Beiträge von Eireann

    Die Worte ihres Dominus über Tiberios ließen die Keltin nicht so schnell los. Hatte sie sich tatsächlich in dem furischen Sklaven getäuscht? Waren seine Worte nur dazu gedacht gewesen um mit ihr dss Lager zu teilen? Aber warum? Hatte er vielleicht noch nie eine Keltin gehabt und wollte wissen wie es mit einer Keltin war? Bei diesem Gedanken spürte die Dunkelhaarige wie ihre Kehle eng wurde und sie nur mit Mühe und Not ihre Tränen zurück halten konnte. Aber was betrauerte sie eigentlich? Den Verlust ihrer Jungfräulichkeit oder die Tatsache das Tiberios sie niemals wirklich geliebt hatte? Womöglich beides zu gleichen Teilen. Und ausgerechnet ihr Dominus war es der ihre Augen geöffnet hatte. Denn womöglich wäre sie dann noch länger dem Phantom das man Liebe nennt nachgejagt.


    Sie durfte einfach nicht mehr an den furischen Lockenkopf denken und sich stattdessen ihrer Ausbildung widmen. So wie es ihr Dominus von ihr forderte. Schweigend folgte sie nun dem Magus in den äußerst verwilderten Garten und ließ ihren Blick sogleich höchst aufmerksam in jedes Eck gleiten. Dann jedoch war es die Stimme des Parthers, die Eireann in seine Richtung blicken ließ. Seine Anweisung ließ die junge Keltin zusammen zucken und ihre Finger hinter ihrem Rücken miteinander verschränken. So würde sie garantiert keine der Pflanzen unabsichtlich berühren.


    “Ja Dominus. Ich habe verstanden.“
    Gab Eireann knapp zur Antwort. Denn in den Worten ihres Dominus klang eine unverhüllte Drohung mit. Und diese Drohung verursachte eine Gänsehaut auf Eireanns Körper.

    Das tatsächlich einmal lobende Worte über die Lippen ihres Dominus entwichen freute die Keltin umso mehr. Denn die Worte des Parthers klangen ehrlich. Zumindest in Eireanns Ohren. Und so spürte sie wie sich ihre Wangen vor Freude röteten, während ihr Blick aus dem Augenwinkel in Richtung ihres Dominus glitt.


    “Ja Dominus.“
    Antwortete Eireann auf die weiteren Anweisungen ihres Dominus. Und schnupperte noch einmal an dem zerkleinerten Thymian. Mit bedächtigen Bewegungen legte die Dunkelhaarige den wahrlich geschrumpften Thymian in einen Tonkrug, so wie es ihr Dominus angewiesen hatte. Dann erst widmete sie sich dem zähflüssigen Honig und goss die zähe Masse über den Thymian. Fasziniert beobachtete Eireann wie der Honig den Thymian regelrecht unter sich begrub und die Keltin den Duft des Honigs besonders intensiv in der Nase hatte.
    “Das heißt mein Husten wird durch Thymian und Honig gelindert.“
    Murmelte die Keltin an sich selbst gewandt. Denn mittlerweile wusste sie das es ihr Dominus verabscheute wenn sie Worte wiederholte, die der Magus als Selbstverständlichkeit ansah.


    So bekam Eireann den bekümmerten Gesichtsausdruck ihres Dominus nicht mit. Denn in just diesen Augenblick verschloss die Dunkelhaarige den Tonkrug mit ihrer Medizin. Und blieb mit gesenkten Kopf und abgewandter Körperhaltung zu ihrem Dominus regungslos stehen. Und dann sprach ihr Dominus Worte, bei denen sich Eireann am liebsten die Ohren verschlossen hätte. Mit zusammen gepressten Lippen starrte die Dunkelhaarige auf die hölzerne Tischoberfläche und krallte ihre Finger nun doch am Tisch fest. Denn jedes Wort ihres Dominus war für Eireann, als würde man ihr Herz mit spitzen Klingen durchbohren. Immer und immer wieder. Und doch war die Keltin außer Stande ihre Stimme erklingen zu lassen. Wie betäubt starrte sie vor sich hin. Während ihre Augen tränenfeucht schimmerten.


    Schließlich schluckte die Silurerin hart und biss sich auf die Unterlippe.
    “Tiberios hat mir bei unserer ersten Begegnung in der Schneiderei gesagt das er mich liebt. Und auch in den Gärten, als ich mich ihm geschenkt habe, hat er mir gezeigt wie schön körperliche Liebe ist. War das alles nur gespielt? Hat er mich nie geliebt?“
    Konnte man schließlich Eireanns Stimme vernehmen.
    “Tiberios hat mir gesagt das seine Mutter gegenüber ihrer Herrin einen Fehler gemacht hat und er deswegen nach Roma verkauft wurde. Aber wenn das eine Lüge war. Worin hat er mich noch angelogen?“
    Energisch wischte sie sich über ihre tränenfeuchten Augen. Und spannte unwillkürlich ihren Körper an. Den drohenden Hustenreiz kämpfte sie in diesem Augenblick erfolgreich nieder.


    “Ich.. ich weiß nicht was ich denken soll. Ich bin verwirrt Dominus.“
    Stieß es sich auch schon verzweifelt über die Lippen der Silurerin. Als sie sich abrupt herumdrehte und ihrem Dominus direkt entgegen blickte.

    Langsam setzte die Dunkelhaarige Schritte voran. Durch die verwinkelten Gässchen der Subura. Jener Teil Roms der ihr zu Hause geworden war, seitdem sie an Anis von Alexandria verschenkt wurde. An ihren Dominus wollte die junge Keltin nicht denken und so zupfte sie den gräulichen Schleier enger um ihr Gesicht. Niemand sollte sie jemals wieder unverhüllt zu sehen bekommen. Bei diesem Gedanken huschte ein leichtes Lächeln über Eireanns Lippen, als sie ihre Schritte unverdrossen voran lenkte. Über ihrem rechten Arm baumelte ein geflochtener Korb. Denn tatsächlich hatte sie sich die Worte ihres Dominus zu Herzen genommen. Auch wenn ihr Dominus behauptete das sie die Küchenkräuter an jeder Straßenecke zu kaufen gab. So wollte sich die Dunkelhaarige darüber auf dem Mercatus Urbis informieren.


    Je näher sie den Marktplätzen kam, desto zögerlicher muteten Eireanns Schritte an. Denn bereits jetzt schallten der Keltin die krakelenden Stimmen der Marktschreier entgegen und ließen Eireann in ihrem Schritt inne halten. Vielleicht hätte sie doch auf ihren Dominus hören sollen und sich in der Subura nach etwaigen Küchenkräutern umzusehen. Unwillkürlich biss sich die Dunkelhaarige auf die Unterlippe, zupfte den Schleier noch einmal zurecht und wagte sich dann doch aus dem Gässchen der Subura. Augenblicklich blieb sie wie erstarrt stehen und betrachtete das Gewusel der Menschen, die hastig zwischen den Marktbuden hin- und herliefen. Hinter ihrem Schleier beobachtete Eireann schweigend und klammerte sich regelrecht an den Korb, der an ihrem Arm baumelte.
    “Sei kein Feigling.“
    Mahnte sie sich selbst. Atmete tief durch und betrat schließlich den Mercatus Urbis.


    Konzentriert ließ Eireann ihren Blick über die Waren der verschiedenen Händler gleiten. Und lauschte zugleich höchst aufmerksam. Dabei erhaschte sie das harte trommeln von Soldatenstiefeln auf dem Pflaster und duckte sich im selben Moment hinter einige Fässer, die dort zum Kauf angeboten wurden. Nein. Nicht noch einmal wollte sie die Begegnung von römischen Soldaten machen. Als die metallenen Schritte verschwunden waren, atmetet Eireann tief durch und lugte über den Rand des Holzfasses. Tatsächlich war von den Soldaten nichts mehr zu sehen und Eireann atmetet erleichtert durch. Jetzt konnte sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren; Kräuterkunde. Und so näherte sich die Keltin jenem Teil des Mercatus Urbis und zog den Schleier tatsächlich etwas aus ihrem Sichtfeld.


    “Es ist ein Segen das die Soldaten verstärkt patroullierten. Da fühlt man sich doch gleich viel sicherer auf den Straßen und den Gassen.“
    Drang eine Stimme an Eireanns Ohr. Sodass ihr Blick automatisch in die Richtung der offensichtlichen Sprecherin glitt.
    “Schutz oder Unheil?“
    Murmelte die Keltin und erntete einen ungläubigen Blick.
    “Verschwinde Bettlerin!“
    Da traf Eireann auch schon ein undefinierbarer Gegenstand. War es Obst oder Gemüse? Nicht zu identifizieren. Ihren Zorn verbarg Eireann tief in sich und hastete mit gesenkten Kopf die Budengasse entlang. Ihr Ziel - einer der Brunnen. Das an den Mauern rings um eben jenen Brunnen einige Bettler Quartier aufgeschlagen hatten, bemerkte Eireann erst jetzt und zog den Schleier nun doch tiefer in ihr Gesicht. Bevor sie sich dem Brunnen näherte und ihre Hände in das Wasser des Eimers tauchte, den man am Brunnenrand abgestellt hatte.


    Mit hastigen Bewegungen rieb Eireann über den Fleck auf ihrer Tunika und rieb. Und rieb.
    “Verdammtes Geschwätz der Weiber.“
    Knurrte Eireann vor sich hin und bemühte sich ihre Tunika wieder sauber zu bekommen. Alles andere würde ihrem Dominus nicht gefallen.

    Das Schälchen Honig betrachtete Eireann voller Interesse und vermeinte schon den süßen Geschmack des Honigs auf ihrer Zunge zu spüren. Das ihr Dominus auf ihre Worte keine Antwort gab, wusste Eireann mittlerweile. Und dennoch versuchte sie es immdr wieder. Bis es dem Parther zu bunt wurde und er sie davon jagte? Nein. Bevor dies geschah würde die Keltin damit aufhören. Aber vielleicht sollte sie ihre Stimme grundsätzlich nicht mehr in seiner Gegenwart erklingen lassen. Ihren Dominus würde es mit Sicherheit erfreuen. Und vielleicht hätte der Parther dann auch lobende Worte für sie übrig. Denn nach diesen sehnte sich die Dunkelharige sichtlich.


    Mittlerweile wirkte der Duft des Honigs regelrecht betörend und ließ Eireann tief einatmen. Was ihr Körper mit einem erneuten Hustenanfall bestrafte. Unwillkürlich beugte sie sich dabei nach vorne und krallte ihre Finger um den Thymianbusch, sowie um die Schale mit Honig. Erst als der Husten in ein dunkles rasseln übergig, wagte sie es, sich vorsichtig aufzurichten. Ihre Brust schmerzte und dennoch würde kein Klagelaut über Eireanns Lippen entweichen. Nicht vor ihrem Dominus. So senkte die junge Frau lediglich ihren Blick und verharrte vollkommen regungslos. Denn ihr Dominus schien sich nicht für sie zu interessieren. Was die Silurerin eigentlich schon gewöhnt sein müsste. Und dennoch schnitt es tief in ihre Brust.


    “Ja Dominus.“
    Murmelte die Dunkelhaarige mit leiser Stimme und wandte sich auch schon dem hölzernen Tisch zu. Auf diesen stellte Eireann das Schüsselchen mit Honig und legte den Thymianbusch daneben. Aus dem Augenwinkel linste sie in seine Richtung und begann die Blätter des Thymian vorsichtig abzuzupfen. Dann zerrieb sie die Blätter zwischen ihren Fingern und atmete unwillkürlich tiefer ein. Abermals war es ein bellen welches über ihre Lippen drang. Jedoch gedämpft, denn Eireann presste ihre Lippen fest aufeinander. Bevor sie den Thymian weiterhin zwischen ihren Fingern zerrieb und ein tonloses Gebet murmelte.


    Das Kopfschütteln ihres Dominus bemerkte die Keltin nicht. Denn ihren Blick hielt sie auf den Thymian gerichtet.
    “Ich liebe Tiberios Dominus.“
    Gab Eireann zur Antwort und schluckte hart.
    “So etwas macht man für die Person die man liebt.“

    “Du glaubst mir nicht Dominus?“
    Flüsterte Eireann mit einem regelrecht entsetzten Klang in ihrer Stimme. Wenn noch nicht einmal ihr Dominus ihren Worten Glauben schenkte. Ob dieser Gedanken biss sich die Dunkelharige auf ihre Unterlippe und starrte die Suppenschüssel an, die sich direkt vor ihr befand.
    “Ich bin nicht verrückt Dominus. Die körperlose Stimme hat mich wirklich in die Ruine geführt.“
    Mit leiser Stimme widersprach die Dunkelhaarige dem Parther. Und verstummte auch schon. Denn mittlerweile wusste sie das es ihr Dominus nicht gut hieß, wenn sie Widerworte in seiner Gegenwart aussprach.


    Den Sesterz betrachtete die Keltin schweigend und streckte ihre schmale Hand aus, um die Münze sicher zu umfassen. Doch dann interessierte sich ihr Dominus allzu neugierig für ihre Strafarbeit im Blinden Esel und Eireann zuckte unwillkürlich zusammen.
    “Es war bei den Lupercalia-Feiern Dominus. Tiberios und ich mussten unser Essen abarbeiten. Denn Tiberios Geldbeutel wurde ihm gestohlen.“
    Als Eireann den Namen des furischen Sklaven aussprach, zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen.


    Zum Glück bohrte ihr Dominus nicht weiter nach. Im Gegenteil. Seine wedelnde Handbewegung sollte sie offensichtlich verscheuchen.
    “Ich bin doch nur eine unwissende Barbarin Dominus.“
    Gab Eireann zur Antwort. Dann erhob sie sich im nächsten Moment und zog sich den Schleier tiefer in ihr Gesicht. Rückwärts gehend näherte sich die Silurerin der Türe, drehte sich herum und verließ das Haus des Magus. Ihr Dominus hatte gesagt dieses Kraut würde es an jeder Straßeneck geben. Und so hielt Eireann auch schon Ausschau nach etwaigen Straßenverkäufern.


    Schließlich erspähte die Dunkelhaarige ein älteres Weiblein, welches einen Korb bei sich trug und an einer Straßenkreuzung der Subura kauerte. Mit vorsichtigen Schritten näherte sie sich dem Weiblein.
    “Kssst! Verschwinde bettelndes Pack!“
    Zischte das Weiblein und Eireann zuckte unwillkürlich zusammen.
    “Ich.. ich bin keine Bettlerin.“
    Wisperte die Dunkelhaarige mit leiser Stimme und streckte dem Weiblein den Sesterz entgegen.
    “Ich hätte gerne etwas Thymian. Bitte.“
    Bat Eireann und wurde von dem Weiblein argwöhnisch gemustert. Doch schließlich wechselten Münze und Kräuter den Besitzer.
    “Vielen Dank.“
    Den Kräuterbusch presste Eireann fest gegen ihre Brust und beeilte sich das Haus ihres Dominus wieder aufzusuchen.


    Ohne zu klopfen betrat die junge Frau das Innere des Hauses ihres Dominus und erinnerte sich seiner Worte.
    “Den Thymian soll ich zupfen, zermahlen und in Honig einlegen.“
    Murmelte Eireann und ließ ihren Blick suchend in sämtliche Ecken gleiten.
    “Dominus? Den Thymian habe ich gekauft. Wie soll ich fortfahren?“
    Ob er ihr helfen würde?

    Noch immer kauerte Eireann auf dem Boden und hielt ihren Blick gesenkt. Denn die Worte ihres Dominus klangen anklagend. So als würde er sie dafür verurteilen das sie der körperlosen Stimme gefolgt war.
    “Aber diese Stimme hatte so vertraut geklungen. So als würde sie mir ihre Hand entgegen strecken.“
    Verteidigte die Dunkelhaarige gerade ihr Vorgehen und widersprach damit ihrem Dominus? Nein. Blieb nur abzuwarten wie der Parther die Worte seiner Sklavin auffasste.


    “Der Blinde Esel ist keine feine Taverne. Als ich dort meine Strafarbeit leisten musste, habe ich etliche dubiose Gestalten die Taverne betreten sehen.“
    Antwortete Eireann wahrheitsgemäß und benetzte sich unwillkürlich ihre Unterlippe. Doch schließlich nahm sie die erkaltete Suppenschüssel in ihre Hände und setzte die Schale an ihre Lippen. Gierig trank sie davon. Obwohl ihr Dominus sie vor hastigen Schlucken gewarnt hatte.
    “Die Milites werden im Blinden Esel etwas finden Dominus. Und dann endlich von mir als Verdächtigte ablassen.“
    Sehnsüchtiges Wunschdenken der Keltin. Oder würden die römischen Soldaten im Blinden Esel in ein Wespennest stechen?


    Thymian in Honig? Was meinte ihr Dominus damit? War das etwa eine Medizin, die diesen Husten besiegen könnte? Jenen Husten den sich Eireann immer einfing, wenn sie in einer Zelle des Carcer kauerte. Als ihr Dominus erklärte das er ihre Ausbildung zum Orakel erst einmal aussetzte, spürte Eireann einen eisigen Schatten über ihre Wirbelsäule gleiten.
    “Ich bin das was du in mir siehst Dominus.“
    Antwortete die Dunkelhaarige neutral auf seine Worte. Während ihre Gedanken durch ihren Kopf rasten. Wie sollte sie diese Stimmen jemals kontrollieren, wenn er sie nicht unter ihre Fittiche nahm?


