Scato war gespannt, wo Cerretanus seine frisch erstandene Ware nun unterbringen wollte. "Und jetzt? Terpander durfte ich neulich nicht mit in die Castra nehmen, der durfte nicht mal kurz rein gucken kommen, geschweige denn, dass er hätte meine Ausrüstung polieren können, wie ich mir das eigentlich gedacht hatte", warf Scato ein. Besser, er wies Cerretanus vorher darauf hin, ehe es an der Porta Praetoria das böse Erwachen für den Kameraden gab - und für ihn und Lurco unnötig langes Herumstehen.
Beiträge von Sisenna Iunius Scato
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"Du hast ja Recht", gab Scato zu, trank das Glas aus und stellte es auf den Rand. Dann drehte er sich auf den Bauch und verschränkte die Arme auf dem Beckenrand. "Ich werde zu Tiberios gehen und das Geld zurückholen. Sollte es mir nicht gelingen, stottere ich es von meinem Sold ab. Dann gibt es eben keine Lupanarbesuche mehr und keine Tabernabesuche bis dahin." Er bettete seinen Kopf nieder, aus seinem nassen Haar tropfte das Wasser in sein Gesicht. Irgendwo spielte eine Gruppe von Männern Ball, selbst um diese Uhrzeit. Die Worte von Lurco ließen ihn wehmütig werden. "Du meinst wirklich, der Kleine hat das getan, weil er mich mag? Hört sich logisch an, so, wie du es darstellst. Und wäre sehr süß. Aber falls du Recht hast - warum lässt er sich dann von dieser nichtswürdigen Sklavin umgarnen?"
Die Antwort war offensichtlich: Am Ende war Scato ein Mann. Nicht mal ein Jüngling, sondern ein Soldat, der obendrein einen Teil seiner Körperbehaarung behielt. War die Knabenliebe noch akzeptiert, war es die zu Männern nicht. Er bekam eine Ahnung davon, wie Lurco sich gefühlt haben musste, als sein Freund geheiratet und ihn vor die Tür gesetzt hatte. Scato schloss einen Moment die Augen, als ihm das Gefühl durch den Körper schoss, dass er gerade mit seinem Kameraden im Lupanar erlebt hatte. Er musste sehr mit sich kämpfen, seinen Körper davon zu überzeugen, dass es jetzt keine zweite Runde geben würde.
"Und außerdem habe ich nicht mit meinem Prügel gedacht. Sondern mit dem Herzen." Einige Momente ließ er die Worte im Raum stehen, dann brach er in Gelächter aus. Er tauchte unter, um klatschnass direkt neben Lurco wieder aufzutauchen und es sich an seiner Seite bequem zu machen. Mit nassen Wimpern blinzelte er ihn an. "Würdest du irgendwann trotz allem noch mal mit mir ins Lupanar gehen?"
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So weit Scato sich erinnerte, hatten sie überhaupt keinen Befehl erhalten, außer, eine Patrouille über den Markt zu machen. Er ging davon aus, dass auch Cerretanus nicht unbedingt mit dem Befehl hier angerückt war, einen Sklaven zu ersteigern. Sein kritischer Blick sagte ihm das auch. Unter anderen Umständen hätte er das auch verbal gesagt, aber momentan hatte er als Dienstältester das Kommando inne und so bestätigte Scato nach dem kurzen Blick nur. "Jawohl, Miles Furius Cerretanus. Bedenke beim Kauf, dass du eine Sklavin erwirbst, die in der Öffentlichkeit auf Rom und damit den Kaiser spuckt und die Straftaten eines kriminellen Subjekts gutheißt, das folgerichtig im Carcer endete. Wünsche viel Erfolg beim Bieten."
Das momentane Verhalten des Kaufobjekts sprach für die Wahrheit seiner Worte. Es war eine gut gemeinte Warnung an den Kameraden, was er sich da ins Haus holte, sollte er mit dem Gedanken spielen, sie tatsächlich als normale Sklavin zu halten. Der letzte Sklavenaufstand war nicht entbrannt, weil die Römer zu hart waren, sondern aufgrund ihrer großherzigen Nachsicht mit Sklaven, die es nicht verdienen. Scato wandte sich hernach widerspruchslos seiner Arbeit zu, während Cerretanus weiter bot. Vermutlich war es eine kleinen Machtdemonstration des Dienstälteren, jetzt, wo er Scato nicht mehr zum Latrinenputzen verdonnern konnte. Stattdessen kaufte er ihm und Lurco das Objekt ihrer sadistischen Fantasien vor der Nase weg.
