Beiträge von Tiberia Maximilla

    Hymeas war verstummt, nachdem seine Herrin die Männer auf der Bank in Augenschein genommen und angesprochen hatte. Maximilla selbst, noch nachdenkend darüber, ob sie nun weiter flanieren oder inne halten sollte war gar über sie sich selbst erstaunt, dass sie sich dazu veranlasst gefühlt hatte, den Gruß überhaupt über die Lippen kommen zu lassen. Nun, da sie meinte einen der Männer schon einmal gesehen zu haben, war die Erklärung, dass die sommerliche Hitze und die Sehnsucht nach einem Kontakt, welche die inneren Lemuren vertrieb, nicht mehr ganz so drückend wahr. Sie nickte auf das gesprochene ‚Verzeih‘ hin und sah sich sogleich meiner wohl formulierten Frage konfrontiert. Eine Forumlierung, die auf Bildung schließen ließ, gepaart mit dem Gebaren eines hohen Ranges. Noch einmal setzte sie ihre Blicke auf das ihr bekannt erscheinende Gesicht, doch noch immer wollte ihre Erinnerung nichts preisgeben. Statt weiter darüber nachzusinnen, widmete sie sich zunächst einmal der Frage, nicht jedoch ohne auch den anderen Mann noch einmal anzuschauen. Offenbar hatte man sich in Philosophie ergangen – so zumindest ihr Schluss.


    “Es lag nicht in meinem Sinne euch zu unterbrechen!“, begann sie aber zuerst. Vielleicht zunächst mit hocherlauchten Tonfall, der ihr an anderen Tagen und vor dem Verlust, der Hitze, der Einsamkeit und der Melancholie zu Eigen gewesen war. Doch unter der Antwort schwand sogleich wieder dieses Gebaren, das in anderer Verfassung einen jeden Bediensteten im Hause in Angst und Schrecken versetzte. [color]“Nun,“[/color] begann sie dann, wieder deutlich betrübter und sie ließ ein Seufzen folgen. “Ich beliebte bereits zu reisen, doch habe ich dieser Tage das Gefühl in dieser Stadt meiner Vergangenheit etwas näher zu sein.“
    Mit einem leichten Handwedeln bedeutete sie den Trägersklaven ihre Sänfte für einen Moment abzusetzen. Auch wenn sie nicht darinnen saß, so war es doch wohl ein gutes Zeichen der Absicht, noch einen Moment verharren zu wollen. Wieder sah sie Fragenden an und neigte dabei leicht das Haupt. “Doch sag‘, mir ist so, als ob wir uns schon einmal gesehen haben. Du scheinst mir sehr bekannt.“ Ihr Blick glitt wieder zu dem anderen. “Du hingegen nicht,“ ließ sie in ihrer stets direkten Art folgen, die keineswegs einen Affront bedeuten sollte, aber nichtsdestotrotz das Inventar in ihrem alltäglichen Umgang war.

    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/hymeasaaurs.jpg|Hymeas


    Der Sommer war wieder eingekehrt, doch gereichte dieser Maximilla nicht wirklich zur Freude. Nach den Wirren der infamen Unruhen, welche vom Sklavengesindel angeführt wurden, war es der alten Dame nur logisch erschienen, an der Küste nach der ihr wohlverdienten Ruhe zu suchen. Doch auch Kampanien schien nicht weit genug entfernt, um das Schicksal sie nicht ereilen zu lassen. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, so war der Verlust von Verus, ihrem Neffen, doch ein arger gewesen und mit einem Schlage war es einsam geworden in der Villa, welche sie seit einigen Tagen wieder bewohnte. Zurückgezogen und grollend gegenüber den Göttern. Doch nun, nach einer Weile war es wohl an der Zeit den Verdruss beiseite zu schieben, um dem Vergnügen neuerlichen Platz zu machen. Wäre die Hitze nicht so drückend und Rom nur eine Stadt, in welcher es sich auch zu dieser Jahreszeit wohl leben ließe. Doch das war es nicht. Selbst die Thermen – zu jeder anderen Zeit ein wahrer Hochgenuss – wollten nicht recht die Stimmung heben, weshalb ihr eine gute Bekannte vorgeschlagen hatte, die bessere Stimmung doch in den Gärten des Sallust zu suchen, welche Schönheit und Abwechslung versprachen. In Ermangelung eines besseren Zeitvertreibs war Maximilla auch darauf eingegangen und hatte eine Weile gelangweilt aus der Sänfte geschaut, bis die ein oder andere Laube sie jedoch verlockt hatte, selbst die Füße auf das Gras zu setzen und einige Schritte zu gehen.


    So ging es nun – gefolgt von der nunmehr leeren Sänfte – an den Kollonaden des Cryptoporticus entlang, zur Freude der treuen Gärtner wohl ein weiteres Mal halbwegs über den Rasen, wobei die zunehmend alternde Dame ganz versunken in die liebliche Stimme ihres Sklaven war, der dazu befohlen worden war, ihr einige Verse aus dem Tithonos der Sappho zu rezitieren. Die schwermütigen Zeilen kamen dem jungen Macedonen geradezu lieblich über die Lippen, auch wenn deren Inhalt schon an Maximillas Gemüt zerrte:
    “Eilt ihr, zu der veilchenduftbusigen Musen schönen Gaben,
    Kinder, und der sangesliebenden, helltönenden Leier!
    Mir aber hat nunmehr die einst zarte Haut das Alter ergriffen,
    weiß aber wurden die Haare, die einst schwarzen;
    Schwer ist mir das Herz geworden, die Knie tragen mich nicht mehr,
    die einst doch flink genug waren, zu tanzen gleich einem Reh.
    Darüber stöhne ich oft; doch was könnte ich tun?…


    Auch Maximilla selbst trug eins schwarzes Haar. Doch nun, weit in die Jahre gekommen, war sie es gewöhnt dieses mit guten Perücken zu verdecken und sich in schöne Stoffe zu hüllen, die ein Normalsterblicher wohl als ‚schrill‘ bezeichnet hätte. Ein schwerer Duft von Lavendel umspülte ihr leicht dickliche Gestalt und es blieb ihr wieder einmal nichts mehr als mit dem lyrischen Ichs des Poems um die Wette zu seufzen. “Ist meiner Herrin nicht wohl?“, wollte Hymeas verzagt wissen. Immerhin stand zu befürchten dass mit der Laune der Herrin auch ihre Gunst ihm gegenüber für diesen Tag sank. “Ich fürchte Hymeas, nein...“ Schwer kamen Maximilla ihre Worte über die Lippen, doch in einiger Entfernung sah sie nun eine Bank, die offenbar aber schon besetzt schien. Doch ging wohl auch kein Weg an dieser vorbei, zumal noch eine weitere Bank am Wegesrand zu erwarten war. “Nur weiter, Hymeas!“, forderte sie dann, woraufhin der Sklave wieder ansetzte. “… frei von Alter kann man als Mensch nicht werden.
    Soll doch auch einst, den Tithonos tragend, mit rosigen Armen
    Eos, von der Liebe verwirrt, zu der Erde Ränder gegangen sein, ...

