanken fiel ihm ein, dass er später mal bei seiner Rückreise nach Mogontiacum unbedingt einige seiner Pater Danuvius-Tintenfässer mitnehmen musste. Den in Rom erfahrenen Schreibkomfort dank Gummi arabicum wollte er auch nördlich der Alpen nicht mehr missen.


    Carbo beobachtete, wie der junge Mann seine Sätze fertig schrieb, natürlich bemerkte er, dass er Griechisch und Latein schrieb, doch das war vermutlich die Mindestvorgabe für einen guten Bibliothekar, dass er beide Weltsprachen beherrschte. Auf die Frage wegen der Wasserbeständigkeit dann antwortete er: „Die Sepiatinte ist der billigeren Variante ähnlicher, als der teureren. Sie ist also auch nicht um so vieles wasserbeständiger, als die Rußtinte.
    Das verwendete Farbpigment mochte zwar von einem Meerestier stammen, jedoch wurde es ja für die Herstellung der Tinte getrocknet und anschließend ähnlich wie die mit Ruß verarbeitet. Anders als die Eisengallustinte, die ihre Wasserfestigkeit durch die enthaltene Gallussäure und das an der Luft oxidierte Eisen erhielt.
    Doch vermutlich war die Sepiatinte für Tiberios aus dem Rennen, da er sie zurückstellte. Schade, also vier verlorene potenzielle Sesterze bei den Tageseinahmen, dafür +1 Sepiatinte bei den Warenbeständen (oder mit anderen Worten, es war einfach gar nichts passiert).
    Die nächste Enthüllung war, dass Tiberios nicht nur für seine Herrschaft, sondern auch gleich für ein ganzes Handelshaus bei ihm einkaufte. Das freute ihn natürlich, versprach es doch womöglich weitere regelmäßige Einkäufe in der Zukunft, doch bei der Erwähnung des „Meisters“ lächelte Carbo wieder gequält. „Ich bin auch kein Meister, Carbo, oder Norius Carbo reicht völlig. Also der Preis, hmm...
    Er kratzte sich am Kopf, während er überlegte.
    Ja, also da kann man sicher was machen, wie wäre es mit einem Rabatt von 10% auf den für das Handelshaus bestimmten Einkauf? Dann könnten wir die auch gleich auf eine eigene Rechnung setzen, welche Waren würde das denn betreffen?

    Carbo freute sich, dass sein Kunde offensichtlich Gefallen an seiner Ware gefunden hatte. „Bei der Eisengallustinte ist es ein wenig komplizierter, aber was die einfache Rußtinte angeht, so gibt die Art und Menge des verwendeten Bindemittels durchaus den Ausschlag über die Qualität. Die Rezepte stammen ebenfalls zu 98% von meinem Vorgänger, einem wahren Meister seines Fachs, dem dieses Geschäft seine Standarts verdankt. Denn so kommt es auch, dass für unsere Rußtinten ebenfalls Gummi arabicum anstatt anderer viel billigerer Bindemittel, wie z.B. Honig, verwendet wird, oder andere Kollegen mischen auch Harze, oder Öle darunter, um das Wasser und den Ruß zu binden, aber all das ergibt natürlich dann auch Tinten von unterschiedlicher Qualität. Unsere Rußtinten mögen wegen dem Gummi arabicum zwar um einen Sesterz und ein paar Asse teurer sein als die Honig- und Harzkonkurrenz, dafür ist sie aber auch besser.


    Wieder einmal erwischte sich Carbo dabei, dass er Verkaufsgespräche auf genau die gleiche Weise führte wie einst Regulus, die eigenen Produkte der Qualität wegen hochpreisen und dafür die billigere Konkurrenz kleinreden. Aber gut, immerhin hatte er das Händlerhandwerk auch von ihm gelernt. Wie oft hatte er Regulus dabei zugesehen, wenn dieser seine Kundschaft beraten und ihnen seine Ware verkauft hatte. Dabei gab es einige Tricks, von denen Carbo immer noch unsicher war, ob er sie alle schon beherrschte.
    Zu seiner Freude wollte Tiberios anscheinend mehr einkaufen als nur die Qualitätstinte, denn es kamen auch noch 3x Rußtinte und womöglich auch 1x Sepiatinte hinzu.
    Die Sepiatinte ist für den anspruchsvollen Vielschreiber für den Alltag gedacht, wenn es etwas besseres auf dem Papyrus sein soll als Ruß, man aber auch nicht gleich zur teuren Eisengallustinte greifen möchte. Sie kommt aus den Tintenbeuteln von getrockneten und zermörserten Tintenfischen und kostet 4 Sesterze das Fass“, erklärte Carbo seinem Kunden.

    Eine Probe aufs Exempel sollte es also sein!
    Nichts leichter als das, wo Tiberios ja nicht der erste Kunde war der die Tinte ausprobieren wollte.
    Nichts leichter als das, bitte folge mir.
    Er führte seinen Kunden zurück zum Verkaufstisch und holte aus einem Fach ein Stück Papyrus und ein schon offenes Tintenfass hervor. Er stellte beides vor Tiberios ab. Auf dem Papyrus waren schon einige andere Kritzeleien, einzelne Wörter, oder bloß Schlangenlinien zu sehen von Kunden, die früher einmal eine Tinte ausprobieren hatten wollen.


