Beiträge von Tiberios

    Zitat

    Genial und einzigartig: Der Antikythera-Mechanismus war noch komplexer und astronomisch ausgefeilter als bislang vermutet. Darauf deutet nun die Rekonstruktion seines vorderen Räderwerks hin. Sie enthüllt erstmals, wie der antike Himmelscomputer die Bewegungen der Planeten am Himmel nachvollzog und welche mechanischen Lösungen dahintersteckten.

    https://www.scinexx.de/news/te…-mechanismus-entraetselt/

    bis auf das Wort "Computer" - es war ein Analogrechner. ;)

    An Bord des Piratenschiffs

    Baraq neigte den Kopf, was fast einer wirklichen Verneigung gleichgekommen wäre, wenn er nicht von unten nach oben den Tempelfürsten und seinen Begleiter angeschielt hätte. "Sehr wohl", murmelte er und ging an den beiden Männern vorrüber, damit sie ihm über den Steg folgen mochten.


    Das Schiff des Doniy hatte selbst im hellen Licht der Sonne Apolls etwas Düsteres, Schäbiges an sich, als brächte es Dunkelheit aus dem Orcus selbst mit sich.

    Baraq sprang an Bord, der Kapitän wartete schon und rieb sich die Hände beim Anblick des illustren Gastes:

    "Rex!", röhrte er und deutete eine Verbeugung an: "Was für Freude, dich zu sehen! Hast du die Dummköpfe abgezockt, die sich Herren der Welt nennen?! Nun komm und schau dir an, was ich für dich habe: Zehn wahre Goldstücke aus Alexandria; gerade gewachsen, gutgenährt, gesund und munter und noch so jung, dass man sie für alle möglichen Arbeiten ausbilden kann."

    Er wies auf die Gruppe der Kinder und jungen Leute.


    Tiberios hatte, da die Sonne warm schien, auch angefangen, vor sich hinzudösen und einen schönen Traum geträumt: Er saß mit Terpander im Garten der Casa Leonis und sah dem Pfau- Narcissos - zu, wie er sich spreizte.

    Nichts weiter geschah, kein Wort fiel und doch schien das Bild für alles zu stehen, was Tiberios gerade verlor: Sein Leben in Roma, seinen Dienst für Domina Stella in der Casa Furia; die Menschen, die er kennen gelernt hatte, und den Römer, in den er sich verliebt hatte, und da diese Liebe dermaßen aussichtslos und ein schlechter Scherz von Tyche war, dass er nicht einmal wagte, seinen Namen zu denken; all das erschien dem Griechen gerade im schönsten Licht und er sehnte sich so zurück, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen.


    Aber dann war der Traum vorüber, und die Realität wartete.


    Ein Fremder war an Bord gekommen.

    Noch während das Traumbild schwand, sah Tiberios ihn: schlank und hochgewachsen, jemand von Rang oder zumindest natürlicher Autorität, denn die Piraten, selbst dieser Kapitän, benahmen sich unmerklich anders in seiner Gegenwart.


    Einer der beiden Säuglinge, die zu den beiden jungen entführten Ehefrauen gehörte, spürte wohl ebenso etwas, denn er begann zu weinen und wollte sich nicht beruhigen, obwohl die Mutter ihn hektisch hin- und herwiegte.


    Der Piratenkapitän bemerkte nur: " Hier überlasse ich dir sogar zwei zum Preis von einem, wie du hörst, sind die Lungen in Ordnung."


    Nun wussten alle, was der Fremde war: Ein Käufer.

    Der Bote


    Baraq, hin und hergerissen zwischen der ihm innewohnenden Unverschämtheit und der Furcht, die ihm dieser unheimliche Tarkyaris einflößte, erwiderte:

    „Kapitän Donyi hat Gründe, Delos nicht zu betreten, Rex. Wir bringen sie auf dein Schiff und wen du nicht kaufen möchtest, den schmeißen wir gleich über Bord. Oder du und dein Begleiter kommen mit mir zur Kabir, so nennen wir unser Schiff und wir verfahren auf die gleiche Weise.
    Oder wir bringen sie hin, wo du es wünschst.“


    Damit sagte er auch aus, dass der Piratenkapitän so verrufen war, dass er nur dort ankerte, von wo er jederzeit wieder fliehen konnte und nicht einmal das zu Roms Sklavenmarkt degradierte Delos selbst betrat.


