Beiträge von Marcus Claudius Marcellus

    Marcellus würde sich selber nicht als eitel bezeichnen, wenngleich er es vielleicht doch ein wenig war. Als er sich vor einiger Zeit eine Rüstung hatte anfertigen lassen, da hatte er sich schon sehr gut darin gefallen und auch ansonsten achtete er darauf, dass er durch seine Kleidung ein bestimmtes Bild vermittelte. Er wollte nicht verwöhnt, dekadent oder protzig wirken. Zu edle Stoffe oder zu ausgefallene Gewänder waren ihm zuwider. Er trug natürlich auch keine billigen oder minderwertigen Stoffe, aber alles in allem wollte er aussehen wie ein Römer. Ein Römer der alten Zeit, ein Römer der die Traditionen achtete und der noch immer ein Sohn des Mars und nicht einer des Bacchus war.


    Heute jedenfalls hatte er etwas länger darüber gerätselt, was er wohl anziehen sollte. Er hatte sogar seine Schwester Livineia gefragt, obwohl ihm dies normalerweise peinlich gewesen wäre. Er wollte kriegerisch wirken, durfte natürlich aber auch nicht so aussehen als wolle er noch heute in die Schlacht reiten. Immerhin war das ganze eine recht formlose Cena und kein Kriegsrat. Auch wollte er nicht zu förmlich, erst recht aber nicht zu locker wirken. Letztlich hatte er sich für das Klassische entschieden. Er trug eine Tunika aus grünem Stoff, welche mit einem breiten Ledergürtel, an welchem silberne Metallplättchen befestigt waren, an der Hüfte zusammengefasst wurde. Über der Tunika trug er eine Toga aus brauner Wolle und an den Füßen saßen ihm Calceii aus rötlich-braunem Leder, an deren oberem Ende ein halbmondförmiger Anhänger aus Elfenbein befestigt war.


    Insgesamt war diese Kleidung ein wenig zu förmlich für den Anlass, aber andererseits empfing die Familie den Kaiser und wem gegenüber sollte man schon noch förmlicher sein? Zudem wollte Marcellus einen guten Eindruck machen und nicht zuletzt hatte er gesehen, dass auch Menecrates eine Toga trug, womit seine Entscheidung dann endgültig gefallen war.


    Das etwas längere Haar ordentlich gekämmt, Kinn und Wangen sorgsam rasiert und die wunderschöne Schwester an der Seite, trat Marcellus ins Peristyl. Teilweise bedingt durch die Toga, teilweise aber auch ganz bewusst und gewollt, bewegte er sich würdevoll und ruhig. Immerhin konnten die komplizierten Falten der Toga bei einer falschen Bewegung herunter fallen und man sah aus wie, nun... wie ein Barbar eben.

    "Salve Augustus."
    begrüßte er den Kaiser, sobald er mit Livineia das Peristyl betrat. Es war das erste Mal, dass er den Imperator persönlich traf.

    Marcus setzte sich recht schnell wieder, nachdem heraus gekommen war, dass da nur dieses kleine, unscheinbare Mädchen gelauscht hatte. So ein dummes Ding, wie konnte einem nur einfallen als Sklave in seiner Freizeit im Garten herum zu hängen, als wäre man selber der Herr im Hause? Antheas war klüger. Natürlich hatte auch sein griechischer Lehrer seine Freizeit, aber er verbrachte diese nicht auf eine Art... ein im Garten herum sitzender Sklave, das zeugte schon wirklich von ziemlich wenig Respekt. Man bat ja damit fast schon darum von seinem Herrn eine weitere Arbeit aufgebrummt zu bekommen. Aber Marcellus wollte sich da nicht einmischen, er hatte keine Lust dazu die Sklaven hier zu züchtigen, nicht heute und nicht die Leibsklavin seiner Cousine. Außerdem kümmerte sich Livineia schon um das junge Ding, wenngleich sie dabei für ihre Verhältnisse noch ziemlich freundlich war.