Scato schob jemanden, der sich Cerretanus´ Rücken zu sehr näherte, nachdrücklich mit dem Schild zurück. "Abstand halten", schnauzte er an die Umstehenden gewandt, die daraufhin mit betretenem Blick ein paar Schritte zurücktraten und so nicht nur für mehr Bequemlichkeit sorgten, sondern auch dafür, dass Scato und Lurco mehr Leute gleichzeitig im Auge behalten konnte. Niemand hatte die Urbaner einzukesseln, nur weil der Sklavenhändler die Leute aufforderte, näher zu treten.
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Jeder hieb löste tiefes Wohlgefallen in Scato aus. Manche Menschen verstanden nur die Sprache der Gewalt, an solche war jedes Wort vergeudet. Der Sklave da oben gehörte dazu, er hatte die Intelligenz einer Küchenschabe. Er würde keine verbalen Argumente verstehen. Da eine angemessen Argumentation erst möglich war, wenn der Sklave in ihren Besitz gewechselt war, konzentrierte Scato sich bis dahin weiter auf ihre Arbeit. Er rempelte Lurco ein wenig an, um ihm zu zeigen, dass er bei ihm war, während sie Streife gingen.
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Scatos Blick huschte kurz zu Lurco, als dieser ihn ansprach, nur um zu sehen, wie er Eireann aufs Trefflichste nachäffte. Nur, dass Lurco dabei tatsächlich gut aussah. Scato musste kurz grinsen. Der Spaß war es wert.
"Bin dabei", sagte er. "Biete du für uns beide, ich behalte die Leute im Auge." Er flüsterte seinem Kameraden zu, bis zu welchem Preis er gehen konnte und widmete sich wieder der Aufgabe, die Menschen im Auge zu behalten. "Notfalls hau noch sechs mal Grobkeramik drauf", feixte er.
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Scato marschierte stolz in voller Montur auf seiner ersten Marktstreife mit Lurco und Cerretanus, letzterer hatte als Dienstältester die Führung inne. Erklärt hatte er ihnen bis jetzt nichts. Entweder gab es nichts zu erklären oder er war der Meinung, dass es sich am besten in der Praxis lernte anstelle langwieriger Theorie. Scato hatte in jedem Fall gute Laune und blickte aufmerksam von hier nach da. Auf diesen Einsatz hatte er sich gefreut. Er ging davon aus, dass allein die Anwesenheit der Cohortes Urbanae genügte, um Langfinger und ähnliches Gesocks dazu zu bringen, ihre finsteren Geschäfte an einem anderen Tag und an einem anderen Ort abzuwickeln. Präsenz zeigen, darum ging es wohl in erster Linie. Abschrecken, die allgegenwärtige Macht des Erhabenen repräsentieren, dessen Augen, Ohren und Schwerter zu keiner Zeit jemals ruhten.
Scatos heroische Gedanken endeten jäh, als er eines bekannten wie abstoßenden Geschöpfs Gewahr wurde, dass da von einem Sklavenhändler angepriesen wurde wie eine hinabgestiegene Venus. Scato hingegen sah dort nur eine Zielscheibe, an der er mit Freuden seine Fertigkeiten getestet hätte. Scatos dienstliches Gesicht verzog sich zu einem hämischen Grinsen und er stieß Lurco mit dem Ellbogen an. Ganz leicht nickte er in Eireanns Richtung.
"Löwenfutter", raunte er Lurco zu. "Mal sehen, wer masochistisch genug ist, dafür auch noch zu bezahlen."