    An Bord des Piratenschiffs



    Kapitän Doniy besah sich die kleine Gruppe, die nun einigermaßen manierlich aussah. Das X auf der Tabula, die dem Tempelfürsten übereicht worden war, stand für die zehn unglücklichen eingefangenen Jugendlichen und Kinder, die auf der Nereis Alexandrina mitgefahren waren.


    Tiberios tat es gut, sich das erste Mal seit Tagen wieder waschen zu können, er hätte nicht geglaubt, wie sehr ihm das Hoffnung gab. Denn selbst Piraten würden doch Leute, die man töten wollte, nicht erst einmal herrichten oder füttern, oder?


    Nun hatte die Sonne sie getrocknet, und noch immer machte niemand Anstalten, sie unter Deck zu befördern. Sie saßen da und warteten. Die beiden jungen Ehefrauen wiegten ihre Kinder. Einige der Kleinen schliefen oder spielten herum, soweit es ihre Fesseln zuließen.

    Ganz in der Nähe hinkte der Scriba vorbei, und Tiberios beschloss, ihn anzurufen:

    „Du da Scriba, sag was geschieht mit uns?“, fragte er: „Wir sind nicht nach Delos verbracht worden, warum nicht? Auf was warten wir?“

    Der Zerlumpte sah ihn aus blutunterlaufenen Augen an und legte den Finger auf den Mund.

    Ängstlich blickte er sich um: „Rede nicht so viel! Ihr seid für ….“ Im gleichen Moment flog ein Holzscheit nur um Haaresbreite am Kopf des Alten vorbei, gefolgt von brüllendem Gelächter.

    Der Scriba wimmerte auf und hinkte schnell weiter.

    Tiberios sah sich um, da war schon Kapitän Danyi nähergekommen und richtete den Zeigefinger auf ihn wie einen gezückten
    Dolch:

    „Du quatschst gerne, nicht? Lass das oder...“ Er machte die Bewegung des Zungeabschneidens. Ein stummer Schreiberling
    war so viel wert wie ein sprechender, ja vielleicht noch mehr, weil er niemandem mehr auf die Nerven gehen konnte.

    Tiberios sah zu Boden, sofort nahm er eine völlig defensive Haltung ein; die Arme ausgebreitet, den Kopf gesenkt.


    „Wenn du Schnauze hälst, findest du vielleicht einen neuen Herren.“, fuhr der Kapitän fort: „Wenn nicht - Fischfutter. Du frisst dich hier nicht länger satt als nötig...“, sein Blick glitt über die vor Schreck versteinerte Kinderschar, und er grinste:

    „Keiner von euch Bälgern!“

    Vielleicht interessant für die Pferdezüchter aus Cappadocia: :)


    Welche Pferde ritten die Parther?


    Zitat

    Davis bezeichnet die parthischen Pferde, auch bekannt als „nisäische Pferde“ (Schippmann 1980, 92f) als die „ultimativen Reitpferde“, schneller noch als die skythischen und sogar als die bis dato als die schnellsten Pferde geltenden spanischen Pferde, zudem stark genug um die schweren Rüstungen der Kataphrakten zu tragen. Diese Pferde waren in der
    antiken Welt sehr gefragt und wurden erwiesenermaßen über die Seidenstraße bis nach China exportiert, wo die dortigen Kaiser dringend neue Pferde für ihr Militär suchten. Chinesische Quellen berichten von den parthischen Pferden unter den Namen „himmlische Pferde“ oder „vegetarischer Drache“ („Soulun“).

    Warum diese Pferde heute ausgestorben sind, ist ein geschichtliches Rätsel.

    noch mehr hier : https://www.parthia.com/parthia_horses_burris.htm

    Es war am dritten Tag, als man sie an Deck schaffte und eine große Schüssel mit Wasser gefüllt zwischen sie stellte. Ein schon etwas ausgefranster Schwamm dümpelte darin.

    Wascht euch!, befahl der Pirat, der ihnen an anderen Tagen das Essen gebracht hatte.

    Als Tiberios die Leiter hochstieg, brannte die Sonne dermaßen in seinen Augen, dass er sie schließen musste; dennoch rollten Tränen seine Augen hinunter. Auch die Kinder reagierten so; die kleineren jammerten. Sie setzten sich, wo es ihnen angewiesen worden war und wuschen sich behelfsmäßig Gesicht und Hände; der Schwamm taugte dazu, ihn über den Haaren auszudrücken. So entfernten sie wenigstens die Spuren der schlimmsten Strapazen, und am Ende war das Wasser grau und glänzte von trüben Schlieren.

