Auch Maximilla hatte den Ruf der Herolde vernommen, auch wenn sie bereits zuvor schon gewusst hatte, dass genau dieser Tag der Tag der Abrechnung war. Mit dem ihr eigenen Schwung hatte sich bereits recht früh in den Morgen begeben, um ein leichtes Mahl und ein erfrischendes Bad zu nehmen, welches die Lebensgeister weckte. In der letzten Zeit hatte sich nicht wohl gefühlt und war zumeist auf ihrem Zimmer geblieben, um die müden Knochen nicht allzu sehr strapazieren zu müssen, welche ein Quell der übelsten Launen gewesen war. Überhaupt gefiel ihr die kältere Jahreszeit nicht besonders und sie hatte ihre Garderobe mit einigen wärmeren Kleidungsstücken aufstocken müssen. Sie waren waren farbenfroh und entsprachen natürlich der neuesten jugendlichen Mode, auch wenn die Schneider in Rom ihrer Meinung nach nicht so gut waren wie jene in Tarraco, weshalb auch noch ein weiterer Sklave auf ihrer Einkaufsliste stand, der mit Nadel und Faden wahre Wunder für sie vollbringen würde.
Aber das war heute noch Zukunftsmusik und sie hatte ihre Sklavin Harmonia mit lauter Stimme und immer wieder dazu aufgefordert, sich mit ihrer Pflege besondere Mühe zu geben. Immerhin würde sie ja in Nähe der Kaiserloge sitzen, was natürlich ein Privileg war, welches man eventuell nutzen konnte.
Während die Stunden bis zur Hinrichtung verstrichen, beschäftigte sie sich mit der Auswahl ihrer heutigen Perücke und dem Durchprobieren der Garderobe, bis etwas Passendes gefunden hatte. Dieses Etwas war blassgrün, reichlich mit Goldfäden verziert und kontrastierte hervorragend mit einer rotblonden Haarpracht, die zu einem rasanten Turm aufgesteckt worden war. Kleiner Zierrat baumelte aus einigen Strähnen herab und klimperte leise, wann immer sie ihren Kopf bewegte. Ihr Gesicht wirkte sittsam blass und ihre Lippen bestachen mit einem frischen, roten Ton. Maximilla gefiel, was sie im polierten Spiegel sah und konnte sich auf den Weg machen, um die Gerechtigkeit zu verfolgen, zu der Rom offenbar immer noch in der Lage war. Schließlich hatte man ihr ihr Heim genommen, die Sklaven und einige Verwandte. Es geschah nur recht, dass diese Varia und der widerliche Mob, der sie in die Raserei begleitet hatte heute endgültig ihr Ende finden würde.
Hoch erhobenen Hauptes hatte sich die Tiberia also mittels Sänfte zum Ort des Geschehens tragen lassen, ehe sie den Rest des Weges zu Fuß auf sich nahm und auf einem der eigens reservierten Plätze Platz nahm. Von hier aus konnte man alles wunderbar überblicken und ihr würde kein noch so kleines Detail entgehen. Zumindest keines, was nicht ihrer aufkeimenden Kurzsichtigkeit geschuldet war. Nachdem sich die Ränge gefüllt hatten und geradezu greifbare Anspannung in der Luft lag, ergriff sie die Hand ihres Sklaven Hymeas, wobei sie gar nicht merkte, dass sie es mit der Festigkeit ihres Griff wohl ob der eigenen inneren Anspannung ein wenig übertrieb. Dann schickte sie Proximos aus, um noch ein paar Leckereien zu besorgen, die es hier bestimmt wohl auch geben würde. Tatsächlich hatte er Erfolg gehabt und kam rechtzeitig zum Einzug der Götterblilder und der Augustusbüste zurück. Man merkte deutlich, dass einige im Publikum wohl noch niemals Elefanten gesehen hatten, denn ein Raunen ging durch die Menge. Doch Maximilla regte sich nicht und kein Laut des Erstaunens verließ ihre Lippen. Im Geiste hatte sie schon die Zeit angetrieben, damit diese schneller vorwärts lief. Dann, endlich, hielt auch der Wagen des Consuls, der danach die Stimme erhob, um die Vorfreude der Massen weiter zu schüren und um die Ludi Palatini zu eröffnen.
Auch Maximilla hatte sich erhoben, um Beifall zu spenden. Frenetischen Jubel hörte man allerdings von ihr nicht, denn das gehörte sich nicht für eine Dame von Welt. Ihre Blicke schweiften flüchtig über den Pöbel, der wild auf und ab sprang, mit den Armen wedelte und dem anscheinend jedwede Sitte und Moral abging. Und dann war es so weit. VARIA! Maximillas Habichtsaugen richteten sich wie gebannt auf die elende Delinquentin und auch ihr Gefolge, welches man mit Peitschen antrieb.
Ein wenig hatte sich die Tiberia vor geneigt, um noch besser sehen zu können und sie sah sehr deutlich, dass ihr Neffe, der eine wahre heroische Figur machte, mit dieser Verbrecherin redete, die nackt und bloß zur Verantwortung gezogen wurde. Abschaum! Und dann noch eine Frau! Eine Schade für ihr eigenes Geschlecht und bestimmt war sie auch perfide und durchtrieben.
Am Rande bekam sie mit, wie in der Kaiserloge ein junges Ding offenbar die Augusta zur Rede stellte, doch verstehen konnte sie kein Wort, denn sie saß zu weit weg und es waren einfach zu viele Stimmen um sie herum, als es überhaupt möglich gewesen wäre etwas zu verstehen. Unten auf dem Sand unterdessen wurden hölzerne Kreuze errichtet, zu denen die Gefangenen geführt wurden, während die Fackeln schon brannten. Wieder reckte Maximilla das Haupt, während sie sich an ihr Herz griff. “Bald siegt die Gerechtigkeit, Hymeas, du wirst es sehen!“, erklärte sie beinahe ergriffen. Der junge Sklave gab keine Antwort, sondern er nickte nur schwach, während er den Anschein erweckte, gerne auf den Anblick verzichten zu wollen. Im Anschluss ertönte Varus Stimme über den Platz. Wie majestätisch, wie imposant! Was für ein Sohn Roms! Stolz wallte in der Tiberia auf. “Wie ergreifend,“ seufzte sie schwer, straffte aber zeitgleich ihre Haltung. Dann schaute sie hinüber zum Consul, der soeben angesprochen worden war und hoffte, dass die verruchten Christianer, einschließlich ihrer verwunschenen Königin nun den Flammen übergeben wurden.