Beiträge von Tiberius Valerius Flaccus

    Anscheinend war das Stopfen der Gesetzeslücke in der Tat ein Mittel für den Ädil, um den Plebs zu beruhigen. Wenn auch eher als Abwehrmaßnahme und nicht um besondere Beliebtheit zu erringen.


    Obwohl der Aurelier dies zweifellos ebenfalls beherrschte. Dessen Wahlergebnis zum Ädil war beeindruckend gewesen.


    Gegen die Sägewerke jedenfalls kamen vom Valerier keine Einwände, allein...Tiberius runzelte die Stirn.


    "Würde der Nachsatz in dieser Form denn nicht gerade Sägewerke ausschließen? Das wären ja Betriebe, die der Weiterverarbeitung von Pflanzen dienen.
    Oder verstehe ich hier was falsch?"

    Die Ideen des Ädils schienen Tiberius in der Tat noch etwas unhandlich. Aber es war klar, worauf der Magistrat hinaus wollte.


    Was Tiberius jedoch noch unklar war, ob es neben der hehren Motivation, Gesetzeslücken zu schließen, vielleicht noch andere Motive dahinter stecken mochten, die politischerer Natur waren. Wollte sich der Aurelier mit seinen Änderungen, die ja vor allem auf den Senatorenstand zielten bei den Plebejern beliebter machen? Ein Popular unter den Patriziern? Tiberius konnte es nicht sagen.


    Der Stereotyp des patrizischen Politikers hätte die Regelung, dass Senatoren ausschließlich landwirtschaftliche Betriebe unterhalten durften, ohne viel Federlesens aus dem Fenster geworfen und sich den Goldminen zugewandt. Metaphorisch und tatsächlich.


    Mit einem ironischen Lächeln fragte er also:
    "Warum also nicht diese Regelung mit den landwirtschaftlichen Betrieben ganz abschaffen? Verursacht doch anscheinend vor allem Gerichtskosten."


    Er nahm eine der beiden Tafeln zur Hand.



    "Wie wäre es mit:
    Landwirtschaftlich ist ein Betrieb, wenn er ausschließlich zur Erzeugung und unmittelbaren Weiterverarbeitung der Ernte oder der Gewinnung von tierischen Produkten, dient.


    Alternativ könnte man die zuässigen Betriebsarten natürlich einfach enumerativ aufzählen. Aber eleganter wär es natürlich, eine flotte Definition verwenden zu können."

    Vom Tor der Veneta kam Tiberius zur Rennbahn wo das Trainingsrennen gegen die Albata stattfinden sollte.
    Es war an der Bahn noch alles wie früher, als er so oft als Kind hier gewesen war - erlaubt oder nicht - um den Fahrern beim Üben zuzusehen. Dem Kind waren die Fahrer eher als übermenschliche Halbgötter vorgekommen. Helden, die es irgendwie verstanden die ungeheure Kraft einer Quadriga zu bändigen und schneller als überhaupt sonst jemand über die Bahn zu fahren, wo Ruhm, Schande oder sogar Tod die Helden erwarten mochte.


    Sowas hatten die in Griechenland in der Form einfach nicht.


    Nun stand Tiberius aber vor der Frage, wer noch hier von den blauen war. Von den Gesichtern kannte er keins mehr. Zu lang her.
    Um das Wohlwollen der Venetae ein bisschen anzuregen, hatte Tiberius eines der alten blauen Armbänder aus einer Kiste in der Casa herausgekruscht und hielt nun Ausschau nach Leuten, die ähnlich angetan waren.

    Nachdem der Ädil angeregt hatte, dass Tiberius sich durchaus auch mit den Problemen des Marktes und des Eigentums auseinandersetze, begab er sich in die noch beklagenswert gering bestückte Beibliothek der Casa Valeria, sammelte an juristischer Literatur zum Thema, was eben da war und begann, sich konkrete Gedanken zu einer umfassenderen Sammlung der Gesetze der Dinge und Geschäfte zu machen.


    Der Aedil hatte sein Augenmerk auf das partikulare Problem des Marktrechtes gerichtet, das er zu lösen gedachte. Politisch sicher sinnvoll, dachte Tiberius. Eine umfassendere Sache würde er in seinem Jahr vielleicht nicht durchbekommen.


    Doch Tiberius hatte alle Zeit der welt und kein Amt, das ihm Schranken auferlegte und so bastelte er auf einem Haufen Wachstafeln an seinen Ideen herum.