    Denn tatsächlich schien ihm dieser Gedanke tatsächlich Spaß zu machen. Denn seine weiteren Worte waren Aneeisungen, die Eireann umzusetzen hatte.
    “Wie du wünscht Dominus. Dann werde ich mich zu den Märkten begeben.“
    Und dennoch rührte sie sich noch nicht von der Stelle. Sie würde erst das Handzeichen oder seine Stimme abwarten.

    Wann würde sich die Türe öffnen? Würde er sie wieder so lange vor der verschlossenen Türe warten lassen? Diesmal dauerte es tatsächlich nicht ganz so lange und Eireann trat an ihrem Dominus vorüber. Die Suppenschüssel hielt sie gar krampfhaft in ihren Händen. Beinahe wirkte es so als hegte die Keltin den Verdacht das ihr Dominus nach der Suppenschüssel greifen würde, um diese für sich zu beanspruchen.


    Der kalte Blick ihres Dominus ließ Eireann sichtbar zusammen zucken. Und dennoch versuchte sie die Neutralität ihrer Gesichtszüge zu wahren. Ganz so wie es ihr der römische Miles regelrecht eingetrichtert hatte. Dann ließ sich die Dunkelhaarige zu Boden gleiten und kniete nun vor ihrem Dominus. Während sie ihren Blick gesenkt hielt und vorsichtig an der Suppe nippte.


    Als er sie auf das fehlende Seidentuch ansprach, senkte Eireann ihren Kopf tatsächlich noch etwas tiefer.
    “Es tut mir Leid Dominus.“
    Entschuldigte sich die junge Frau. Während ihre Finger leicht zu zittern begannen und sie die Schüssel vorsichtshalber vor sich auf den Boden stellte.


    Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie ihr Dominus ein anderes Tuch hervor holte. Jenes war zerschlissen und aus einem gräulichen Farbton. Und dennoch ließ sie sich jenes Tuch über ihren Kopf legen. Mit diesem Tuch wirkte die junge Frau mehr denn je wie eine Bettlerin. Und doch zupfte sie das Tuch enger um ihren Kopf. Als ob sie sich darunter verstecken wollte.


    “Danke Dominus.“
    Flüsterte sie mit angestrengt wirkender Stimme. Während sie die Schüssel erneut in ihre Hände nahm und vorsichtig daran nippte.
    “Ich werde dir nie wieder Anlaß geben das du dich um mich sorgen musst Dominus.“
    Während sie unter seinem forschenden Blick regelrecht zu schrumpfen schien.


    “Die römischen Milites haben die Wahrheit erfahren. Ich habe gesagt das mich eine körperlose Stimme in die Ruine geführt hat. Und das es sich um insgesamt drei Rabenschädeln handelt. Und.. und das die Milites im 'Blinden Esel' weiterforschen sollen.“
    Dann verstummte die Keltin augenblicklich und hustete einmal bellend.

    Mit gesenktem Kopf huschte Eireann an dem Magus vorüber, als dieser die Türe öffnete. Und beinahe hätte sie gelächelt, als sie bemerkte das sich während ihrer Abwesenheit nichts geändert zu haben schien. So atmete die Dunkelhaarige langsam ein- und wieder aus. Während sich ihr Blick dennoch am Boden fest gesaugt hatte und sie es nicht wagte ihren Blick anzuheben. Ob seine Reptilienaugen verächtlich oder ausdruckslos über ihre verwahrloste Erscheinung glitten, konnte die junge Frau somit nicht überprüfen. Was sie jedoch hörte war das leise Geräusch, als der Denar nicht unweit vor ihren nackten Füßen zum Liegen kam. Rasch bückte sie sich nach der Münze und griff nach dieser. Um sie besonders fest in ihrer schmalen Hand zu verbergen. Bevor sie auch schon zurück wich und wie ein wildes, angstvolles Tier wirkte, dem man Gewalt angetan hatte. Zwar war es keine körperliche Gewalt gewesen. Aber die Stimme des Urbaners hatte sich unauflöslich in Eireanns Gedanken gebrannt.


    Zum Glück war es die Stimme ihres Dominus die erklang und Eireann aus ihren grüblerischen Gedanken riss. Langsam öffnete sie ihre verkrampfte Faust und betrachtete den Denar, der glitzernd in ihrer Handinnenfläche ruhte.
    “Ja Dominus.“
    Wisperte die junge Frau mit dieser krächzenden Stimme und wich zur Türe zurück. Dort erst drehte sie sich herum und verließ das Haus des Magus.


    Den Weg zu den Thermen kannte sie mittlerweile schon. Während sie ihren Kopf gesenkt hielt und peinlichst darauf achtete niemandem auch nur zu nahe zu kommen. Vor dem Eingang der Thermen hatten sich bereits einige junge Frauen versammelt. Einige dieser Frauen diskutierten über den stattgefundenen Gladiatorenkampf und seufzten dabei hingerissen auf. Die Keltin verschloß ihre Ohren vor diesem Geschwätz und war erleichtert, als sie endlich das Innere der Thermen betreten konnte. Rasch entfernte sich die Keltin vom Pulk der schnatternden Frauen und Mädchen. Langsam zog sie ihre Tunika aus und legte diese in eines der Regalfächer. Dann näherte sie sich dem Becken und stieg langsam hinein. Das Wasser umschmeichelte ihren viel zu schmalen Körper. Und dennoch beeilte sie sich mit der Waschung ihres Körpers und ihrer verfilzten Strähnen.