    Der Mann entfernte die Schüssel, und ließ die jungen Leute wenigstens eine Weile in der Sonne sitzen. Tiberios, dessen Augen sich mittlerweile wieder etwas an die gleißende aegaeische Helligkeit gewöhnt hatte, zählte mehrere corbitae, dickbäuchige Handelsschiffe; die auf den Wellen schaukelten. Vor ihnen lag flach wie ein Floss im blauen Dunst Delos.

    Die Schiffe brauchten nicht in einen Hafen einzufahren - ein Landungssteg verband den Ankerplatz mit der Insel. So konnte man sehr schnell an - und wieder ablegen.


    Ein schriller Pfiff durchbrach das Leben an Bord; der furische Sklave wusste schon, was das bedeutete - der Kapitän suchte den Scriba. Tiberios wandte auch den Kopf, immerhin hatte der Mann seine theca calamaria, sein Schreibzeug. Wenn er nur daran kommen könnte. Vielleicht ließ sich jemand erbarmen, Nachricht an die Casa Sergia in Alexandria oder an die Furier in Roma zu überbringen, wenn es ihm gelang, einen Hilferuf zu kritzeln.


    Die etwas ungleichmäßigen Schritte des Zerlumpten waren nicht zu verkennen - der Scriba zog ein Bein nach. Irgendetwas tuschelte der Kapitän mit ihm, der Schreiber zog aus dem Beutel eine Tafel und einen Stilus und begann zu schreiben. Dann kam ein anderer Mann, dunkel, groß und vielleicht hätte man ihn sogar von malerischer, verwegener Anmut nennen können, wäre er nicht über und über von Schwären bedeckt gewesen.

    Der Kapitän gab ihm die Tafel und deutete auf eine Corbita: "Bring das zum Rex? ..."

    Rex - der König? Wer wurde so genannt von diesen Männern? Tiberios hätte zu gerne den Inhalt der Nachricht erfahren, aber

    er war nur einer der jungen Gefangenen und hatte keine Chance.



    Der Bote


    Während die Mannschaft die Corbita versorgte, packte Tarkyaris sich Tigranes und ging mit ihm polternden Schrittes über den Steg an Land. Die Insel wimmelte von Menschen, nicht nur Händler und traurig dreinblickende Sklaven gab es hier, sondern es wurden auch Speisen und Getränke ausgeschenkt, es gab Barbiere (in Gestalt von zu diesem Zwecke mietbaren Sklaven), Zahnreißer, Ärzte und Huren (ebenfalls allesamt Sklaven), Musik und Akrobatik und alles, was zu einem Markt sonst noch dazu gehörte. Hier war heute ziemlich viel los, es schienen mehrere Schiffe von Händlern und Käufern frisch eingetroffen zu sein.


    Der Dunkle nannte sich Baraq; sein Kampfname mit der punischen Bedeutung "Blitz", hatte er je einen anderen Namen besessen, so war er vergessen. Er wusste, nachdem er Ausschau hielt, und zunächst suchte er die Corbita des Tarkyaris auf, doch als er fragte, war der Kapitän dort nicht zu finden, also setzte er sich wie ein Spürhund auf die Fährte.

    Es dauerte nur eine Weile, bis er des schlanken Tempelfürstes ansichtig wurde, so machte er seinem Kampfnamen alle Ehre. Baraq näherte sich vorsichtig und grüßte, in dem er seine Stirn und Kinn berührte; denn der Gesuchte war bestimmt nicht alleine.

    "Ave Rex Tarkyaris", sagte er, und er gebrauchte dem Cappadocier gegenüber das alte lateinische Wort für König. Eine beinahe abergläubische Furcht vor dessen grünen Augen ließ ihn den Blick senken. Er streckte nur seine Wachstafel hin, wie es ihm sein Kapitän aufgetragen hatte:



    Salve Rex Tarkyaris

    Kapitän Doniy grüßt dich.

    ich kann dir anbieten: X

    Herkunft: Alexandria

    keiner älter als zwanzig

    Verhandlungspreis: M Drachmen

    Danke für die interessanten Informationen :)

    Ein Codex war nie eine Papyrusrolle!

    Entschuldige, dies war ein Missverständnis, das wollte ich keinesfalls damit aussagen. :hmm:


    Meine Quelle für Calami aus Metall war u. a. diese:

    Zitat


    Die Schreibfeder (calamus) war meist aus Rohr (canna), einem vergänglichen organischen Material geschnitten; daher ist es nicht verwunderlich, wenn sich nur wenige Exemplare z.B. in einem Brandgrab in Intercisa erhalten haben [11]. Ganz selten scheinen sie, wie das hier vorgestellte Objekt, aus Bein hergestellt worden zu sein. Auch bronzene Schreibfedern, die die Form der Rohrfeder imitieren, haben sich nur in wenigen Exemplaren erhalten [12]

    https://homepage.univie.ac.at/…rum/forum0300/14jilek.htm , ist allerdings aus dem Jahre 2000 und evtl. überholt?