    Als die Sklavin sich dann wieder auf den Weg machte, sah Marcellus zu seiner Schwester. Sie hatte eine Blume gepflückt und ließ sich von ihrem Sklaven wieder Wind zu fächern. Marcellus selber mochte es nicht wenn ständig irgendwelche Sklaven um ihn waren, daher verzichtete er meistens auf jemanden der ihm Wind zufächerte oder sonst etwas tat.


    "Ja, es ist manchmal wirklich eine Last. Ich habe das Gefühl unsere Cousinen betrachten ihre Sklaven eher als Freundinnen, statt als Eigentum und Diener. Wie kann man seiner Sklavin nur erlauben im Garten herum zu sitzen, mehr oder weniger neben den Herren?" wunderte sich Marcellus, woraufhin er sich allerdings gleich noch einmal wunderte, als er sah wohin Cara verschwand. Sie nahm eine Tür, welche zum Wohnbereich des Hauses führte und nicht jene andere Tür, welche zur Küche führen würde. Entweder hatte sie seine Schwester nicht verstanden, oder sie war grob dämlich und wollte einen Umweg laufen. Nicht das Marcellus einem Sklaven so etwas nicht zutrauen würde, aber merkwürdig war es schon, daher erhob er seine Stimme in ziemlich gereiztem Tonfall.


    "DU!, was hast du vor wo du hin gehst? Hast du deine Herrin nicht verstanden? Du sollst sehen wo mein Essen bleibt!" rief er einmal quer durch den Garten. Mittlerweile hatte er reellen Hunger war ziemlich ungeduldig ob des fehlenden Essens. Der Sklave den er los geschickt hatte, dieser Nichtsnutz, hätte schon lange wieder da sein müssen. Und diese Sklavin hier, die war offenbar nicht besser. Wer bei den Göttern war denn die letzten Jahre bloß dafür zuständig gewesen die Sklaven zu kaufen und auszubilden, dass man sich hier auf niemanden verlassen konnte? Und wo waren all die verlässlichen, braven und respektvollen Sklaven hin, die vor seiner Zeit in Griechenland hier gelebt hatten?

    Marcellus war gerade damit beschäftigt gewesen sich im Schwertkampf zu üben. Er hatte einen Veteran der Legio XXVIII Alaudae, welcher in Dakien gekämpft hatte, in seine Dienste genommen um sich im Schwertkampf unterrichten zu lassen. Der Mann war nun schon seit fünf Jahren bei ihm und fungierte auch als Leibwächter für den jungen Claudier. Quintus Annaeus hieß der ehemalige Soldat. Er hatte in Dakien eine schwere Beinwunde erlitten und hinkte seitdem, war aber noch immer ein guter Schwertkämpfer und ein hervorragender Lehrer. Er mochte mittlerweile um die 40 Jahre alt sein und er hatte eine Familie hier in Rom. Marcellus haderte noch mit sich ob er ihn darum bitten sollte mit ihm zu kommen, falls er sein Tribunat antrat. Sicherlich würde der Veteran kaum ablehnen, aber konnte er einen Krüppel an seiner Seite gebrauchen? Und sollte er ihn von seiner Familie fort reißen? Immerhin hatte er Rom schon gut gedient.


    Während sie gerade in ihre Übung vertieft waren, kam Antheas angelaufen, Marcellus griechischer Sklave und Lehrer. Anthes war ebenfalls in den Vierzigern, doch war er noch etwas jünger als Quintus und lange nicht so kräftig und drahtig. Antheas war in jungen Jahren als Sklave in den Genuss sehr guter Bildung geraten, und war dann von Marcellus Vater gekauft worden, um dessen Kinder zu unterrichten. Er war mit Marcellus, Livineia und Felix in Griechenland gewesen und war dann bei Marcellus geblieben, als seine Geschwister nach Rom zurück gekehrt waren. Er diente dem jungen Claudier noch immer als Lehrer, Leibsklave und ein wenig auch als Berater. Nun kam er angelaufen und meldete, dass der Pater Familias alle ins Atrium gerufen hatte. Natürlich beeilte sich Marcellus.


    Obwohl er Schwert und Schild bei Quintus gelassen hatte, erschien er doch etwas unfein vor seinem Großvater. Er trug noch immer dieselbe Tunika und hatte sich lediglich Gesicht und Hände in einer Wasserschale gewaschen. Sein Haar war ziemlich verschwitzt und wie er so zu seiner stets perfekten Schwester und dem altehrwürdigen Großvater trat, fühlte er sich etwas dreckig. Aber es hatte eilig geklungen. Nicht so als hätte man sich erst noch waschen und umziehen können.


    "Großvater Herius, geliebte Schwester." begrüßte er die beiden, wobei er seinem Ahnherrn gegenüber stets einen würdevollen Ton anschlug. Menecrates war einfach eine Respektsperson und niemand, mit dem man nun herum blödeln würde.

    Marcellus sah dem Flavier ruhig und gelassen ins Gesicht, als dieser begann zu Grinsen. Noch immer fand der Claudier kein bisschen Ehre in diesem Mann. Früher einmal, in den Tagen der Republik, war es für jeden jungen Patrizier notwendig eine Zeit lang im Militär zu dienen, ehe er sich in der Politik beweisen durfte. Diese Regelung war abgeschafft worden und dies nutzten Menschen wie Scato dazu um den schmutzigen Militärdienst durch die Plebs erledigen zu lassen, während sie selber in sauberen Stoff gekleidet über das Forum flanierten. Doch es waren niemals die Redner und Denker, die Rom geprägt hatten. Was hatten Männer wie Marcus Tullius Cicero denn schon erreicht, im Vergleich zu Caesar oder Marius? Natürlich würde Marcellus nie etwas gegen Bildung, Rhetorik oder politisches Engagement sagen. Doch sich dem Militär so zu entziehen, das passte einfach nicht zu einem Römer.


    "Ich habe keine Provinz im Sinn und werde gehen wohin immer mich der Kaiser schickt. Dacia, Germania... vielleicht auch in den Osten. Allerdings bin ich kein Freund der Hitze, selbst in Griechenland habe ich es teilweise kaum ausgehalten." erklärte er mit einem freundlichen Tonfall und einem Lächeln. Er sollte aufhören so schlecht über den Flavier zu denken. Nur weil dieser nicht im Militär gedient hatte, musste er kein schlechter Mann sein. Und immerhin war er ein Senator, eine Position die Marcellus später einmal selber anstreben wollte. Wenigstens, so dachte er bei sich, sorgte sich dieser Mann überhaupt um das Wohl Roms. Überhaupt kein Verständnis hatte Marcellus für Männer, die nur ihre eigene Gier nach Geld befriedigten und sich weder in Militär noch in Politik engagierten.


    "In welcher Zeit warst du in Achaia?" fragte er nun also nach, sich auf die Suche nach Gemeinsamkeiten begebend. Doch noch ehe dieses Thema weiter vertieft werden konnte, fragte Scato nach Felix. Sofort verstummte Marcellus und sein Gesicht sackte etwas in sich zusammen. Er hatte seinen Bruder nicht einmal mehr gesehen, ehe er gestorben war. Livineia und Felix waren nach Rom zurück gekehrt und er war in Griechenland geblieben. Und dann war sein Bruder gestorben. Eine schlimme Sache. Sie drei waren sich nahe gewesen...

    Marcellus folgte dem Rest der Familie nach draußen, wo er sich neben seiner Schwester postierte und eine andächtige Haltung annahm. Es war gut, dass dieses Opfer erbracht wurde und dass die gesamte Familie anwesend war. Die Götter mochten es wenn man ihnen huldigte, vor allem wenn man dies auf die althergebrachte Art tat. Viel zu viele Menschen ließen dieser Tage den Respekt vor den Göttern fehlen, die Claudii waren da anders. Sie ehrten die Götter, ebenso wie sie die Traditionen und Gefplogenheiten Roms ehrten. Ganz besonders Marcellus.


