Nach seinem schmackhaften Mittagsmahl fühlte sich Carbo gleich um einiges besser und motivierter (falls das überhaupt möglich war) und am liebsten hätte er den Pferden die Peitsche gegeben und sie laufen lassen. Aber das wäre ein wenig ungesund für die Achsen des Wagens gewesen, weshalb er es doch lieber sein ließ. Doch etwas schneller ließ er sie trotzdem traben, er wollte ja nicht das Gefühl haben wieder auf seinem elendst langsamen Ochsengespann zu sitzen, mit dem er einst Mogontiacum in Richtung Süden verlassen hatte. Er musste sich sowieso sputen, denn der Löwenanteil der heutigen Tagesreise lag erst noch vor ihm, obwohl es jetzt schon nach Mittag war. Forum Appii, sein Tagesziel wo er nächtigen wollte, lag nämlich noch ganze 28 Meilen vor ihm, während Carbo von Rom aus bislang erst 18 Meilen zurückgelegt und dafür den ganzen Vormittag gebraucht hatte. Also musste er zusehen, dass er schneller wurde. Wie lange die Pferde einen Dauertrab wohl aushielten? Genau konnte er das nicht sagen, dafür hatte er zu wenig Reiseerfahrung. Doch am besten er nutzte diese Gelegenheit gleich, um diese Frage zu beantworten.
Die Straße führte eine ganze Weile lang stetig bergauf, bis Carbos Wagen den Scheitelpunkt erreichte und links von ihm der Blick auf einen wunderschönen großen See frei wurde. "Ooooh" machte da der Junge voller Erstaunen über so viel Schönheit. Das musste der Nemorensis lacus sein, oder war es doch der Albanus lacus? Carbo hatte keine Ahnung was da jetzt stimmte, er wusste nur, dass er hier den zweiten großen See der Gegend vor sich hatte. Den ersten hatte er schon kurz vor Aricia passiert gehabt, jedoch ohne ihn sehen zu können. Für eine kurze Weile hielt er seine Pferde an, um den Blick auf den See auf sich wirken lassen zu können, erst dann ließ er seine Pferdchen wieder antraben. Da es jetzt die Anhöhe wieder hinab ging konnte er sie sogar etwas schneller laufen lassen. Die weitere Strecke war geprägt von lockerem Buschland und grünen Wiesen. Es fanden sich kaum Bäume hier und wenn, dann nur sehr kleine Exemplare, die mehr an ein Gestrüpp, als einen Baum erinnerten. Kein Vergleich auf jeden Fall zu den mächtigen Tannen und Fichten seiner keltisch-germanischen Heimat nördlich der Alpen. Die ganze Strecke verlief ziehmlich eben, oder teils bergab, weshalb Carbo den raschen Trab seiner Pferde beibehielt. Für seine Begriffe kam er rasch voran, wenn auch die Sonne sich unaufhaltsam immer mehr dem Horizont näherte. Als sie dann schon zur Hälfte versunken war, kam Carbo gerade durch den kleinen Straßenort Tres Tabernae, jedoch hielt er nicht an. Forum Appii lag immer noch gut 10 Meilen vor ihm. So kam es also, dass es Nacht wurde und Carbo gar nicht bemerkte in der Finternis, dass er nach und nach in das Gebiet der Pontinischen Sümpfe gelangte, die das ganze Gebiet von Antium bis Tarracina einnahmen. Gut zwei Stunden nach Sonnenuntergang erreichte Carbo dann endlich sein Ziel. Seine Glieder waren etwas steif geworden vom ewigen Sitzen und die nächtliche Kälte hatte ihr übriges getan. Neugierig sah er sich ein wenig näher um.
Forum Apii war für gewöhnlich der erste Halt eines Reisenden aus Rom und war eine Poststation an der Via Appia. Es hieß der Ort war voll betrügerischer Wirte und Bootsmänner, denn hier begann auch der Wasserkanal, der parallel zur Via Appia durch die Pontinischen Sümpfe verlief. Müde machte er sich auf zur nächsten Taverne, um sich ein Zimmer zu mieten. Doch der Wirt (ein unfreundlich aussehender Typ mit unreiner Haut) schüttelte nur den Kopf. Alles ausgebucht, wäre er doch nur etwas früher gekommen, etc. etc.
So also ging Carbo in das Wirtshaus nebenan, was er fast schon bereute. Hier war es noch schmutziger, als im anderen Haus und die Gestalten an den Tischen wollten ihm auch nicht so recht gefallen. Als dann Carbo später das Bett sah in dem er schlafen sollte gab er es ganz auf. Da schlief er lieber im Stall bei seinen Pferden im Heu, als in so einem versifften Loch. Sein Geld bekam er natürlich nicht zurück, im Gegenteil, durch die zusätzliche "Unterbringung" im Stall musste er sogar noch etwas drauflegen. Als Carbo am nächsten Morgen wieder seinen Wagen bestieg war er sich sicher; Forum Appii würde ihn nie wieder sehen. Wieso hatte er nicht vorher schon in Tres Tabernae angehalten gehabt? Doch jetzt war es eindeutig zu spät zum jammen, also ging sie weiter seine wilde Fahrt. Heute konnte er es zum Glück langsamer angehen, da er nur 16 Meilen zurücklegen musste, ehe er sein nächstes Ziel, Tarracina, erreichte also eine gute halbe Tagesreise. Mittlerweile hatte sich die Landschaft merklich verändert. Soweit sein Auge reichte nichts als Sumpfland, nur unterbrochen von der Via Appia, die spießgerade durch den Moorast führte. Das würde wohl eine nicht ganz so abwechslungsreiche Tour werden. Doch dafür herrschte auf der Via Appia reger Verkehr, sodass Carbo trotzdem regelmäßig etwas zum schauen hatte. Viele gewöhnliche Passanten gab es zu bestaunen, doch auch einige ausgefallenere Fälle darunter, wie ein sehr verlumpt aussehender Krämer, oder eine kleine Kompanie Soldaten, die an seinem Wagen vorbeimarschierten.
Dank seines zeitigen Aufbruchs von Forum Appii (er hätte es dort auch keine Sekunde länger ausgehalten) traf es sich dann, dass Carbo wieder genau zur Mittagszeit sein heutiges Etappenziel Tarracina erreichte. Also fertig für heute, den Rest des Tages würde er hier verbringen und auch gleich im Ort übernachten.
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