    Um nicht jedes einzelne Fläschchen aufreissen zu müssen, nur damit es am Ende sowieso nicht gekauft wird, haben wir speziell fürs probieren hier die ganze Palette an Tinten. Hier hast du die Eisengallustinte, es ist die gleiche wie das verkorkte Exemplar, nur zu probier sie ruhig aus.


    Für den Fall, dass Tiberios auch die anderen Produkte testen wollte (bei einem Bibliothekar hatte er da einfach so ein Gefühl), stellte Carbo auch von den anderen Tintensorten die Probefässer auf den Tisch. Am leersten war das mit der billigen Rußtinte um 2,50 Sesterze, da diese am häufigsten gekauft wurde.
    Um auch gleich die trockene Version zu präsentieren (wenn sie schon dabei waren), wies er auf eine der jüngeren Schlangenlinien neben einem Wort, das mal mit dünneren und dickeren Strichen geschrieben worden war und sagte: „So sieht die Tinte nach der Trocknung aus, ein schönes und kräftiges Schwarz, findest du nicht? Aber versuche sie selbst jetzt, um auch ihre Schreiberfahrung zu erleben und sie in nassem Zustand zu sehen. Was ich dir sonst noch über diese Tinte erzählen kann ist, dass sie besonders beständig ist. Das enthaltene Bindemittel Gummi arabicum sorgt zudem für eine bessere Schreibbarkeit und schützt die Tinte vor Ausflockung. Ein bequemes Schreiben mit der Tinte ist uns sehr wichtig, weshalb wir einiges herumprobiert hatten, bis wir den richtigen Anteil an Gummi arabicum speziell für die Eisengallustinte gefunden hatten.
    Dies entsprach der Wahrheit, da das eines der wenigen Rezepte war, die Carbo nach Regulus‘ Tod abgeändert hatte. Sicher, die Tinte war auch vorher schon sehr gut und bei den Kunden beliebt gewesen, doch für seinen persönlichen Geschmack war sie doch noch etwas zu flüssig und unhandlich gewesen, was jetzt jedoch an die Erwartungen des neuen Chefs angepasst worden war.
    Im gleichen Zuge war auch gleich der Gummi arabicum-Anteil in der Rußtinte von Carbo leicht erhöht worden.

    Als Tiberios ihn mit dominus ansprach fühlte sich Carbo gleich etwas unbehaglich, denn er war es überhaupt nicht gewohnt so angesprochen zu werden, wo er sich als Peregrinus normalerweise selbst am Rande der römischen Gesellschaft wähnte.
    Daher hob er auch gleich eine Hand: "Danke für deine Ehrenbezeugung, aber um das gleich klarzustellen, ich bin kein Dominus, ja noch nicht mal Römer" gleich danach musste er jedoch grinsen, als er mit dem Namen seines Ladens angesprochen wurde.
    "Ich bin Norius Carbo aus Nor.., aus Mogontiacum, freut mich Tiberios, Bibliothekar der Furia Stella" Fast hätte Carbo Noricum gesagt, sich im letzten Moment jedoch dagegen entschieden, was wiederum ein komisches Gefühl in ihm auslöste. Doch damit würde er sich ein anderes Mal beschäftigen.


    Er begleitete Tiberios durch den Verkaufsraum zu dem Ort wo sie die diversen Tinten anboten und holte ein Fläschchen Eisengallustinte hervor, um es ihm anzubieten. "Ja, auch wenn wir gerade ein wenig knapp damit sind, so wäre das hier auf jeden Fall unsere berühmte Eisengallustinte aus eigener Produktion, denn alles aus dem Sortiment was Tinten, oder Farben angeht wird direkt hier im Haus nach den Rezepten meines Vorgängers Regulus hergestellt. So garantieren wir höchste Standarts und wissen was drinnen ist." Kurz schmunzelte er über seinen eigenen Witz, ehe er weitersprach:
    "Unsere Eisengallustinte hier z.B. stellen wir aus abgekochten Galläpfeln mit Eisensulfat her in Verbindung mit Wasser, Gummi arabicum und dem Farbstoff Methylblau. Letzteres bewirkt, dass die Farbe beim schreiben leichter sichtbar ist, aber keine Angst, er verblasst nach dem Trocknen was die Tinte schwarz macht hinterher. Methylblau verwendet nicht jeder von der Konkurrenz, du siehst also wir bemühen uns nur um das Beste."
    Dieser Regulus war schon ein Fuchs gewesen, das musste Carbo zugeben.
    "6 Sesterze würde das Fläschchen kosten."

    An seine neue Rolle als Geschäftsmann musste sich Carbo erst noch gewöhnen, doch er musste zugeben, dass es ihm großen Spaß machte. Es war ein schönes Leben morgens aufzustehen und zu seinem Laden zu gehen. Dann aufschließen und zuerst einmal etwas Papierkram erledigen und die Warenbestände durchsehen, um auch ja gut für den kommenden Tag gerüstet zu sein. Die ersten Kunden sahen für gewöhnlich bereits kurz nach Sonnenaufgang herein. Meist jedoch nur Sklaven, oder Boten, oder Peregrini. Die feinen römischen Herren und Damen selbst kamen erst später am Vormittag, um bei ihm einzukaufen. Besonders der Frauenanteil war ungewöhnlich hoch, da sich schnell herumgesprochen hatte, dass dieser spezielle Farbenmischer eine ganze eigene Ecke nur mit Kosmetika für Frauen haben sollte. Der Witz dabei war jedoch, dass Carbo nichts weiter getan hatte bei sein er Übernahme, als die Kosmetika von den Malerfarben zu trennen, jedoch schien dies alleine schon einen ungeheuren Effekt gehabt zu haben. So wurden Frauen schnell ein nicht zu unterschätzendes Kundensegment seines Unternehmens neben Schreibern und Malern natürlich.
    Besonders stolz war Carbo darauf, dass er seit letzter Woche der offizielle Tintenlieferant eines großen Scriptoriums am Aventin war. Natürlich lebte der gute Ruf seiner Tintenprodukte hauptsächlich noch von der Arbeit von Carbos' Vorgänger, jedoch bemühte sich der Junge um jeden Preis, dass er das bislang angebotene Niveau von Preis und Qualität halten und irgendwann vielleicht sogar steigern konnte, das war er seinem alten Mentor schuldig. So oft es ging stand Carbo selbst im Laden, um die Kunden zu bedienen, dafür hatte er auch seine Arbeit beim Cursus Publicus etwas reduziert.


    Es war ihm, als würden sich die Leute in letzter Zeit besonders um die Tinte reißen. Nicht nur dieses eine Scriptorium, auch viele wohlhabende Familien hatten sich in letzter Zeit viel Tinte liefern lassen und dann gleich das beste vom besten, sodass seine Vorräte an Eisengallustinte fast aufgebraucht waren. Er hatte seinen beiden Mitarbeitern schon angeordnet, sich bei der Produktion verstärkt auf diese Tintensorte zu konzentrieren, doch ob er mit seinen Beständen noch über die Woche käme blieb fraglich. Natürlich war es gut, dass die Tinte knapp wurde, denn dies bedeutete viel Profit für ihn, doch die Frage des Nachschubs blieb trotzdem vorhanden. Carbo wollte es nicht erleben eines Tages einem zahlungswilligen Kunden sagen zu müssen, dass das von ihm gewünschte Produkt momentan nicht vorrätig sei. Derlei Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er gerade eine kleine Menge an neuer Eisengallustinte ins Regal stellte, als da die Ladentür aufging. Ein Junge trat herein und grüßte ihn.
    Carbo verstaute die Produkte, wischte sich die Hände an seiner Germanenhose ab und streckte dann zur Begrüßung seine rechte Hand aus.
    "Salve und Willkommen im Farbenmischer Pater Danuvius! Wie kann ich weiterhelfen?"

    Salvete! :)


    Ich habe es SimOn zwar schon am Aushang bekannt gegeben, aber ich möchte auch gern an dieser Stelle noch einmal an alle interessierten IDs verkünden, die eine Arbeitsstelle suchen, dass Norius Carbo einen Stellvertreter für seinen Farbenmischerladen in Rom sucht. :)


    Seine Rückkehr nach Mogontiacum nähert sich ja mit Riesenschritten und wenn ich Carbo erst einmal wieder nach Germania Superior umgemeldet habe, darf er ja nicht mehr in seinem Laden in Rom posten (z.B. als ein NPC-Angestellter), um die Kundschaft zu bedienen, deshalb hätte ich gerne jemand eingestellt, der sich Simon dann in den Laden stellt, die Ware verkauft und nach dem rechten sieht.
    WiSim-Bezahlung wäre natürlich auch drinnen als Angestellter!


    In weiterer Hinsicht hätte ich mir auch vorgestellt, dass der Stellvertreter in Rom und Carbo in Mogontiacum dann brieflich in Kontakt blieben und der Stellvertreter z.B. regelmäßig Geschäftsberichte usw. nach Germania Superior schickt, oder dass hin und wieder Carbo auch persönlich eine Reise nach Rom unternimmt, um das Geschäft zu inspizieren.


    Käme man bestimmt noch auf weitere Ideen. ^^


    Also jeder, der Arbeit sucht einfach im Laden melden!


    Stellvertreter gesucht!


    Es wird ein Stellvertreter für den


    Farbenmischer Pater Danuvius


    gesucht!


    Ein potenziell angesprochener Interessent sollte dauerhaft in Rom wohnhaft sein, ein wenig von der Führung eines Unternehmens verstehen und eine schnelle Auffassungsgabe besitzen. Produktkenntnisse können vor Ort erworben werden.


    Bezahlung wird persönlich vereinbart, alle Interessenten melden sich bitte direkt im Geschäft an der Straße nördlich der Trajansmärkte in Richtung Taverna Apicia!


