Maahes spürte sehr deutlich, während er auf dem Podest stand, wie sich die zierliche Clarissa dicht an ihn drängen wollte. Aesara unterdessen stand einen Schritt von ihm entfernt. Mit hoch erhobenem Kinn und vielleicht einem fast schon zu stolzen Blick überschaute sie Kundschaft, die sich vor dem Stand des Händlers versammelte. Niemals hätte der Ägypter gedacht, dass er in seinem Leben noch einmal soetwas wie die „Ware“ sein würde, denn bisher hatte er sich ausgerechnet, dass sein Leben in eine gute und sichere Bahn geraten war. Das alles wurde zerrüttet, als sein Herr verstarb und es somit kaum noch einen Gebrauch für seinen Leibsklaven gab. Viele aus dem germanischen Gefolge des Iunius Seneca waren bei der Familia untergekommen, doch hatte es wohl so kommen müssen, dass er selbst, Clarissa und Aesara nun übrig geblieben waren. Vielleicht hatte er sich zu wenig bemüht, war zu mürrisch geworden und launisch. Gerne hatte er tief in einen Weinbecher geschaut, der ihm im Grunde nicht gestattet gewesen war und auch ansonsten war sein weiteres Dasein eher träge und ein wenig gebrochen verlaufen, sodass man wohl keinen Bedarf mehr in ihm sah. Aesara hingegen war mit ihrer vielleicht charmanten, aber dennoch anrüchigen Art ebenfalls nicht besonders auf die Gegenliebe der neuen Herrschaft gestoßen, zumal zu vermuten war, dass sie schnell von sich aus die Sklavenschaft ungefragt und exponientiell mehren würde, sollte sie ihre Offerten weiterhin einem jeden anbieten. Clarissa unterdessen war zu scheu, um sich in dem neuen Heim durchzusetzen und am liebsten hielt sie sich allein in irgendwelchen Räumen auf, ohne einer Arbeit nachzukommen. Sie hatte sehr um Seneca getrauert, auch wenn Maahes niemals vermutet hätte, dass dieser der jungen Frau so nahe gegangen war. Doch war es bei ihm besser gewesen?
Erst an diesem Morgen waren sie nun zum Sklavenmarkt gebracht und veräußert worden. Aussortiert und unnütz, wobei nun der Ruf des Händlers, der zu allem Übel auch noch „Tuff Tuff“ genannt wurde, über den Platz hallte. Drei zum Preis für zwei. War seine Arbeit so schlecht gewesen? Sein Leben so wenig wert? Maahes blickte recht starr nach vorn in die Menschenmenge, ohne jemand bestimmtes dabei zu fixieren. Genau genommen mussten seine Blicke wohl recht leer wirken. Es war einer diese Momente im Leben, die man am liebsten gar nicht mitmachen würde, doch irgendwie geschahen sie doch, ohne das man etwas dagegen tun konnte. “Ich habe Angst!“, wisperte Clarissa neben ihm und umfasste seinen Oberarm. Maahes nickte nur und seufzte stumm. Vielleicht hatte die junge Sklavin mit ihrem Gefühl durchaus recht. Tuff Tuff war sicherlich nicht einer untüchtigsten Händler, auch wenn er gehörig aus dem fauligen Mund stank und einen fernöstlichen Lappen um den Kopf trug. Ein Graus, dass ein solcher Mann es sein sollte, der ihr aller Schicksal nun besiegeln und für sich selbst mit Münzen verzieren würde. Unfassbar! Doch wie hieß es so schön? Aller guten Dinge waren drei. Das dritte Mal auf einem Podest, was ein Gedanke war, der Maahes beinahe wieder zum Seufzen gebracht hätte. Doch hatte Clarissas Worte auch etwas Gutes gehabt. Wie von selbst legte er nun seinen Arm um sie, als könne er sie allein dadurch vor dem Unbill des Verkaufs schützten. Vorteil von Tuff Tuffs Angebot war ja immerhin, dass sie so die Chance hatten, zusammen zu bleiben.
Und gleich würde es wohl kommen, das Loblied auf die Künste. Maahes schaute nun zum Händler hinüber aus dessen gierigen Schlund nun wohl die Worte kommen müssten. Noch am Morgen hatte der Händler ihn einige Zahlenkolonnen rechnen und Heilmöglichkeiten für einige Wunden aufzählen lassen. Nur um zu überprüfen, ob die Angaben über seine Fähigkeiten auch stimmten. Eine entwürdigende Sache war das gewesen, doch letzten Endes blieb nur die Hoffnung, dass es dazu beitragen würde auch weiterhin ein halbwegs würdiges Leben haben zu können. Schließlich war er nun aus einer hohen Vertrauensposition in die Niederungen gefallen und konnte gut und gerne damit rechnen, dass er die nächsten Jahre in der Landwirtschaft oder an noch schlimmeren Orten verbringen durfte. Auch sein Alter war immerhin nicht etwas, was noch die größte Strahlkraft besaß, auch wenn er durchaus körperlich fit war und als recht kraftvoll bezeichnet werden konnte. Flüchtig sah Maahes nun einen jungen Mann, der sich mit vier weiteren Begleitern seinen Weg durch die Leute bahnte und interessierte Blicke auf sie alle warf. Einer von vielen. Maahes hob seine Blicke wieder über die Köpfe der Anwesenden hinweg und richtete diese in die Ferne, wo allerdings auch nichts anderes zu erblicken war, als die bloßen Körper einiger Sklavinnen eines anderen Händlers, deren Los wohl noch bescheidener ausfallen konnte, als das Seine.