    Schließlich entstieg Eireann nach einiger Zeit dem Becken, griff nach den bereitgelegten Tüchern und trocknete sich damit ab. Wirr umspielten ihre verfilzten Strähnen ihr ausgemergeltes Gesicht. Dann verließ sie die Thermen und hatte deutlich die Stimme ihres Dominus im Ohr, dass sie sich eine Mahlzeit kaufen sollte. Das Restgeld würde dafür reichen. Und so war es eine der Garküchen die von der Keltin angesteuert wurde. Dort kaufte sie sich eine Suppe und umklammerte die Schüssel wie ein verhungerndes Tier. Köstlich war der Duft, der Eireann in die Nase stieg. Und doch erinnerte sie sich an die Worte ihres Dominus. So nahm sie lediglich wenige Bissen. Nur so viel um ihren ersten Hunger zu stillen. Die restliche Suppe würde sie im Haus des Magus verspeisen. Denn dorthin zog es die Keltin. An der Porta angekommen klopfte die junge Frau, wartete bis der Dunkelhaarige öffnete und trat an ihm vorbei.


    Nach dem Bad in der Therme und der Suppe wirkte Eireann, zumindest körperlich wieder wiederhergestellt. Während sie mit gesenkten Kopf und der Suppe in den Händen verharrte.

    Von der Castra aus, lenkte Eireann ihre leicht zittrigen Schritte durch die Gässchen der Urbs Aeterna. Ihren Kopf hielt sie dabei gesenkt und wünschte sich in diesem Augenblick den Schleier herbei. Doch natürlich hatte man ihr den seidenen Stoff nicht wieder gegeben. Und so biss sich die Dunkelhaarige auf die Unterlippe. Wie sollte sie ihrem Dominus das fehlen des Schleiers nur erklären? Wie sollte sie ihm überhaupt ihr fernbleiben erklären? Natürlich mit der Wahrheit. Eine Wahrheit die Eireann kaum in Worte fassen konnte. Und so verkrallte sie ihre Finger in ihrer schmutzigen Tunika. Doch etwas musste sie ihrem Dominus sagen. Ob dieser Gedanken entwich schließlich ein tonloses Seufzen ihren Lippen. Bevor sie ihre taumelnden Schritte kaum merklich beschleunigte und dabei tatsächlich beinahe gefallen wäre. Lediglich durch einen Ausfallschritt vermied sie es Bekanntschaft mit dem staubigen Boden zu machen.


    Schwer atmend hielt die Dunkelhaarige in ihren Schritten inne und presste ihre Hand gegen ihre Brust. Dann hob sie vorsichtig ihren Kopf an und erkannte aus dem Augenwinkel die steinerne Einfassung eines Brunnens. Zum Glück. Denn in ihrem momentanen Zustand konnte sie dem Magus unmöglich unter die Augen treten. Das Wasser würde zwar nur die gröbsten Flecken ihrer Tunika beseitigen und den Gestank übertünchen. Doch zuerst einmal trank die Silurerin wie eine Verdurstende von dem köstlichen Wasser und begann dann erst ihre Tunika von den gröbsten Flecken zu befreien. Jetzt könnte sue ihrem Dominus unter die Augen treten.


    Nur noch wenige Schritte trennten sie vom Haus des Magus. Ob ihr Dominus überhaupt zu Hause war? Einmal hart geschluckt und Eireann betrat das Haus des Magus, ihr zu Hause. Das obligatorische klopfen ließ Eireann weg und drückte stattdessen die Türe äußerst rasch ins Schloß.
    “Dominus?“
    War ihre leise, krächzende Stimme zu vernehmen. Während sie mit nasser Tunika und gesenkten Kopf im Eingangsbereich stand und auf eine Reaktion ihres Dominus wartete.

    Ein knappes nicken der Keltin folgte. Eh' sie sich vorsichtigen Schrittes in Bewegung setzte und die Castra bald hinter sich ließ. Ihr Ziel war klar. Das Haus ihres Dominus.

    Das knarzende Geräusch, mit dem sich der Schlüssel im Schloß herumdrehte, war doch keine Einbildung ihrer Fantasie. Denn die schwere, hölzerne Türe ihrer Zelle öffnete sich tatsächlich und die Stimme des Soldaten erklang. Ruhig blickte Eireann dem Urbaner entgegen. Eh' sie ihren Blick auch schon gen Boden senkte. Wollte er sich mit ihr einen Scherz erlauben oder entsprachen seine Worte tatsächlich der Wahrheit? Als die Türe noch immer geöffnet blieb, schöpfte Eireann tatsächlich Hoffnung. Als sie sich auch schon dem Urbaner und ihrem Weg in die Freiheit näherte.
    “Danke Dominus.“
    Ließ sie ihre leise Stimme erklingen und vermied es seinem Blick zu begegnen. Denn der steinerne Boden zu ihren Füßen war auch so viel interessanter.


    Schließlich ließ sie sich von dem Urbaner aus dem Zellentrakt führen und vor die Castra bringen. Von dort würde Eireann das Haus des Magus, ihres Dominus aufsuchen.

    Tatsächlich ließ man sie noch nicht sterben. Denn nach exakt einer Woche erschienen die römischen Soldaten erneut an ihrer Zellentür. Natürlich konnte Eireann nicht wissen das seit dem letzten Verhör genau sieben Tage vergangen waren. Ihr Zeitgefühl ließ sie, seitdem sie eingesperrt war, ohnehin im Stich. Als sich dann tatsächlich ihre Zellentür öffnete, hob die Keltin ihren Kopf an und blickte teilnahmslos. Offensichtlich war Eireanns Geist kurz davor zu zerspringen. Noch nicht einmal ihre Lippen presste sie aufeinander oder verengte ihre Augen. Nein. Eireanns Blick wirkte vollkommen ausdruckslos.


    Schweigend musterte sie das Brot und den Krug Wasser und lauschte dem Geräusch, als die schwere Türe wieder ins Schloß fiel. Die Urbaner hatten also noch immer Angst mit ihr in einer Zelle zu verweilen. Normalerweise hätte die Dunkelhaarige bei diesen Gedanken spöttisch gelächelt. Doch selbst diese Gefühlsregung versagte sie sich. Ja. Sie ignorierte sogar das Wasser und das viel zu harte Brot. Denn die Stimme des Urbaner drang an ihr Gehör. Er wollte wissen wer die Krähen waren. Und was bedeutete es das sie sich nun in der Endphase befanden? Wollte er ihr zu verstehen geben das es nicht mehr lange dauerte und sie durfte endlich den Duft nach Freiheit schnuppern? Oder hatte er dies nur gesagt um sie bei Laune zu halten und um bei Bedarf das kleine Flämmchen der Hoffnung sofort auszupusten?


