Beiträge von Publius Gavius Balbus

    Balbus war nicht entgangen, dass sich in der benachbarten Hälfte der Casa Helvetia wieder etwas regte. Als ihm Liam steckte, dass der Hausherr Iullus Helvetius Curio zurückgekehrt war, beschloss Balbus ihn zu begrüßen. Er öffnete also die Tür zum gemeinsamen Atrium des Hauses und trat ein.
    "Liam, kannst du bitte Helvetius Curio sagen, dass ich da bin. Frage ihn doch bitte ob er Zeit hat, mit mir ein paar Worte zu wechseln. Es wird nicht lange dauern."


    Der Sklave nickte und trabte los, den Hausherren zu informieren.

    Mit gesenktem Kopf hörte Balbus der Kräuterfrau zu. Es musste wohl so enden. Wie recht sie hatte. Dann aber schnellten seine Augenbrauen hoch. Eine neue Chance geben? Wie meinte sie das?
    Einen Augenblick später erläuterte sie, wie sie es meinte. Fassungslos starrte Balbus Alpina an. Das meinte sie nicht ernst, oder? Sie wollte ihm ihre Taberna medica überlassen? Als Urlaubsvertretung gewissermaßen? Wie konnte sie so viel Vertrauen in ihn haben wo er doch gerade gezeigt hatte, was für ein versoffener und unzuverlässiger Kerl er war?


    Balbus wusste zunächst nicht was er sagen sollte. Dann nahm er scheigend die Hand der Raeterin. Erst drückte er sie, dann traten im die Tränen in die Augen. Um diese vor der Frau zu verbergen und als Zeichen seines tiefsten Dankes beugte er sich über die zarte Hand und küsste sie.
    "Ich werde dich nicht enttäuschen!", sagte er zu seinem eigenen Erstaunen mit fester Stimme. Ungläubig lauschte er diesem Satz und nickt dann innerlich wie äußerlich um sich selbst zu bekräftigen, dass es so sein würde. Er bekam eine zweit Chance und hatte nicht vor, diese großzügige Frau zu enttäuschen. Sein "Danke, Alpina!" kam dann schon nicht mehr so fest, sondern mit gehörigem Zittern in der Stimme.

    Balbus hörte die Worte wohl. Sowohl die des jungen Germanen als auch die der Hebamme. Aber er hatte nun Schweißausbrüche und Kälteschauer. Dazu dieses furchtbare Zittern der Hände und die massiven Kopfschmerzen.
    Er sah Atilianus an. Der Junge war nett. Die raetische Kräuterfrau erst recht. Balbus schämte sich. Er schämte sich in Grund und Boden. Alpina hatte gefragt ob man im Ludus Bescheid geben müsse... sie wollte eine Antwort hören.
    Balbus wollte lügen... aber dann würde alles nur noch schlimmer. Also entschied er sich für die Flucht nach vorne.
    "Das mit dem Ludus ist Geschichte... meine unsägliche Vergangenheit. Der Grund allen Übels, die Quelle meines Versagens!"


    Tränen traten ihm in die Augen. Plötzlich wurde Balbus klar was ihn in den Suff getrieben hatte. Er hatte sich minderwertig gefühlt dort unter den ganzen Kerlen, den muskelbepackten Kärmpfern, die ihn mit dem kleinen Finger zu Boden schicken konnten, die keine Angst vor dem Tod hatten und die jede Frau haben konnten, die sie haben wollten. Ja, er hatte sich minderwertig gefühlt. Sein Können war nicht geschätzt worden, seine Fähigkeiten wurden nicht gefordert. Also hatte er sich gelangweilt. Was tat man wenn man sich langweilte und für minderwertig hielt? Man soff. Um es zu vergessen, um sich eine Phantasiewelt zu erträumen.
    "Alpina, man hat mich rausgeworfen! Weil ich so ein versoffenes Arschloch bin. Weil ich ein nutzloses Nichts bin! Ich bin nichts und ich habe nichts. Kein Geld, kein Dach überm Kopf und auch keine Anstellung mehr. Ich bin da wo ich hingehöre.... in der Gosse, am Tor zur Schattenwelt. Ich höre die Ruderschläge Charons schon. Alpina..."


    Nun heulte er wirklich. Wie Cerberus, der Höllenhund.

    Nun, Gladiator war er nicht. Er kannte also Balbus unrühmliche Vergangenheit nicht und wusste auch nicht um die Gründe seines Abgangs aus dem Ludus. Aber was musste er schon erklären, er war völlig betrunken wohl zusammengeschlagen und beraubt worden... peinlich genug.
    "So, ein Schmiedegehilfe bist du? Wie löblich! Bist harte Arbeit gewöhnt, was? So, ein germanischer Sklave oder eher Freigelassener bist du. Ich kann dir nur raten, fleißig zu sein und deine Finger vom Wein zu lassen. Ich habe den Fehler gemacht, diesem zu verfallen. Und sieh was aus mir geworden ist... eine Witzfigur. Ich bin meinen gutbezahlten und sicheren Job als Chirurgicus verloren und bin nun wohnungslos und arm wie eine Tempelmaus."


    Er schüttelte seinen Kopf und wirkte tatsächlich ziemlich zerknirscht.

    Unwillig ließ sich Balbus helfen. Er wollte eigentlich nicht den Eindruck eines Schwächlings machen und schon die Tatsache, dass der kräftige junge Mann ihm half in die Taberna medica zu kommen ärgerte ihn. Es blieb jedoch nichts, denn die Mischung aus Restalkohol und der Gehirnerschütterung, die er sich wohl zugezogen hatte, führte dazu, dass Balbus nicht ohne Hilfe gehen konnte.


    Endlich angekommen in der Taberna ließ er sich auf die angebotene Liege fallen und seufzte. Alpina beschäftigte sich und den jungen Kerl damit alles nötige für die Wundreinigung zu organisieren.


    Als sie gerade im Haus verschwunden war blieb er mit dem Jüngling alleine.
    "Sag, du... äh wie war gleich dein Name? So wie deine Arme aussehen, könntest du Gladiator sein. Ich habe dich im Ludus aber nie gesehen. Was bist du von Beruf? Und wo kommst du her?"

    Balbus wollte protestieren. Gleich mehrere Dinge klarstellen. Zum einen war er nicht mehr der Chirurgicus des Ludus - man hatte ihn gefeuert. Doch das war Balbus peinlich und dem jungen Schmiedegehilfen würde er das sicher nicht auf die Nase binden. Zum zweiten glaubte er durchaus ohne Hilfe gehen zu können. Der erste gescheiterte Versuch machte ihn dann jedoch etwas zaghafter. Als der Jungspund ihn dann hochzog, versuchte Balbus zumindest Haltung zu bewahren. Ihm war die ganze Situation extrem peinlich. Je schneller es vorbei war, desto besser!
    Alpinas ungewohnt schroffe Art tat ihr übriges dazu, dass sich Balbus so gut als möglich zusammenriss. Er hing zwar mehr als dass er stand, aber es sah so aus als könne es losgehen in Richtung der Taberna medica.

    In Balbus lädiertem Kopf wummerte es. Er versuchte sich zu konzentrieren. Alpina wollte ihn mitnehmen und transportieren lassen. Balbus entschied, dass er selbst laufen konnte und setzte sich auf. Alles drehte sich. Mit einem Stöhnen musste er sich niederlegen.


    In diesem Moment klopfte es. Den Mann, der eintrat, kannte Balbus nicht. Sein verwirrter Blick ging von Alpina zu Inga und dem Mann in der Tür, den die Germanin eingelassen hatte.


    "Ich kann selbst gehen!", protestierte er zu allem Überfluss. Jeder konnte sehen, dass er es nicht konnte, aber Balbus konnte das im Augenblick nicht so einschätzen. Immerhin fand er die Vorstellung gut, bei Alpina unterzukommen. Allemal besser als in diesem Loch hier...


    Sim-Off:

    Wegen mir gerne. Nur zu.

    Der harsche Ton ließ Balbus wieder in die Wirklichkeit zurückkehren. Er öffnete die Augen. Die grünen Augen der raetischen Hebamme sprühten Funken. Sie schien wütend zu sein. Er versuchte sich auf ihre Worte zu konzentrieren.
    Zugerichtet? Suff? Beraubt? Zusammengeschlagen?


    Ein Schwall Wasser beendete die Benommenheit.
    Langsam dämmerte es dem Chirurgicus warum er sich so beschissen fühlte. Alles schien ihm weh zu tun. Der Kopf, der Rücken, die Arme, der Unterleib. Eigentlich war er ein einziger Schmerz. Dazu kam das sichere Gefühl einen mächtigen Kater zu haben. Das kannte Balbus nur zur Genüge.
    Ja, vermutlich hatte die kleine Raeterin recht. Er hatte gesoffen und war wohl auch Opfer irgendeines Mistkerls geworden, der es auf seine Wertsachen abgesehen hatte. Wertsachen? Welche Wertsachen? Sein Geld hatte er ohnehin vermutlich längst versoffen gehabt. Aber da war noch sein Chirurgenbesteck. Balbus begann sich umzusehen.
    Wo war er überhaupt? Was für ein abgerissener Schuppen war denn das? Und wer war die Fettel da bei Alpina? Die, die ihm das Wasser über den Kopf gekippt hatte? Hatte er in seinem Suff wirklich so wenig Geschmack bewiesen sich diese alte Fettel ins Bett zu holen? Nein, das konnte nicht sein. Bestimmt war er dazu ohnehin nicht mehr in der Lage gewesen.


    "Schon gut, Alpina. Schon gut. Ich bin wach. Wie kommst du darauf, dass mich jemand zusammengeschlagen und beraubt hat? Wo sind meine Sachen? Wo ist mein Arztbesteck?"

    Ein scharfter Schmerz durchzuckte seinen Körper. Der Kopf schien zu zerspringen. Kopfschmerzen hatte er nicht wenig dazu kam nun aber auch ein scharfes Ziehen, wie es bei der Desinfektion einer Wunde auftrat. Balbus stöhnte auf. Er schlug um sich, um die Ursache für den Schmerz zu beseitigen. Als das Stechen nicht aufhörte, schlug er die Augen auf. In dem verschwommenen Farbgemisch erkannte er die Gesichtszüge einer Frau. Wer war sie? Eine Hure, die ihm eins übergebraten hatte?
    Eine Stimme dran zu ihm. Sie klang in seinem Kopf wie mehrfach verstärkt. Der Kopfschmerz steigerte sich. Balbus stöhnte. Er vernahm seinen Namen, versuchte sich nun zu konzentrieren, zu verstehen was sie sagte. ....A-l-p-i-n-a....
    Alpina? Wer beim Tartarus war Alpina?


    Erkennst du mich?
    Wie sollte er? Er erkannte gar nichts scharf. Nur Farbflächen und Lichtblitze...


    Balbus machte die Augen wieder zu. Doch sein benebelter Geist arbeitete noch mit den Informationen, die sich in die Watte seines Gehirns geschlichen hatten.
    Alpina... Alpina... ich sollte sie erkennen... warum? Wer war Alpina?


    Dann aber schien eine Zelle seines vom Alkohol und den Schlägen durcheinandergebrachten Denkapparates zu leben zu erwachen. Sie funkte eine Nachbarzelle an und die wiederum eine andere, weiter entfernte. Plötzlich tauchte ein Bild vor seinen geschwollenen und geschlossenen Lidern auf. Ein Bild, das sein Gehirn mit dem Namen Alpina verband. Eine rothaarige Frau mit Sommersprossen. Ein Geruch schlich sich in die Erinnerung - Kräuter! Die Kräuterfrau und Hebamme!


    Balbus zwang sich die Augen erneut zu öffnen. Die Farbflächen schienen sich nun zu einem Bild zusammenzuschieben. Das war Alpina! Genau! Sie war es! Sie schien auf eine Antwort zu warten.


    "Hmm...." brachte der Chirurgicus mühsam hervor. Dann schloss er den Vorhang seiner Lider erneut und überließ sich dankbar Hypnos.

    Ein Lichtstrahl traf schmerzend die Retina seines linken Auges. Das rechte ließ sich nicht öffnen. Balbus bemühte sich die Farbenflut die in sein Auge drang zu ordnen. Langsam bildete sich aus den Farbflächen und Doppelbildern ein halbwegs klares Bild. Ein dreckiges Weibsstück hatte ihre Finger in seinem Bünde. Balbus packte ihr Handgelenk.


    "Nimmmmm daine dreggigen Pfoten weg, Weib!", knurrte er ärgerlich.


    Dann überwältigte ihn der Schmerz und er sank erneut zurück in die Besinnungslosigkeit.

    Der Rauswurf aus dem Ludus hatte Balbus vollkommen aus der Bahn geworfen. Er versoff sein letztes Geld in einer der billigen Tabernae in den Cabanae. Als er versuchte eine der Lupae auf der Straße zu bedrängen, geriet er an den Falschen. Der Beschützer der Lupa hatte leichtes Spiel. Balbus war schmächtig und betrunken. Er war in desolatem Zustand.


    Ein paar Schläge und Tritte, dann sank der Chirurgicus auf der verschlammten Straße nieder. Der Länge nach fiel er in den Dreck, stöhnte, rollte sich von einer Seite zur anderen und wurde schließlich bewusstlos.

    Auch der gescheiterte Chirurgicus des Ludus der Gladiatoren stand am Straßenrand und stellte sich auf die Zehenspitzen, um die Augusta und den neuen Statthalter sehen zu können.
    "Vivat, Augusta! Vivat Legatus Augusti!"


    Schön war sie, die Kaiserin, führwahr! Doch die Dame in Blau an ihrer Seite, die war noch viel reizvoller, befand der Chirurgicus. Die würde er doch zu gerne mal auf seine Behandlungsliege legen und intensiv untersuchen.

    Balbus realisierte erst mit Verspätung, dass der Auftritt Batos ein eindeutiger Rauswurf war.


    Der stechende Schmerz in seinem Kopf wütete. Dann nahm Balbus den Gestank wahr, den er verbreitete. Diese ekelerregende Mischung aus Wein, Erbrochenem und Pisse. Balbus würgte und erbrach sich erneut.


    Wie er es schließlich dennoch schaffte, sich aufzurappeln, zu säubern und seine Sachen zu packen, vermochte der Chirurgicus später nicht mehr zu sagen. Alles was er besaß passte in eine Truhe und eine Lederne Umhängetasche.
    Unter den stummen Blicken der Gladiatoren schlich sich der Chirurgicus ohne Festanstellung aus dem Ludus.

    Ein brüllender Schmerz in den Rippen holte Balbus aus seinem traumlosen Schlaf. Stöhnend krümmte sich der Chirurgicus zusammen. Sein ungläubiger Blick traf Bato, den Lanista des Ludus.
    "Erbärmlich!" Bato spie die Worte beinahe aus. "Du bist eine Schande für den Ludus! Verpiss dich, du Taugenichts! Ich meine es ernst! Pack deine Sachen und verschwinde! Ich will dich hier nicht mehr sehen! Bis zur hora sexta bist du verschwunden und nichts, aber rein gar nichts wird noch an dich erinnern!"


    Bato spuckte vor Balbus auf den Boden und machte auf der Ferse kehrt.

    Die Tage schlichen dahin. Es stand gerade kein wichtiger Kampf an und so hatte Balbus nur wenig zu tun. Und je mehr er sich langweilte, desto mehr trank er. Am Abend zuvor hatte einer der Gladiatoren eine Amphore Wein ausgegeben. Er hatte sie von einer seiner vielen Verehrerinnen bekommen. Der Glückspilz. Weiber so viel er haben wollte und Wein bis zum Abwinken. Was für ein Leben. Mal wieder verfluchte der Chirurgicus, dass er so ein schmalbrüstiger Taugenichts war. Umso tiefer blickte er an diesem Abend in den Weinbecher und ertränkte seinen Frust.


    Am kommenden Morgen stand Bato vor dem neben seiner Kline zusammengekrümmt liegenden Chirurgicus und schüttelte den Kopf. Zunächst aus Unglauben, dann aus Ärger. Der Wundarzt lag in seinem Erbrochenen, die Tunika hatte unzählige Flecken, die nicht nur auf den Wein zurückzuführen sein konnten. Er stank bestialisch nach Wein, Erbrochenen und Urin.
    Bato trat den Haufen Dreck mit der Stiefelspitze in die Seite. "Steh auf du Nichtsnutz!", brüllte er mit hochrotem Gesicht.

    Nachdem Balbus Gehilfe Kaeso plötzlich verschwunden war, blieb dem Chirurgicus mal wieder nichts anderes, als sich selbst um die Verletzungen der Gladiatoren zu kümmern. Wie so oft kam er morgens kaum hoch. Der einfache Landwein, den er am Vorabend mit nur wenig Wasser verdünnt hatte, verursachte ärgerliche Kopfschmerzen.


    Griesgrämig machte sich Balbus auf seine erste Runde zu den Verletzten.

    Wie elektrisiert ergriff Balbus die Hand der Schönen, die wie dahingegossen auf der Kline lag. Er führte ihren zarten Handrücken zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss darauf.
    "Es ist mir eine große Freude, dich kennenzulernen, Phryne. Ich hörte schon so viel doch nichts trifft auch nur annähernd die Wahrheit!"


    Keine Sekunde nahm er den Blich von ihren schönen Augen.
    "Ich danke für die Einladung. Darf ich dir mein Geschenk für euren Sohn überreichen?"


    Er ließ sich die Tonschale und den Becher geben, den er gekauft hatte. "Ich hoffe er wird es gerne benutzten."