Beiträge von Maahes

    Maahes musste einen Moment auf eine Antwort warten, da der Dominius nicht von seiner Schreibarbeit aufsah. Es war ein Moment, in welchem der Ägypter sich fragte, was Aesara ihm bereits Ohr zu träufeln versucht hatte. Vielleicht nichts. Vielleicht auch schon eine ganze Menge. Als Caesonius ihm schließlich verkündete, dass ein Brief bei Cursus Publicus abzugeben sei, nickte er und kam noch ein wenig auf den Schreibtisch zu, um den Brief in die Hand zu nehmen. Eigentlich wollte er sich danach leicht verneigen und sich herumdrehen, um den Raum zu verlassen, doch was offenbar das Gespräch noch nicht beendet. Caesonius lehnte sich zurück, nachdem er ihn gefragt hatte, wie es ihm bisher in der Domus ergangen war. Maahes atmete tief durch. Wieder war in seinen Überlegungen, ob ihm Aesara nicht irgendetwas gesagt hatte. Doch wollte er nicht davon ausgehen.


    “Es ist mir gut ergangen, Dominius,“ sagte er deshalb und wollte seine Rede schon beenden. Doch eigentlich solle er erzählen, was er mit diesem einen, schlichten Satz gerade nicht getan hatte. “Es sind alle sehr freundlich zu mir,“ fügte er deshalb noch an. “Der Maiordomus hat mich einigen Aufgaben versorgt, die ich wirklich sehr gerne erledige. Den Stall ausmisten, die Heizanlage reinigen. Zum Beispiel.“ Ob dies eine Lüge oder die Wahrheit war, ließ er einmal dahingestellt. Mit Sicherheit würde sich der Dominus denken können, dass das Reinigen der Heizanlage oder das Ausmisten der Pferdeställe nur für die wenigsten ein Vergnügen war. Aber seine Worte sollen auch nicht nach einer Beschwerde über die Arbeiten klingen. Mit festem Blick schaute er Caesoninus nun entgegen. “Ich kann mich nicht beklagen.“

    Nachdem er das Herein von seinem Herrn gehört hatte, betrat Maahes den Raum und schloss die Tür auch wieder hinter sich, indem er sie anlehnte. Dann kam er auf den Schreibtisch zu und blieb mit zwei Schritten Abstand dazu vor Caesoninus stehen. “Du hast nach mit geschickt, Dominus?“, fragte er mit ernster Stimme und seriöser Miene. Dabei fragte er sich neuerlich, was Aesara genau im Schilde führte, wobei er es sich eigentlich schon denken konnte. Sie verbrachte genug Zeit bei diesem Mann und wie er sie kannte sie gut genug um zu wissen, dass ein Beisammensein mit ihr durchaus sehr kurzweilig sein konnte, wenn es in den Kissen endete und man daraufhin geneigt war, ihr Gift unverdünnt zu genießen. Er selbst ebenso davon kosten können, wie sein neuer Herr vor ihm. Insofern hatten sie vielleicht sogar etwas gemeinsam, was die Sache gewiss nicht besser machte.

    [...]


    Nachdem er aus dem Bad getreten war, war von Aesara keine Spur mehr zu entdecken, was sicherlich besser so war. Ob für ihn oder sie selbst, vermochte er nicht zu sagen. Eilig machte er sich nun auf den Weg zum Cubiculum seines Herrn, wo dieser seiner Information nach, mit einem Brief, der verschickt werden sollte, auf ihn wartete. Vor dem Cubiculum klopfte er, ehe er sich noch einmal seine Tunika zurecht rückte, dann an die Tür, da er nicht unvorhergesehen eintreten wollte.
    Nunmehr war er wieder leidlich vom Schmutz befreit, wobei nur eine dunkle Stelle an seiner Stirn, welche er übersehen hatte, von seiner vorherigen Tätigkeit zeugte.

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    [...]


    Maahes war auf dem Weg zu seinem Herrn Caesoninus, da dieser wegen eines Briefes nach ihm hatte schicken lassen. Vielleicht war dies eine Gelegenheit, diesen Mann besser kennen zu lernen, auch wenn es eigentlich kein sonderlich guter Zeitpunkt war. Der Ägypter kam gerade vom Dienst an den Heizöfen, denn auch wenn dies die warme Jahreszeit war, so mussten diese doch gewartet werden, indem Asche und Ruß entfernt werden mussten. Entsprechend war seine Haut noch mit den dunklen Resten dieser Arbeit überzogen und auch in seinem Gesicht, über welches er sich des öfteren mit dem Ärmel gewischt hatte, gab es starke Anzeichen dieser Tätigkeit. Also hatte er sich entschlossen, erst einmal kurz das Bad der Sklaven aufzusuchen, um sich von den Zeichen der Arbeit zu befreien, die sein neuer Herr wohl sicherlich nicht zu sehen wünschte. Er hatte auf seinem Weg kaum bemerkt, wie ein Schatten hinter ihm drein huschte und sich letzten Endes vor der Tür des Bades aufbaute, indem er sich einfach an ihm vorbei wand und nun dastand wie ein Mahnmal.
    Maahes stutzte kurz und verdrehte dann entnervt die Augen.
    “Was willst du?“, fragte er entnervt, als er Aesara erblickte, die ihm zuckersüß entgegen lächelte, eine Hand an den Türbogen erhob und die andere an ihre Hüfte legte.
    “Du hast mir immer noch nicht gesagt, wo du in der Nacht des Festes gewesen bist,“, sagte sie herausfordernd.
    “Das geht dich nichts an!“, erklärte er recht barsch. “Noch immer nicht!“
    “Kannst mir ruhig sagen, welches Geheimnis du mit der alten Coqua teilst. Schließlich hat sie an deiner Statt in der Nacht dein Bett für dich warm gehalten,“ erklärte Aesara recht spitz und räkelte sich ein wenig, als wäre dies ein Reiz, auf den Maahes anspringen sollte.


    Einen Moment lang überlegte der Ägypter, ob er sie einfach grob zur Seite schieben sollte.
    “Geh mir aus dem Weg!“, sagte er stattdessen.
    “Erst wenn du mir sagst, wo du warst!“ Sie grinste wieder. “Hatte es etwas mit Falerner zu tun? Oder Massiker? Du weißt doch, wie schon süß diese Getränke sind...“
    Maahes verzog den Mund und erntete ein spöttisches Lachen.
    “Wirklich Maahes? War es so? Ein geheimer Auftrag in Alexanders Keller?“
    Nun hielt es ihn wirklich nicht mehr. Aesara war so nah an der Wahrheit, dass es schon beinahe schmerzte und somit war es handfeste Wut, die sich darüber in ihm breit machte. Kurzentschlossen packte er die Sklavin am Oberarm und zerrte sie zur Seite, sodass sie die Tür nicht mehr blockierte. Dies allerdings entlockte ihr ein weiteres triumphierendes Lachen.
    “Es wird den Dominus sicherlich freuen das zu hören!“
    Maahes knurrte und betrat eilig das Bad.
    “Der große Maahes! Trunken auf dem Fest und beschützt von einer alten...“
    Den Rest bekam er kaum mit, denn er hatte die Tür hinter sich zu geschlagen, sodass Aesaras Worte nur unverständlich dumpf gegen das Türblatt prallten.


    Er hatte einen fürchterlichen Fehler gemacht. Das war ihm durchaus bewusst. Doch auch wenn er es Locusta und vor allem sich selbst und im Stillen auch Clarissa versprochen hatte, diesen nicht noch einmal zu begehen, so straften Momente wieder dieser ihn Lügen. Momente wie dieser trugen dazu bei, dass er einen Wein mehr als alles andere begehrte und er versuchte sich dadurch abzulenken, dass nun mit einer rauen Bürste bewaffnete den Schmutz von seinem Körper wusch. Aber er musste sich beeilen, das der Dominus sicherlich nicht allzu lange auf ihn warten würde, ohne in Wut auszubrechen. Zumindest meinte er das. Hinzu kam, dass Maahes keine Ahnung hatte, was Aesara an schauderhaften Geschichten zu diesem weitertrug, wenn sie mit ihm das Bett teilte, was gar allzu selten vorkam. Aesara war stets eine Schlange gewesen, die unter fremden Decken nach Wärme gesucht hatte. Dabei war es Gift, was sie nährte und nichts anderes als Gift, das sie infolgedessen wieder abzusondern bereit war. Er musste auf der Hut sein.


    [...]

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    “Sehr gerne,“ erklärte er, als Locusta verkündete, dass Wonga und Tellenus noch Hilfe mit der Plane gebrauchen konnten. So fühlte er sich immerhin nicht ganz so nutzlos. Nun, da er recht ausgeschlafen und wieder weitestgehend bei Sinnen war, waren die nagenden Gedanken ein wenig erträglicher und für gewöhnlich konnte ein wenig Arbeit diese ganz verscheuchen. Also nickte er nun der Coqua zu und auch Clarissa, welche noch immer fragend und ein wenig besorgt dreinschaute. Ihr würde er eine Erklärung schuldig sein, doch nicht jetzt. Der Zeitpunkt war schlecht. Als er sich der Tür näherte, musste er an Aesara vorbei, welche ihm noch immer wölfisch entgegen lächelte. Ihre Blicke, mit welchen sie ihn von oben bis unten musterte, entgingen ihm keineswegs. “Hab‘ dich heute Nacht vermisst!“, zischte sie ihm entgegen, worauf er nur ein leises Knurren von sich gab. Ohne ein weiteres Wort ging er an ihr vorbei, wobei er ihre bohrenden Blicke meinte, noch in seinem Rücken zu spüren.

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    Locusta blickte ihm entgegen, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Auf dem Weg hierher hatte der Ägypter bereits versucht, sich einige Worte zurecht zu legen, doch nun musste er feststellen, dass er sich nicht hatte behalten können. Hinzu kam auch noch das zutiefst unangenehme Gefühl, seinem Gegenüber etwas schuldig zu sein. Dass dies durchaus auch seine Richtigkeit hatte, stand fest in ihm verankert. Doch wie sollte er nun beginnen. “Danke, Locusta!“, sprach er also und sah nun zu der Alten auf. “Ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte...oder was geschehen wäre.“ Einen kleinen Einblick in die etwaigen Ereignisse hatte sie ihm am Vorabend ja bereits gegeben. “Es wird nicht wieder vorkommen,“ versicherte er dann. Danach atmete er tief durch und schaute zu Clarissa hinüber, die noch immer von einem der Sklaven angeredet wurde. Sie allerdings war mit ihren Gedanken bei ihm, denn auch sie sah Maahes nun entgegen. Ihr Gesicht war nach wie vor voller Sorge. Zu ihm hinüber kam sie aber nicht. Dafür betrat nun Aesara die Küche. Sie trug eine relativ schicke Tunika und stolzierte zu einem der Tische, wo sie sich eine Nuss aus einer Schlae mopste, um diese dann genüsslich zu kauen, während auch sie den Ägypter nun entdeckt hatte. Ihre Selbstsicherheit, mit der sie sich bewegte machte ihn aggressiv. Das spürte er sehr deutlich in sich. Kauend verzog Aesare nun die Lippen zu einem abfälligen Grinsen. Dann lehnte sie sich mit der Hüfte gegen den Tisch.