    De Rebus*


    A. Die Sachen
    I.
    Sachen sind jene körperlichen Gegenstände, welche entweder durch die Fügung der Götter oder die Hand des Menschen auf dem Erdkreise weilen.
    (vielleicht ein bisschen weniger blumig)


    II.
    Sache ist auch das Land an sich; durch Gewohnheit, Gesetz oder Verträge aufgeteilt in verschiedene Sachen, die man Grundstücke nennt.


    III. Auch Sklaven zählen zu den Sachen.


    B.
    Das Eigentum
    I.
    Eigentümer einer Sache ist derjenige, der die rechtliche Gewalt über diese Sache ausübt. Eigentümer einer Sache kann nur ein freier Mensch sein.


    II.
    Der Eigentümer einer Sache ist grundsätzlich berechtigt, mit dieser Sache zu verfahren, wie er es möchte, sofern er dadurch nicht die Rechte Dritter verletzt oder andere Rechte dieses Recht im Einzelfall einschränken.
    Hier hat der Ädil ja schon solide Vorarbeit geleistet.


    III.
    Die Sachen, die den Göttern geweiht sind, ist jenen für immer zu Eigen, sodass kein Sterblicher jemals wieder Eigentum an ihnen erlangen kann.


    IV.
    Das Wild in Wald oder Flur steht im Eigentum desjenigen dem das Land zu Eigen ist.
    Das Wild derjengen Ländereien, die keinem gehören, mag sich jeder zueignen, der in der Lage ist, das Wild zu erjagen oder so zu fangen, dass es ihm nicht wieder entweicht. Entweicht ihm das Wild, so hat er das Eigentum verloren.
    Den Fisch und die anderen Tiere im Gewässer mag sich jeder zueignen, der in der Lage ist, sie zu fangen.


    C. Besitz
    I.
    Besitzer einer Sache ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaftsgewalt über eine Sache innehat.


    II.
    Ein Sklave kann kein Besitzer sein, da er ja selbst eine Sache ist.





    De Obligationibus I


    Contracta Consensuales


    I. Emptio Venditio
    Ein Kaufvertrag kommt dann zustande, wenn sich Käufer und Verkäufer frei und ohne Irrtum oder Krankheit im Geiste auf den Austausch einer Ware gegen Geld einigen.


    Sie mögen Kaufpreis und zu kaufende Sache frei festlegen.


    II. Locatio Conductio Rei
    Ein Mietvertrag kommt zustande, wenn sich der Vermieter bereit erklärt, dem Mieter die zu mietende Sache für einen bestimmten Zeitraum gegen einen Preis zu überlassen, wobei beide ohne Irrtum oder geistige Krankheit zu sein haben.


    Der Vermieter bleibt hierbei Eigentümer der Sache, während er aber den Besitz dem Mieter für die verabredete Zeit überlassen muss.


    Die bestimmte Zeit mag, so die Möglichkeit hierzu im Vertrage vorgesehen ist, beliebig verlängert werden.


    III. Locatio Conductio Operis
    Ein Werkvertrag kommt zustande, wenn sich die Vertragsparteien frei und ohne sonstige Beeinträchtigungen einigen, dass gegen ein Entgeld ein bestimmtes Werk zu entstehen hat.


    IV. Locatio Conductio Operarum
    Ein Dienstvertrag kommt dann zustande, wenn sich die Vertagsparteien frei und ohne Beeinträchtgungen einigen, dass der Dienstleistende seine Arbeistszeit und -kraft dem anderen gegen ein Entgelt überlässt.


    "Puh, das reicht erstmal für heute."
    Genau betrachtet hatte Tiberius lediglich an der Oberfläche des mannigfaltigen Rechts der Römer gekratzt.


    Sim-Off:

    *Inspired by Iustinians Institutionen

    Tiberius nickte zustimmend, als der Ädil sich über die Problematik der landwirtschaftlichen Betriebe erregte. Er erinnerte sich, dass vor einiger Zeit einige Prozesse geführt worden waren, unter anderem gegen so prominente Herren, wie Germanicus Avarus.


    Der Valerier hatte den vagen Passus immer als eines der "inoffiziellen" Privilegien der Senatoren wahrgenommen, obwohl die Blüten, die daraus gesprossen waren, nicht geeignet waren, das Ansehen der Senatoren unter der Bevölkerung zu mehren. Es wurde nicht besonders gern gesehen, dass Leute in herausgehobener Stellung eben diese nutzten, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen.


    Nun war er neugierig, wie der Senator das Problem anpacken würde.