    Langsam flanierend kam man der Bank näher, auf der zwei Männer saßen. Maximilla nickte ihnen in einem Gruße zu und sprach ein vernehmliches “Salvete!“ in deren Richtung. Dann blieb sie stehen, denn in zumindest einem von ihnen schien sich ein bekannteres Gesicht zu verbergen. Vielleicht war es aber auch nur ein weiterer Trug, denn manchmal, so schien es ihr, suchten bereits jetzt die Gespenster sie heim.

    So wie es ausschaute war sie ob ihrer Verspätung im Reigen der Gratulanten für das Brautpaar und in Bezug auf die Nähe des Kaiserpaares zu sich selbst ein wenig ins Hintertreffen geraten. Das gefiel ihr natürlich überhaupt nicht, doch die Schuld dafür lag natürlich bei ihr selbst, weshalb sie dieses Mal auch viel leichter verzeihen konnte. Schnell hatte sie noch Luna zugenickt, die sich nun um etwas Trinkbares für sie bemühen würde. Unterdessen ließ Maximilla ihre Blicke schweifen. Ihren Neffen hatte sie noch immer nicht entdeckt. Dafür aber die Aurelia und Flavius Gracchus. Diesen hatte sie auf Anhieb erkannt und bestimmt würde sich später noch die Gelegenheit ergeben etwaige Bekanntschaften zu schließen oder aufzufrischen. Sie war einfach zu lange fern von Rom gewesen und dieses Rom war seit ihre Jugendjahre doch ein anderes gewesen. Ein anderer Kaiser, andere Gesichter und wie meinte auch ein anderer Geruch. Dass sie hier allein stand passte ihr nun gar nicht, doch sie würde sich noch einen Moment gedulden und abwarten, so lange bis ein Schluck guten Weines ihren Magen wärmte und die leichte Müdigkeit vertrieb, die sich hinter ihren Schläfen aufbauen wollte. Dann aber reckte sie doch den Hals und sah Luna mit diesem roten Sklavenmädchen reden. Ein hübsches Gör, wenn man es genau betrachtete, doch sie war nicht hier um sich über die Dienerschaft anderer Leute Gedanken zu machen, auch wenn sie gerne die Augen und Ohren offen hielt, wo man schmucke und nützliche Sklaven günstig erwerben konnte. Das war schon bei ihrem Hymeas von Vorteil gewesen. Aber nun denn… Luna würde ja hoffentlich hier gleich wieder erscheinen. Ihre Blicke verfinsterten sich ob des Wartens ein wenig.

    Ärgerlich war die Verspätung alle mal, doch sie gehörte nun nicht mehr zu der schnellen Sorte Mensch, auch wenn es ihr über die Maßen schwer fiel, sich das einzugestehen. Immerhin hatten sie nun schon einiges verpasst und es galt sich hier auf der Hochzeit zu orientieren. Der ein oder andere Gast war Maximilla schon ins Auge gesprungen. Als Luna erwähnte, dass das Kaiserpaar schon anwesend war, schwenkten Maximillas Blicke sofort zu diesem hinüber. Vielleicht würde sich die Gelegenheit ergeben, wenigstens mit der Augusta ins Gespräch zu kommen, doch das würde sich zeigen. Noch einmal tastete ihr Augenmerk durch den Raum, auf der Suche nach Verus, doch sie konnte ihn nicht entdecken. “Nun gut,“ erklärte sie dann und griff nach einem der Häppchen auf dem Tablett, welches ihr eine rothaarige Sklavin entgegen hielt. Die Tiberia musterte die Sklavin flüchtig. Eine Rote. Das war doch einmal etwas Seltenes. Dazu eine dunkelblaue Tunika. Wer auch immer dafür verantwortlich war, er hatte Geschmack. Mit einer Handbewegung deutete sie der Sklavin nun an, dass sie nun genug gegessen hatte und sie machte sich auf den Weg hin zum Kaiserpaar, welches im Begriff war, von der Braut begrüßt zu werden. Deren Ankunft hatte sie verpasst, was eigentlich recht schade war, aber so konnte sie wenigstens noch ihre Glückwünsche aussprechen zu einem einflussreichen Ehemann, neben den sie sich nun gesellte. Doch sie würde das Gespräch nicht unterbrechen und warten, bis sie an der Reihe war. Über so viel Takt verfügte sie dann doch noch. “Besorge mir doch etwas zum Trinken, Luna!“ forderte sie dann und deutete noch einmal zu der rotblonden Sklavin mit dem Tablett. “Dieses junge Ding dort drüben wird bestimmt wissen, wo man so etwas auftreiben kann.“

    “Wir werden und definitiv verspäten!“, hatte Maximilla den Sklaven entgegen geplärrt, welche die Sänfte trugen. Und tatsächlich erreichten sie den Ort der Hochzeit erst, als die Braut bestimmt schon den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte. Maximiilla liebte Hochzeiten, sofern es denn nicht die eigenen waren, also wollte sie sich dieses Ereignis auch nicht entgehen lassen. Sie selbst war in einen Traum aus blassrot gehüllt, der sich um ihre ausladende Taille schmiegte. Dazu eine edle grüne Palla mit goldener Spitze. Als sie aus der Sänfte stieg, winkte sie Luna zu sich, die ihr noch einmal an der Garderobe herum zupfen sollte, bis diese richtig lag. Dann schritt sie hinan zu dem Ort des Geschehens. “Luna,“ sagte sie, “Ich hoffe, wir haben nun nicht das Beste verpasst.“ Das Beste waren doch immer die Gäste, mit denen es sich trefflich reden ließ. Mit fahrigen Handgesten überprüfte sie noch einmal den Sitz ihrer blonden Perücke mit den breiten blauen Strähnen, ehe sie sich daran wagte, die Villa zu betreten. Tatsächlich waren bereits viele eingetroffen, darunter auch das Kaiserpaar. “Bestimmt ist Verus auch schon eingetroffen,“, stellte sie fest und wedelte dann gekünstelt mit der Hand, während sie sich umschaute. Alles sah herrlich aus. Einem Patrizier würdig.

    Den Gruß der germanischen Sklavin bedachte Maximilla nur mit einem skeptischen Blick. Ihr war Luna nicht geheuer, denn Germanen standen bei ihr generell unter Verdacht eine verschrobene Existenz zu führen, die bei pflegendem Rindertalg anfing und mit blutgetränkten Schwertern aufhörte. Was ihr Neffe nur an ihr fand, dass er sie zur Cubicularia erhoben hatte? Gut, sie war nützlich und nicht widerborstig. Sie hatte die Villa verschönert und dergleichen. Aber… Oh ja, ihr Neffe! Sein gekünstelter Tonfall war ihr nicht entgangen und auch nicht das Gesicht, welches er zur Schau stellte. Sie rümpfte die gepuderte Nase und ging auf eine der Klinen zu, welche Luna für sie zurecht gerückt hatte. Ihre Füße brannten wie Feuer und sie bedurfte dringend einer Erfrischung. Kein Bote also, sondern ein entfernter Cousin und Neffe? Ihre Blicke glitten über den Fremden, den sie noch nie gesehen hatte. Ein Tiberier sollte das sein? Stolz hob sie ihr Kinn und ließ sich auf den Kissen nieder. Dann jedoch schwenkte ihr Blick noch einmal zu ihren Sklaven, die noch immer schwer beladen da standen. “Auf mein Zimmer mit den Sachen, Hymeas!“, befahl sie. Dann richtete sich ihr Augenmerk wieder auf den Neuankömmling und sie lächelte leicht schräg. “Und woher kommst du… Neffe?“, fragte sie dann, wobei sie recht interessiert klang. Eigentlich meinte sie alle Tiberier zu kennen, doch dieser hier schien eine Ausnahme zu sein. Blieb nur zu hoffen, dass Verus freundlich gewesen war, was einem Mann seines Kalibers gewiss nicht immer leicht fiel. Maximilla war stolz auf ihn, auch wenn er bisweilen recht mürrisch sein konnte. Doch das brachte ein gut bezahltes Amt immer mit sich. Nein, Verus war nicht irgendwer, nicht verzärtelt oder halbherzig. Er war ein Tiberier durch und durch! Maximilla war stolz auf ihn. “Luna! Wein!“ Sie streckte ihre Hand empfangsbereit aus und deutete mit der anderen auf den Angekommenen. “Ihr habt ihm doch gewiss auch etwas angeboten? Er wirkt so blass!“

    “NUN KOMM SCHON HARMONIA!“, tönte Maximillas volumenreiche Stimme durch das Atrium, noch ehe sie es eigentlich betreten hatte. Die junge, blonde Sklavin, welche sie soeben gerufen hatte war unter einem Berg an bunten Stoffen verschwunden, den sie auf den Armen trug, um ihn von der Sänfte in das Haus zu schaffen. Auch der schlanke und ansehnliche Hymeas mit seinen langen, dunklen Haaren war wie immer in der Nähe seiner Herrin. Er trug eine kleine Auswahl an modischen Sandalen in den Händen. Maximilla jedoch war noch immer nicht zufrieden, denn die Schnäppchen, welche sie heute in der Stadt hatte erstehen können waren nicht unbedingt das, was sie eigentlich gesucht hatte. Dennoch hatte sie wie immer nicht an den Ständen der Händler vorbei gehen können ohne etwas zu kaufen. “PROXIMOS! HALT NICHT MAULAFFENFEIL DA! LASS DIE SÄNFTE WEGSCHAFFEN!“, rief sie vernehmlich ihrem Leibwächter zu, ehe sie ihre feuerrote Langhaarperrücke, die zu einer turmhohen Frisur aufgemacht war, noch einmal betastete, nur um sich dann noch einmal die safrangelbe Stola zurecht zu rücken, an deren Saum kleine Goldplättchen eingearbeitet waren, die bei jedem Schritt herrlich und leise klimperten. Dann machte sich Maximilla auf ins Atrium, wobei ihr ihre beiden Sklaven auf dem Fuße folgten. Im Anschluss erblickte ihre wie immer geschminkten Augen, dass Verus und die Sklavin Luna anwesend waren, die sich um einen Fremden scharten. “Hach, Verus mein Guter!“, seufzte sie hervor, während sie sich näherte. “Was bringt denn der Bote für Nachrichten?“ Schließlich hatte sie gesehen, dass der Mann ihrem Neffen ein Dokument ausgehändigt hatte. Ihr habichtgleiches Augenmerk richtete sich nun auf den Fremden und sie schürzte ihre bemalten Lippen.

    Ihr aufmerksamer und zugleich rachedurstiger Blick auf der Szenerie geruht und Maximilla kam nicht umhin wahrzunehmen, dass ihr Herz nun kräftiger schlug. Aufregung hatte sie erfasst und sie konnte es gar nicht erwarten, bis die verfluchten Aufwiegler und offensichtliche Feinde Roms, ihrem Schicksal entgegen blicken musste. Allzu lange aber hatte sie nicht mehr warten müssen und die Flammen züngelten an den Elenden empor, welche noch kreischten und schrien, bevor ihre Lebensgeister im tosenden Feuer erloschen. “Lege age...“, wiederholte Maximilla leise flüsternd und konnte es nicht unterlassen, ihren Hymeas, der verschreckt und leicht zitternd neben ihr kauerte über die Wange zu streicheln. “Man könnte meinen, du seist selbst dort unten,“ sagte sie leise und nachdenklich. Offenbar nahm es den Jungen sehr mit. Dann ließ sie ihre Hand wieder sinken und atmete einmal tief durch, nur um dann in sich nachzuspüren, ob ihr Durst nach Vergeltung nun gestillt war. Immerhin brannte Varia nun für all das Leid welches sie über die Familie der Tiberier gebracht hatte.
    Während des weiteren Schauspiels schwieg Maximilla und ließ sich nur dann und wann ein wenig Zitronenwasser anreichen, an welchem sie vornehm nippte. Im Grunde genommen war sie bereits wieder müde, doch das wollte sie sich nicht anmerken lassen und auch dem Rest der Hinrichtungen würde sie noch beiwohnen, auch wenn sie wünschte, dass die Vorbereitungen dazu ruhig ein wenig schneller vonstatten gehen konnten. Dennoch stellte sie fest, dass sich der Veranstalter interessante Gedanken gemacht hatte und sie applaudierte mit der jubelnden Menge, nachdem die Regeln der folgenden Spiele erklärt worden waren. Dies war doch eindeutig aufregend. Mann gegen Mann mit der kleinen Hoffnung auf Gnade, auch wenn sie letzteres insgeheim nicht billigte. Nicht in diesem Fall. Mit gestrecktem Hals verfolgte die alte Tiberia, wie sich in den kleinen Arealen die Delinquenten bekämpften und zum Teil würdige, zum größeren Teil jedoch unwürdige Kämpfe boten, die mit Peitschen erst so recht befeuert werden mussten.

    Auch Maximilla hatte den Ruf der Herolde vernommen, auch wenn sie bereits zuvor schon gewusst hatte, dass genau dieser Tag der Tag der Abrechnung war. Mit dem ihr eigenen Schwung hatte sich bereits recht früh in den Morgen begeben, um ein leichtes Mahl und ein erfrischendes Bad zu nehmen, welches die Lebensgeister weckte. In der letzten Zeit hatte sich nicht wohl gefühlt und war zumeist auf ihrem Zimmer geblieben, um die müden Knochen nicht allzu sehr strapazieren zu müssen, welche ein Quell der übelsten Launen gewesen war. Überhaupt gefiel ihr die kältere Jahreszeit nicht besonders und sie hatte ihre Garderobe mit einigen wärmeren Kleidungsstücken aufstocken müssen. Sie waren waren farbenfroh und entsprachen natürlich der neuesten jugendlichen Mode, auch wenn die Schneider in Rom ihrer Meinung nach nicht so gut waren wie jene in Tarraco, weshalb auch noch ein weiterer Sklave auf ihrer Einkaufsliste stand, der mit Nadel und Faden wahre Wunder für sie vollbringen würde.
    Aber das war heute noch Zukunftsmusik und sie hatte ihre Sklavin Harmonia mit lauter Stimme und immer wieder dazu aufgefordert, sich mit ihrer Pflege besondere Mühe zu geben. Immerhin würde sie ja in Nähe der Kaiserloge sitzen, was natürlich ein Privileg war, welches man eventuell nutzen konnte.


    Während die Stunden bis zur Hinrichtung verstrichen, beschäftigte sie sich mit der Auswahl ihrer heutigen Perücke und dem Durchprobieren der Garderobe, bis etwas Passendes gefunden hatte. Dieses Etwas war blassgrün, reichlich mit Goldfäden verziert und kontrastierte hervorragend mit einer rotblonden Haarpracht, die zu einem rasanten Turm aufgesteckt worden war. Kleiner Zierrat baumelte aus einigen Strähnen herab und klimperte leise, wann immer sie ihren Kopf bewegte. Ihr Gesicht wirkte sittsam blass und ihre Lippen bestachen mit einem frischen, roten Ton. Maximilla gefiel, was sie im polierten Spiegel sah und konnte sich auf den Weg machen, um die Gerechtigkeit zu verfolgen, zu der Rom offenbar immer noch in der Lage war. Schließlich hatte man ihr ihr Heim genommen, die Sklaven und einige Verwandte. Es geschah nur recht, dass diese Varia und der widerliche Mob, der sie in die Raserei begleitet hatte heute endgültig ihr Ende finden würde.


    Hoch erhobenen Hauptes hatte sich die Tiberia also mittels Sänfte zum Ort des Geschehens tragen lassen, ehe sie den Rest des Weges zu Fuß auf sich nahm und auf einem der eigens reservierten Plätze Platz nahm. Von hier aus konnte man alles wunderbar überblicken und ihr würde kein noch so kleines Detail entgehen. Zumindest keines, was nicht ihrer aufkeimenden Kurzsichtigkeit geschuldet war. Nachdem sich die Ränge gefüllt hatten und geradezu greifbare Anspannung in der Luft lag, ergriff sie die Hand ihres Sklaven Hymeas, wobei sie gar nicht merkte, dass sie es mit der Festigkeit ihres Griff wohl ob der eigenen inneren Anspannung ein wenig übertrieb. Dann schickte sie Proximos aus, um noch ein paar Leckereien zu besorgen, die es hier bestimmt wohl auch geben würde. Tatsächlich hatte er Erfolg gehabt und kam rechtzeitig zum Einzug der Götterblilder und der Augustusbüste zurück. Man merkte deutlich, dass einige im Publikum wohl noch niemals Elefanten gesehen hatten, denn ein Raunen ging durch die Menge. Doch Maximilla regte sich nicht und kein Laut des Erstaunens verließ ihre Lippen. Im Geiste hatte sie schon die Zeit angetrieben, damit diese schneller vorwärts lief. Dann, endlich, hielt auch der Wagen des Consuls, der danach die Stimme erhob, um die Vorfreude der Massen weiter zu schüren und um die Ludi Palatini zu eröffnen.


    Auch Maximilla hatte sich erhoben, um Beifall zu spenden. Frenetischen Jubel hörte man allerdings von ihr nicht, denn das gehörte sich nicht für eine Dame von Welt. Ihre Blicke schweiften flüchtig über den Pöbel, der wild auf und ab sprang, mit den Armen wedelte und dem anscheinend jedwede Sitte und Moral abging. Und dann war es so weit. VARIA! Maximillas Habichtsaugen richteten sich wie gebannt auf die elende Delinquentin und auch ihr Gefolge, welches man mit Peitschen antrieb.


    Ein wenig hatte sich die Tiberia vor geneigt, um noch besser sehen zu können und sie sah sehr deutlich, dass ihr Neffe, der eine wahre heroische Figur machte, mit dieser Verbrecherin redete, die nackt und bloß zur Verantwortung gezogen wurde. Abschaum! Und dann noch eine Frau! Eine Schade für ihr eigenes Geschlecht und bestimmt war sie auch perfide und durchtrieben.


    Am Rande bekam sie mit, wie in der Kaiserloge ein junges Ding offenbar die Augusta zur Rede stellte, doch verstehen konnte sie kein Wort, denn sie saß zu weit weg und es waren einfach zu viele Stimmen um sie herum, als es überhaupt möglich gewesen wäre etwas zu verstehen. Unten auf dem Sand unterdessen wurden hölzerne Kreuze errichtet, zu denen die Gefangenen geführt wurden, während die Fackeln schon brannten. Wieder reckte Maximilla das Haupt, während sie sich an ihr Herz griff. “Bald siegt die Gerechtigkeit, Hymeas, du wirst es sehen!“, erklärte sie beinahe ergriffen. Der junge Sklave gab keine Antwort, sondern er nickte nur schwach, während er den Anschein erweckte, gerne auf den Anblick verzichten zu wollen. Im Anschluss ertönte Varus Stimme über den Platz. Wie majestätisch, wie imposant! Was für ein Sohn Roms! Stolz wallte in der Tiberia auf. “Wie ergreifend,“ seufzte sie schwer, straffte aber zeitgleich ihre Haltung. Dann schaute sie hinüber zum Consul, der soeben angesprochen worden war und hoffte, dass die verruchten Christianer, einschließlich ihrer verwunschenen Königin nun den Flammen übergeben wurden.