    Maahes riss seine Blicke von ihr fort und fixierte wieder die alte Coqua. “Ich hoffe, dass meine Dienste noch beim Aufräumen benötigt werden?“, fragte er dann mit einer plötzlich sehr härter klingenden Stimme als noch zuvor. Zwar war es noch am Morgen, doch es war nicht mehr sonderlich früh. Die Sonne musste bereits seit zwei oder drei Stunden am Himmel stehen. Recht spät für einen Sklaven des Hauses, um sich zu erheben. Das war ihm durchaus bewusst.

    [...]


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    In der Culina ging es bereits hoch her, denn es wurden die ersten Speisen für die Herrschaft und auch für die Bediensten vorbereitet. Clarissa war bereits anwesend und sie schaute ihm interessiert entgegen. Als sie sich anschicken wollte, auf ihn zu zukommen, wurde sie jedoch von einem anderen Sklaven aufgehalten, der wohl eine Frage an sie richtete. Maahes war es recht, denn wenn schon niemand anders sein Fehlen bemerkt hatte, so konnte dieses Clarissa keineswegs entgangen sein. Und noch hatte er keine plausible Erklärung dafür, die nicht so unendlich dumm wie die reine Wahrheit war. Dann erblickte er Locusta und hielt auf sie zu. Sie stand an einem der Öfen, aus denen es verdächtig gut nach frischem Brot duftete. “Locusta, auf ein Wort bitte!“, sprach er die Alte dann an. Sein Blick ging dabei nach unten auf den Boden. Verschämt und kleinlaut, so wie er sich im Grunde genommen auch fühlte.

    Nach der Nacht...


    Wie viel Zeit vergangen war, vermochte Maahes nicht zu sagen. Nach einer schweren Nacht mit tiefem Schlaf, der nach einem ersten Erwachen eine recht unruhige Zeit gefolgt war, voll von wirren und beängstigenden Träumen, schlug er nun endgültig seine Augen auf. Doch ob er die Augen geöffnet hatte oder nicht, machte kaum einen Unterschied. Schwärze umgab ihn, sodass er im ersten Moment kaum wusste, wo er sich eigentlich befand. Nur langsam sickerte die Erkenntnis in sein Bewusstsein, dass er in Locustas Bett lag, in ihrem Raum. Auch, dass er am Vortag von ihn aus Sicherheitsgründen die ihn selbst betrafen, von der Arbeit ausgeschlossen worden war. Vorsichtig richtete sich Maahes auf der Liege auf. Sein Kopf war schwer, schmerzte aber nicht. Ein Seufzen folgte und er schwang nun die Beine über die Kante der Liege. So blieb er noch einen Moment sitzen und starrte ins Nichts, während das Gespräch der letzten Minuten vor dem Schlaf und die eindringlichen Worte, seine Gedanken wieder erreichten. Was, wenn er tatsächlich erwischt worden wäre? Nein, darüber wollte er nicht nachdenken. Viel wichtiger war es doch, in Erfahrung zu bringen, wie spät es mittlerweile war. Das Fest war bestimmt schon vorbei und die neue Arbeit wartete. Arbeit, in der man sich ergehen und alles andere vergessen konnte. Selbst das Befüllen der Heizungsanlage wäre ihm recht gewesen. Je stupider und anstrengender die Aufgabe, umso besser.


    Tief in seinem Inneren erreichte ihn nämlich die Botschaft, dass er ein Idiot gewesen war und dass er – ob er dies wollte oder nicht – Locusta zu tiefstem Dank verpflichtet war. Mühselig erhob er sich nun von der Liege und tastete sich durch die Dunkelheit seinen Weg zu Tür, die er öffnete und in den Gang hinaus trat. Hier erhellten ein paar Fackeln das Dunkel und wie es sich anhörte, waren auch die anderen Sklaven in ihren Unterkünften bereits wieder erwacht. Immerhin waren schon einige unterwegs. Maahes warf noch einmal einen Blick zurück zum Bett, dann machte auch er sich auf den Weg hin zur Culina, in der Hoffnung auf Locusta und Clarissa zu treffen. [...]

    Auch dieses Gespräch schien nun beendet zu sein. Locusta erhob sich unter einem Ächtzen. Maahes aber schaute weiterhin geradeaus, als würde sie noch immer auf dem Schemel neben dem Bett sitzen. Natürlich. Es würde niemanden interessieren, ob er weiterhin auf dem Fest arbeitete oder nicht. Ein Schatten war er, wie er es schon gesagt hatte. Als sie aber meinte, dass er in ihrem Bett bleiben solle über Nacht, hob er nun doch den Blick. Wo würde sie unterkommen? Doch er sagte nichts. Es wurde finster im Raum, als die Alte die Kerze löschte und er konnte ihre Schritte vernehmen, unter welchen sie sich mühsam zur Tür begab. Würde es ein nächstes Mal geben? Gerne hätte er ihr jetzt versichtert, dass es nie wieder zu einer Begegnun mit ihm und dem Wein gab, doch das konnte er nicht.
    “Gute Nacht!“, sagte er nur. Ohne weiteren Dank und ohne ein weiteres Wort. Flüchtig streifte Licht die Türschwelle und den Rahmen, dann verschloss sich die Tür wieder. Finstersnis. Wie in einer Gruft. Maahes schnaubte, doch er blieb noch einen Moment reglos sitzen. Dann zog er die Beine auf das Bett und streckte sich aus. Zu sehen gab es nun nichts mehr, doch umso mehr zu denken. Er wusste nicht, wie lange er so dagelgen hatte, doch irgendwann war eingeschlafen und gab sich ruhelosen Träumen hin, die auf morbide Art Verzerrungen der Wirklichkeit waren, welche er in den vergangenen Monaten durchlebt hatte.

    Als Locusta von Selbstmitleid zu sprechen begann, hob Maahes den Kopf. Er erging sich nicht in Selbstmitleid, er war gebrochen und dieser Umstand war auch rein objektiv feststellbar. Zumindest für ihn. Doch die Alte sprach noch weiter. Sie meinte, dass selbst Sklaven eine eigene Persönlichkeit hatten und sie sich selbst immerhin etwas wert sein sollten. Was Clarissa betraf, so würde sie wohl untergehen, wenn er nicht mehr auf dieser Welt weilen würde. “Hm,“ stieß er aus, noch während sie redete. Seine Gedanken schweiften hinüber zu Clarissa, welche soetwas wie eine jüngere Schwester für ihn geworden war, die es zu beschützen galt. Sein einziger Grund, überhaupt noch in diesem Leben zu verweilen und nicht auf ewig in die Unterwelt gereist zu sein. Doch welch eine Bürde sollte er noch auf sich nehmen? Wie sollte er ‚ein neues Haus‘ aufbauen aus all den Ruinen, die sich um ihn türmten? Sollte es wirklich eine Prüfung der Götter sein, so wie die Coqua es sagte? Die Götter waren grausam, wenn sie von einem Mann verlangten, dass er sich aus den Niederungen wieder hervorkämpfte mit nichts in den Händen. Doch er wollte nichts gegen die Götter hervorbringen, denn der Respekt gegenüber diesen war in ihm sehr mächtig. Also nickte er nur stumm und hörte weiterhin zu. In der Tat gestaltete sich das Leben hier mehr und mehr als Prüfung und wenn er ehrlich war, und nun auf die erste Regung seines Herzens hörte, so war er im Grunde nicht gewillt zu versagen. Vielleicht wäre auch der Fährmann gnädiger, wenn er sich würdig erweisen würde, bevor er seine Dienste in Anspruch nahm.


    Dennoch war er der Überzeugung, dass es der Tod Senecas war, der ihn gebrochen hatte und nicht er selbst. Sein Herr war fort und er war unnütz geworden, wie ein persönlicher Gegenstand, der nach der Beerdigung des Besitzers im besten Fall noch als Grabbeigabe dienen konnte. Niemals war er mit Senecas Erben zurecht gekommen und diese hatte auch nur wenig Interesse gezeigt. Im iunischen Haus war alles geregelt gewesen und er, Maahes, hatte seinen Platz nicht gefunden, sondern fugierte wohl mehr als Schatten der Vergangenheit als alles andere. Wer wollte schon einen Schatten in seinem Haus bergen? So wie es sich anhörte, waren die Iulier ebensowenig bereit dazu und der Ägypter seufzte leicht. Einen Schatten, der oberndrein auch noch trank und seine Pflichten gegenüber dem einzigen Menschen vergaß, der ihm noch etwas bedeutete: Clarissa.


    War der Wein sein Feind? So wie er gerade durch seinen Leib strömte, wollte es sich nicht so anfühlen. Er war ein Quell der firschen Kraft, ebenso, wie ein Quell der Müdigkeit und Erschöpfung. Zweischneidig. Vertrakt. Maahes nickte neuerlich, während Locusta ihn nun mit schräg gelegtem Kopf betrachtete. “Doch am Ende...löscht er dich aus. “Vielleicht bin sich selbst sogar die Vergangenheit!“, sagte dann, noch immer mit fester Stimme. Auf eine gewisse Weise empörten ihn Locustas Worte, die in seinen Augen ebenso guter Rat wie eine Zurechtweiseung waren. Letztere würde er gerne von sich weisen, doch das konnte er nicht. Sein Herz wusste, dass sie recht hatte und er sich ins Unrecht gestellt hatte. “Aber ich werde über deine Worte nachdenken,“ stellte er dann noch heraus. Diese Worten waren weder ein Rückzug, noch das Zugeständnis, dass die Alte die Wahrheit sprach. Sie bedeuteten für einen Aufschub der Sache, mit der er sich eigentlich nicht mehr quälen wollte. Trotzdem war sie stets präsent, wann immer er an Alexanders Weinkeller vorbei ging. “Was wirst du jetzt den anderen erzählen, wo ich bin?“, wollte er dann noch einmal wissen. Es war klar, dass Locusta ihn nicht mehr zum Fest hinauf gehen lassen würde. Seine Arbeit war für diesen Tag beendet. Das stand fest.

    Die Coqua unterbrach ihn nicht und er konnte seine Gedanken, so düster sie auch waren, offen vor ihr ausbreiten. Im Grunde genommen hatte er mit diesen die Spitze des Eisberges übergangen und war sogleich in die Tiefe getaucht, um an der Basis all seiner Verstimmung anzusetzen. Für ihn selbst war dies zu viel gewesen und neuerliche, üble Gedanken wollten ihn überfallen. Wie konnte er nur hier sitzen und sein Herz ausschütten? Als Mann? Einem großen Teil in ihm wäre es lieber gewesen, er hätte geschwiegen. Dieser Teil wollte ihm suggerieren, dass es besser gewesen wäre sich zu erheben und wieder den Dienst auf dem Fest anzutreten und Locustas Angebot auszuschlagen. Der andere, kleinere Teil jedoch war still und leise froh darüber, dass sich eine Last von ihm gehoben hatte, die nicht mehr lange hätte tragen können. Doch ob es auch weise gewesen war, vor Locusta zu reden? Maahes schaute sie noch immer an. Fast schon mit einer stille Faszination für ihre belebten Augen, die im Schein der Flamme schon beinahe dunkel und magisch schimmerten.