    "In der Tat, Ädil. Man könnte sicher behaupten, dass die geschätzten Senatoren sich hier Freiheiten herausnehmen können, die eher nicht so beabsichtigt waren bei der Erstellung der Lex Mercatus. Wie willst du also den landwirtschaftlichen Betreib definieren?"

    Tiberius sah sich die Tafel eine ganze Weile lang genauer an. Einiges war bereits ausformuliert, anderes war noch in Schlagworten mit Fragezeichen dahinter.


    "Nun, Ädil, da hast du ja schon einiges gesammelt. Das Eigentum hast du genauer beschrieben.Abschnitt 3. bietet die Grundlage für die Leihe zum Beispiel. Und unten hast du die Arten der Rechtsgeschäfte aurgezählt, die noch nicht als Gesetz niedergeschrieben wurden. Miete und Leihe, ja. Ich weiß nicht, ob die nachrangig sind. Aber je mehr du in deiner Lex regelst, desto mehr Einfluss hast du auch auf das was auf den Märkten so passiert. Händler mögen sicher Leihen vornehmen- vor allem Geld. Oder Mieten. Standmieten, Karrenmieten, Sklavenmieten.
    Warum nicht also nicht gleich das Ganze durchregeln?


    Mhm.


    Ersitzung ist in den XII Tafeln schon genannt. Das müsste also eigentlich nur neu gemacht werden, wenn du etwas an der bestehenden Regelung ändern willst.


    Mhm. Recht auf Herausgabe, ja. Für die Herausgabe von ungerechtfertigt erlangtem gibt es ja die condictiones. Wenn man die mit anderen Herausgabeklagen mal in ein Gesetz fasst, wäre das sicher vorteilhaft. Eine Klage für den Kaufvertrag, eine Klage für die Miete und so weiter.


    So wie ich das also sehe, hängt das Marktrecht mit den Grundlagen des Eigentums, den Rechtsverhältnissen und dem Recht der Sachen untrennbar zusammen. Warum also nicht den großen Wurf wagen?"


    Von einem durchdachten Gesetzentwurf für den Senat und Kaiser waren die Gedanken des Ädils anscheinend noch ein gutes Stück entfernt. Er schien noch ganz am Anfang zu stehen. Gedankenfetzen und Ideen. Soweit so gut, umso mehr konnte sich Tiberius bei der ganzen Sache nützlich machen. Und beim Gedanken, bei der Erschaffung eines vielleicht enorm tiefgreifenden Gesetzes mitzuwirken, wurde ihm regelrecht schwindelig.

    Dankbar setzte sich Tiberius auf den angebotenen Stuhl. Ein zweckmäßiges Stück, genau wie der Rest des Officiums. Jedenfalls wenn man es mit dem Tabularium verglich. Patrizier lebten in jeder Hinsicht auf einer anderen Ebene. Und das störte den Valerier auch überhaupt nicht. Im Gegenteil. Er genoss es in der Gegenwart sichtbarer Macht, die alles um ihn herum ausstrahlte immer mehr. Von einem aus relativ einfachen Verhältnissen, wie Tiberius, hätte man vielleicht annehmen können, er sei darauf aus, den Popularen zu spielen. Doch damit kam man heutzutage schlicht nicht mehr weit. Außerdem war Tiberius kein plebejischer Schwärmer. Nein, wenn man was werden wollte, musste man seinen Blick nach oben richten. Und wenn er sich hier beim Ädilen nützlich machen konnte, wäre das sicher ein Schritt in die richtige Richtung.



    "Nun, ich bin dankbar, dass du mich auch in wichtigere Angelegenheiten einbeziehen willst.


    Was dein Gesetzesvorhaben angeht, so erscheint mir das immer mehr als überaus ambitioniertes Projekt, das zweifellos in die Geschichte eingehen wird. Auf die eine oder andere Weise.


    Immerhin geht es bei den Dingen, die du erwähnt hast, um die Grundfesten des Gemeinwesens. Eigentum, Besitz. Und gerade dabei gibt es so immens viele Interessen auszubalancieren, denke ich. Und die Wirkung solcher Novellen, wie du sie vorhast, ist kaum abzuschätzen, wird aber jedenfalls riesig sein. Im guten oder im schlechten Sinne. Ich bin jedenfalls bereit, ans Werk zu gehen.


    Mhm.


    Und die maßgeblichen Herren des Senats und des Kaiserhofs stehen deinem Vorhaben grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber?"


    Eigentlich war Tiberius Politikenthusiast, hatte aber während seiner Zeit in Griechenland naturgemäß de politische Scene der Hauptstadt aus dem Auge verloren.
    Man musste jedoch kein besonderer Kenner sein, um zu erkennen, dass das Projekt des Ädils in mehrerer Hinsicht politisch nicht risikofrei war. Die Unterstützung der anderen Magistrate, insbesondere des Konsuls Menecrates, konnte sehr hilfreich sein. Im Senat und auch sonstwo. Trotzdem würde der Ädil aufpassen müssen, dass es nicht damit endete, das der Konsul oder jemand anderes hochrangiges sie nicht die ganze Arbeit machen ließ, um sich die Vorlage dann mit großem Brimborium selbst an die Standarte zu hängen. Und außerdem hingen an der Materie des Gesetzes einige sehr gefährliche Spinnennetze.


    Jede Reform, die mit Eigentum und Besitz zu tun hatte, würde unweigerlich diejenigen aufschrecken, die vom Status Quo profitierten. Mithin die Reichen. Reich an Geld und Einfluss. Und falls die gar zu aufgeschreckt waren, wäre Geschwurbel im Normtext das geringste Problem des Ädils. Allein, wenn jemand im Reich eine Reform von Eigentum und Markt durchziehen konnte, dann doch wohl die Aurelier. Aber was würden die Claudier sagen, oder die Flavier? Und die Octavier?
    Einerlei, Tiberius würde das Seinige zum Gelingen tun.

    An einigen neugierigen Blicken vorbei wurde Tiberius auch direkt ins Arbeitszimmer des Sextus geführt. Das Gesetzgebungsvorhaben des Ädilen war dem Valerier nicht aus dem Kopf gegangen und so hatte er einige Ideen hin und her geschoben. Vielleicht gefiel dem Aedil ja etwas davon, sollten sie das Ganze diskutieren. Aber Aufdringlichkeit war nicht das, was Tiberius vorhatte.


    Der Magistratus war kein jovialer, laut lachender Volkspolitiker dem Anschein nach, sondern ein kühler Berechner, der genau abmaß, was vor ihm lag. Das Vertrauen des Aureliers würde er sich hart erarbeiten müssen.
    Irgendwelche aufreibenden Intrigen und geheime Aufträge würden ihm vorerst also kaum zufallen.


    Und so würde Tiberius jedenfalls am Anfang vor allem Befehle auszuführen haben und sich auch sonst nützlich zu machen, schätzte er. Mal sehen. Zu lernen gab es hier jedenfalls genug.


    Er klopfte vernehmlich an den Türrahmen des Officiums.


    "Salve, Aedil. Valerius Flaccus, wie abgemacht. Zu Diensten."

    Ohne sich besonders beeindruckt zu zeigen, hatte der Aedil eingewilligt, Tiberius anzunehmen.
    Er hatte anscheinend den Geschmack des Magistrats getroffen. Es würde eine interessante Zeit werden, da war Tiberius sich sicher.


    "Wie du wünschst, Aedil. Ich werde da sein." hatte Tiberius geantwortet.


    Nun stand er wie befohlen zum ersten Tag seines Tirociniums wieder im Tablinum und wartete darauf, dass es losging.

    Der Magistrat ließ nicht groß erkennen, wie er Tiberius' Erklärung aufnahm, oder der Valerier war nicht in der Lage, den Mann zu lesen, was durchaus eine Schwierigkeit sein konnte.


    Dass der Ädil jedoch direkt zum rechtlichen überging, beruhigte Tiberius ein gutes Stück.
    Das Marktrecht war dem Valerier nicht erst seit Griechenland ein Begriff; oft genug hatte sich der alte Flaccus über die Regularien mokiert und Tiberius hatte sich seit dem so seine eigenen Gedanken gemacht. Er persönlich fand die Lex Mercatus ungewöhnlich provinziell und halbherzig für ein römisches Gesetz.


    Tiberius hatte dem Ädilen daher einiges zu sagen:


    "Das momentane Marktrecht wird vor allem durch die Lex Mercatus definiert, und ich scheue mich nicht zu sagen, dass jene vor allem durch ihre Lückenhaftigkeit heraussticht. In ihr wird genau ein Vertragstypus geregelt. Der Kaufvertrag. Sicherlich die häufigste Vertragsart auf jedem Marktplatz. Trotzdem fehlen neue und aufgefrischte Regelungen zu anderen Dingen, wie etwa die Leihe. Wie mit einem gemieteten Karren oder dergleichem umgegangen werden soll, ist auch unklar. Je mehr Zeit man über der Mercatus verbringt, desto mehr Regelungspotential fällt auf.Ich könnte mir vorstellen, dass vieles davon mit einer präziseren Ausgestaltung der Stipulatio gut machbar sein könnte, die wenn etwas schief geht mit einer condictio vor dem Prätor komfortabel wieder rückgängig gemacht werden könnte. Das selbe könnte man mit der Festschreibung der Vertragsarten für die verschiedenen möglichen Transaktionsmöglichkeiten erreichen. Mir gefiele das eine so gut wie das andere, käme es doch quasi aufs selbe raus, obwohl der Weg unterschiedlich wäre.


    Aber Transaktionen sind noch lang nicht alles. Was Dinge wie die usucapio angeht, so müssten wir zu den XII Tafeln zurück, wollten wir eine solide Regelung finden. "


    Tiberus hatte eine Schwäche für leicht antiquiertes Recht. Er fand archaische Rituale wie die legis actiones zwar hoffnungslos unpraktisch, aber dafür ästhetisch und würdevoll. Seltsame Werke, wie der subpars secunda des codex iuridicalis, fand er schlicht unrömisch.


    Er widerstand der Versuchung dem Ädil das Nexum als Regelung für den Komplex der Darlehen vorzuschlagen und fuhr fort:


    "Es wäre zwar selbstverständlich ungewöhnlich, Dinge einfach abzuschaffen, die die Maiores sicher zu ihrer Zeit vortrefflich geregelt haben; trotzdem scheint es mir nicht problamatisch, die Regelungen um den Handel und den Markt aufzufrischen und zu ergänzen. Man könnte dies sogar erreichen, indem man sich die Weisheiten der Maiores zu Nutze macht: Ein Beispiel, wenn es dir gefällt:Es müsste in einem neuen Gesetz, das den Verkehr von Gütern und Waren neu verfassen soll jedenfalls eine Regel über die Ersitzung geben. Eine solche fehlt in der Mercatus beispielsweise. Die Maiores haben verfügt, dass eine solche Ersitzung möglich sein soll und zwar auf den XII Tafeln. Du bist du in der komfortablen Situation und kannst aussuchen, welches Material du wieder hervor holen willst und was du verbessern willst. Die XII Tafeln sehen zum Beispiel vor, dass der auf irgendeine Weise in Besitz einer Sache geraten ist an dieser Sache nach einem Jahr quiritisches Eigentum erwirbt, falls es eine bewegliche Sache ist, nach zwei Jahren. Du könntest nun befinden, dass diese Frist bei Grundstücken viel zu kurz ist. Immerhin sind diese von größtem Wert und ein Eigentümer, der sich auf einer ausgedehnten Reise befindet, könnte sich bei seiner Rückkehr unversehens eines großen Teils seines Vermögens in Grundstücken beraubt sehen. Du fragst mich was ich ändern würde? Ich würde die Praxis des Eigentumserwerbs durch usucapio bei Gutgläubigen zwar bestätigen, um die Umlauffähigkeit der Güter und damit die Flexibilität des Marktes zu steigern, aber die Fristen verlängern, um den Eigentümer länger zu schützen. Und die usucapio auch auf nicht quiritisches Eigentum übertragen. Mit Fremden lassen sich auch Geschäfte machen. Dies nur als Beispiel. Es gäbe einiges zu tun."


    Mit diesem Plädoyer hatte sich Tiberius bewusst auf die Mitte der Brücke gestellt. Der Ädil schien darauf aus zu sein, ein größere Reform durchziehen zu wollen und der Valerier hatte dem auch einiges abgewinnen können. Andererseits war der Aurelier ein Patrizier und als solcher wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grade zumindest Traditionalist. Daher war Tiberius auch bewusst respektvoll mit den Errungenschaften der (ganz) alten umgegangen. Nun war er gespannt auf das Verdikt des Magistrats.

    Tiberius nickte. Der Aedil würde natürlich mehr über ihn und auch über seine Familie wissen wollen. Und hier lag auch Tiberius' größte Schwachstelle.


    "Nun, Magistrat, es würde mich wundern, wenn du schon viel von meiner Familie gehört hättest. Kaum jemand von den Valeriern hat jemals eine Karriere in der Öffentlichkeit angestrebt. Mein Vater Quintus hatte sich ganz dem Handel verschrieben, sodass ich mir meine Studien in Griechenland bequem leisten konnte. Ein Amt hat er nie angestrebt."


    Für den alten Flaccus war Politik oder Gesetze eher etwas gewesen, was ihm im Weg herum stand und ihn an der freien Enfaltung seiner Geschäfte hinderte.


    "Vor ein paar Wochen bin ich aber 20 geworden und habe beschlossen habe, dass es nun mal vorwärts und möglichst weit aufwärts gehen sollte. In Rom, wo die Musik spielt.Mein Verwandter Valerius Severus war Trecenarius bei den Cohortes Praetoriae und Valerius Victor war Septemvir im Cultus Deorum.


    Ich für meinen Teil habe in Griechenland an den Künsten des Staates und des Rechts Gefallen gefunden. Ohne Recht und Gesetz keine Ordnung. Und wird nicht auf diesen Feldern die Zukunft entschieden? Ein faszinierender Gedanke. Jedenfalls für mich.


    Und du Aedil, bist in der glücklichen Lage einer derjenigen zu sein, die diese Zukunft am einflussreichsten mitbestimmen können.


    Warum aber ausgerechnet du und nicht etwa der ehrenwerte Konsul selbst? Nun, der Ruf deiner vielseitigen Interessen- und Fachgebiete eilt dir voraus. Du hast dich nicht nur auf dem Schlachtfeld während des Bürgerkrieges hervor getan, sondern siehst auch als Haruspex Primus, was die Götter für das Gemeinwesen so in Petto haben werden. Das zum Beispiel hast du dem Konsul voraus. Ein studiosus sollte dahin gehen, wo er am meisten zu lernen hat, sagen einem die Lehrer.


    Ganz abgesehen davon, dass du zweifellos die Zukunft bist. Jene die weiter oben im cursus honorum stehen, sind im Zenit ihres Schaffens und ihrer Macht. Wo könnten jene, die schon den Gipfel erklommen haben noch hin?"


    Ein bisschen Schmeichelei konnte nie schaden, obwohl Tiberius das ganze in betont nüchternem Tonfall vorgetragen hatte. Dass die Aurelia sich, soweit Tiberius wusste, keiner rivalisierenden Factio angeschlossen hatte, war für Tiberius ein Pluspunkt, hielt es aber nicht für angebracht, etwas so profanes gegenüber dem Aedil vorzubringen. Der könnte beleidigt reagieren.


    Sim-Off:

    Bei den Eltern muss ich noch vage bleiben, weil die noch nicht confirmed wurden...

    War das Äußere der Villa beeindruckend gewesen, so wurde Tiberius vom Inneren der Villa förmlich erschlagen. Trotz der klassisch-römischen Architektur musste dem aufmerksamen Beobachter die Exquisitheit der Materialien und Formen förmlich ins Auge springen. Tiberius hatte in Athen einiges gesehen, aber nichts war hiermit vergleichbar. Wie auch?
    Jedenfalls war der Haufen der Klienten, der in der Villa aufgewartet hatte, bereits deutliche kleiner, als er zu Beginn gewesen sein mochte. Hoffentlich hatte der Ädil noch die Nerven für ihn. Andererseits war Tiberius auch kein Bettler und sich seiner Ausbildung und Fähigkeiten durchaus bewusst, so dass er mit aufrechtem Gang und entspannter Haltung das vergleichsweise geräumige (jedenfalls kam es Tiberius in diesem Moment so vor) Tablinum des Ädils eintrat.


    "Io Saturnalia auch dir, Aedile. Mögen Saturn und alle Götter dir und deiner Familie allzeit gewogen sein.


    Um deine Zeit nicht zu verschwenden will ich mich kurz fassen: Ich bin vor ein paar Tagen von meinen Studien in Athen wieder nach Roma aeterna zurückgekehrt und suche nun meinen weiteren Weg, wie die Griechen es ausdrücken würden. Du bist der neue curulische Ädil und ich dachte daher, du könntest einen Tiro Fori gebrauchen, der dir bei deinen Pflichten zur Hand geht. Ich verstehe mich auf die grundlegende Mechanik des Staates, die Literatur, die Grundlagen der Philosophie und natürlich das römische Recht, welches allen anderen Rechtsordnungen des Erdkreises überlegen ist und könnte dir durchaus nützlich sein, wenn du so wünschst, Aedile."


    Natürlich hatte Tiberius sich vorher überlegt was er sagen würde und seine Worte mit einer gewissen Gewähltheit ausgesucht, die einem auf der Straße vielleicht seltsam vorgekommen wäre. Patrizier waren, jedenfalls in Tiberius' Erfahrung, da etwas anders.

    Tiberius erinnerte sich vage an das Gesicht, das ihm da die Tür öffnete, konnte es jedoch keinem Namen zuordnen. Er hatte den Öffner sicher vorher schon einmal gesehen...


    Einerlei.


    "Salve auch dir. Tiberius Valerius Flaccus ist mein Name. Vielleicht erinnerst du dich an mich? Ach sicher nicht. Ist schon zig Jahre her. Jedenfalls bin ich zurückgekehrt. Ist denn noch Platz für einen Valerier in der großem Veneta?"

    Die Leidenschaft fürs Wagenrennen musste wohl in der Familie liegen. Jedenfalls zog es Tiberius wie von selbst zum Haus der Veneta hin, in dem sein Verwandter Valerius Victor der Vicarius gewesen war.


    Damals als L. Aelius Quarto Consul gewesen war. Eine ganze zeit war das nun schon her, doch Tiberius konnte sich noch gut an das wunderbare Gefühl erinnern, das ihn als kleinen Junge immer gepackt hatte - ohne natürlich zu verstehen um was genau es da ging - , wenn er mit seinen Verwandten auf die Ränge des Circus gestiegen war, alle stolz die Abzeichen der Veneta tragend und die unbeschreibliche Ausgelassenheit, wenn einer der Aurigae der Factio wieder einmal den Sieg geholt hatte und Victoria ihre Opfer angenommen hatte.


    Hier würden sie ihn sicher nicht abweisen. Und so klopfte Tiberius selbst an die Tür der Veneta.

    Nun war anscheinend nicht nur die Villa selbst ein paar Nummern größer, sondern anscheinend auch die Bewohner. Selbst nicht gerade ein Winzling, brauchte Tiberius doch einen Moment, um die Dimensionen des Mannes zu erfassen, den er da vor sich hatte. Beruhigendererweise machte der Riese jedoch keine Anstalten Tiberius aufzufressen - was er sicher ohne Weiteres hätte versuchen können, da war Tiberius sich sicher - sondern ließ im gegenteil sogar ein Lächeln auf dem Gesicht. Dies ließ den Valerier doch zügig die Fassung wieder gewinnen.


    "Ah, salve. Mein Name ist Tiberius Valerius Flaccus. Wenn es gelegen ist, wäre ich dankbar für die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem ehrenwerten curulischen Aedilen Sextus Aurelius Lupus. Zwecks einer Anstellung, ja."


    Er straffte die Schultern. Der erste Eindruck würde zählen.

    Tiberius Valerius Flaccus hatte beschlossen, sich die allgemeine gute Stimmung im Dunstkreis der Saturnalien zu Nutze zu machen und zügig eine Anstellung bei einem der angesehenen Würdenträger der Stadt zu suchen. Optimalerweise als Tiro Fori. Als solcher würde er die Schliche des römischen "Forums" mit Sicherheit am besten lernen. Ganz zu schweigen von den hervorragenden Beziehungen und praktischen Kenntnisse, die er durch so ein Arrangement zu erwerben hoffte.


    Es war nicht selbstverständlich, dass ihn jemand nehmen würde. Die Valerier hatten bisher nicht mit Verbindungen dienen könne, die ihm die Suche erleichtert hätten. Sein Verwandter Valerius Victor hatte als Septemvir gedient, aber das war auch schon alles. Die Welt, die Tiberius nun dabei war zu betreten war also durchaus eine fremde. Mit der Macht, dem Prunk und dem Ansehen, die allein diese Villa da vor ihm ausstrahlte, konnte kaum etwas mithalten, was Tiberius vertraut oder überhaupt bekannt wäre.


    Nichtsdestotrotz würde er alle angesehen Häuser Roms abklappern, falls nötig. Und er würde hier bei einer der angesehensten Adressen der Stadt überhaupt beginnen.


    Selbstbewusst klopfte Tiberius also an das eindrucksvolle Tor der altehrwürdigen Villa Aurelia in einer der eindrucksvollsten Gegenden der ewigen Stadt.

    Ohne viel Aufhebens hatte Tiberius seine Klamotten in sein altes Cubiculum geschafft. Es hatte sich bemerkenswert wenig verändert in der Zeit in der er weg gewesen war. Doch zeigte einem das Auge, das lang nicht mehr auf eine Sache geblickt hatte dem Betrachter unweigerlich die Veränderungen auf, und mochten sie auch winzig sein. Ein neues Möbelstück hier, eine aufgehübschte Malerei da, der hässliche Riss im Mosaik des Atriums, der nach der Renovierung endlich verschwunden war.


    Doch immer noch hängen bedauernswert wenige Masken von gewesenen Konsuln an der Wand des Atriums, dachte Tiberius mit einem schiefen Grinsen. Nein, in der Politik waren die Tiberier schon lang nicht mehr aufgefallen. Wagenrennen, ja. Aber Politik? Vielleicht ließ sich das ja mit einem bisschen Ehrgeiz ändern.


    In der Zwischenzeit jedoch ließ er sich mit dem alten Kyros und einem Becher heiß gemachten Weins (gegen jene Kühle, die einem kaum bewohnten Hause eben zu eigen war) im Triclinum nieder um die Lage zu besprechen.


    "Was die Hauswirtschaft angeht, ist soweit alles in Ordnung, Domine." hob Kyros an. "Wir haben uns von dem Kraftakt des Wiederaufbaus bemerkenswert gut erholt. Auch weil wir außerdem keine gigantischen Projekte zu stemmen hatten. Die Factio Veneta hält sich da auch ganz gut. Hamiris - ich weiß nicht ob du den kennst, ist noch ziemlich jung-hat die konsulischen Rennen neulich glatt für sich entschieden."


    "Hervorragend." bemerkte Tiberius und meinte sowohl den Wein als auch die Leistung des offenbar vortrefflichen Hamiris.


    "In der Tat." Kyros wartete noch kurz ab, ob Tiberius noch eine Bemerkung machen würde. Als dies nicht passierte fuhr der Perser fort: "Ansonsten läuft das hier so vor sich hin. Wenn du mir die Frage gestattest: Wie sehen deine Pläne hier aus? Rufen dich die Legionen? Oder die Götter, wie den ehrenwerten Dominus Victor?"


    Lächelnd antwortete Tiberius: "Was du sagen willst, Kyros: Hier läuft es zwar ganz gut, aber du kannst es dir nicht leisten wie einer deiner Griechen in weltfremder Abgeschiedenheit jahrelang über Nichtigkeiten zu brüten, bis der Putz von der Decke von der Decke fällt und die Geldeintreiber die Porta mit einem Rammbock einreißen? Wie schade. Ach was, beruhig dich, das war ein Witz. Tja was soll ich anfangen?Das Militär, sag ich dir gleich, ist nichts für mich, die Götter mögen mir vergeben, aber in ihren Tempeln ist nicht viel los. Aber ich sag dir was, Kyros auf dem Forum ist was los. Aber zum Kleinkrämer bin ich mir eigentlich zu schade, muss ich dir sagen. Aber ich versteh mich auf die Gesetze. Stell dir vor, in Griechenland haben sie sowas auch. Und nirgends kann man so gut in Ruhe studieren wie dort. Der griechische Staat, das römische private Recht. ägyptische Verwaltungskunst. Das, Kyros, sind die Dinge, die Gemeinwesen zuseammen halten. Die Ruderbänke der Staatsgaleere."


    Dem Perser stand für einen Moment offen ins Gesicht geschrieben, dass er an der Ruderbank des Staates, wie an allen Ruderbänken überhaupt, eher einen Haufen bedauernswerter Sklaven vermutete. Mit einem Mal war auch Tiberius misstrauisch. er hatte von dem Sklavenaufstand vor einiger Zeit auf seiner Reise durchaus Wind bekommen. Von valerischen Sklaven war aber nicht an prominenter Stelle geredet worden. Ein Glück. Er verzichtete aber darauf. Das würde er im Laufe der nächsten Zeit behutsam herausfinden. Er hatte wahrlich keine Lust seine Sklaven direkt zu vergraulen. So etwas machte durchaus einen Unterschied. Trotzdem dachte er kurz darüber nach, ob vielleicht eine der hübscheren des Haushalts ohne viel Aufhebens für die Nacht zur Verfügung stehen würde. Aber auch für diese Frage war später immer noch Zeit. Tiberius trank noch einen Schluck.


    "Wie auch immer, Kyros, das ist die Richtung in die ich mich bewegen werde. Als Jurist konnte man in dieser Stadt doch schon immer was werden, ist es nicht so?"


    "Auf jeden Fall, Domine. Wenn du mir vielleicht in die Bibliothek folgen willst? Es hat sich hier was das Recht angeht einiges getan. Jedenfalls soweit ich das überblicken kann."