    Sie war auf dem Weg zum Bade, doch eine Stimme ließ sie inne halten. War das nicht Corvina? Maximilla fuhr herum und ihr Gesicht wurde sogleich durch ein Lächeln erhellt. Sie hatte erst in zwei Tagen mit ihr gerechnet? Nun denn, die Pferde waren waren wohl schneller als gedacht und die Straßen ebenso. Außerdem war ihr Drang Rom zu erreichen ein derartig unermesslicher gewesen, dass sie sich geeilt und Boden gut gemacht hatte. Maximilla breitete unwillkürlich ihre Arme aus. “CORVINA!“, rief sie wonnevoll. “Ich danke dir für deine Begrüßung. Die Umstände sind allerdings wirklich vertrackt. Die Villa in Trümmern, der Stolz im Dreck und dann auch noch… hach!“ Ein abgrundtiefes Seufzen unterbrach ihre Rede. Dann winkte sie ab. Sie war noch nie ein Mensch gewesen, der gerne jammerte. Sie war ein Macher, ein Akteur, ein geliebtes Kind der Götter. “Ja, zeig mir das Bad. Alles in mir lechzt danach…. Die Straßen, staubtrocken und keinerlei Unterhaltung unterwegs...“ Dann blickte sie auf Hymeas, der gerade ins Gespräch kam. “Ich habe ihn aus Macedonien. Ein Schnäppchen! Aber mehr dazu später…. Nun sage mir doch, wie kommst du nach Rom und wie ist es dir ergangen? Ich hoffe nur, meine Sklaven kommen bald hier an… ich fühle mich wie ein Fisch auf dem Trockenen, und du weißt doch, ich lasse nur so ungern Fremde an mich heran.“ Maximilla ging neben Corvina einher, hin zum Balneum. “Aber sag, bist du ganz alleine hier?“

    Nun denn, so sollte es also sein, dass sich ihr Neffe absetzte. Maximilla konnte nichts weiteres tun, als ihm hinterher zu schauen. Schließlich hatte kam sie nicht umhin zu bemerken, dass niemand weniger als die Kaiserin den Raum betreten hatte. Ihre Stirn runzelte sich. Vielleicht sollte sie auch die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen und sich zu ihr gesellen. Doch dann kam es ihr so schal vor. So unglaublich niedrig. Im Traume wäre es die Kaiserin, die zu ihr hinüber käme. Also lächelte sie der Iulia zu. Ja, die Pfeile des Merula waren verschossen, wie so oft in seinem Leben und schon, einer Motte gleich, hatte er sich ins Licht begeben. Aber lange brauchte sie nicht zu warten und schon war es die Kaiserin, die auf die zurückgebliebenen Damen zu schritt. Maximilla straffte sich und warf ein maliziöses Lächeln ins Gesicht. Das war wohl ein Vorteil von Rom. Man befand sich am Nabel der Macht und alles kreiste um die hohe Herrschaftlichkeit. Darin unterschied sich Rom in nichts von den Provinzen. Offenbar schien die Iulia die Kaiserin zu kennen, was sie selbst nicht von sich behaupten konnte. “Wir sind uns definitiv nicht bekannt!“, erklärte sie. “Aber ich habe schon viel von meiner Kaiserin gehört!“ Ein fulminanter Unterton bemächtigte sich ihrer Stimme. War es nicht die Kaiserin gewesen, die einen ihrer ersten Auftritte reitend bestritten hatte? Das war ganz nach Maximillas Geschmack gewesen, auch wenn sie es nur vom Hörensagen kannte. “Es ist eine unglaubliche Ehre für mich!“, erklärte sie sogleich und lächelte auch weiterhin. Den Blick für den Rest der Festlichkeit hatte Maximilla in diesem Moment verloren.

    Es hatte lange gedauert, bis Harmonia es geschafft hatte, dass Maximilla sich gefiel. Aus den neuen Stoffen war ein wunderschönes Kleid geschneidert worden. Rosétöne, wohin das Auge auf ihrem rundlichen Leibe blickte und ein edler Überwurf aus makellos blau gefärbter Seide. Dazu eine raffinierte, leicht fransige Frisur aus hochgestecktem Felchtwerk, wobei die neuen, glodenen Ohrringe besonders gut harmonierten. Auch trug Maximilla eine teure Kette, welche ebenfalls in Gold schimmerte. Ihr wie immer geschminktes Gesicht blickte jedoch viel zu streng in den polierten Spiegel. Ihre Wangen waren kunstvoll gerötet, ihre Augen dunkel, wenn auch nicht übermäßig betont und ihre roten Lippen schürzten sich kritisch. Wie auch immer es war, es würde reichen müssen, denn schließlich hatte man ihr bereits gesagt, dass die Gäste schon eingetroffen waren.


    Also machte Maximilla sich verspätet auf den Weg, um bei dem Fest aufzugehen, wie ein heller Stern. Als sie den Raum betrat warf sie ein fulminantes Lächeln ins Gesicht und ließ sich einen Becher mit verdünntem Wein reichen. Sodann grasten ihre Blicke über die Anwesenden hinweg. Ihre Familie war nun also schon da. Wunderbar. Die anderen kannte sie nicht, doch was nicht war, würde noch werden. Mit raschelnden Schritten hielt sie auf Merula zu, der in ein Gespräch verwickelt war. “Spielt er wieder den Charmeur?“, wollte sie dann von den Damen wissen und auch den anderen schaute sie entgegen.

    Ganz entgegen ihrer Art schwieg Maximilla für einen Moment, den sie nutzen wollte, um ihre Verwandtschaft zu betrachten. Verus wirkte ein wenig erschöpft und auch Merula steckte wohl die Reise in den Knochen. Das kannte sie nur zu gut. Mit ein wenig Wein, gutem Essen und einem wunderbaren Bad wäre diese niedergeschlagene Laune auch schon schnell wieder verschwunden. Nun endlich ließ sie Verus Hand los und wendete sich an Merula. “Dass ihr euch freut mich zu sehen, das will ich auch hoffen!“, gab sie von sich. “Es muss Jahre her sein, doch sei unbesorgt: Weder die Umstände, noch der Zahn der Zeit kann mir etwas anhaben!“ Endlich stolperte nun auch Hymeas mit den Einkäufen ins Atrium. “Oh ja, der Brief. Den habe ich gelesen. Nur gerade heute musste ich unbedingt in die Stadt und konnte einfach nicht abwarten, bis ihr ankommt.“ Immerhin hatte sie für das Fest eine neue Garderobe gebraucht, was natürlich auch wichtig war.


    Weiter konnte sie nicht sprechen, denn Corvina betrat das Atrium. Wie es nicht anders zu erwarten war, wies sie ihre Brüder sogleich zurecht, was Maximilla wohlwollend überhörte. Schließlich hatte sie sich auch schon die Frage nach der Anwesenheit dieses Tieres gestellt und Verus und Merula waren wirklich lange fort gewesen und konnten sich ruhig etwas zusammen reißen. Besonders Verus wirkte sonderbar still. Doch was sollte das heißen? Corvina war unter mördern und Brandstiftern gewesen? “Aber Kindchen! Das ist ja nun vorbei! Und du warst meiner Nähe. Du wirst doch wohl nicht mich als Brandstifterin bezeichnen.“ Maximilla lächelte milde.


    Auch weiterhin schenkte sie der Sklavin keine Aufmerksamkeit, auch wenn sie nun dem Wolf etwas zu murmelte. Offenbar war dies nun das Haustier des Verus. “Nun ja, mein guter Verus,“ sagte sie dann. “Du bist alt genug, dir selbst dein Haustier auszusuchen und dir deine Sklaven zu kaufen. Halte das wie du möchtest.“ Ein gönnerhafter Ausdruck trat auf ihr Gesicht und sich strich ihm mit der Rückseite des Zeigefingers über die Wange, als wäre er noch fünf Jahre alt. Dann klatsche Maximilla in die Hände und lachte auf. “So, und nun erzählen wir uns alle, wie es uns ergangen ist.“ Ihr Blick schwenkte auf Merula. “Du musst mir alles über deine Reisen erzählen. Ich bin schon sehr gespannt, wie du dich gebildet hast.“ Reisen bildeten ja schließlich. “Und auch du Verus musst unbedingt erzählen, wie es in diesem Germanien so ist. Besonders über die Eroberungen, die du gemacht hast!“ Letzteres meinte Maximilla durchaus zweideutig, doch sie ließ es sich nicht anmerken.

    Von der Aussicht auf ein rauschendes Fest, war sie natürlich sehr angetan, weshalb sie strahlend lächelte. Und dann auch noch der Kaiser und seine Gemahlin! Das würde wunderbar werden und wahrscheinlich würde es auch dazu beitragen einige Bekanntschaften wieder aufzufrischen. Doch jetzt blieb ihr nicht mehr zu tun, als dem davoneilenden Hausherren nachzublicken und weiterhin ihren Neffen zu begrüßen, der offenbar seine Sprache gefunden hatte. Vielleicht war er ja doch nicht so scheu, wie sie ihn zuerst eingeschätzt hatte. Taxierend ließ Maximilla ihre Blicke über die Gestalt des Iuvenalis gleiten, wobei sie versuchte, irgendwelche Rückschlüsse zu ziehen. Doch außer einigen Anstrengung ungeschoren bis an diesen Ort zu gelangen konnte sie nichts entdecken. Vielleicht irre sie auch, wer konnte es schon wissen? Viel interessanter waren doch die Eltern, von denen er abstammte und welche er ihr nun nannte. “Ah! Dolabella und Drusilla!“, erklärte sie strahlend und nickte. Nein, die sagten ihr kaum etwas. Aber nichts desto trotz: “Ich erinnere mich. Ist aber laaaaaange her, Wie geht es ihnen denn?“ Hoffentlich waren sie nicht schon tot, denn sonst hätte sie vermutlich in ein Wespennest gestochen und das war ihr eigentlich fern. Unangenehme Gespräche konnte sie gerade jetzt nicht gebrauchen, doch es war wohl auch absehbar, dass ihr Neffe etwas über den Sklavenaufstand wissen wollte und auch etwas über ihr abgebranntes Heim.


    “Aber mein lieber Faustus, soetwas bespricht man doch nicht Atrium!“ Unumwunden fasste sie nach Iuvenalis‘ Arm und machte sich daran, ihn in Richtung eines Raumes zu führen, der Klinen in sich barg. Sie dachte dabei an das Triclinium oder vielleicht den Garten. Dort hatte es eine schöne Bank und ausgesprochen hübsche Skulpturen. Dennoch wollte sie eine Antwort nicht schuldig bleiben. “Ich bin schon seit einigen Tagen hier,“ erklärte sie. “Und was passiert ist weiß ich auch nicht. Ich weilte in Macedonien. Ein furchtbares Land, kann ich dir sagen, aber so kann man mit Fug und Recht behaupten, man weiß definitiv, was man fürchterlich findet und was nicht. Diese Barbaren!“ Maximilla rümpfte die Nase. “Als ich dann auf der Reise war und kurz vor Rom, erfuhr ich bereits, dass ein Aufstand ausgebrochen war. Natürlich dachte ich gleich an einen Spartacus, weshalb ich um mein Leben bangte! Stell dir vor, überall Rauchsäulen und widerlich Sklaven, die sich in den Straßen tummeln und unbescholtene Bürger meucheln. Natürlich bin sich sofort zu unserer Villa aufgebrochen, doch sie war bereits abgebrannt. Alle Sklaven getötet… unsere Verwandten...tot… Man sagt, man verdankt dies einer Sklavin mit dem abscheulichen Namen Varia...“
    Sie sprach den Namen mit einem deutlichen Anflug von Ekel aus. “Ich hoffe, man wirft sie den Bestien vor oder verbrennt sie bei lebendigem Leib. Und noch etwas Unaussprechliches ist geschehen. Eine infame Person hatte die Frechheit, an unsere Mauer zu schreiben, dass sie das Grundstück zu kaufen gedenkt.“ Unter dieser Aussage lachte sie spitz auf. “So als hätten wir es nun nötig!“ Hastig strich sie sich eine gelockt, schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht, wobei sich neuerlich ihre Nase rümpfte. “Doch nun ist ja endlich ein tiberischer Mann anwesend, der mir helfen wird, das alles zu regeln!“ Vertrauensvoll streichelte sie nun Iuvenalis Unterarm und blickte ihm funkelnd ins Gesicht.

    Der erste Ausflug in die Stadt war nicht sonderlich erhebend gewesen, doch er hatte ausgereicht um soetwas wie einigermaßen gute Laune in die Tiberia zurück zu bringen. Nun thronte sie in einer Sänfte und ließ die neu erstandenen Stoffe, welche schon bald ihren Hüften schmeicheln würden durch die Finger gleiten. Sie hatten einen sanften Roséton und waren nicht wirklich billig gewesen und sollten auch niemals so erscheinen. Deshalb hatte sich Maximilla auch noch ein paar wundervolle Ohrringe gekauft, von denen sie meinte, sie würden gut mit dem zukünftigen Gewand harmonieren. Also lächelte sie einigermaßen glücklich, auch wenn sie wusste, dass das Gekaufte schon bald wieder den nachtschwarzen Schatten der Betrübnis über den Verlust der tiberischen Villa zurück lassen würde. So war es immer. Neben der Sänfte schritt wie stets Hymeas einher, der sich mühte möglichst unsichtbar für alle zu sein.
    Als sie schließlich fast die Villa Aurelia erreicht hatten, fiel Maximilla auf, dass ein kleiner Trupp von Reisenden wohl gerade angekommen war und an der Porta verharrte. Sofort wies sie die Träger an noch schneller zu gehen und tatsächlich verfielen sie in einen leichten Trab, wobei sie aber nun zu schnaufen begannen. Sie selbst richtete sich ein wenig in der Sänfte auf und spähte fest auf die Porta. Dort war eine Sänfte, ein Handkarren und zwei Personen, von der sie eine beim Näherkommen erkannte. Sofort weiteten sich ihre Blicke und sie raffte die Vorhänge nun weit auseinander, um einen vollends guten Blick zu haben. “WERDET IHR WOHL MACHEN, DASS IHR VORAN KOMMT!“, herrschte sie die Sklaven an, dann hob sie ihre Hand zu einem Gruß und schmetterte ein lautes: “VERUS!“ über den Rest des Weges, der nun nur noch wenige Meter betrug. Erst dann fiel ihr Blick auf einen Hund. Nein, es war mehr als ein gewöhnlicher Hund. Es schien ein Wolf zu sein. Wie auch immer es war, es war nicht unbedingt das Ziel ihrer Blicke. “Mein guter Verus!“, brachte sie heraus, als die Sänfte abgesetzt wurde. Schnell raffte sie den Stoff ihrer langen, eleganten Kleidung zusammen und setzte ihren wohlsandalten Fuß auf das Pflaster vor der Villa. “Ich dachte schon, ich würde dich nicht wieder sehen.“ Freude machte sich in ihrem wie immer geschminkten Gesicht breit und sie hielt schnurstracks auf ihren Neffen zu. Nur flüchtig registrierte sie den Ianator, der inzwischen die Türe geöffnet hatte. “Wer hätte gedacht, dass wir uns ausgerechnet ihn Rom wiedersehen? Du, ich und…“ Erst schaute sie die anderen Anwesenden einen nach dem anderen an. “Ah! Merula! Und… einen Wolf...“ Die Frauensperson überging sie, da sie wohl eine Sklavin war und somit einen Stand innehatte, den Maximilla gerne übersah. “Was ist? Wollte er dich nicht hinein lassen?“ Ihre Stimme wurde augenblicklich sehr spitz und mit einem bösen Funkeln betrachtete sie nun den Türsteher. “Wie kannst du es wagen, meinen Neffen warten zu lassen und mit ihm zu disputieren? “ Eine zornige Falte zog sich über ihre Stirn. “Mach das noch einmal und ich lasse dich heute Nacht vor der Tür anketten!“ Dann richtete sie sich wieder an Verus und fasste spontan seine Hand. “Aber nun komm erst einmal herein und berichte deiner Tante, die wirklich sehr froh ist, dich hier zu sehen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie es uns allen ergangen ist!“ Unter diesen Worten versuchte sie Verus an der Hand mit ins Innere des Hauses zu ziehen. Doch ehe sie es wirklich schaffen konnte, drehte sie sich noch einmal herum. “HYMEAS! Halt da nicht Maulaffenfeil, sondern mach das du herkommst. Bring die Einkäufe mit und IHR...“ Sie wendete sich nun an die Sänftenträger, “Schafft die Sänfte weg!“ Wieder erstrahlte dann ein Lächeln, so als hätte sie soeben gar nichts gesagt.

    Maximilla hatte die Mußestunden, die sie – heimatlos wie sie war – im Augenblick noch nutzen konnte im Garten verbracht. Dort hatte sie sich den Kopf darüber gemartert, wie in alles in der Welt man das Anwesen der Tiberier schnellstmöglich wieder aufbauen konnte. Doch noch waren alle ihre Pläne kaum spruchreif und noch war es wohl nicht angeraten in die Stadt zu gehen und dort um ein wenig Hilfe zu ersuchen. Maximilla fürchtete noch, dass alle mit dem Finger auf sie zeigen würden und unter geheucheltem Erstaunen und – schlimmer noch – Mitleid, miteinander hinter ihrem Rücken tuscheln würden. Allein das hielt sie davon fern, die Villa Aurelia zu verlassen, doch bald schon würde sie ihre Wunden ausreichend geleckt haben. Darüber hinaus erwartete sie auch noch das Eintreffen ihrer Familienmitglieder, welche sich über die gesamte römische Welt verstreut hatten. Dann endlich war es so weit und ein kleiner, adrett aussehender Sklave hatte ihr mitgeteilt, dass tatsächlich ein Tiberier eingetroffen war. Faustus Iuvenalis! Das sagte ihr wenig, was heißen musste, dass er entweder besonders jung war oder aber das Leben eines Eremiten führte. Wie auch immer es war, es würde sich bald heraus stellen. Eilig schritt Maximilla aus dem Garten, in welchem sie sich aufgehalten hatte und ging in ihr Cubiculum, um sich zunächst noch ein wenig frisch zu machen. Dabei wies sie Harmonia an, ihr die nachtschwarze, sich beinahe turmhoch über der Stirn aufragende Perücke zurecht zu machen, die Altersflecken mit ein wenig Puder abzudecken und sie zog sich ein traumhaftes Gewand aus hellblauer Seide über, welches an Ärmeln und am Saum mit Gold bestickt war. Maximilla bildete sich ein, dass es sie besonders zur Geltung brachte, zumal sie ja nun doch das ein oder andere Pfund zu viel wog. Und Eindruck wollte sie immerhin machen. Mit ein wenig güldenem Schmuck an Ohren und Hals bestückt und dafür mit nicht allzu üppigen Ringen an den Fingern machte sie sich nun – doch etwas verspätet, dafür aber wohlig nach Lavendel dufend – auf den Weg in das Atrium.


    Hymeas, ihr recht junger, schlanker und athletischer Sklave mit diesen wunderbar langen, braunen Haaren folgte ihr wie immer und verhielt sich still und leise, während sie stehen blieb und sich umschaute. Dann erblickte sie den Hausherren und einen Jüngling, welcher wohl ihr Verwandter sein musste. Noch einmal strengte sie kurz ihre geschminkten Augen an, um noch einmal zu überlegen, ob sie ihn nicht doch schon einmal gesehen hatte. Nein. Aber das spielte keine Rolle, denn er gehörte schließlich zur Familie, die in Zeiten der Not besonders eng zusammenrücken musste. “DU musst Faustus Iuvenalis sein!“, sagte die volltönend und strahlend, während sie – den Hausherrn zunächst missachtend – auf ihn zu trat. Vor ihm kam sie zum Stehen und sie musterte umgehend sein Gesicht, welches ihr so wenig bekannt vor kam. “Endlich ein weiterer Tiberier… ich begann schon, mich einsam zu fühlen.“ Ein Funkeln trat in ihre Augen und schließlich kam sie zu dem Schluss, dass sie einen durchaus verschüchtert wirkenden jungen Mann vor sich hatte. Das würde man ihm noch austreiben müssen, wenn er als Tiberier in der Krise bestehen wollte! “Mein Name ist Maximilla und ich bin… deine Tante!“ Es würde schon stimmen was sie über das Familienverhältnis sagte. Im Grunde genommen war es ja immer so.

    Natürlich würde sie die Sklaven anweisen. Das hätte sie auch ohne Erlaubnis getan. Maximilla lächelte milde und nickte sachte dazu. Sie sehnte sich wirklich nach ein wenig Erfrischung und Komfort nach dieser langen Reise und ihre Knochen würden es ihr danken. Immerhin waren diese nicht mehr so jung, wie sie sich im Herzen fühlte. Auch dass ein Zimmer für sie hergerichtet wurde nahm sie deshalb mit Wohlwollen auf. “Ich danke dir, mein Bester!“, erklärte sie. “Die Gastfreundschaft im Hause der Aurelier ist also immer noch eine Reise wert.“ Auch wenn sie für sich wusste, dass sie diese nur unfreiwillig in Anspruch nahm. Beim Gedanken daran wallte neuerlicher Zorn in ihr auf, der mit einer gehörigen Portion Wehmut Hand in Hand ging. Die Villa Tiberia in Schutt und Asche! Die Verwandten tot, die Sklaven dahin. Zerschlagene Statuen und womöglich geraubter Schmuck. Es war ein reines Jammertal, welches sie in Rom erwartet hatte. Doch die Tiberia schwor sich, sich keinesfalls der überwältigenden Emotion hinzugeben. Nein, sie würde nicht jammern, sondern nach vorn blicken und mit gezücktem Messer einem jeden entgegen treten, der sie auf dem Weg zurück zu Haus und Hof aufhalten wollte. Claudia Sisenna! Dieser Name hatte sich in ihr eingepflanzt und sie würde nichts unternehmen, um diese Pflanze in sich zu stutzen! Sie würde sie wachsen lassen und dann diese infame Person zur Rede stellen. Also hatte sie Pläne. Doch zunächst galt es zu entspannen. Ungeachtet ihrer Gedanken lächelte sie noch immer. Ihr typisches Lächeln, welches ihrem Gesicht stets etwas Maskenhaftes verpasste. “Ich werde zum Abendessen erscheinen wie ein heller Stern!“, versprach sie. “Ich bin schon sehr gespannt darauf, deine Verwandten kennen zu lernen, doch nicht zu früh! Die Anwesenheit meiner Sklavin ist so gut wie unabdingbar!“ Sie schnippte mit den Fingern und nahm aus den Augenwinkeln wahr, dass Hymeas sogleich mit gesenktem Blick an ihre Seite eilte. “So, mein guter Aurelius. Es ist an der Zeit, dass deine Sklaven mir den Weg zum Bad weisen und das Gepäck, welches ich bereits hier habe in meine Räumlichkeiten bringen.“ Sofern dies nicht schon geschehen war, doch es war gewiss nicht von Übel, es noch einmal zu erwähnen. “Ich überlasse dich somit deinen häuslichen Geschäften und freue mich auf das Mahl!“ Unter diesen Worten schritt sie mit raschelnden Gewändern drauf los, um die Tauglichkeit des Bades zu erkunden. Hymeas folgte ihr auf dem Fuße.

    Maximillas Stirn legte sich in leichte Falten, als sie hörte, wie ihr Gastgeber einen schmeichelnden Tonfall verwendete. Einen solchen kannte sie unter hundert anderen heraus und meistens war es nicht mehr als reine Höflichkeit, die einem entgegen schlug. Doch immerhin war sie gegen dergleichen resistent. Das letzte Mal, als sie jemand als ‚bezaubernd‘ bezeichnet hatte, war vor vierzig Jahren, als sie aus Versehen ihrem ehemaligen Mann das Jawort gegeben hatte. Aber damals war sie auch noch jung und naiv. Heute führte dort kein Weg mehr hin. Dennoch lächelte sie maliziös. “Ich danke dir für deine Bemühungen, mein Lieber,“ erklärte sie promt. “Ich denke, ich wäre durchaus bereit für ein Bad und ein wenig Ruhe. Dann würde ich gerne etwas essen und den Rest meiner Familie begrüßen.“ Sie würde nun nicht länger auf ihre Nichte warten, denn ihr Resevoir an Geduld war nun beinahe ausgetrocknet. Genau wie ihre Haut, die sich nach Creme sehnte. “Ich denke ich bescheide mich nun damit, dass mir einer deiner Sklaven den Weg zum Bad weist und ich wäre dir dankbar, wenn du mir jemanden stellst, der mir ein wenig zur Hand geht, bis meine Sklavin Harmonia eingetroffen ist, was hoffentlich recht schnell geschieht.“ Niemanden sonst würde sie an ihre Perücken lassen.

    Die Zeit spannte sich ein wenig dahin und Maximilla konnte den Drang nicht unterdrücken, ungeduldig mit dem Fuß zu wippen. Niemand kam. Niemand nahm von ihr Notiz, von den Sklaven des Hauses einmal abgesehen, doch das reichte der Tiberia natürlich lange nicht. Unwillkürlich presste sie die Hand von Hymeas ein wenig fester, sodass dieser schon das Gesicht verzog. Schließlich nippte sie wieder am Saft, ehe sie seufzte. Einmal, zweimal,… hundertmal, so wie es schien, doch erscheinen tat keiner. Erst recht nicht der Hausherr, selbst wenn Maximilla auch mit Corvina Vorlieb genommen hätte. Doch dann, endlich, erreichte der Aurelia den Ort, an welchem sie auf der Kline hockte wie bestellt und nicht abgeholt. Im ersten Moment schenkte sie ihm einen funkelnden Blick, ehe sich ihre Gesichtszüge entspannten. Er schien noch recht jung zu sein, auch wenn aus ihrer Alterswarte heraus, dass wohl ein jeder für sie war. Ihre Lippen kräuselten sich, als sie sie an einem Lächeln erprobte. “Oh, gewartet habe ich wohl,“ erklärte sie schneidend. “Doch gehört dies wohl zu den Tugenden einer wahren Dame.“ Sie erhob sich von der Kline und trat einen Schritt auf den Hausherren zu. Dabei ließ sie natürlich Hymeas Hand los, die ob des langen Kontaktes mit der ihren nun doch ein wenig klamm geworden war. “Bei all den Wirren ist es mir sehr lieb, dass Corvina hier ist und ich weiß, dass es dir eine Bürde sein muss, uns nun zu beherbergen. Aber ich muss dir noch mehr abverlangen. Meine Sklavenschaft steht noch mit allen meinen Habseligkeiten am Stadttor und sie wird einer Eskorte bedürfen, um hierher zu gelangen.“ Besonders nach Harmonia verlangte es ihr nun, da Maximilla den Eindruck hatte, dass ihre Frisur sehr unter den Belastungen der Reise gelitten hatte und wenn sie etwas nicht ausstehen konnte, so war es ein nachlässiges Äußeres. Aufmerksam musterte sie den Aurelier, der nun – wohl auf unbestimmte Zeit – ihr Gastgeber war.