    Ob dieser Gedanken spürte Eireann wie sich ein stechender Schmerz hinter ihrer Stirn ausbreitete. Doch auch jetzt verzog die Dunkelhaarige keine Miene.
    “Die Krähen sind ein Geheimbund. Sie agieren in der Subura. Versteckt und im Verborgenen.“
    Eireann lebte in der Subura, seitdem der Optio sie verschenkt hatte und hatte zu viel Zeit, wenn der Magus sie wieder einmal auf die Straße schickte.
    “Die Taverne Zum blinden Esel scheint einem der Anhänger dieses Geheimbundes zu gehören.“
    Führte die Keltin weiter aus und hielt ihren Blick auf die geöffnete Klappe gerichtet. Vor der sie lediglich Schemen ausmachen konnte und eben die Stimmen der Soldaten.


    “Die Anhänger dieses Bundes sind mächtige Männer der römischen Gesellschaft.“
    War abermals Eireanns Stimme zu vernehmen. Ruhig und ausdruckslos.

    Mittlerweile roch das Stroh muffig. Was kein Wunder war. Denn es befand sich kein Eimer in der Zelle, in dem sie ihre Notdurft verrichten konnte. Vielleicht sollte sie nach einem solchen Eimer verlangen? Bei diesem Gedanken brach Eireann in Gelächter aus. Natürlich. Die Soldaten hätten auf einmal ein Einsehen mit ihr und stellten einen solchen Eimer in ihre Zelle. Als sich die Dunkelhaarige wieder beruhigt hatte, starrte sie dumpf vor sich hin.


    “Dominus. Wieso holst du mich hier nicht raus?“
    Erklang es mit rauer Stimme über ihre aufgesprungenen Lippen. Als sie erschöpft ihren Kopf hängen ließ. Dem Magus spielte ihre Verhaftung doch regelrecht in die Hände. Er war sie los und musste sie nicht mehr durchfüttern. Herschte aus diesem Grund absolute Funkstille? Ein Gedanke der Eireann ängstigte.
    “Ich bin unschuldig.“
    Wie ein Mantra wiederholte die Keltin jene Worte. Immer und immer wieder. Außer wenn sie versuchte zu schlafen. Doch meistens wurde ihr Schlaf durch die Anwesenheit von Mäusen und Ratten erheblich gestört.


    Ganz langsam reckte Eireann schließlich ihre Glieder und stemmte sich in eine aufrechte Position. Dann krallte sie ihre Finger gegen die steinerne Mauer und zog sich an dieser langsam in die Höhe. Erschöpft lehnte sie sich auch schon gegen die steinerne Wand und versuchte ihren hastigen Atem unter Kontrolle zu bekommen.


    “Bitte...“
    Flehte die junge Frau im nächsten Augenblick und tastete sich in Richtung der hölzernen Türe. Natürlich war die Sichtklappe verschlossen. Bereits seit einigen Tagen hielten die Urbaner Abstand zu ihrer Zelle und diese Tatsache sähte die Furcht in Eiresnns Herzen. Die römische Obrigkrit konnte sie doch nicht vergessen haben, dass sie einen langsamen Tod starb. Für Verbrechen an denen sie nicht beteiligt war.

    Am nächsten Morgen war das harte Brot verschwunden. Lediglich der noch über die Hälfte gefüllte Wasserkrug stand neben der Strohmatratze auf der Eireann schlief. Denn auch wenn sie sich bereits mehrfach mit dem Gedanken des Freitods beschäftigte, so konnte sie diesen Gedanken einfach nicht in die Tat umsetzen. Tz! Den Römern einfach so in die Hände spielen? N e i n! Dieses Wörtchen schrie die Dunkelhaarige beinahe in ihren Gedanken. Und das Stroh raschelte leicht, als sie sich aufrichtete. Unstet ließ sie ihren Blick durch das Halbdunkel ihrer Zelle gleiten und hatte die Worte des Soldaten in den Ohren. -Es ist noch Luft nach oben.- Was hatte das zu bedeuten? Schließlich hatte sie den Urbanern alles gesagt was sie wusste. Auch das sie eine körperlose Stimme in die Ruine gelockt hatte. Und Eireann war so naiv gewesen und hatte dieser körperlosen Stimme vertraut. Ein tonloses Seufzen entwich ihrer Kehle, während sie langsam ihren Kopf schüttelte.
    “Was habe ich nur getan das ich so bestraft werde?“
    Wisperte es über Eireanns aufgesprungene Lippen. Auch wenn sie wusste das sie keinerlei Antwort erhalten würde. Von wem auch? Der Carcer schien wieder einmal verwaist zu sein. Und sie die einzige Gefangene. Wie damals beim Brand des Ganymed. Verdammtes Lupanar. Verdammter Kyriakos. Verdammter Nymphis, dessen Flötenspiel sie derart fasziniert hatte das sie unvorsichtig geworden war. Und schließlich verfluchte sie sich selbst. Ihren Sturkopf, der sie hatte davon laufen lassen. War es all das wert? Nein. Und Eireann schüttelte langsam ihren Kopf. Und doch war es geschehen. Sodass die Dunkelhaarige nun mit den Konsequenzen leben musste. Konsequenzen die sie nieder drückten. Und eines Tages würde aus der stolzen Keltin, ein winselndes Häuflein Elend zurück bleiben. Dann hätten die Römer sie genau dort wo Eireann ihrer offensichtlichen Meinung hingehörte. Auf die Knie. Auf den Boden.