Er ging nicht davon aus, dass Cerretanus ernsthaftes Interesse an der Frau hatte, er war vermutlich nur genau so neugierig wie er, was die Leute dafür springen lassen würden. Mehr sagte er nicht, immerhin waren sie dienstlich hier. Lästern konnten sie später noch genug und das würden sie. Und wie sie das würden, denn Lurco hatte sich inzwischen inoffiziell die Phalera für die schlimmste Lästerzunge des Contuberniums erstritten. Scato wendete den Blick von dem ohnehin nicht reizvollen Anblick ab und ließ ihn dienstbeflissen über die Hände der Mitmenschen gleiten. Seine Laune war gerade noch besser geworden und er hoffte für Eireann auf einen extrem widerwärtigen und lüsternen Käufer oder auf einen Arbeitsplatz im schäbigsten Lupanar.
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Auch Scato fand sich ein. Er grüßte in die Runde und ließ sich neben Caesoninus nieder, mit dem er vor einiger Zeit begonnen hatte, sich anzufreunden, ehe Verax ihr Gespräch mit der ihm eigenen uncharmanten Art gestört hatte. Seine andere Seite war für Lurco reserviert.
"Salve, na wie geht`s?", erkundigte er sich. "Hast du dich von den Lupercalia erholt? Wir waren danach noch im Magnum Momentum. Wenn du dich beeilt hättest, hättest du mitkommen können."
Er dachte einen Moment an Velia. Nach einigen Startschwierigkeiten hatte ihm die Lupa so viel Freude geschenkt, wie es mit einem sturzbetrunkenen, jungfräulichen Kunden, der überhaupt nicht wusste, was er wollte, nur möglich gewesen war. Er hatte manchmal daran zurückgedacht und zwischenzeitlich auch von anderen Freuden gekostet, nur um immer noch nicht zu wissen, was er wollte. Leider gehörte er zu denen, die alles zerdenken mussten, Für und Wider abwägten und letztlich zu keiner Entscheidung kamen, wenn niemand sie für ihn fällte. Er putzte den Platz für Lurco mit der Hand sauber, obwohl da gar kein Dreck war.
"Warum sind wir überhaupt hier, hast du eine Ahnung?" Insgeheim hoffte er auf einen Geburtstag oder eine Hochzeit, damit sie alle gemeinsam zum Essen und Trinken eingeladen wurden.
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Kräuter und Bienen
Wie er es Centurio Octavius Maro zugesichert hatte, begab Scato sich zum Valetudinarium. Dort wollte er nach dem Optio Valetudinarii fragen. So hielt er Ausschau nach einem Miles medicus, der so guckte, als ob man ihn behelligen konnte. Er fand einen, der etwa sein Alter war, sich gerade auf dem Weg nach draußen befand und ihn an der Tür von sich aus ansprach. Es war ein pickliger Bursche mit blonden Haaren und abstehenden Ohren.
"Wie kann ich dir helfen?", erkundigte er sich.
Scato empfand das als eine angenehme Art, begrüßt zu werden und beschloss, sie sich zu merken. "Salve. Ich suche Optio Mamercus Cincius Serranus. Ist er zu sprechen?"
"Momentan ist es ungünstig, er ist im Behandlungsraum. Kann ich was ausrichten?"
"Hm", überlegte Scato. "Nein. Ich frage ihn ein andermal selbst. Ich interessiere mich für die Laufbahn als Miles medicus. Allerdings stehe ich noch ganz am Anfang, ich bin gerade erst Miles geworden und werde mich noch gedulden müssen, ehe ich dafür in Betracht komme. Bis dahin wollte ich mich erkundigen, ob ich nicht dem Einen oder Anderen gelegentlich bei der Arbeit über die Schulter schauen kann, wenn das nicht stört."
"Hier drin ist gerade ziemlich was los, aber ich kann dir in der Zwischenzeit mal den Kräutergarten zeigen", bot der Kamerad an. "Ich habe jetzt eigentlich Schluss, aber es steht nichts an, drum habe ich ein wenig Zeit übrig."
"Echt nett von dir, danke. Ich bin übrigens Sisenna Iunius Scato."
"Keine Ursache. Sextus Velanius Fenestella. Ich durfte damals auch schon ein wenig hineinschnuppern und es hatte mir später viel geholfen. Wenn die Zusatzausbildung erst einmal losgeht, ist Zeit ein rares Gut, drum ist es besser, nicht ohne Vorkenntnisse zu starten."
Hinter dem Haupteingang konnte man durch eine weitere Tür in den Innenhof treten. Die Sonne schien auf die Kräuterbeete. In den ersten Tagen des Frühlings waren noch nicht alle davon begrünt, doch einige immergrüne Pflanzen hatten dem Winter getrotzt. Scato erkannte Salbei, Rosmarin und Thymian. Die waren auch bei ihnen zu Hause im Kräutergarten für die Küche gewachsen.
"Was ist das dort?", erkundigte er sich.
"Das ist Estragon, es regt den Appetit an. Du kannst es nicht kennen, weil es nicht einheimisch ist, das kam aus Ägypten nach Rom. Hier blüht es nur in besonders guten Sommern, die Samen sind selten, darum ist jede einzelne Pflanze wertvoll. Drinnen haben haben wir noch einige kleine Pflänzchen vor dem Fenster gezogen, die kommen nach dem letzten Frost ins Beet. Im Sommer wird ein richtiger Busch draus."
Er zeigte ihm noch Lavendel, eine leere Stelle, aus der Johanniskraut austreiben sollte, einen Kübel mit Pfefferminze, die nicht ins Beet durfte, weil sie sonst alles überwucherte, Waldmeister, der ebenfalls kaum mehr als Erde zu bieten hatte und die jungen Triebe von Bärlauch in einer schattigen Ecke, sowie etliche andere, die Scato sich nicht alle auf einmal merken konnte. Der Höhepunkt für Scato war allerdings ein Bienenkorb, um den es bei dem schönen Wetter summte und brummte.
"Stechen die nicht?", wollte er wissen.
"Wenn man in ihrem Stock herumwühlt tun sie es manchmal oder wenn man sich auf eine draufsetzt. Ansonsten nicht, du kannst ruhig näher herangehen."
Scato traute sich und hockte sich vor den Korb, um in die Öffnung hineinschauen zu können. Darin war es stockfinster. Der Eingang war von unzähligen Bienen benutzt, die ihn zur Hälfte verstopften. In der Tat störten sie sich kaum an seiner Anwesenheit. Ihn überraschte besonders, dass die Bienen fast schwarz waren und nicht so gelb gestreift, wie er sie sich vorgestellt hatte. Er kannte natürlich Bienen, aber hatte sie sich nie so genau angesehen.
"Nutzt ihr den Honig?"
"Nein, den Honig den wir benötigen, kaufen wir. Diese Bienen sind nur dazu da, die Pflanzen zu bestäuben. Das Volk hatte mal ein Kamerad von zu Hause mitgebracht, weil seine Familie es übrig hatte."
Eine kleine Wasserschale mit Moos sorgte dafür, dass die Bienen auch genug zu trinken hatte. Scato war entzückt. Er beschloss, dass ihre Taberna auch einen Bienenstock benötigte. Er und sein neuer Bekannter setzten sich auf eine Bank und unterhielten sich noch eine Weile, ehe Scato sich wieder verabschiedete.
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Während Lurco am Beckenrand döste, hing Scato rücklings in einer Ecke und ließ sich einen Becher Wein schmecken. "Dich kann man nicht beschwindeln, oder?", murrte er und beobachtete, wie der rote Rebensaft bei jeder Bewegung im Becher erzitterte. Lurco hatte die Gabe, ihm in die Seele zu blicken. Vielleicht war Scato auch einfach ein schlechter Lügner.
"Ich hab Mist gebaut", gestand er leise. "Ich habe nach dem Topfkauf das ganze Geld, was übrig war, Tiberios überlassen. Er kam erst angemiezt und säuselte mir die Ohren voll, so dass ich einen Moment glaubte, er würde irgendetwas für mich empfinden. Damit hatte er mich an der Angel. Und dann, als er mich am Haken hatte, verlangte er auf einmal eine Bezahlung. Aus Zorn habe ich seine Hand mit allen Münzen, die übrig waren, übergossen, habe gesagt, dass es hoffentlich reicht, und bin gegangen. