Das war ja schlimmer als in der Schule! Die zwei Pontifices schlichen herum wie die Wölfe im Schafspelz. War ich schon durchgefallen? Würden sie mich das weiter durchziehen lassen wenn ich es schon vergeigt hätte? Egal, da keiner was sagte zog ich mein Programm auf dem Tempelplatz weiter durch.
Wie vorgesehen reinigte ich Ort und Beteiligte (die Pontifices und den Opferstecher) und spritzte dazu etwas Wasser. Ich sprach die rituelle Darbringungsformel und wusch nochmal meine Hände.
"Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es."
Mit dem Mallium latum trocknete ich meine Hände und widmete mich dem Tier. Der kleine Lammbock war sichtlich nervös. Konnte ich ihm nicht verübeln. Die Mola salsa auf seinem Kopf irritierte ihn wohl. Aber gleichzeitig war die Weihung wie ein Streicheleinheit die ihn beruhigte.
"Schillernder Mercurius! Dieses Lamm gebe ich, Volusius Didius Molliculus, dir, oh Erhabener, um dich zu ehren!"
Ich zückte mein Opfermesser und entkleidete das Lamm symbolisch. Ich muss mir dabei immer vorstellen wie ich dem Tier das Fell über die Ohren ziehe und es dann nackt vor mir steht. Total grauenvoll! Aber das Bild schafft es immer wieder in meinen Kopf.
Ich konzentrierte mich auf das Opfergebet.
"Schillernder Mercurius! Dir, oh Erhabener, Mittler zwischen den Welten, Begleiter auf allen Wegen, gilt mein Dank für deine Gunst die du Rom jeden Tag zuteil werden lässt!"
Zugegeben ein bisschen kurz. Aber das war immerhin ein gestelltes Prüfungsopfer. Und ich wollte nur Aedituus von diesem Tempel werden, nicht Flamen.
Ein letzter Blick auf die bereitliegenden Utensilien. Alles da. Auch der Cultrarius war bereit.
"Agone?" fragte er.
"Age!"
Er packte das Lamm und ratz-fatz war in der Kehle ein Stich. Armes Lämmchen! Das Blut spritzte und ich hielt schnell eine Schale unter die Wunde. Natürlich versaute ich mir dabei die Toga. Na prima, das Waschen würde wieder Stunden dauern!
Als das Tier mehr oder weniger ausgeblutet war schnitt der Opferhelfer den Bauch auf. Die Vitalia drapierte er in einer Silberschale. Fachkundig drehte ich sie hin und her und begutachtete sie. Wohl bekomms!
"Litatio!"
Ich ging jetzt mal nicht davon aus, dass das jemand prüfen würde. Trotzdem hatte ich natürlich geschaut, dass soweit alles in Ordung war. Keine Flecken, keine Knoten oder so Zeug. Alles paletti für den Herrn Merkur. Also ab damit übers Opferfeuer. Der Geruch nach brennendem Fleisch breitete sich über den Platz aus und der graue Rauch zog ausgerechnet geradewegs auf den Pontifex Flavius zu. Wenn das mal keinen Abzug in der B-Note gab!
Hastig beendete ich die Opferung durch eine letzte rituelle Reinigung. Die Teilnehmer waren damit aus dem Kultraum entlassen. Dann wartete ich auf das Urteil der Pontifices und kam mir dabei vor wie das Lamm auf dem Opferaltar.