    Würde sie heute endlich den lang ersehnten Duft der Freiheit schnuppern? Leise Hoffnung glimmte in ihrer Brust, als sie mit einem flehenden Glanz in den Augen zu der kleinen Klappe blickte, die sich öffnete. Wieso aber nur die kleine Klappe und nicht sofort die schwere, hölzerne Türe? Vielleicht wollte der Urbaner noch einige Informationen von ihr. Und so war es dann auch. Artig beanrwortete Eireann die ihr gestellten Frage. Während ihr flehender Blick auf der geöffneten Klappe ruhte. Jetzt würde sich gleich der Schlüssel im Schloß herumdrehen und sie taumelnd aus der Zelle stolpern. Es könnte sich nur noch um wenige Augenblicke handeln. Vor Aufregung beleckte Eireann immer wieder ihre Lippen und fokussierte die Türe.


    Diese jedoch blieb geschlossen und allmählich sickerte in Eireanns geschundenen Geist das sie auch weiterhin eingesperrt bleiben würde. Nein. Mit einem tonlosen Schrei sackte die Keltin auf den steinernen Boden und umschlang ihren Oberkörper mit den Armen. Während sie schluchzend vor und zurück schaukelte und dabei unstet vor sich hin blickte.
    “Freiheit. Bitte Freiheit.“
    Wisperte es über ihre aufgesprungenen Lippen. Während sie sich ihre verfilzten Strähnen aus dem Gesicht strich.
    “Ich . kann . nicht . mehr.“
    Flüsterte die Gefangene und schielte aus dem Augenwinkel zu dem Brot. Nachdenklich betrachtete sie das harte Brot.


    Wenn sie jetzt die Nahrungsaufnahme verweigerte und auch nichts mehr trank, spielte sie den Römern direkt in den Händen. Schließlich rutschte Eireann zurück auf ihr Strohlager und rollte sich dort zusammen.

    Bildete es sich die Sklavin nur ein oder konnte sie tatsächlich Stimmen vor ihrer Zellentüre vernehmen? Es war bestimmt nur Einbildung. Schließlich wurde sie von den Urbanern bereits seit einigen Tagen nicht mehr aufgesucht. Wieso sollte sich daran ausgerechnet in diesem Augenblick etwas ändern? Und dennoch spitzte die Keltin ihre Ohren. Während sie sich gegen die steinernen Wände lehnte, um ihrem Körper zumindest die Winzigkeit an Standfestigkeit zu gewährleisten. Schließlich entwich ein tonloses Seufzen ihren Lippen und Eireann schloss erschöpft ihre Augen.


    Jedoch hielt dieser Moment nicht lange an. Denn tatsächlich wurde die Türe ihrer Zelle geöffnet. Augenblicklich pochte ihr Herz hastiger in ihrer Brust. War heute der langersehnte Moment, an dem sie wieder in die Freiheit entlassen wurde? Daran glauben wollte die Dunkelhaarige nicht und dennoch schielte sie in Richtung der sich öffnenden Türe. Doch nicht die Freiheit winkte. Sondern lediglich ein neuer Krug Wasser und ein Kanten Brot. Und dann gehörte die Stimme des Soldaten nicht zu dem Mann, der ihr die Striemen auf dem Rücken zugefügt hatte. Wo steckte der andere Miles?


    Vorsichtigen Schrittes näherte sich Eireann dem Krug Wasser und dem Brot. Das Brot ignorierte die Dunkelhaarige vorerst. Stattdessen widmete sie sich mit Feuereifer dem Wasser. Den Krug setzte sie an ihre Lippen und versuchte kleine Schlucke zu trinken. Was jrdoch nicht so einfach war und Eireanns Lebensgeister zu neuem Leben erwachten.


    Als er ihre versuchte Beweisvernichtung erwähnte, presste sie ihre Lippen fest aufeinander. Jedoch konzentrierte sie sich auf seine Fragen. Auch wenn ihr diese Fragen deutliche Kopfschmerzen verursachten.
    “Es waren drei Rabenschädel Dominus.“
    Ein weiterer, knapp bemessener Schluck Wasser folgte.
    “Es ist eine Gruppierung die im Schatten agiert.“
    Flüsterte die Keltin mit krächzender Stimme und nippte abermals an dem Wasser.
    “Es war eine Stimme die mir gesagt hatte ich solle in die Ruine gehen Dominus.“
    Dann ließ Eireann erschöpft ihren Kopf hängen. Während sie noch immer aufrecht gegen die Wand gelehnt verharrte.

    Die Tage zogen ins Land und die Urbaner kehrten nicht zurück. Wurde die Keltin tatsächlich vergessen? Hatte die römische Obrigkeit beschlossen sich nicht mehr um sie zu kümmern. Würde nun diese Zelle ihr Grab werden, statt wie gesehen das Ganymed? Ein ersticktes Geräusch, einem schluchzen nicht unähnlich entwich Eireanns Kehle. Denn mittlerweile hatte sie auch den letzten Tropfen aus dem Krug geschlürft und atmete nur noch äußerst flach. Sie musste mit ihren Kräften haushalten wenn sie das hier überleben wollte. Wollte sie? Ein leises Stimmlein in ihrem Hinterkopf protestierte vehement. Doch was hielt sie noch hier? Hier in der Urbs Aeterna? Sie hatte alle die sie liebte vergrault und weit von sich gewiesen. Und das nur weil sie nicht gehorchte. Gehorchen konnte. Ein zitternder Atemzug wurde getätigt und Eireann öffnete ihre verquollenen und blutunterlaufenen Augen. Ihre Tunika hing wie ein Sack an ihrem mittlerweile äußerst dürren Körper. Während ihre Zunge verzweifelt über ihre aufgesprungenen Lippen fuhr und ihre Atemzüge zitternd aus ihrer Kehle empor krochen. Mit vorsichtigen Bewegungen schob sie sich langsam an der steinernen Wand empor. Ungeachtet der Tatsache das ihre Hände bluteten. Denn diese hatte sie in einem Anfall von Raserei gegen die steinernen Wände geschlagen. Diese Anfälle waren jedoch vorüber und tiefe Resignation hatte sich ausgebreitet. So wirkte die Dunkelhaarige wie das sprichwörtliche Lamm das man zur Schlachtbank führte.


    Mit flachen Atemzügen lehnte sie ihren Kopf gegen die steinerne Mauer, an der sie sich in die Höhe geschoben hatte und heftete ihren blutunterlaufenen Blick auf die hölzerne Türe. Als würde ein Wunder geschehen. Die Türe würde sich öffnen und die Sklavin in die lang ersehnte Freiheit entlassen. Ein Wunschtraum und dies wusste Eireann allzu deutlich.

    Kein Laut war aus Eireanns Zelle zu hören. Kein Wunder. Die Keltin schlief. Auch wenn ihre Sinne wachsam waren und sie im Carcer niemals so tief und fest schlummerte, wie sie es zum Beispiel in einem Raum tat, in dem sie sich sicher fühlte. Lediglich das Stroh raschelte leise, wenn sich die Dunkelhaarige leicht im Schlaf räkelte. Eireanns Miene wirkte selbst im Schlaf angespannt. Denn an völlige Entspannung war innerhalb der Carcermauern nicht zu denken. Der Krug Wasser stand bereits seit einigen leer neben der zerwühlten Strohmatratze und die Ratten krabbelten um den Krug herum. Das leise Geräusch ihrer Krallen ließ die Keltin abrupt aus ihrem Dämmerschlaf empor schrecken. Als ihr Blick auch schon gen des leeren Krugs glitt.


    “Der ist leer, du dummes Tier. Da wirst du keine Chance haben. Aber versuche es ruhig.“
    Sprach Eireann an das Tier gewandt. Ob sich noch mehr dieser Nager innerhalb der Carcermauern und ganz besonders ihrer Zelle aufhielten, wusste die Dunkelhaarige nicht. Es interessierte sie schlichtweg auch nicht. Ihr einziges Ziel war es endlich aus diesen Carcermauern heraus zu kommen. Endlich wieder in Freiheit zu sein. Um dann reumütig und auf Knien zu ihrem Dominus zurück zu kriechen. Bei diesem Gedanken spürte Eireann wie ein Schauer ihre Wirbelsäule empor kroch. Wie würde der Magus reagieren? Würde er sie totprügeln? Das Recht dazu hätte er. Und gekostet hatte sie ihm auch nichts. Also wäre es auch kein Verlustgeschäft für ihren Dominus.


    Und während sie sich langsam aufrichtete zeichnete sich Resignation auf Eireanns Gesichtszügen. Würde der Carcer ihre vorläufige Endstation werden? Würde sie nie wieder das Tageslicht erblicken dürfen?

    Und erneut schob der Urbaner ihrer lange ersehnten Freiheit einen Riegel vor. Fast so wie das Geräusch wenn sich die Klappe schloss und Eireann wieder alleine gelassen wurde. Doch noch befand sich der Urbaner vor ihrer Zellentür. Das Sichtfenster war nämlich noch offen und Eireann konnte einen Schemen vor der Sichtluke ausmachen. Bevor sie ihren Blick erneut zu Boden richtete und sie deutlicher spürte wie ihr Angstschweiß ausbrach. Wenn sich das Sichtfenster schloss hatte sie alles verspielt. Und dennoch hatten seine Worte erneut diesen entschiedenen Klang, der ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.


    “Ich bin keine Brandstifterin. Nein!“
    Zischte Eireann wütend und ballte ihre Finger zu Fäusten.
    “Bitte. Bitte komme zurück. Bitte.“
    Flehte die Dunkelhaarige und fokussierte die Türe. Als wollte sie diese mit ihrem Blick in Luft auflösen lassen. Ein wahrlich erheiternder Gedanke, wenn die Gesamtsituation nicht so angespannt und gefährlich wäre.
    “Dominus? Wo steckst du? Wieso kommst du nicht und rettest mich? Dir würden die Soldaten glauben wenn du ihnen sagst wer ich bin.“
    Murmelte Eireann mit dumpfer Stimme und kehrte der Türe den Rücken


    Auf die Strohmatratze gesetzt, zog sie ihre Knie an den Körper und umklammerte ihre Knie mit den Armen.
    “Dominus. Es tut mir so Leid.“
    Schluchzte die Keltin mit erstickter Stimme und blinzelte hastig die Wuttränen weg, die sich in ihren Augenwinkeln eingenistet hatten.

    Was? Einen Tatort manipuliert zu haben? Nein. Überhaupt nicht. Sie hatte doch nur ... die Rabenschädel berührt und auch die Zeichnung verwischt, als sie mit ihren Fingern darüber glitt. Alles unbewusst. Woher sollte sie dies denn auch wissen. Strafvereitelung. Welch' schreckliches Wort und so fokussierte Eireann die Steine zu ihren Füßen äußerst intensiv. Während ein beben ihren Körper erzittern ließ.


    “Diese Schädel sind nutzlos. Es müssen exakt die gleichen Schädel sein. Aber ich kann es versuchen.“
    Erwiederte die Dunkelhaarige und spürte wie sich die Gänsehaut auf ihren Armen intensiviertr. Ein deutliches Zeichen ihrer körperlichen und seelischen Erschöpfung. Doch noch hielt sie sich aufrecht und würde es tunlichst vermeiden, vor dem Soldat umzukippen. Auch wenn er diesen Zusammenbruch ohnehin nicht sehen würde. Denn die Türe war noch immer verschlossen. Lediglich die kleine Klappe war geöffnet.


    Und vor dieser Klappe erkannte Eireann schemenhafte Umrisse. Bevoe sie ihren Blick rasch zu Boden wandte und sich den Rabenschädel visuell ins Gedächtnis rief. Ihre Augen hatte die Keltin dabei geschlossen. Nur wie sollte sie mit dem Schädel sprechen? Was sollte sie fragen?
    “Die Schädel.. sie wispern immer wieder Corvus, Corvus, Dominus.“
    Erschrocken taumelte Eireann zurück und starrte die Türe mit geweiteten Augen an.