    LG

    Florus, deine Abschlussarbeit würde ich sehr gerne lesen, soetwas interessiert mich sehr.

    Die Eisengallustinte ist wasserfest, soweit ich weiß und die Römer kannten sie. Sie war allerdings die teuerste Tinte. Keinesfalls für Alltagskorrespondenz.

    Soweit ich weiß, wurden auch Gold und Silbertinten hergestellt, die aber dann nicht wasserfest waren.

    Und Purpurpergament als das teuerste Pergament.

    Was war mit den Calami? Waren sie nicht aus Metall?

    Interessant ist auch die Form der Codices, also wann genau man die Schriftrollen zugunsten der Buchform aufgegeben hat.

    Ich dachte Spätantike, weisst du darüber genaueres?

    ich dachte einen Sammelhread für kleine beantwortete Fragen. Ich stoße bei Recherchen immer mal wieder auf Dinge, bei denen ich denke, oh das hat kürzlich XY angesprochen, aber ich erinnere mich nicht mehr wo und wann.....

    (Wenn jemand ein aussagekräftigerer Titel einfällt, ändere ich ihn gerne)

    Führten die Cohortes Urbanae ein Verbrecherarchiv?

    Zitat

    Die üblichen Aufgaben der Stadtkohorten wurden.....folgendermaßen definiert: Ruhe im Volk, Disziplin bei den Spielen, Information über alle Vorgänge.

    Der Historiker Tacitus bringt ihre Aufgabe auf den Punkt: Die Truppe sollte die unfreien Elemente.....niederhalten und den Übermut unruhiger Bürger dämpfen. Die cohortes urbanae, die man als erste echte Polizei der Geschichte bezeichnen kann, führten auch schon ein eigenes Strafregister von übelbeleumdeten Personen.

    zitiert aus Wilfried Greiner/ Bernhard Pelzl: ROM: Ruinen erzählen, Wien 1998 S. 73 Z. 10 - 18

    Delos


    Und die junge Frau behielt Recht: Die jungen Leute und Kinder, die die Piraten zum Verkauf als Sklaven ausersehen hatten, wurden zusammen mit der Ausbeute an Waren auf das Piratenschiff verbracht und kamen unter Deck. Es wurde mit Wasser und Essen für sie gesorgt; dennoch saßen sie in Fesseln da, beklagten ihr Geschick und weinten, da sie ihre Familien und ihre Heimat wohl nie wieder sehen würden. Ansonsten ließ man sie in Frieden.

    In welchem Teil des Schiffes die Geiseln untergebracht worden waren, wussten sie nicht.

    Auch nicht was aus den Menschen geworden war, die die Piraten als unnütze Esser erachteten. Vielleicht hatte man sie auf der der beiden Ruder beraubten Nereis Alexandrina zurückgelassen oder getötet. Nur zwei der älteren Frauen hatten die Piraten für sich mitgenommen, die jungen Mädchen und Knaben rührten sie nicht an.
    Für diese Leute waren sie Ware – und Ware minderte man nicht mutwillig im Wert.

    Die Dunkelheit im Laderaum und der ewig währende Seegang – Tiberios verlor die Orientierung.

    Sie waren wohl mehrere Tage unterwegs, bis das Schaukeln aufhörte, sie vernahmen das Eintauchen des Ankers und das
    Schaukeln ging in jenes typische Kreiseln und sanfte Wippen über, das ein Schiffskörper aufwies, wenn man ihn zur Stille zwang.

    „Wo sind wir?“, fragte Tiberios. Er drehte den Oberkörper und presste sein Auge an eine Ritze hinter ihm, doch außer gleißendem Sonnenlicht, das ihn fast in den Augen schmerzte, war nichts zu sehen.

    Die Kinder um ihn her wussten es auch nicht.

    Wie immer erwarteten sie die Schritte des Mannes, der sie mit Puls und Wasser versorgte, das er aus einem Holzeimer in eine große, niemals gereinigte Schüssel schüttete: „Esst!“.

    „Verzeihung Herr, wo sind wir gelandet, bitte?“, fragte Tiberios so höflich wie er nur konnte.

    Der Pirat blieb stehen und kratzte sich: „Iss!“, befahl er: „Wir sind jetzt vor Delos, freut euch". Ein hässliches Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, doch das konnte Tiberios nur erahnen. Der Mann verschwand und nahm den Holzeimer wieder mit.

    Delos, heilige Insel von Apollon, dachte Tiberios, wie gerne hätte er dieses Heiligtum unter anderen Umständen erblickt.

    Auch wenn die alte Macht und Größe längst vergangen waren, das Apolloheiligtum gab es noch immer.

    Piraten jedoch liebten Delos, weil es flach wie ein Floss war, leicht anzusteuern – und noch leichter zu fliehen.

    Früher einmal war die Insel der zentrale Sklavenmarkt der bekannten Welt gewesen, aber nachdem sie Opfer der römischen Bürgerkriege des vorletzten Jahrhunderts und Korinth wieder neugegründet wurde, hatte sie diesen Rang verloren.

    Dennoch wurden hier immer noch Sklaven gehandelt, besonders exotische Ware für den Orient.


    „Ist Delos so schön, dass wir uns freuen sollen?“, fragte eines der Kinder.


    „Ich erzähle euch die Geschichte von Leto, der Mutter von Apollon und Artemis und der schwimmenden Insel Delos, wenn ihr aufgegessen habt.“, versprach Tiberios und deklamierte:


    „Als Leto dich gebar, die gebietende, König Apollon,

    Während ihr zierlicher Arm fest um die Palme sich schlang,

    Aller Unsterblichen Schönsten, am Bord des gerundeten Landsees,

    Da ward Delos erfüllt rings, die unendliche Flur,

    Voll ambrosischen Duftes, es lachte die riesige Erde,

    Und laut jauchzten des Meers grauliche Wogen im Grund.“*


    Das klang nach etwas Wunderbarem, und die Kinder lauschten.

    Aber Tiberios Herz war so schwer wie seine Worte leicht waren.


    Erst als Tiberios zur Ruhe kam und die Augen schloss, zogen vor seinen geschlossenen Lidern bunte Bilder vorbei, die sich größtenteils um Alexandria drehten: Der Pharos, die Casa Sergia in der Neapolis, der Anblick des Museion, das offene Meer und das Hinterland, dass er zuvor nicht gekannt hatte, weil er selten aus der Stadt gekommen war, erfüllten sein Gemüt immer noch mit Stolz, denn ein wenig war die strahlende Schönheit von Alexandreia auch Teil von ihm.


    Philippos, seine große Liebe aus der Zeit, als er noch kaum das Ephebenalter erreicht hatte, hatte er nicht versucht, wiederzusehen. Er war mittlerweile ein geachtetes Mitglied der Alexandriner Bürgerschaft, vermutlich mit eigener Familie, denn damals war er schon verheiratet gewesen.
    Tiberios hatte ihn nicht in die Verlegenheit bringen wollen, ihn mit einer Jugendsünde zu konfrontieren. Philippos hätte ihn nicht
    anders als abweisend behandeln können, denn ein Sklave war niemand, der ihm Ehre einbrachte.


    Einmal war Tiberios auch zu der Villa des Palmyreners, seines ehemaligen Herren Athenodoros, in Delta gegangen, oder viel mehr, er war um sie herumgeschlichen. Er wusste nicht, was genau machen. Athenodoros zur Rede stelle? Was

    hätte er ihm sagen können?

    "Hier bin ich, von dem du gehofft hast, dass er zu Schaden kommt. Aber ich lebe und habe das Vertrauen meiner optima domina, besten Herrin, gewonnen. Schau auf mich, denke an meine arme Mutter. Was haben wir dir jemals getan?"


    Aber das war Tiberios dann doch zu theatralisch.

    Außerdem nahm er an, dass Athenodoros wie Iason im Stück Medea reagieren würde - wenn er ihn überhaupt empfing:; Ausflüchte würde er bringen, abwiegeln, heuchlerisch sagen, dass er sich freue, ihn in so guten Umständen zu sehen…


    Dann erfuhr Tiberios, dass die Familie seines ersten Dominus nicht mehr in ihrer Alexandriner Villa lebte, sondern nach Palmyra zurückgekehrt war.

    Auf der einen Seite war Tiberios froh darum, dass ihm die Begegnung mit Athenodoros erspart blieb.

    Wenn er ehrlich war, hielt er seinen Erzeuger für einen Feigling, der ihn und seine Mutter hatte loswerden wollen. Und wie alle Feiglinge war er grausam, wenn sich ihm die Möglichkeit dazu bot.

    Aber auf der anderen Seite würde er nun niemals erfahren, was aus seiner Mutter geworden war.

    Ob Tyche ihr beigestanden hatte, wie sie es bei ihm tat? Oder war es nicht viel wahrscheinlicher, dass ihr Leichnam schon seit langem in den Abfallgruben der kleinasiatischen Schwefelminen lag?


    Tiberios erlaubte sich jedoch nicht, über diese Dinge betrübt zu sein, galene strebte er an, die Heiterkeit eines ruhigen Gemütes.

    Schon richtete er seine Gedanken fort von der Vergangenheit hin zur Zukunft: Roma...


    Er war eingeschlafen… da wachte er er auf, als ein fürchterlicher Ruck durch die Nereis Alexandrina ging; ein Ächzen und Stöhnen und das Geräusch brechenden Holzes.

    Das sanfte Schaukeln der Fahrt hatte aufgehört, die Corbita schien sich aufzubäumen und zu trudeln; das Geräusch war wohl darauf zurückzuführen, dass ein Seitenruder gebrochen(?) abrasiert (?) worden war.

    Oben auf dem Deck entstand Tumult.

    Tiberios wollte nach oben gehen, um zu fragen, ob er etwas helfen konnte, da kletterte eine Frau zu ihm hinunter, im Dämmerschein erkannte der Furiersklave das Weiße ihrer weitaufgerissenen Augen: „Piraten!“, rief sie: „Piraten!“,
    mit gellender Stimme, wahnsinnig vor Angst.


    Piraten. Trotz aller Bemühungen des römischen Staats immer noch zumindest ab und zu eine Plage des Mare Nostrum. Die großen Piratennester waren schon Jahrzehnte vor Tiberios Geburt ausgehoben und die Rädelsführer auf möglichst abschreckende Weise hingerichtet worden. Aber das Pack wuchs nach wie die abgeschlagenen Köpfe der Hydra. Zu sehr lockte der Reichtum, den die dickbäuchigen Corbitae von einer Ecke des Imperiums in die andere transportierten; es gab viel zu gewinnen und wenig zu verlieren für die kühnen, räuberischen Seevölker aus dem Norden Afrikas, wenn auch ihre große Zeit schon länger vorrüber war.


    Tiberios schaute sich um, sich zu verstecken, er nahm die Hand der Frau: „Komm schnell mit mir!“, aber es war zu spät. Männer mit Prügeln und Schwertern drängten die Stiege herab, schauten sich um und stießen die Passagiere grob an Deck.


    Oben herrschte ein Bild der Zerstörung: Zerschnittene Seile, Holzsplitter,aber überraschenderweise keine Toten. Alkibiades, der
    Kapitän hatte sich ziemlich schnell ergeben, er und seine Männer wurden in einer Ecke bewacht.


    Ein zweites Schiff lag an der Längsseite der Nereis Alexandrina wie ihr blutiger Schatten; eine Vielzahl Männer waren am Arbeiten, sie gingen rasch und geschickt und zielstrebig vor. Sie schienen auch nicht an überbordender Brutalität interessiert zu sein – sofern niemand Widerstand leistete wie dies ein junger Römer, der sich lautstark darauf berief, römischer Bürger zu sein und dazu einen Dolch zückte, versuchte. Die Piraten ließen ihn sofort gehen und sofort bedeutete, dass sie ihn ins Meer warfen, wo er elend ertrinken musste.

    Der Rest der nun eingeschüchterten Bürger Roms oder Alexandrias wurde separiert „Mal sehen, ob ihr euren Familien wert seid, dass sie Lösegeld für euch bezahlen“, desgleichen die älteren von den Jüngeren bis ungefähr ins fünfundzwanzigste Jahr.


    Tiberios kam unter die Gruppe der Jüngeren und Kinder, die alle so schreckenstarr waren, dass nicht einmal einer der beiden Säuglinge in den Armen ihrer jungen Mütter weinte.

    „Uns wird man in die Sklaverei führen“, sagte eine junge Frau leise, es war diejenige, die mit Tiberios zusammen unter Deck ergriffen worden war.

    Tiberios erschrak zutiefst, obwohl er sich dieses Vorgehen der Piraten hatte denken können.

    Er trat auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, denn er hatte den Befehl gegeben, den jungen Römer über Bord zu werfen, zu. Er verbeugte sich:

    „Verzeihung, Herr, ich bin ein Sklave der edlen und einflussreichen Furier aus Roma….“, begann er, da unterbrach ihn der Piratenkapitän: „Na, dann weißt du ja schon, wie es geht….“

    „Aber meine Domina wird nach mir suchen lassen….“, sagte Tiberios, der merkte, wie ihn Angst überkam.

    Der Kapitän starrte auf Tiberios Bronzetafel, doch bevor er sie herunterreißen konnte, zog der Sklave sie über den Kopf und streckte sie ihm entgegen.

    Daraufhin brüllte der Pirat auf schlechtem Koiné nach dem graféas, dem Schreiber. Tiberios starrte den Mann, der nun angehinkt kam, entsetzt an; nur Haut und Knochen war er, denn man gab ihm nur genauso viel Nahrung, dass er nicht verhungerte; schmutzige Lumpen bedeckten seinen Leib.

    „Es stimmt, was der Junge sagt“, sagte er, nachdem er die Bulla des Furiersklaven gelesen hatte.

    Der Kapitän kam Tiberios näher und ergriff ihm im Nacken. Tiberios rührte sich nicht. Der Kapitän tastete seinen Haaransatz ab, betrachtete dann seine Arme: „Keine Tätowierung, kein Brandmal.“, sagte er: „Also taugst du. Geh zu den anderen zurück, bevor du Fischfutter wirst. ….Was…?“, er musterte Tiberios näher: „Was hast du in dem Beutel an deinem Gürtel? Geld?“

    Tiberios hatte seine Sesterze für die Schiffsreise schon bezahlt und Proviant eingekauft. Er besaß in der Tat noch einen Aureus, den er aber in den Saum seines Chitons eingenäht hatte. In seinem Beutel hatte er keine Münzen:

    „Nur Schreibzeug, Dominus, nichts was einem anderen nützt….“

    „Du bist ein Schreiberling?“

    Tiberios zögerte mit der Antwort. Eine Ausbildung erhöhte seinen Wert, somit konnte er seines Lebens sicher sein, solange die Piraten ihn für wertvoll erachteten, anderseits würden sie ihn dann umso lieber weiterverkaufen wollen...aber schließlich straffte er die Schultern:“Ja, Dominus, das ist richtig.“

    „Hmmm…. Du bist rund und gutgefüttert, vielleicht sollte ich den da dem Römer Gesellschaft leisten lassen und dich bei uns behalten….“

    Beide, der Schreiber der Piraten und Tiberios schauten den Piratenkapitän verzweifelt an.

    „O bitte nicht, Herr“, heulte der Schreiber, aber da winkte der Anführer schon ab. Mit einem Ruck riss er Tiberios Beutel vom Gürtel und warf ihn dem Mann zu.

    „Danke...danke“, sagte dieser, während Tiberios die Lippen zusammenpresste. Er war machtlos, so sehr ihn der Verlust auch schmerzte. Seine calami, darunter ein besonders schöner aus Bronze, seine stili, das feine Messerchen zum
    Anspitzen, die tabulae, ...nun musste er mitansehen, wie die schmutzigen Hände des anderen darin herumwühlten: „Oh danke...“, sagte dieser nochmals.


    Auch wenn Tiberios sich die Worte des Philosophen Bias von Priene: Omnia mea mecum porto, all meinen Besitz trage ich bei mir, vorsagte und zu denken versuchte, es sei eines Stoikers nicht würdig, an weltlichen Gegenständen zu hängen – der Verlust seines Beutels mit seinem Handwerkszeug hinterließ eine Lücke in seinem Leben.


    Tiberios fühlte sich seines Schutzes beraubt, als hätte ihn seine Tyche, seine Fortuna schnöde verlassen.

    Vor Monaten war Tiberios mit der Nereis Alexandrina und ihrem freundlichen Kapitän nach Alexandria gekommen, nun sollte er sich auf dem gleichen Weg zurück begeben. Wie bei der Hinreise nach Alexandria auch schon, schickte man den furischen Maiordomus voraus; der Rest des Haushaltes sollte ihm folgen.


    Kapitän Alkibiades erwartete ihn schon.

    „Na, pais, die Ferien zu Ende?“, fragte er gutmütig. Er ließ sich von Tiberios seine Bulla und die Erlaubnis, dass er alleine so weit fort von seiner Herrin unterwegs sein durfte, zeigen und die drei Aurei geben, die er für die Fahrt verlangte.


    Einer der Matrosen wies Tiberios im Unterdeck einen freien Raum, in dem er schlafen konnte; wie auch das letzte Mal bekam er keine Kajüte, sondern nur einen trockenen Platz hinter einer großen Rolle Tau.