    Sein Großvater schritt zu dem Widder, es wurden Vorbereitungen getroffen und Worte gesagt. Marcellus stimmte in das allgemeine "Age" mit ein und wartete darauf, dass das Tier getötet wurde. Für ihn war der Anblick tatsächlich nicht schlimm. Zum einen hatte er sich seit langem dazu gezwungen sich mit dem Anblick von Blut vertraut zu machen. Die Claudier hatten Feinde und Rom hatte Feinde. Ihrer aller Blut musste er bereit sein zu vergießen, wenn er nicht wollte dass es irgendwann sein Blut war, welches vergossen wurde. Er durfte nicht erst damit beginnen sich an diesen Anblick zu gewöhnen, wenn er keine Wahl mehr hatte.


    Zum anderen war es auch für den Widder eine Ehre. Es war ein starkes und schönes Tier und es würde den Göttern dargebracht werden. Das war ein weit besserer Tod für das Tier als wäre es einfach nur geschlachtet worden um verzehrt zu werden. Es war also wirklich nichts dabei.


    Aber Marcellus war ein Mann und er verstand durchaus, dass die schwächeren Frauen der Familie von diesem blutigen Anblick entsetzt sein könnten. Zwar fand er, dass kein Claudier, egal ob männlich oder weiblich, jemals Angst oder Schwäche zeigen sollte, aber nicht jeder war eben unfehlbar. Trotzdem war das Verhalten Silanas in höchstem Maße unangebracht. Der junge Patrizier sah wie seine Cousine vor der jungen Sisenna nieder kniete und der Kleinen damit die Sicht auf den Widder versperrte. Doch nicht nur das, sie kehrte durch diese Handlung auch selber der Opferung den Rücken zu.


    "Silana, du bringst vor den Göttern schande über die Familie." schalt er seine Verwandte mit scharfer aber leiser Stimme, darum bemüht die sakrale Aura durch seine Stimme nicht noch weiter zu stören. Was fiel der Göre ein? Die Opferung ging ihrem Höhepunkt entgegen und sie kniete sich hin und kümmerte sich um das Kind, vollkommene Ignoranz für das Opfer zeigend... Marcellus war fassungslos über diesen fehlenden Respekt, welchen seine Verwandte hier an den Tag legte. Aber er versuchte sich zu beruhigen, atmete durch und sah wieder nach vorne.

    Marcellus wusste wirklich nicht so recht, wie er Livineia von seinem Vorhaben überzeugen konnte. Vermutlich konnte er es einfach gar nicht. Sie verstand ihn nicht, sie verstand nicht dass die Ahnen von ihm verlangten dies zu tun. Seine Ahnen waren keine Krämer oder Feilscher gewesen, sie waren Soldaten und Staatsmänner Roms gewesen. Ruhmreiche Feldherren, Konsuln, Imperatoren... Er war mit der Bürde geboren worden ein Teil des Stammes der Claudier zu sein und so hatte er eine Aufgabe zu erfüllen. Umso schlimmer war es, da seine Brüder verstorben waren ohne etwas geleistet zu haben. Er musste seinem Vater und seinem Großvater Ehre machen.


    Marcellus hörte seiner Schwester weiterhin zu, als diese schließlich ihren Sklaven anraunzte und danach zu einer Blumenreihe hinüber ging und mit jemandem redete.


    "Schwester, was. Ist los?" meinte er etwas verwundert und erhob sich. Versteckte sich da jemand hinter den Blumen und belauschte sie?


    Er ging einen Schritt auf seine Schwester zu. Hier im Haus der Claudier konnte soetwas doch eigentlich nicht sein. Niemand lauerte den Familienmitgliedern hinter irgendwelchen Blumen auf... doch tatsächlich sollte er sich da täuschen, denn zwischen den Blumen kam nun eine junge Frau hervor, die sichtlich eingeschüchtert wirkte. Eine Sklavin. Sie erklärte sich, entschuldigte sich, aber selbst der etwas mildere Marcellus war trotz ihrer Beschwichtigungsversuche sichtlich verärgert. Es stand einer Sklavin nicht zu nutzlos im Garten herum zu lungern und dabei auch noch die Herren zu belauschen.


    Marcellus aber hielt sich einstweilen zurück. Seine Schwester hatte ein gutes Händchen mit Sklaven und er würde ihr diese Angelegenheit vorerst überlassen.

    Marcus hatte nicht erwartet, dass seine Schwester in irgend einer positiven Art auf Germanien oder Britannien reagieren würde. Natürlich, beide Länder waren ziemlich unheimlich. Sie waren von dichten Wäldern bedeckt und von Sümpfen ebenfalls. Es lebten dort unzivilisierte Menschen, wilde und brutale Barbaren... aber es waren eben diese Gebiete, die Marcellus reizten. Er hatte auch schon darüber nachgedacht, ob er um die Versetzung in eine bedeutendere Provinz bitten sollte. Nach Syrien vielleicht, oder in eine der wirtschaftlich stärkeren Provinzen wie Afrika, Ägypten oder Griechenland. Aber welcher Ruhm wäre dort zu holen? Die Grenzen des Reiches wurden bedroht und Marcellus wollte nicht irgendwo in einer Legion seine Zeit vergeuden, die seit Jahrzehnten keinen Kampf mehr gesehen hatte.


    "Es ist mir ernst, liebe Schwester. Die Grenzen von Rom werden in Britannien und Germanien bedroht, nicht hier oder im sonnigen Griechenland. Wenn ich darauf hoffe militärischen Ruhm zu ernten, so wie so viele unserer Vorfahren, dann muss ich auch die Gelegenheit dazu haben." erklärte er ernst und strich mit der Hand über das Heft seines verzierten Gladius. Diese Rüstung war ziemlich teuer gewesen, aber Marcus wurde von Vater und Onkel gefördert, da waren diese Ausgaben schon drin.


    "Du wirst sehen, ich werde als gestandener Soldat zurück kehren. Und ich werde dir ein Geschenk mitbringen... Nun, zumindest sofern ich überhaupt gehe. Großvater hat noch nicht mit dem Augustus gesprochen, soweit ich weiß." Marcellus war durchaus etwas ungeduldig. Er wollte nicht mitten im Winter in Germanien ankommen, wenn die Zeit für die Sommerfeldzüge schon vorbei war. Außerdem könnten in dieser Jahreszeit die Alpen seine Reise beschweren, so dass er viele Monate verlieren würde. Nein, es durfte sich nicht ewig hin ziehen, das war wichtig.

    Marcellus verzog sein Gesicht zu einer saurtöpfischen Grimasse, als er den Kommentar seiner Schwester vernahm. Geltungsdrang.... Nannte man es so, wenn man seiner Familie und seinen Ahnen gerecht werden wollte? Wenn man, wie einst die Vorfahren, durch militärische Leistungen und politisches Geschick sich einen Namen machen wollte? Marcellus sah seine Schwester an und hörte ihr weiterhin zu. Sie, die da lag wie ein sterbender Schwan, sollte sich nicht solche Spötteleien erlauben.


    "Liebste Schwester, ich habe einen Körperbau wie der junge Achill und was meinen Geltungsdrang angeht... dazu sage ich einfach nichts." meinte er, noch immer etwas beleidigt. Aber er war heute nicht hier um mit seiner Schwester zu streiten. Es war schon bitter, dass sie beide die einzigen waren die von fünf Geschwistern übrig geblieben waren. Quintus, Marcus, Tiberius... alle drei waren sie tot. Hin und wieder belastete es Marcellus ziemlich, aber er zeigte es nicht. Im Prinzip hatte nur Quintus ihn wirklich getroffen, denn zum älteren Marcus und zum jüngeren Tiberius hatte Marcellus nie ein enges Verhältnis gehabt. Aber Quintus, er und Livineia waren gemeinsam in Griechenland gewesen. Sein Tod schmerzte...


    "Ich habe vor zu den Legionen in Germanien oder Britannien zu gehen." sagte er als nächstes. "Ich will für unsere Familie endlich wieder etwas militärischen Ruhm erringen. Seitdem Großvater Legat in Germanien war, hat sich niemand aus unserer Familie hervor getan. Wenn du mich so vermissen würdest, begleite mich doch. Hat der Medicus nicht gesagt, dass kühleres Klima dir gut tun würde?"


    Marcellus hatte sich in den Kopf gesetzt, dass er gerne eine Reitereinheit kommandieren würde. Er liebte Pferde und empfand die römische Reiterei als edelste aller Einheiten. Natürlich waren die schwer gerüsteten Miles der Legionen das Rückgrat Roms, aber Reiter hatten etwas hehres. Selbstverständlich wusste er auch, wie sein Weg ablaufen würde. Als Tribun würde er militärische Erfahrung sammeln und danach würde er sich auf der politischen Bühne in Rom zeigen. Sein bestreben war es aber das Tribunat nicht nur möglichst unbeschadet ab zu sitzen, er wollte sich einen Namen machen. Und daher wollte er an die Grenze. Germanien, Britannien, oder eben der Osten. Aber er liebte die Hitze nicht und zudem faszinierten ihn die wilden Länder an der nördlichen Grenze.

    Marcellus war gerade erst wieder im Anwesen der Familie angekommen und sein erster Weg führte ihn zu seiner Schwester. Livineia. Seine Schritte klangen ein wenig schwerer als sonst auf dem marmornen Boden und ja, sie waren vielleicht auch etwasstolzer und selbstsicherer. Marcellus sah kurz an sich hinab und war zufrieden. Ja, er hatte sich eine Rüstung anfertigen lassen, kaum das er nach Rom zurück gekehrt war. Und nun war sie fertig. Ein Brustpanzer aus geschmiedetem Eisen, welcher auf der Brust ein steigendes Pferd und einen Wolf zeigte. Dazu Armschienen, Lendenschurz, Gürtel und natürlich die lacerna, den roten Umhang welcher an der rechten Schulter mit einer Fiebel in Wolfsform verschlossen wurde. Dem Wappentier der Claudier. Marcellus trug unter all dem eine rote Tunika und hoch gebundene Sandalen. An seiner Seite hing ein Gladius aus norischem Stahl, welchen er ebenfalls hatte anfertigen lassen. Das Schwert steckte in einer hölzernen Scheide, welche mit leder umhüllt und mit silbernen Beschlägen verziert war. Auch das Heft und der Knauf des Schwertes waren mit Silber verziert.


    Unter dem Arm schließlich trug er einen Helm aus schimmernder Bronze. Auch dieses Rüstungsteil war reich verziert und am Helmkamm mit einer Helmzier aus rot gefärbten Federn geschmückt.


    Nun könnte man Marcellus vielleicht vorwerfen, dass er irgendwie zu vorschnell gehandelt hatte. Sein Großvater Menecrates wusste von dem Bestreben des jungen Mannes sich als Offizier im Heer einen Namen zu machen und er hatte zugesagt den Kaiser um eine Ernennung als Tribun zu bitten. Das bedeutete aber freilich nicht, dass er diese begehrte Ernennung schon in der Tasche hatte. Allerdings war er ein Claudier. Ein Nachfahr ruhmreicher Ahnen und Mitglied der angesehensten Familie Roms. Er würde seinen Weg gehen, niemand konnte ihm das verwehren.


    "Geliebte Schwester, deinem Aussehen nach plagen dich wieder die Kopfschmerzen?" mit diesen Worten betrat Marcellus den Garten des Anwesens und trat an die Kline seiner Schwester. Er schnippte in die Finger und sah einen Sklaven an, der gerade irgend etwas unwichtiges tat.


    "Du, bring mir Trauben und Wein, dazu Olivenöl, Brot und etwas Schafskäse. Und Oliven." mit herrischem Ton scheuchte er den Sklaven in die Küche, während er sich gegenüber seiner Schwester auf eine Kline setzte. Den Helm stellte er neben sich ab und mit einem leichten Grinsen sah er zu Livineia, welche sicherlich gleich einen Kommentar zu seiner Aufmachung abgeben würde.

    "Ich habe Hunger"
    meinte er, womit er erst einmal seine Bestellung von eben erklärte, ehe er zu dem schwarzen Sklaven hin sah, der mit stoischer Miene den Wedel schwang.

    Marcellus verdrehte etwas die Augen, nachdem Scato mit seinem Süßholzgeraspel auch bei seiner Schwester weiter machte. Livineia besaß einiges an Charme, aber dieser hatte den Flavier nicht zu interessieren. Er sollte seine Komplimente für Sassia aufheben, welche offensichtlich recht angetan von ihrem künftigen Mann zu sein schien. Und er von ihr... ja, es war doch etwas peinlich, wie sehr die beiden hier in aller Öffentlichkeit turtelten.

    "Ich kehrte kürzlich von einer Studienreise in Griechenland zurück."
    beantwortete Marcellus die erste Frage von Scato. Ein weiterer ambitionierter Claudius in Rom... woher wollte der Mann wissen, dass er ambitioniert war? Und vor allem, was ging es ihn an? Lag da ein Hauch von Konkurrenz in der Luft? Nun, Marcellus war es gleich, zwar wollte er sich ebenfalls in der Politik engagieren, aber er sah sich deswegen nicht als Konkurrent des Flaviers.


    "Ich strebe danach Rom zu dienen, wie es meine Ahnen taten, daher werde ich mich den Legionen anschließen." natürlich würde er nach seiner Militärzeit auch eine politische Karriere anstreben, aber für ihn gehörte beides einfach zusammen. Ein Mann der keine Militärische Erfahrung mit sich brachte, hatte seiner Meinung nach auch in der Politik nichts verloren. Rom war durch seine Legionen groß geworden, das vergaßen Männer wie Scato immer häufiger in diesen Tagen.

    Marcellus betrachtete den Gastgeber, mit welchem sich Menecrates recht freundlich begrüßt hatte, eine Weile. Es handelte sich der Kleidung nach zu urteilen um einen Senstor. Natürlich, immerhin war er zum Aedil gewählt worden. Was Marcellus aber auch auffiel war, dass dieser Mann nichts kriegerisches an sich hatte. Er trug seine saubere Toga, hatte ein elegantes und weiches Gesicht... dieser Mann hatte noch nie in der Armee gedient und das war Marcellus genug um ihn gering zu schätzen. Und um seine schlechte Meinung über deb Mann noch weiter zu befeuern, erfuhr er gleich darauf dass dieser Mann der Senator war, welcher Sassia heiraten sollte, seine junge Cousine. Seine Cousine würde einen Rhetor ehelichen. Einen Redner und Argumentierer, einen Mann der sich nie die Hände schmutzig machte... kurzum, keinen wahren Römer.


    Marcellus sah zu Livineia. Wenn sie dereinst heiraten würde, dann sollte sie einen guten Römer bekommen. Dafür wollte Marcellus sorgen obgleich natürlich die engültige Entscheidung bei Menecrates lag. Ein Mann musste fähig sein seine Familie und sein Land zu beschützen, ebenso wie er fähig sein musste sich selbst im öffentlichen Leben zu behaupten. Davon war Marcellus überzeugt. Die römischen Werte und Tugenden waren fest in seinem Geist verankert.


    Doch seine persönliche Meinung musste natürlich persönlich bleiben. Gerade aufgrund der freundlichen Begrüßung durch Menecrates war es undenkbar, dass Marcellus seine Abneigung in irgend einer Form zeigte.


    "Salve, mein Name ist Marcus Claudius Marcellus und dies ist meine liebreizende Schwester Claudia Livineia. Wir danken dir für deine Einladung und gratulieren zu der Entscheidung des Volkes." brachte er höflich einige Worte vor.

    Marcellus trug am heutigen Tage eine durchaus etwas prunkvollere Gewandung, als er es für gewöhnlich tat. Über einer roten Tunika trug er die Toga virilis und an den Handgelenken hatte er goldene Armreife befestigt. Auch einen silbernen Siegelring trug er am Finger. Immerhin war er der Sohn des Galeo Claudius Gallus und der Enkel des Herius Claudius Menecrates. Mehr noch war er auch der Nachfahr vieler bedeutender Männer. Seine Ahnen sahen zu jedem Moment auf ihn herab.


    "Ein schöner Tag geliebte Schwester, nicht wahr?" sprach Marcellus Livineia an, welche neben ihm ging, während sie auf den Eingang zur Villa Flavia zu gingen. Sie waren in einer Sänfte angereist und Marcellus fühlte sich angenehm entspannt. Es würde sicherlich ein angenehmes Fest werden, auch wenn er den Gastgeber nicht kannte. Caius Flavius Scato... nun, er würde ihn sicherlich kennen lernen.


    Einstweilen aber war Marcellus auch froh darüber wieder einmal mit Livineia zusammen eine Feier besuchen zu können. Zwar hatte es derlei auch in Griechenland gegeben, aber nachdem sie dann nach Rom zurück gekehrt war, war es ihm doch etwas einsam geworden. Natürlich war Livineia nicht gerade eine Frohnatur, aber sie war seine Schwester und er würde sie immer lieben, ganz gleich wie sehr sie manches Mal seine Nerven strapazierte.

    Marcellus stand abwartend und geduldig in den Reihen der Familie. Er beobachtete das Opfer seines Großvaters Menecrates, jenes seiner Schwester Livineia und nun sah er dem kleinen Mädchen zu, welches vom ehrwürdigen Familienoberhaupt angeleitet wurde. Marcellus lebte nun schon seit einigen Wochen wieder in Rom, doch noch immer war er nicht gänzlich angekommen. Er wusste dass dieses Mädchen seine Großcousine war, erinnerte sich aber nicht mit der Kleinen bisher auch nur ein Wort gewechselt zu haben.


    Marcellus hatte viele Jahre in Griechenland verbracht. Mit siebzehn Jahren war er nach Griechenland gegangen um dort in Athen bei berühmten Lehrern die Rhetorik, die Grammatik und die Ethik zu erlernen. Fünf Jahre war das nun her und er fühlte sich in der eigenen Familie etwas fremd. Am meisten Bezug hatte er zu seiner Schwester, welche einige Zeit mit ihm gemeinsam in Griechenland gewesen war. Immer wieder glitten seine Augen zu Livineia hin, doch genauso oft musterte er auch den Tempel.


    Er war heute nicht nur hier, weil der pater familias es wollte, sondern weil er auch selber ein Anliegen an die Götter hatte. Der junge Römer trug eine saubere, weiße Tunika und keinerlei Schmuck oder anderen Prunk. Demütig stand er vor den Göttern. Ob sie ihn erhören würden?


    Marcellus stand nun ganz am Anfang seines Lebensweges. Er hatte in seiner Kindheit eine gute Ausbildung genossen, er hatte während des tirocinium fori gelernt sich wie ein ehrbarer Römer, wichtiger noch, wie ein Claudier zu verhalten und er hatte bei den Lehrern und Denkern in Griechenland gelernt zu Reden, zu Argumentieren, ja zu Denken. Nun musste er damit beginnen der Familie etwas zurück zu geben. Er musste beweisen und zeigen, dass er die alten römischen Tugenden und Traditionen achtete und lebte, er musste seine Familie stolz machen. Um dies zu schaffen, brauchte er den guten Willen und den Segen der Götter und Ahnen.