    Dann sagte sie, dass er Clarissas Kraftquelle sei, die sie benötigte und dass ihr das Mädchen gleich am ersten Tag erzählt hatte, dass er der freundlicheste und beste Mann auf der Welt wäre. Es waren Worte, die tief in ihn hinein sackten, dort einen Moment wirklungslos verweilten, um dann doch ihre Wirkung zu entfalten. Maahes Miene verzog sich nun, hin zu einem leichten Lächeln. Er schüttelte kaum merklich den Kopf und schnaufete ein leises Lachen hervor. Sehr sanft nur, kaum hörbar. Ob er nicht den wahren Feind erkennen würde, der seine Geist vergiftet habe und der sein Leben zerstören könne? Maahes wurde wieder nachdenklich, dann zuckte er die Schultern. “Mein wahrer Feind ist der Tod meines Herrn gewesen!“, erklärte er dann. “Und er hat mich besiegt! Nun bin ich nichts mehr wert!“ Festigkeit stand nun in seiner Stimme. Welchen anderen Feind sollte er sonst erkannt haben? Etwas in ihm wollte ihn dazu bringen, anzunehmen, dass Locusta den Wein meinte. Wenn sie das tat, so irrte sie sich. Der Wein war sein Lebensretter gewesen, der ihn in andere Spähren geführt hatte. Hinein in die Gelöstheit und das Vergessen und letzten Endes auch in den Schlaf. “Wie kann ich der freundlichste und beste Mann sein, wenn ich kaum noch eine Sesterze wert bin?“ Wieder sah er Locusta an. “Was ist das Leben hier für mich?“, fragte er dann. “Ich war der Maiordomus eines Hauses. Hier bin ich ein Niemand. Mein neuer Dominus kennt wahrscheinlich nicht einmal meinen Namen. Und was für eine Lebensblüte soll es schon sein, wenn der saure Stachel, der gemeinsam mit uns in dieses Haus gekommen ist, die zarte Pflanze gleich wieder vernichtet?“ Aesara tauchte in seinen Gedanken auf. Sie war dieser saure Stachel, der tief in seinem Fleisch steckte und dazu beitrug, dass er nicht zur Ruhe kam. “Ich brauche den Wein!“, sagte er dann nach einer kurzen Pause. “Er löscht die Vergangenheit aus!“

    Maahes hörte sich die Worte der alten Coqua ruhig an. Dabei richteten sich seine Blicke wieder auf die kleine Kerzenflamme neben dem Bett. Im schlimmsten Falle wäre er tot. Es hallte noch immer in ihm nach, wie ein fernes Echo, das sich jedoch nur mühsam an den Banden seines Verstandes brach. Dieser war von dem Wein verdeckt, ja, erweicht vielleicht sogar, sodass er keinerlei Gedanken mehr an irgendwelche Konsequenzen verschwendet hatte. Was ihn anging, so konnte er ruhig tot sein. So wie er es für sich selbst empfand, war sein Fall so tief gewesen und bitter, dass er noch immer irgendwo am Boden lag. Tief in einer finsteren Schlucht, aus der es kein Entkommen mehr geben würde. Wäre er Römer gewesen, so wäre wohl schon längst der Wunsch in ihm entstanden, sich in die Klinge eines gutes Schwertes stürzen zu wollen. Der Tod Senecas hatte alles verändert. Er hatte ihm den Mut genommen und die Triebkraft. Als hätte sein alter Dominus ihn mit sich in die Unterwelt gerissen. Und auf gewisse Weise war es auch so. Der alte Maahes war verschwunden und eine finstere Gestalt aus Selbstmitleid, Zorn und Schwermut hatte dessen Platz eingenommen. Auf seine Art hatte Maahes seinen Dominus geliebt. Als Herrn und in gewisser Weise auch als Freund und Vertrauten. Ihm hatte seine gesamte Loyalität gegolten und er wäre für ihn durch das Feuer gegangen. Und nun war dieser Platz in seinem Herzen verwaist und niemand war es, der diesen erneut ausfüllen konnte. Niemand hatte es versucht und niemand war es wert. Maahes seufzte tief nach dem Moment der Ruhe.


    Irgendwie schien die alte Locusta zu ahnen, in welche Richtung seine Gedanken nun trieben, denn immerhin frage sie ihn, was ihn bedrücke und warum er Clarissa in diesem Haus alleine lassen wolle. Ja, ihn bedrückte etwas, doch war er der Meinung, dass ihn sowieso niemand verstehen würde. Außerdem war er ein Mann, der tatsächlich lieber von einer Klippe sprang, als mit jemandem über sein emotionales Innenleben zu reden. Erst recht mit einer Frau. Doch war die Coqua das überhaupt noch? Sie war alt, wirkte erfahren und hatte gelebt. Das zeigte ihr Gesicht ganz deutlich. In diesem Licht konnte man deutlich erkennen, welche Furchen das Leben in ihr geschlagen hatte. Besonders in ihrem Gesicht. Dies schien sie zu einem Urgestein zu machen. Doch ihre Augen wirkten noch immer lebendig und noch mehr: gütig. Wollte er Clarissa allein lassen? Maahes schüttelte den Kopf, nachdem er die Alte wieder angesehen hatte. “Nein, ich will sie nicht allein lassen,“ sagte er dann. “Das wollte ich nie. Erst recht nicht, seit unser Herr tot ist.“ Wieder spürte er in sich, dass es eine bittere Sache war darüber zu reden. Nur stockend sprach er dann weiter. “Aber ich habe sie im Stich gelassen,“ erklärte er. “Mit jedem Schluck aus einem Weinkrug. Ich bin der Grund, warum wir nun hier sind und nicht mehr bei den Iuniern. Und sie ist der Grund, warum ich noch lebe.“ In seiner Miene spiegelte sich während er sprach nichts wieder. Keine Regung, kein Gefühl. Auch seine Worte klangen nüchtern, und wenn man genau hinhörte auch leer und verloren. “Es wäre besser für sie, wenn ich nicht mehr da wäre,“ stellte er dann fest. “Sie würde ein neues Leben erwarten. Ein anderes Leben, ohne die Belastung der Vergangenheit. Und ich selbst hätte endlich Frieden.“ Wie widersprüchlich seine Worte doch waren und ebenso erschreckend für ihn. Er war im Begriff, sein Innerstes nach Außen zu kehren und es sichtbar vor Locusta im Kerzenschein nieder zu legen. Dabei wollte er all dies überhaupt nicht teilen und es lieber in der Finsternis belassen.

    [...]


    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/aesaraavatarmfko9.gif]| Aesara



    Nachdem er sich auf dem Bett erholt hatte, war er unterwegs gewesen, um sich alles Nötige für den Bau einer neuen Werkzeugkiste zu besorgen: Holz, Nägel, eine kleine Säge und einen Hammer. Die Holzstücke hatte er mit einem Maß auf die rechte Länge gestutzt und er war gerade dabei, die Seitenteile am Kistenboden zu befestigen. Der Hall der Hammerschläge ging durch die Sklavenunterkunft, welche er sich für seine Arbeit ausgesucht hatte. Aus einigen Betten, in denen nun die anderen Sklaven nach Erholung von ihrem Einsatz im Haus suchten, schenkte man ihm dabei finstere Blicke, doch Maahes achtete gar nicht auf sie. Erst als sich einer der anderen Sklaven erhob und auf ihn zukam, hob er den Blick.
    “Lass‘ das Gehämmere!“, sprach ihn der Mann an.
    Maahes grinste ihm ein wenig schräg entgegen. Dann senkte er seine Blicke wieder und setzte neuerlich an, die Kiste unter lautem Klopfen mit Nägeln zu versehen.
    “Bist du verblödet, Mann?“, wollte der andere nun wissen und machte bereits Anstalten, die halbfertige Kiste mit einem mächtigen Fußtritt aus Maahes Reichweite zu beförden. Doch dazu kam es nicht. Der Sklave fuhr herum, als von der Tür aus ein glockenhelles Lachen hörte. Auch Maahes selbst schaute auf und sah hinüber. Aesara stand dort. Mit der Hüfte an die Wand gelehnt, die Arme verschränkt und mit einem bisstersüßen Lächeln im Gesicht. So hatte sie die Szene beobachtet.
    “Maahes war schon immer ein dummer Mann!“, stellte sie geradezu schnippisch fest, stieß sich elegant von der Wand ab und kam dann mit dem für sie typischen Hüftschwung näher. Im Gesicht des anderen Sklaven stand nun ein Lächeln und der Ägypter konnte sehr genau sehen, dass Aesara ihm nun zuzwinkerte. Wie immer wurde auch hier deutlich, dass die beiden wohl inzwischen mehr verband als nur die Tatsache, Sklaven im selben Haus zu sein. Wahrscheinlich hatte er sich von ihr ködern lassen, die oberen Auslagen unter der Tunika zu befühlen. Dass sie das gerne hatte, hatte sie mehr als nur einmal bewiesen.
    “Salve, Aesara!“, grüßte der Sklave und trat einen Schritt beiseite, um ihr Platz zu machen. Neben ihm blieb die Sklavin nun stehen und schaute beinahe abfällig auf Maahes hinunter, der noch immer auf dem Boden kauerte, um sein Werk zu vollbringen.
    “Salve, Telos,“, flötete sie zuckersüß, wobei sie den Mann vertraut an der Schulter berührte, um ihm dann über den Arm zu streicheln. “Du musst dir nichts draus machen, denn Maahes ist schon immer ein Störenfried gewesen. Niemals hat er irgendwelche Rücksicht genommen.“ Sie grinste und schaute den anderen an. “Weißt du, er war einmal Maiordomus und bestimmt meint er noch immer, er wäre etwas Besonderes!“
    “Tatsächlich?“ Der andere grinste nun ebenfalls und schenkte Maahes einen skeptischen Blick, ganz so, als würde er nun ein Silberfischchen erblicken, das vor seinen Sandalen herum huschte. “Stimmt das, Maaaaaaioooordomus?“, wollte Telos dann zynisch wissen. Dabei stieß er beifällig mit dem Fuß gegen die Kiste.
    Maahes blickte finster drein und betrachtete sich zunächst Aesara, dann den anderen. Dann schaubte er abfällig aus und griff nach dem nächsten Nagel. Eine Diskussion würde wohl zu nichts führen und nach einer solchen sah es auch gar nicht aus. Aesara wollte ihr Gift verteilen und es würde nur noch wirkungsvoller werden, wenn er nun auf die Provokation reagierte.
    “Das ist er ja nun nicht mehr!“ kommentierte Aesara und kicherte kurz. “Zum Glück. Er kann viel eher froh sein, dass er nicht in den Minen steckt oder auf irgendeinem Acker. Das verdankt er nur mir! Nicht wahr, Maahes?“
    Die Blicke des Ägpters zuckten nun wieder empor. Finster und verärgert waren sie. Unwillkürlich spürte er, wie sich seine rechte Hand zu einer Faust ballte.
    “Nicht dir!“, sagte er dann. “Viel eher deinen Brüsten und deiner willigen Mitte.“ Sein Mund verzog sich abwertend. “Hast du schon von ihren Fürchten gekostet?“, wollte er dann von Telos wissen. “Im ersten Moment mögen sie schmackhaft wirken, doch spätestens beim zweiten oder dritten Bissen merkt man deutlich, dass sie bereits von vielen Vorkostern durchgekaut worden sind. Dennoch preist sie sie weiter an und findet dabei stets einen törichten Kunden.“
    Aesara lachte ungläubig auf, als sie diese Worte vernahm. Ihre Augen hatten sich geweitet und sie stierte Maahes entgegen. Dabei erweckte es den Anschein, als sei sie jeden Moment breit ihn zu treten.
    “Du weißt nicht, was du sagst, du lächerlicher Mensch!“, tönte Telos nun, als wolle er ihn verhöhnen.
    Maahes grinste augenblicklich. “Oh, glaub‘ mir, ich weiß was ich sage! Ich kenne jeden Millimeter an diesem verruchten Leib und sogar bis tief hinein in das finstere Innerste. Man meint einen reifen Apfel in den Händen zu halten, doch beim herzhaften Biss, sammelt sich nichts als Galle im Mund.“
    “SCHWEIG!“, keifte Aesara nun und tatsächlich holte sie mit dem Fuß aus, um Maahes in die Flanke zu treten. Dieser allerdings fasste ihren Knöchel und brachte sie so beinahe zu Fall. Telos stützte sie im letzten Moment, zog sie zur Seite und wendete sich wieder griffig Maahes entgegen, der sich nun aus der Hocke erhob. “Offenbar lernst auch du jetzt ihren schlechten Geschmack kennen!“, sagte Maahes ernst.
    Wut brannte in Telos Augen. Ehe man es sich versah, raste statt einer Antwort eine Faust auf Maahes Gesicht zu. Doch er wich geschickt aus und boxte seinerseits dem anderen mit der Faust fest in den Magen, sodass, Telos aufschrie und sich getroffen zusammen krümmte.
    “VERFLUCHT SOLLST DU SEIN, MAAHES!“, keifte Aesara und legte den Arm um den ächzenden Sklaven.
    Ohne ein Wort weiteres Wort entfernte sich der Ägypter nun. Mit stierem Blick schritt er auf die Tür zu. Die angefangene Kiste ließ er einfach liegen und auch die beiden anderen beachtete er nicht mehr. Hass und Wut ballten sich in ihm zu einem Konglomerat zusammen, welches sich nur noch übler auf die Situation auswirken konnte. So verletzt und wütend er sich auch fühlte, es durfte nicht eskalieren. Doch bestimmt war er bereits jetzt zu weit gegangen. “DAVON WIRD DER MAIORDOMUS ERFAHREN!“, schrie Aesara hinter ihm her. “UND DEM DOMINUS SAGE ICH ES AUCH!“ Maahes schloss die Tür mit einiger Wucht hinter sich. “BASTARD!“, hörte er es noch dumpf durch das dicke Türblatt dringen. Dann wendete er sich grmmig ab und ging. Wohin, das wusste er noch nicht.

    Eine Antwort auf seine Frage sollte er nicht bekommen. Locusta betrat nun ebenfalls den Raum und er sah ihr dabei zu, wie sie eine Kerze auf dem Nachttisch entzündete. Das Licht flackerte nun und warf zuckende Schatten auf das Kopfkissen, während es das Zwielicht im Raum erhellte. Maahes betrachtete die kleine Flamme einen Moment, ehe er wieder zu Locusta schaute, die die Tür hinter sich geschlossen hatte und nun auf einem Stuhl ihm gegenüber Platz nahm. Ihre Worte waren eindringlich und mahnend zugleich. Ob er wusste, was geschehen würde, wenn herauskam, dass er log und trank? Maahes sog tief Luft in seine Lungen und atmete dann aus. Das wollte er sich nicht ausmalen. Nicht für sich und auch nicht für Clarissa. Dennoch musste er sich eingestehen, dass in diesem jetztigen Moment das alles für ihn keinen Schrecken besaß. Sein Blut war nun mit Wein vermengt, sein Kopf zwar schwer, aber die Gedanken leicht. Zu leicht vielleicht. Er seufzte. “Nein, das weiß ich nicht,“ erklärte er dann ohne seine Blicke von der alten Coqua zu nehmen. Sie wollte ihm nichts Böses, was ein Gefühl tiefer Dankbarkeit in ihm heraufbeschwor und dennoch kratzte es an seinem Stolz, dass er sich nun von eine alten Frau schützen lassen musste. Doch sollte er wieder auf das Fest? Taumelnd und torkelnd? Bei einem Krug Wein wäre es sicherlich nicht geblieben. Einmal mit dem Trinken begonnen, verlangte sein Körper und sein Geist immer mehr. Bis es ihm die Seele von dannen spülte und mit ihr alle finsteren Gedanken der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. “Wahrscheinlich würde ich gleich morgen wieder auf dem Markt stehen,“ sprach er dann.