    Carbo stellte sein Gefährt wieder in einem Stall nahe des Stadtrands ab und erkundete danach die Stadt auf der Suche nach einer guten Taverne. Fündig wurde er ziehmlich schnell in der Nähe des Hafens mit dem Lokal "Neptuns stolze Töchter". Der Wirt darin war ein korpulenter Mann mit dröhnender Stimme, doch dafür mit dem Gesicht eines Säuglings, den man oft lachen hörte. Er hieß Galeo Herdonius Arbiter.
    Nachdem der Junge sich ein Zimmer gemietet hatte, bekam er die besten lukanischen Würstchen vorgesetzt, die Carbo jemals verspeist hatte. Direkt danach folgte noch ein Braten auf Ostienser Art (um auch den kleinen Hunger zu stillen). Abgeschlossen wurde das ganze mit einem Stückchen Brot mit etwas Moretum darauf. Nach diesem Festmahl musste er sich zuerst einmal auf sein Zimmer zurückziehen und ein Verdauungsschläfchen halten, er wollte ja nicht völlig überfressen sein kleines Opfer darbringen. Eine gute Stunde ruhte Carbo, ehe er wieder aufstand, um den langen Weg den Mons Neptunius hinauf anzutreten. Zwischendurch besorgte er auf dem Forum noch ein paar Opfergaben und dann ging die Kletterpartie auch schon los.
    Die Straße führte in weitschweifigen Serpentinen den Hügel hinauf und trotz der großzügigen Kurven war es immer noch ziehmlich steil. Carbo bewunderte die Aedituui die dort oben Dienst taten, sie mussten Lungen aus Eisen haben. Oder sie lebten auf dem Berg in einer eigenen kleinen Behausung, das konnte natürlich auch sein.
    Oben endlich angekommen, betrat Carbo ein wenig außer Atem, aber dennoch neugierig den Tempel des Iuppiter Anxur. Eigentlich unterschied er sich nicht viel von denen die er aus Rom kannte, wie er zugeben musste. Nun gut, dies hier war sein zweites eigenes kleines unblutiges Opfer an eine römische Gottheit. Mal sehen, was er so alles vom kultischen Unterricht beim ehemaligen Aedituus Iulius Caesoninus behalten hatte. Was kam als erstes dran? Achja, die Waschung!
    So ging er also zu der dafür vorgesehenen Stelle und wusch sich gründlich sauber. Danach schlüpfte er aus seinen Sandalen, um das Opfer barfuß vollziehen zu können. Als Peregrinus durfte Carbo keine Toga tragen, weshalb er folglich auch nichts zum überziehen hatte, deshalb fand er konnte er dem Götterkönig wenigstens durch seine barfüßigkeit Respekt und Ehrfurcht zollen. Als alles nötige an ihm gewaschen war, begab er sich ins Innere.
    Vor dem Kultbild des Iuppiter stand der foculus, bereit seine Gaben anzunehmen. Ein wenig mulmig wurde Carbo schon, als er darauf zuging. Ob er draußen von einem Blitz getroffen werden würde, wenn er jetzt einen Fehler machte? Doch bleib standhaft!, rief er sich innerlich selbst zu.
    Wenn er sich richtig erinnerte musste er jetzt Weihrauch entzünden und den Gott Ianus anrufen, nun gut also los. Der Junge entzündete den Weihrauch und hob dann mit beiden Handflächen nach oben zum Gebet an. "Pater Ianus, du Wächter von Anfang und von Ende, ich flehe dich an die Tore zu den Göttern aufzustoßen, damit Iuppiter mein Opfer sehen und wahrnehmen kann." Mit einer Wendung nach rechts schloß Carbo das Gebet ab.


    Jetzt folgte das Hauptgebet. Er legte seine zwei besorgten Honigkuchen und zwei Votivfiguren auf den foculus und hob wieder seine Handflächen. "O Iuppiter, du König aller Götter! Herr von Blitz und Donner, höre mein Gebet! Ich, Norius Carbo, Sohn des Viridomarus Voccio, stehe heute hier in deinem Heiligtum und bringe dir diese guten Opfergaben dar. Ich bitte dich, behüte mich auf meiner weiteren Reise nach Cumae und sorge dafür, dass die Pythia eine mir wohlgewogene Prophezeiung für mich haben wird. Dafür will ich dir auch weiterhin opfern." Mit einer Wendung nach rechts schloß Carbo das Gebet ab.
    Zum Abschluss seiner kleinen Respektsbezeugung vollführte er noch ein Trankopfer, indem er etwas Wein über einer Patera vergoß.

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    Er roch das Salz in der Luft bereits lange bevor er es hörte, oder es in Sicht kam, nach gut einem Jahr würde Carbo endlich wieder am Meer sein!
    Ihm war das erst so richtig bewusst geworden, als noch einige Meilen vor der Stadt über ihm plötzlich eine Möwe kreischend ihre Runden gezogen hatte. Trotz der Nähe Roms zur Küste war er seit seiner Landung in Ostia doch nie mehr dazu gekommen einmal wieder hinzufahren und die Füße ein wenig in die schaumige Gischt der Wellen zu stecken. Ein Umstand, den er heute in Tarracina nachholen wollte. Ihm war seine Überfahrt von Massilia nach Ostia noch lebhaft in Erinnerung, irgendwie war ihm ja doch einmal wieder nach einer kleinen Schiffahrt. Carbo fasste daher den spontanen Beschluss, dass er in Cumae jemanden auftreiben würde, um das gemietete Pferdegespann zurück nach Rom über dem Landweg zu schaffen, während er selbst sich eine Passage über das Mare Tyrrhenicum buchen würde. Das konnte er schon machen, Land und Leute lernte er ja jetzt auf seinem Hinweg kennen, auf der Rückreise wäre das alles nur bloße Wiederholung.
    So war das also beschlossene Sache und er freute sich schon ziehmlich darauf!


    Eine weitere Sache die seinen Tag erhellte war die Tatsache, dass er mit erreichen Tarracinas endlich diese vermaledeiten Sümpfe hinter sich lassen würde, endlich ein Ende von deren Eintönigkeit. Tarracina wirkte um einiges größer als Aricia, doch der typisch latinische Landstil war trotzdem noch unverkennbar, wenn er auch mit mediterraner Küstenatmossphäre durchsetzt war. Eine überaus interessante Mischung. Hier mündete auch der Kanal ins Meer, der Carbo von Forum Appii an die ganze Strecke über durch die Pontinischen Sümpfe zu seiner rechten begleitet hatte. Zu seiner linken erhoben sich jetzt die mächtigen Hänge der volskischen Hügel und dort ganz oben und hinten konnte er sogar die Silhouette des tarracinischen Wahrzeichens, des Tempels des Iuppiter Anxur, erkennen. Nachdem er etwas gegessen und ein Quartier für die Nacht gefunden hatte, würde er den Mons Neptunius hinaufsteigen und Iuppiter ein kleines Dankesopfer darbringen.



    Tarracina ist eine wohlhabende Hafenstadt in


    Latium und liegt 63 römische Meilen,


    bzw. 3 Tagesreisen von Rom entfernt.


    Tarracinas wichtigstes Bauwerk ist der Tempel


    des Iuppiter Anxur auf dem Mons neptunius, einem


    steil aufragendem Felssporn an der Küste.


    Hier treffen die volskischen Hügel auf das Meer,


    die Stadt ist im Nordwesten umgeben von den


    Pontinischen Sümpfen.


    Nach seinem schmackhaften Mittagsmahl fühlte sich Carbo gleich um einiges besser und motivierter (falls das überhaupt möglich war) und am liebsten hätte er den Pferden die Peitsche gegeben und sie laufen lassen. Aber das wäre ein wenig ungesund für die Achsen des Wagens gewesen, weshalb er es doch lieber sein ließ. Doch etwas schneller ließ er sie trotzdem traben, er wollte ja nicht das Gefühl haben wieder auf seinem elendst langsamen Ochsengespann zu sitzen, mit dem er einst Mogontiacum in Richtung Süden verlassen hatte. Er musste sich sowieso sputen, denn der Löwenanteil der heutigen Tagesreise lag erst noch vor ihm, obwohl es jetzt schon nach Mittag war. Forum Appii, sein Tagesziel wo er nächtigen wollte, lag nämlich noch ganze 28 Meilen vor ihm, während Carbo von Rom aus bislang erst 18 Meilen zurückgelegt und dafür den ganzen Vormittag gebraucht hatte. Also musste er zusehen, dass er schneller wurde. Wie lange die Pferde einen Dauertrab wohl aushielten? Genau konnte er das nicht sagen, dafür hatte er zu wenig Reiseerfahrung. Doch am besten er nutzte diese Gelegenheit gleich, um diese Frage zu beantworten.
    Die Straße führte eine ganze Weile lang stetig bergauf, bis Carbos Wagen den Scheitelpunkt erreichte und links von ihm der Blick auf einen wunderschönen großen See frei wurde. "Ooooh" machte da der Junge voller Erstaunen über so viel Schönheit. Das musste der Nemorensis lacus sein, oder war es doch der Albanus lacus? Carbo hatte keine Ahnung was da jetzt stimmte, er wusste nur, dass er hier den zweiten großen See der Gegend vor sich hatte. Den ersten hatte er schon kurz vor Aricia passiert gehabt, jedoch ohne ihn sehen zu können. Für eine kurze Weile hielt er seine Pferde an, um den Blick auf den See auf sich wirken lassen zu können, erst dann ließ er seine Pferdchen wieder antraben. Da es jetzt die Anhöhe wieder hinab ging konnte er sie sogar etwas schneller laufen lassen. Die weitere Strecke war geprägt von lockerem Buschland und grünen Wiesen. Es fanden sich kaum Bäume hier und wenn, dann nur sehr kleine Exemplare, die mehr an ein Gestrüpp, als einen Baum erinnerten. Kein Vergleich auf jeden Fall zu den mächtigen Tannen und Fichten seiner keltisch-germanischen Heimat nördlich der Alpen. Die ganze Strecke verlief ziehmlich eben, oder teils bergab, weshalb Carbo den raschen Trab seiner Pferde beibehielt. Für seine Begriffe kam er rasch voran, wenn auch die Sonne sich unaufhaltsam immer mehr dem Horizont näherte. Als sie dann schon zur Hälfte versunken war, kam Carbo gerade durch den kleinen Straßenort Tres Tabernae, jedoch hielt er nicht an. Forum Appii lag immer noch gut 10 Meilen vor ihm. So kam es also, dass es Nacht wurde und Carbo gar nicht bemerkte in der Finternis, dass er nach und nach in das Gebiet der Pontinischen Sümpfe gelangte, die das ganze Gebiet von Antium bis Tarracina einnahmen. Gut zwei Stunden nach Sonnenuntergang erreichte Carbo dann endlich sein Ziel. Seine Glieder waren etwas steif geworden vom ewigen Sitzen und die nächtliche Kälte hatte ihr übriges getan. Neugierig sah er sich ein wenig näher um.


    Forum Apii war für gewöhnlich der erste Halt eines Reisenden aus Rom und war eine Poststation an der Via Appia. Es hieß der Ort war voll betrügerischer Wirte und Bootsmänner, denn hier begann auch der Wasserkanal, der parallel zur Via Appia durch die Pontinischen Sümpfe verlief. Müde machte er sich auf zur nächsten Taverne, um sich ein Zimmer zu mieten. Doch der Wirt (ein unfreundlich aussehender Typ mit unreiner Haut) schüttelte nur den Kopf. Alles ausgebucht, wäre er doch nur etwas früher gekommen, etc. etc.
    So also ging Carbo in das Wirtshaus nebenan, was er fast schon bereute. Hier war es noch schmutziger, als im anderen Haus und die Gestalten an den Tischen wollten ihm auch nicht so recht gefallen. Als dann Carbo später das Bett sah in dem er schlafen sollte gab er es ganz auf. Da schlief er lieber im Stall bei seinen Pferden im Heu, als in so einem versifften Loch. Sein Geld bekam er natürlich nicht zurück, im Gegenteil, durch die zusätzliche "Unterbringung" im Stall musste er sogar noch etwas drauflegen. Als Carbo am nächsten Morgen wieder seinen Wagen bestieg war er sich sicher; Forum Appii würde ihn nie wieder sehen. Wieso hatte er nicht vorher schon in Tres Tabernae angehalten gehabt? Doch jetzt war es eindeutig zu spät zum jammen, also ging sie weiter seine wilde Fahrt. Heute konnte er es zum Glück langsamer angehen, da er nur 16 Meilen zurücklegen musste, ehe er sein nächstes Ziel, Tarracina, erreichte also eine gute halbe Tagesreise. Mittlerweile hatte sich die Landschaft merklich verändert. Soweit sein Auge reichte nichts als Sumpfland, nur unterbrochen von der Via Appia, die spießgerade durch den Moorast führte. Das würde wohl eine nicht ganz so abwechslungsreiche Tour werden. Doch dafür herrschte auf der Via Appia reger Verkehr, sodass Carbo trotzdem regelmäßig etwas zum schauen hatte. Viele gewöhnliche Passanten gab es zu bestaunen, doch auch einige ausgefallenere Fälle darunter, wie ein sehr verlumpt aussehender Krämer, oder eine kleine Kompanie Soldaten, die an seinem Wagen vorbeimarschierten.
    Dank seines zeitigen Aufbruchs von Forum Appii (er hätte es dort auch keine Sekunde länger ausgehalten) traf es sich dann, dass Carbo wieder genau zur Mittagszeit sein heutiges Etappenziel Tarracina erreichte. Also fertig für heute, den Rest des Tages würde er hier verbringen und auch gleich im Ort übernachten.


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    Von Rom kommend fuhr Carbo mit seinem Wagen zu einem nahe gelegenen Stall und ließ ihn dort sicher unterbringen. Danach machte er sich zu Fuß auf, um seine erste echte italische Stadt zu erkunden.
    Denn das war Aricia für ihn immerhin, wenn man Ostia nicht mitzählte (was Carbo auch nicht tat, wo dieser altehrwürdige Hafen doch nichts anderes als eine bloß etwas entferntere römische Vorstadt war). Der Charackter der Stadt unterschied sich deutlich von Rom. Alles war viel ländlicher und bodenständiger gebaut, doch merkte man trotzdem die uralte Eigenständigkeit dieser Stadt an, wo Aricia in der Frühzeit zeitweise ja sogar eine Konkurrenz für Rom gewesen war. Auch die Menschen waren hier weniger prunkvoll gekleidet, alles war etwas mehr nach Carbos Geschmack. Interessiert sah er mal hierhin und mal dorthin und versuchte seine Augen überall gleichzeitig zu haben, wo er ja ansonsten nicht viel Gelegenheit dazu haben würde diese Stadt zu erkunden, wenn er heute Abend noch bei Forum Apii ankommen wollte.


    In der Nähe des Heiligtums der aricischen Diana hatten besonders viele Händler ihre Marktstände aufgebaut, die den zahlreich vorbeikommenden Pilgern und Reisenden Weihrauch, Krims Krams, Reiseutensilien und kleine Statuetten der jungfräulichen Göttin feilboten. Bei so einer Gelegenheit schlug Carbo dann doch zu und kaufte als Andenken eine der Statuetten der Diana. Während des Bezahlens fragte er den Händler auch gleich wo hier die nächste Taverne, oder sonstige Essensmöglichkeit wäre. Der Händler nahm Carbos Münzen entgegen und verwies ihn dann an die Taberna „Lago di Nemi“.
    Er musste ein wenig suchen, doch fand Carbo das Lokal schlussendlich in einem Hinterhof. Es war von einer hübschen kleinen Weinlaube umgeben. Neugierig trat er ins Innere. Zu seinem Glück war es noch früh zu Mittag, weshalb es hier noch nicht allzu voll war. Doch der stetige Zustrom an neuen Gästen, die nach Carbo kamen, ließ ihn vermuten, dass sich das in Kürze wohl geändert haben würde. Carbo setzte sich und bestellte zuerst einmal einen großen Becher mit verdünntem Wein. Danach fragte er den Kellner was er ihm heute empfehlen würde und bekam die Information, dass das „Lago di Nema“ besonders für seine Kalbsmedaillons in Zitronensauce bekannt sei. Natürlich bestellte sich Carbo genau das. Mal sehen was die latinische Küche außerhalb Roms so zu bieten hatte!


    Trotz des schön langsam voll werdenden Gastraums bekam Carbo sein Essen relativ zügig serviert. Zwei große saftige Fleischstücke lachten ihn da von seinem Teller an, ein wahrer Traum von Mittagessen. Die reiche Sauce schmeckte wie Zitronen, frisch vom Baum, und der dazugehörige Olivensalat war ein echtes Gedicht. Das Brot kostete zwar extra, doch dafür kam es frisch aus dem Ofen. Sogar warm war es noch. Er musste wirklich zugeben, dass er bislang noch nichts vergleichbares in letzter Zeit zu sich genommen hatte. Um dem ganzen dann noch die Krone aufzusetzen, fand Carbo bei der Bezahlung heraus, dass es zu allem dem sogar noch verhältnismäßig billig war trotz dieses exquisiten Geschmacks!
    Doch wenn man sich im übervollen und lärmenden Gastraum so umsah, so wunderte es einen dann doch nicht. Wenn viele Gäste kamen waren damit wohl auch die Preise automatisch niedriger, Carbo war wirklich froh hier gegessen zu haben. So hatte er jetzt genug Kraft für den Rest des Tages bis nach Forum Apii, über das er eher weniger positives gehört hatte. Doch besser, wenn er eine Ortschaft nicht schon vor deren erstmaliges Betreten verurteilte.
    Gemächlich schlenderte er durch die Straßen Aricias zurück zu jenem Stall, wo er seinen Wagen geparkt hatte, stieg auf und fuhr wieder hinaus auf die Via Appia, weiter in Richtung Süden.

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    Die Wiesen und Felder vor Rom waren noch feucht vom Tau des neuen Morgens. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch war es trotzdem schon hell genug, um die römischen Vögel zu wecken, die bereits in den Ästen der Zypressen hockten und einander zuzwitscherten. Die Karren und Lieferanten waren schon längst wieder aus den Straßen verschwunden und so herrschte tiefste Stille, als Carbo mit seinem Reiseproviant und seinem übrigen Gepäck durch das noch schlafende Rom wanderte. Wieder staunte er, denn so hatte er das Haupt der Welt bislang auch noch nicht wahrgenommen. Sein erster Halt würde die Stadt Aricia sein, ganze 18 römische Meilen von hier entfernt. Er würde gut einen halben Tag brauchen, um dahin zu kommen.
    Nach dem Circus Maximus passierte Carbo am südwestlichen Abhang des Caelius die Porta Capena und befand sich somit jetzt schon mal auf dem freien Land vor den Mauern der Ewigen Stadt. Nur ein paar Meter weiter vorne am rechten Straßenrand stand auch schon jene Taverne, bei der er sich einen Wagen samt Pferdegespann gemietet hatte. Im Stall stand schon alles für ihn bereit, sodass Carbo nur noch einzuladen und loszufahren brauchte. Wenige Augenblicke war es dann auch schon soweit, seine Reise nach Cumae konnte beginnen!


    Cumae war zu Lande vier Tagesreisen von Rom entfernt, oder anders gesagt 135 römische Meilen. Mit dem Schiff wären es nur zwei Tage gewesen, was bedeutete, dass er seine ganze Reise hin und zurück samt Orakelbesuch und Stadterkundung theoretisch innerhalb von fünf Tagen vollständig abwickeln könnte. Tat er aber nicht. Der Junge hatte absichtlich den um das doppelte langsameren Landweg über die Via Appia gewählt, denn Carbo fand, wenn er sich schon einmal südlich der Alpen aufhielt, dann wollte er auch so viel wie möglich von Italia sehen! Er wollte unterwegs die mediterrane Flora auf sich wirken lassen, die hier liegenden Städte sehen und die hier lebenden Menschen kennenlernen. Roma hatte ihm schon viel gegeben, jetzt war es endlich an der Zeit, dass er auch den Rest des Landes zu Gesicht bekam und bei einer Reise per Schiff war das leider nun einmal völlig unmöglich.


