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Tage, Wochen und schließlich Monate waren inzwischen vergangen. Aislins äußerliche Wunden waren verheilt. Nachdem das Fieber gewichen war und sie das Krankenbett verlassen konnte, hatte sie ihre Umgebung erkundet und sich in einem römischen Haus mitten in Lugvalium wiedergefunden. Dorthin hatte Cedrec sie gebracht und hier sollte sie nun fortan als seine Gefährtin bei ihm leben. Keine Frage, das Haus verfügte über alle Annehmlichkeiten, wie es für etwas vornehmere römische Häuser in den Provinzen üblich war. Aber ganz offenbar war dies der Lohn für seinen Verrat gewesen, den er, ohne mit der Wimper zu zucken, begangen hatte.
Eine kleine Schar von Dienern sorgte für das leibliche Wohl ihres Herrn und auch für das seiner Beute. Genau als solches sah sich Aislin an, als eine Art Trophäe, mit der er sich fortan schmücken wollte. Nie im Leben wäre sie ihm freiwillig gefolgt! Es bereitete ihr jedes Mal Übelkeit, wenn sie gezwungen war, sich in Cedrecs Gegenwart aufzuhalten. Und auch Cedrec hatte schnell begriffen, dass sich seine „Auserwählte“ so schnell nicht fügen würde. So war schließlich recht bald aus der ersehnten „Gefährtin“ nichts anderes als eine Sklavin geworden, die sich, wie die anderen Unfreien im Haus, dem Willen ihres Herrn unterwerfen mussten.
Aislin jedoch hatte niemals die Hoffnung aufgegeben, ihren geliebten Mann wiederzusehen. Selbst dann, wenn man ihn in eines der Zinnbergwerke im Süden der Insel verschleppt hatte, glaubte sie fest daran, dass sie sich eines Tages wiederfinden würden. Genau dieser Glaube trieb sie täglich an, allen Demütigungen zum Trotz durchzuhalten. Eines Tages würde ihr Stündchen schlagen. Sie musste nur Geduld haben und warten… auf die richtige Gelegenheit.
Und diese Gelegenheit sollte kommen!
Es war bereits Herbst geworden. Die Blätter der Bäume hatten sich bunt gefärbt und die ersten heftigen Stürme waren übers Land gezogen. Oben im Norden war bereits der erste Schnee gefallen, so hatten es einige Händler berichtet, die sich auf ihren Reisen bis in das Gebiet der wilden piktischen Stämme vorwagten.
Nachdem nun Aislin einige Monate schon unter seinem Dach lebte, hatte Cedrec noch nicht vollständig die Hoffnung aufgegeben, die Frau seines ehemaligen Mitstreiters könne sich vielleicht doch mit ihrem Schicksal arrangieren. Letztendlich war sie in den letzten Wochen g ihm egenüber nicht mehr so abweisend gewesen. Diesen Sinneswandel, so hatte es Cedrec formuliert, wollte er ihr nun vergelten, indem er sie mit zum Markt nahm. Ein paar schöne Kleider wollte er ihr kaufen und vielleicht ein Geschmeide, so wie es die Frauen in Rom zu tragen pflegten.
Vielleicht hatte Aislin bereits schon die sich bietende Gelegenheit gewittert, als sie mit ihm zum ersten Mal das Haus verließ. Falls dem so war, ließ sie sich nichts davon anmerken und mimte die dankbare Begleiterin an Cedrecs Seite. Vollkommen geblendet von diesem Wandel, der in ihr vorzugehen schien, las er ihr jeden noch so kleinen Wunsch von den Lippen ab.
Neu ausgestattet mit Kleidern, Schmuck und einigen Leckerbissen, die fremde Händler von weit her auch in die letzte Ecke des Imperiums gekarrt hatten, war es nun Aislin, die endlich die Gelegenheit nutzen wollte. Mit ihrem Charme, ihren Augen und der süßlichen Stimme lockte sie Cedrec geradewegs in die Falle. Sie hatte ihm schöne Augen gemacht und Cedrec, der die Signale richtig zu deuten wusste, wollte sie nach einer so langen Zeit des Wartens endlich in seine Arme schließen, um sie zu küssen. Genau in diesem Moment begann sie wild um Hilfe zu schreien. In der Gasse, die zu dieser Tageszeit mehr als überfüllt war, brach ein Tumult aus. Noch bevor sich Cedrec gegenüber den Passanten rechtfertigen konnte, die den Hilfeschrei der Frau gehört hatten und nun handeln wollten, hatte sich bereits ein ziemlich düster dreinblickender Mann auf ihn gestürzt und begann, auf ihn einzuschlagen.
Jetzt oder nie, dachte sich Aislin und nutzte diesen Augenblick. Es gelang ihr, ganz einfach zwischen der zusammenstehenden Menge zu entwischen.
Aislin war es tatsächlich gelungen, aus Lugvalium zu fliehen. Ausgestattet mit der neuen warmen Kleidung, dem Schmuck und einigen Essensvorräten, die Cedrec gekauft hatte, begann sie ihre Suche. Von Stadt zu Stadt schlug sie sich durch, selbst als sich der Winter nun auch schon in den südlicheren Gefilden der Insel bemerkbar machte, gab sie nicht auf. Überall wohin sie auch kam, erkundigte sie sich nach den Sklavenhändlern, die vor vielen Monaten hier vorbeigekommen waren.
Als sie aber endlich unten im Süden Britannias angekommen war, hatte sie ernüchternd einsehen müssen, dass sie Angus nicht finden würde. Doch in dem Moment, als sie enttäuscht aufgeben wollte, hatte sie von einem gewissen Mitros gehört, seines Zeichens Sklavenhändler, der vor Monaten mit einer großen Ladung Ware, die aus dem Norden stammen sollte, die Insel verlassen hatte. Daraufhin bestieg auch sie ein Schiff, um Britannia den Rücken zu kehren…