Der Satrap und sein Stab
[Blockierte Grafik: http://img516.imageshack.us/img516/5176/satrap1iw7.jpg] | Narseh Abgar, Satrap von Osroëne
In der Gluthitze des Mittags wütete die Schlacht. Narseh Abgar runzelte die Stirn, als er sah, wie rasant das den Römern vorgeworfene Fußvolk dahinschmolz. Ihm war heiß in seinem Prunkharnisch, der zudem im Laufe der Jahre am Bauch unangenehm eng geworden war, und unleidig starrte er zu den römischen Legionen hinüber, die ganz im Gegensatz zu den Stämmen von Turan dem Pfeilhagel diszipliniert getrotzt hatten, und mit geradezu unverschämter Beharrlichkeit weiterkämpften.
Er winkte nach einen Trunk, und sogleich reichte einer der zahlreichen Eunuchen-Diener - die ihn natürlich auch hier begleiteten - ihm einen juwelenbesetzten Kelch gefüllt mit verdünntem Shiraz. In doppelwandigen Steingutkrügen hatte man den Wein aufbewahrt, um ihn der Hitze zu entziehen, doch er war trotzdem lauwarm geworden, und kaum etwas fand der Satrap abscheulicher als lauwarmen Shiraz. Angewidert kippte er den Kelch, und ließ den dunkelroten Wein auf den Boden rinnen.
Als wäre es das Blut des Satrapen, dachte erschrocken der junge Eunuch, der den Trunk gereicht hatte, als er den roten Fleck im Boden versickern sah. Doch er hatte wenig Zeit, diesem Gedanken nachzuhängen, denn der immer schlechter gelaunte Satrap befahl, ihn zur Strafe für das unentschuldbare Vergehen mit dem Wein zwischen die Mühlsteine zu werfen und zu zermalmen. Starr vor Angst wurde der junge Mann davongezerrt.
Dem Satrapen ging das alles zu lange. Aus seiner Leibgarde befahl er Aryatirén zu sich, einen meisterhaften Bogenschützen mit wahren Adleraugen, und ließ sich von diesem die Aufstellung der Römer, wie sich sich gerade darstellte, genau beschreiben. Er sinnierte ein wenig, dann erhellte sich sein verwittertes Gesicht. Denn ein kühner Gedanke war ihm gekommen!
Ja, er, Narseh der Abgaride gehörte noch lange nicht zu alten Eisen. Er stammte schließlich in direkter Linie von Nimrod, dem Heros der Urzeit, dem größten Heerführer den die Welt je gesehen hatte ab! Osroes, dieser arrogante, aufgeblasene junge Schnösel von Großkönig würde Augen machen, wenn er erfuhr, dass der alte Narseh die Römer im Alleingang geschlagen hatte. Nein, er brauchte nicht solche Küken wie den Surenas um seine Schlachten zu schlagen! Er würde bald seine Sommerresidenz nach Antiochia verlagern, seine Füße im Mittelmeer baden (was dem hartnäckig entzündeten Zehgelenk sicher sehr gut tun würde) und seine Urenkel würden in Assur auf dem Trohn des Shah-in-Shah sitzen.
"Kashtarith! Höre..."
[Blockierte Grafik: http://img524.imageshack.us/img524/3310/krieger3lc5.jpg] | Kashtarith, Sardar der Kataphraktoi
Keine Regung zeigte sich auf dem Gesicht das Sardar, als die Männer, denen er eben noch was von Sieg und Ruhm erzählt hatte, einer nach dem anderen unter den römischen Gladii fielen. Doch der Anblick quälte ihn, auch wenn sie für Osroëne starben, auch wenn er lediglich seine Pflicht getan hatte. Es wäre ihm lieber gewesen, nicht er hätte sie ihren Familien entreißen, nicht er hätte sie in den Tod schicken müssen. Die unangebrachten Gewissensbisse für den Moment verbannend - sie würden später ohnehin zurückkehren - wandte sich der General seinem Dienstherren zu.
"Ja, Erhabener?"
Der Satrap streckte die Hand aus und wies majestätisch auf das Zentrum der römischen Formation, wo, seinen Informationen nach, die Erste Legion, die Lieblingslegion des römischen Kaisers, kämpfte.
"Bring mir den Adler!", befahl er herrisch.
"Den Adler der Ersten Legion. Diese Barbaren hängen geradezu abgöttisch an ihren Feldzeichen. Sie verehren sie als ihre Götzen. Tja, es sind eben Primitive, zu denen das Licht der wahren Lehre noch nicht gedrungen ist. Los jetzt mit den Panzerreitern! Bring mir den Adler, Kashtarith, das wird den Kampfesmut des Feindes lähmen, das wird ein tiefer Stich ins Herz ihres Führers sein, das wird ihre alberne Phalanx im Nu zerschmettern! - Und die Feldzeichen der Prätorianer will ich auch. Man erzählt ja wahren Wunderdinge über diese angeblichen "Elitekrieger". Da, rechts von dem Block im Zentrum. Lass es Dir von Aryatirén zeigen."
"Erhabener Satrap..." - Kashtarith zermarterte sich das Hirn, wie er seinen König von diesem spontanen Umwerfen der Strategie abbringen könnte, "...wäre es nicht ratsam, erlauchter Sohn des Himmelsgestirns, zuerst den Beschuss ganz auszureizen, die feindliche Reiterei anzugehen, und -"
"Ach. Führt man so HEUTZUTAGE die Kriege? Sardar. Klügelnd und wägend?"
Der Satrap sprach sanft, täuschend sanft, wie stets wenn er kurz vor der Explosion stand.