    Gemächlich trotteten seine Gäuler dahin, Carbo obenauf am Kutschbock des Wagens. Genauso wie im noch schlafenden Rom herrschte auch hier auf den Feldern und in den Hainen tiefste Stille, abgesehen vom Gesang der Vögel natürlich. Jetzt wurde es auch noch heller und heller, bis endlich die ersten Strahlen der Morgensonne links von Carbo am Horizont erglühten. Das Himmelsrund begann nun rasch emporzusteigen, es war einfach magisch. Es gab wohl nicht viel vergleichbares, als wenn man auf weiter Flur Zeuge vom Aufgang der Sonne wurde. Vom zuerst nur erhellten Horizont, bis dann endlich die ersten paar Spitzen von Sols Wagen ersichtlich wurden, gefolgt von seinem völligen Aufgang, wenn die ganze latinische Landschaft in gelboranges Licht eines noch jungen neuen Tages getaucht wurde. Die ersten paar Stunden war Carbo ziehmlich alleine auf der Via Appia. Es war völlig anders, als seine Reise damals von Mogontiacum nach Massilia, wo er immerhin einen Reisegenossen in dem massilischen Händler Lucius Rufus gefunden gehabt hatte. So eine Ablenkung fehlte aber jetzt und der Junge war völlig alleine mit seinen Gedanken. Die Tiefe Stille drückte beinahe schon auf seine Ohren, denn auch kein bisschen Wind regte sich, der vielleicht durch die Blätter von Bäumen und Büschen hätte fahren können. Erst als es immer mehr gegen Mittag zuging traf Carbo auf mehr und mehr Passanten, die seinen Weg kreuzten. Einmal war es nur ein alter Mann (vermutlich ein Schäfer), der mit Hut und Wanderstock bewaffnet am Wegesrand entlangtrottete, ein anderes Mal war es ein Händler auf seinem Wagen voll mit Ware auf dem Weg nach Rom.
    Je näher der Mittag kam, desto mehr Verkehr herrschte auf der Straße, der seinen Höhepunkt kurz vor Aricia fand.
    Nicht viel später und Carbo erreichte das Ziel seiner ersten Reiseetappe. Hier wollte er das prandium* einnehmen und dann so schnell wie möglich weiterfahren, um heute Abend noch möglichst Forum Apii erreichen zu können und dort dann zu übernachten. Schon von weitem bot Aricia einen einzigartigen Anblick. Da die Stadt auf einem steilen Hügel errichtet worden war, bzw. ein kleines Tal rund um den Ort war, führte hier die Via Appia über eine gewaltige Brücke hin zur Stadt, genauso auch wie am anderen Ortsende wieder.
    Neugierig lenkte Carbo seine Rosse in Richtung Stadteingang und betrat das Städtchen Aricia


    * Prandium (lat.) = Mittagessen

    Carbo stand abends in seinem Zimmer und war gerade dabei alle seine Kleidungsstücke aus der Truhe neben seinem Bett zu nehmen und reisefertig zusammenzupacken. Er spürte eine nicht aufhören wollende Anspannung in sich. Anspannung und eine enorme Vorfreude, dass es endlich wieder für ihn hinaus in die Welt ging! Seine Arbeit beim imperialen Postdienst und nicht zuletzt die glänzenden Umsätze seines eigenen Farbmischergeschäfts hatten ihn nach gut einem Jahr Aufenthalt in Rom in eine stabile finanzielle Lage gebracht, sodass es sich Carbo endlich leisten konnte eines seiner ältesten Ziele zu erfüllen, von dem er schon seit Jahren gesprochen hatte, seit er nach Mogontiacum in Germania Superior gekommen war: Seine Reise zum Orakel nach Cumae!


    Alles hatte damit angefangen, dass ein Verrückter Carbo aufgrund falscher Gerüchte mitten in der Taberna Silva Nigra niedergestochen und den Jungen daraufhin an den Rand des Todes gebracht hatte. Nur die fürsorgliche Pflege der guten Susina Alpina hatte ihm das Leben gerettet. Während seines Fieberwahns hatte Carbo eine rätselhafte Vision gehabt, die ihn seither nicht mehr losgelassen hatte. Schon damals auf seinem Krankenlager hatte sich Carbo geschworen gehabt; eines Tages würde er genug gespart haben, um nach Süden zu reisen und das Orakel von Cumae in Italia aufzusuchen und es über diese Vision zu befragen!
    Er hatte schon einmal versucht diese Reise anzutreten, doch schon kurz nach seinem Aufbruch war Carbo doch wieder umgekehrt. Er war einfach noch nicht bereit gewesen für eine so lange Reise, sowohl psychisch, als auch finanziell. Dann waren darauf das eine Jahr als Stadtschreiber und danach seine Amtszeit als Magister Vici gefolgt, ehe er sich dafür in der Lage befand es erneut zu versuchen und dieses Mal war es ihm gelungen und nach einer langen und wundervollen Reise (während der er sogar die Freuden der Entjungferung erfahren hatte), hatte er am Ende doch endlich Rom erreicht, um hier ein wenig zu verbleiben und Geld zu verdienen. Gut 3-4 Jahre der stetigen Vorbereitung und des Sparens für das letzte Teilstück seiner langen langen Odysee nach Cumae und all das würde schon bald endlich enden und ein großes Kapitel seines Lebens schließen.


    Bestimmt würde er diese Nacht nicht ordentlich schlafen können so aufgeregt wie er war. Alles lag schon bereit für die Reise in seinem Zimmer verstreut, er musste die Sachen nur noch zusammenlesen und ordentlich verpacken. Proviant war besorgt, ein passendes Vehikel reserviert und auch sonst waren alle nötigen Vorbereitungen getroffen. Carbo arbeitete noch gut eine Stunde, bis endlich alles zu seiner vollen Zufriedenheit verstaut und fertig war, dann legte der Junge sich ins Bett und versuchte wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zusammenzukratzen.


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