    Kaum hatte der junge Sklave sein Bündel abgelegt, hielt es ihn nicht mehr und er sprang an Deck. Er wusste schon, dass er wieder mit den Seeleuten und den anderen Passagieren reden und sich alles erklären lassen würde; besonders jedoch hatten es ihm die Seekarten des Steuermanns angetan.

    Während die Nereis Alexandrina das letzte Mal Gefäße aus Glas und mehrere Dolia mit blondem Frauenhaar aus Germania für die alexandrinischen Perückenmacherinnen geladen hatte, waren die Dolia diesmal voll mit verschiedenen Farbpigmenten wie feingemahlenem Kreidepulver aus der Hafenstadt Paraetonium, rötlichem kassiteros, Zinnstein, grünem Malachit und blauem Lapislazuli gefüllt; außerdem hatte die Corbita noch Papyri verschiedenster Qualität aufgenommen.

    Tiberios stand an Deck und sah zu, wie der Pharos im Frühnebel verschwand, während die Nereis Alexandrina ablegte.


    Als Alexandria hinter ihm lag, begab sich Tiberios unter Deck, um sich hinzulegen und etwas auszuruhen.


    Überraschenderweise freute er sich darauf, Roma wiederzusehen.

    Das lag daran, dass in Alexandria niemand mehr lebte, den er liebte. Diejenigen, nach denen er gesucht hatte, hatte er nicht wiedergefunden.

    Doch in Roma, da wartete sein altvertrautes Leben auf ihn.

    Dieses Garum... hat man das eigentlich mal versucht nachzukochen? Und mal probiert ob es so furchtbar schmeckt wie es sich anhört?

    ich habe gelesen, thailändische Fischsauce, die es in Asienläden gibt, käme geschmacklich gut hin.


    Die Wissenschaft streitet sich noch, ob die Römer tatsächlich solche Dinge gegessen haben, oder ob das bloss Namen für ganz andere Speisen sind. ;)

    Geschnittene Fleischstücke in einer entsprechenden Sauce = eingelegte Lerchenzungen

    Halbierte Eier überzogen mit einer Paste aus Garum, geriebenen Nüssen und etwas Balsamico = Otternasen

    Fleischwürfel, zart gekocht bis sie fast zerfallen = Zaunköniglebern

    das ist sehr interessant.

    Nur Jaguare als Neuwelt- Katzen waren den Römern nicht bekannt.

    Von Portus Ostiensis >>>

    Ferien in Alexandria


    Da so unerwartet ein Kapitel seines Lebens, welches er abgeschlossen und im tief in seinem Inneren begraben hatte, wieder aufgeschlagen wurde, war es für Tiberios, als er den Pharos erblickte, im ersten Moment dergestalt, als sei er nie weggewesen.


    Als würden seine Schritte ihn nach Delta lenken, als würde der galateische Ianitor ihm die Porta öffnen, als würde er Caenis Vogelruf hören: „Tibi!“ und Alexandros: „ Lassen wir den Unterricht ausfallen und gehen lieber schwimmen, biitteee“, als wären da alle daimones aus seiner Vergangenheit, die guten und die schlechten: Caenis, Anippe, Alexandros, Ezra ben Abraham, der den geistigen Funken in ihn entzündet hatte; Philippos, der ihn gelehrt hatte, sein Schicksal zu tragen, die Kyria Alexandra und der Kyrios.

    Aber die Flüsse waren weiter geflossen; panta rhei, alles fließt. Er hatte - beschützt von seiner Tyche - ein neues Leben in Roma erhalten; er hatte das Vertrauen zunächst seines neuen Herren und dann seiner neuen Herrin erworben; er hatte geliebt und war geliebt worden, er war nun Tiberios Maiordomus und erwachsen.


    Nicht nach Delta zur Casa des Palmyreners ging er, sondern in die neapolis zur Casa Sergia.

    Mit der Tabula von Domina Sergia Severa in der Hand, die ihn auswies, klopfte er an, um den hiesigen Maiordomus zu sprechen und ihm zur Hand zu gehen, um für die Bequemlichkeit von Domina Furia Stellas Aufenthalt alles vorzubereiten.


    Ja, die Adresse ist ein Fake, wenn ich sie aber versuche zu ändern, wird mir angezeigt, dass meine eigentliche Adresse schon vergeben ist. Auf diese Weise können natürlich keine Nachrichten ankommen. :hmm: aber austauschen ging auch nicht, weil ein Bestätigungslink an die Fakeadresse geschickt werden würde.


    ich bräuchte doch noch einmal jemanden, der draufsieht, bitte :lesen: