Ohne viel Aufhebens hatte Tiberius seine Klamotten in sein altes Cubiculum geschafft. Es hatte sich bemerkenswert wenig verändert in der Zeit in der er weg gewesen war. Doch zeigte einem das Auge, das lang nicht mehr auf eine Sache geblickt hatte dem Betrachter unweigerlich die Veränderungen auf, und mochten sie auch winzig sein. Ein neues Möbelstück hier, eine aufgehübschte Malerei da, der hässliche Riss im Mosaik des Atriums, der nach der Renovierung endlich verschwunden war.
Doch immer noch hängen bedauernswert wenige Masken von gewesenen Konsuln an der Wand des Atriums, dachte Tiberius mit einem schiefen Grinsen. Nein, in der Politik waren die Tiberier schon lang nicht mehr aufgefallen. Wagenrennen, ja. Aber Politik? Vielleicht ließ sich das ja mit einem bisschen Ehrgeiz ändern.
In der Zwischenzeit jedoch ließ er sich mit dem alten Kyros und einem Becher heiß gemachten Weins (gegen jene Kühle, die einem kaum bewohnten Hause eben zu eigen war) im Triclinum nieder um die Lage zu besprechen.
"Was die Hauswirtschaft angeht, ist soweit alles in Ordnung, Domine." hob Kyros an. "Wir haben uns von dem Kraftakt des Wiederaufbaus bemerkenswert gut erholt. Auch weil wir außerdem keine gigantischen Projekte zu stemmen hatten. Die Factio Veneta hält sich da auch ganz gut. Hamiris - ich weiß nicht ob du den kennst, ist noch ziemlich jung-hat die konsulischen Rennen neulich glatt für sich entschieden."
"Hervorragend." bemerkte Tiberius und meinte sowohl den Wein als auch die Leistung des offenbar vortrefflichen Hamiris.
"In der Tat." Kyros wartete noch kurz ab, ob Tiberius noch eine Bemerkung machen würde. Als dies nicht passierte fuhr der Perser fort: "Ansonsten läuft das hier so vor sich hin. Wenn du mir die Frage gestattest: Wie sehen deine Pläne hier aus? Rufen dich die Legionen? Oder die Götter, wie den ehrenwerten Dominus Victor?"
Lächelnd antwortete Tiberius: "Was du sagen willst, Kyros: Hier läuft es zwar ganz gut, aber du kannst es dir nicht leisten wie einer deiner Griechen in weltfremder Abgeschiedenheit jahrelang über Nichtigkeiten zu brüten, bis der Putz von der Decke von der Decke fällt und die Geldeintreiber die Porta mit einem Rammbock einreißen? Wie schade. Ach was, beruhig dich, das war ein Witz. Tja was soll ich anfangen?Das Militär, sag ich dir gleich, ist nichts für mich, die Götter mögen mir vergeben, aber in ihren Tempeln ist nicht viel los. Aber ich sag dir was, Kyros auf dem Forum ist was los. Aber zum Kleinkrämer bin ich mir eigentlich zu schade, muss ich dir sagen. Aber ich versteh mich auf die Gesetze. Stell dir vor, in Griechenland haben sie sowas auch. Und nirgends kann man so gut in Ruhe studieren wie dort. Der griechische Staat, das römische private Recht. ägyptische Verwaltungskunst. Das, Kyros, sind die Dinge, die Gemeinwesen zuseammen halten. Die Ruderbänke der Staatsgaleere."
Dem Perser stand für einen Moment offen ins Gesicht geschrieben, dass er an der Ruderbank des Staates, wie an allen Ruderbänken überhaupt, eher einen Haufen bedauernswerter Sklaven vermutete. Mit einem Mal war auch Tiberius misstrauisch. er hatte von dem Sklavenaufstand vor einiger Zeit auf seiner Reise durchaus Wind bekommen. Von valerischen Sklaven war aber nicht an prominenter Stelle geredet worden. Ein Glück. Er verzichtete aber darauf. Das würde er im Laufe der nächsten Zeit behutsam herausfinden. Er hatte wahrlich keine Lust seine Sklaven direkt zu vergraulen. So etwas machte durchaus einen Unterschied. Trotzdem dachte er kurz darüber nach, ob vielleicht eine der hübscheren des Haushalts ohne viel Aufhebens für die Nacht zur Verfügung stehen würde. Aber auch für diese Frage war später immer noch Zeit. Tiberius trank noch einen Schluck.
"Wie auch immer, Kyros, das ist die Richtung in die ich mich bewegen werde. Als Jurist konnte man in dieser Stadt doch schon immer was werden, ist es nicht so?"
"Auf jeden Fall, Domine. Wenn du mir vielleicht in die Bibliothek folgen willst? Es hat sich hier was das Recht angeht einiges getan. Jedenfalls soweit ich das überblicken kann."