    Ins Bett. Maahes stand noch einen Moment einfach nur da. Doch dann nickte er. Wie von magischen Fäden gezogen trat er in das Cubiculum, schaute sich um und setzte sich dann auf das Bett. Erst in diesem Moment wurde ihm die Schwere seiner Glieder bewusst. Die Schwere seines Kopfes. In seinem Mund stand noch immer der Geschmack von warmen, roten Wein. “Ist gut!“, sagte er dann. Seine Arme lösten sich. Er sah Locusta an und nickte neuerlich. “Was sagst du, wenn dich jemand fragt wo ich bin?“, wollte er aber dennoch wissen.

    Für Maahes war alles gesagt. Er wusste nicht, was Breda hier gewollt hatte. Er hatte sie nicht gesehen und das Ganze war ein Unfall gewesen, der böse hätte ins Auge gehen können. Doch das war er nicht. Vielleicht sollte er Breda noch einmal aufsuchen? Sie hatte fürchterlich erschrocken ausgesehen. Doch in diesem Moment half dies auch nicht weiter. Der Maiordomus jedoch schien zufrieden mit seiner Antwort zu sein und meinte, dass er nun gehen konnte. “Maoirdomus!“, antwortete Maahes nun recht respektvoll, indem er sich leicht verneigte. Dann sammelte er das Werkzeug und die zerborstene Kiste auf, so gut es ging und lud alles auf seine Arme. Dann machte er sich davon. Am besten in die Unterkunft, um sich hinzulegen, denn er fühlte sich nach diesem Tag wie erschlagen. Später würde er sicherlich auch noch Breda aufsuchen. Das hatte er sich fest vorgenommen.


    [...]

    [..]


    Maahes folge Locusta schweigend. Noch wusste er nicht, wohin sie ihn führen würde. Im schlimmsten Fall zum Dominus. Im zweitschlimmsten Fall zum Maiordomus. Dann ging es die Treppe zum Untergeschoss hinunter. Also doch Phocylides? Maahes ging aufrecht und recht stolz. Seine Arme waren noch immer vor der Brust verschränkt. Dann hielten sie auf den Weinkeller zu. Alexander? Wollte sie etwa wissen, ob er heimlich am Falerner genascht hatte? Der Cellarius hatte sicherlich mit einem Maßband sämtliche Stände der Fässer geprüft und protokolliert. Seine Gedanken wurden immer bissiger, doch letzten Endes würde dies auch nichts nutzen. Schließlich öffnete sie allerdings die Tür zu einem Cubiculum. Es schien ihr eigenes zu sein. Er sollte eintreten und sich ins Bett legen? Maahes konnte nicht anders. Als sie dies aussprach, entgleisten seine Gesichtszüge. “Was?“, fragte er nun schon beinahe fassungslos und stierte Locusta entgegen. “Warum? Ich meine...“ Er rang nach Worten. Derartiges war ihm noch nie passiert und er wusste es nicht einzuordnen. “Das Fest! Ich muss doch...“ Wieder brach er ab. Dabei wusste er nicht, welchem der Gefühl, die nun in ihm hin und her schwenkten, er die meiste Aufmerksamkeit schenken sollte. “Ich bin nicht betrunken!“, sagte er dann. Es war rührend, was die Coqua tat. Es war auch unverständlich. Es war… Er wusste es nicht. Wieder schaute er der alten Frau entgegen. Sprachlos und noch immer fassungslos.

    Maahes nickte auf das Lob hin, entgegnete jedoch nichts. Er hatte sein Bestes gegeben. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Als er vernahm, dass er den Werkzeugkasten reparieren – nein - einen neuen herstellen sollte, seufzte er. Doch wieder ersparte er sich einen Kommentar. Doch was Breda hier zu suchen hatte, darauf konnte er beim besten Willen nicht antworten. “Ich weiß es nicht, Maiordomus,“ sagte er. “Sie stand plötzlich unter der Leiter. Ich hatte sie zuvor nicht gesehen und ich wusste auch nicht, dass sie in der Nähe war.“ Er sah Phocylides entgegen. “Sonst wäre ich viel vorsichtiger gewesen.“ Dies musste er allerdings noch hinzufügen.

    Locusta glaube ihm offenbar nicht. Sie hatte sich leicht vorgeneigt, um so wahrscheinlich noch besser schnüffeln zu können. Wieder war es Ironie, die Maahes durch die Gedanken troff. Sie fasste ihn sogar an, befühlte seine Kleidung. Am liebsten wäre er zurück gewichen, doch er blieb stehen. Dann sollte er den Mund aufmachen und sie anhauchen. Der Ägypter schnaufte ein Lachen hervor und schüttelte den Kopf. Das würde er sicherlich nicht tun! Ein Seitenblick verriet, dass Clarissa in ihrer Arbeit inne gehalten hatte und sorgenvoll zu ihnen herüber schaute. Doch gerade jetzt konnte er ihr keinerlei Aufmerksamkeit schenken. Schon jetzt wurde deutlich, dass die Alte ihm nicht glaubte. Gleich darauf rief sie zu Clarissa hinüber, dass sie nun das Kommando hatte. Innerlich verdrehte er die Augen und verfluchte einmal mehr das Schicksal. Was nun? Er sollte ihr folgen. Gerne hätte er sich geweigert und er war auch bereit dazu. Maahes verschränkte die Arme vor der Brust und atmete tief durch. In seinen Gedanken polterte vieles durcheinander. Wo wollte sie mit ihm hin? Was würde geschehen, wenn er sich keinen Zentimeter vom Platz bewegte. Nun sah er doch zu Clarissa hinüber, die einige Töpfe von A nach B verschob und immernoch hochgradig alarmiert ausschaute. Ihr zuliebe! Maahes setzte sich in Bewegung und folgte Locusta, doch er würde alles bestreiten, was man ihm vorwerfen würde. So viel stand fest!


    [...]