"Hat Dich gar der Mut verlassen? Soll ich die Reiter selber anführen?"
Er hob den Arm, reckte kühn das Kinn und verkündete laut:
"Einhunderttausend Drachmen für den, der mir die Standarte der Kaisergarde bringt. Ebensoviel für den Adler der Ersten Legion - und die Felsenfestung von Andane dazu!"
Sogar jetzt verlor der Satrap nicht seine Schatzkammer aus dem Blick, stellte Kashtarith fest. Die Festung von Andane war zwar prestigeträchtig, doch als unheilvoll verrufen, nachdem ihre letzen Besitzer allesamt seltsame Tode erlitten hatten. Außerdem würde es ein Heidengeld kosten, ihre verfallenen Mauern wiederaufzubauen.
Wie auch immer, er schuldete dem Abgariden absoluten Gehorsam.
"Zu Befehl, mein Satrap."
In Ehrerbietung neigte Kashtarith das Haupt. Und gehorchte.
Die Panzerreiter
Allsbald formierte sich oben auf der Anhöhe eine massive Front schwergepanzerter Reiter. Dies war die Elite der parthischen Armee. Riesengroß und massig waren ihre Schlachtrösser - Hengste aus nisaianischer Zucht - starkknochig wie Stiere, und rundherum mit schweren Rossharnischen gepanzert. Auf ihren Stirnen waren stählerne, scharfgeschliffenen Hörner befestigt, um die Hufe trugen sie mit spitzen Stacheln bewehrte Eisen. Mähne und Schweif waren geschoren, und der Kopfschutz begrenzte seitlich ihr Blickfeld. Wenn sie sich bewegten, rieben die Platten der Rüstung knirschend übereinander.
Wie urtümliche Ungetüme wirkten diese Tiere, die auf blinden Gehorsam gezüchtet und trainiert waren. Ohne Zögern stürzten sie sich ins Getümmel der Schlacht, oder in eine Mauer feindlicher Schilde, und gegen jeden natürlichen Instinkt zertraten und zerstampften sie die Menschen, die unter ihre Hufe gerieten.
Ihre Reiter, allesamt adelige Krieger, trugen stählerne, kunstvoll gearbeitete Rüstungen. In der Mitte der Formation befanden sich die Clibanarii, die am ganzen Körper nahezu unverwundbar gepanzert waren, weiter außen die etwas leichter gerüsteten Kataphraktoi. Sie trugen Schilde am Arm, Schwerter an der Seite, und extrem lange Lanzen, die senkrecht gen Himmel zeigten. Ein jeder dieser Reiter war ein imposanter Anblick, ein jeder von ihnen war das, was man in späteren Zeiten als "Killermaschine" bezeichnet hätte, und sie waren zweitausend an der Zahl.
Drei Reihen tief standen sie oben auf dem Hügel. An den Flanken schloss sich ihnen die leichte Reiterei an, und hinter den Reitern ließ Kashtarith weitere Fußtruppen aufziehen - diesmal richtige Soldaten, keine Bauern.
Im Zentrum, hinter den Clibanarii stand eine Einheit baktrischer Söldner. Krieggewohnte, breitschultrige Männer aus den Bergen ganz im Osten des parthischen Reiches waren das, auf ihren Schilden führten sie das Zeichen der doppelköpfigen Echse, und bei der Aussicht auf die vielen Drachmen funkelten ihre Augen kampfeslustig. Mit sehnigen Armen schwangen sie lange Streitäxte, begierig damit Schilde und Schädel zu spalten.
Kashtarith reihte sich in der Mitte der Formation ein. Sein graues Schlachtross scharrte ungeduldig mit den Hufen. Mit schmalen Augen blickte der General hinüber zum Feind. Zahlreich waren die Römer noch immer. Die wilde Horde, die er ihm entgegen geworfen hatte, war schon so gut wie aufgerieben. Von ihm aus links, da wo das Schlachtfeld in die Ausläufer der Hügel überging, wandte sich ein verbliebener Rest gerade zur Flucht, versuchte sich in die Hügel zu schlagen und zu entkommen.
Zeit für die nächste Welle. Kashtarith setzte sich den Helm auf. An der wogenden, rotgoldenen Helmzier und an seinem prunkvoll verzierten Harnisch war er noch immer gut zu erkennen. Hoch hob er die Lanze gen Himmel, und rief mit siegesgewisser Stimme zum Angriff.
Schmetternd gaben die Hörner den Befehl weiter. Pferde wieherten, Trommeln und Hufe dröhnten. Zuerst fielen die Reiter nur in einen leichten Trab. Das Fußvolk strömte hinterdrein. Ein Wald von Lanzen war es, der sich da den Abhang hinab auf die Römer zu bewegte. Es war ein prachtvoller Anblick. Die Farben der Satrapie, blutrot und gold, flatterten von den Lanzenspitzen wie Herbstblätter.
Auf ein Signal hin spornten die Panzerreiter ihre Pferde, und die Linie zog sich zu einem breiten Keil zusammen, dessen Spitze genau auf das Zentrum der römischen Schlachtordung zielte.
Wieder erbebte der Boden, als tausende von Reitern in geschlossener Formation und im gestreckten Galopp auf die Reihen der Legionäre zustürmten. Die langen Lanzen senkten sich, ihre Spitzen rasten auf die Männer in den vorderen Reihen zu. Diesmal würde es kein Abdrehen im letzten Moment geben. Mit aller Wucht würden die Panzerreiter in die römischen Reihen brechen, und es zeichnete sich ab, dass es die erste Kohorte der ersten Legion sein würde, die als allererstes die verheerende Kraft dieses gewaltigen Sturmangriffes zu spüren bekommen würde.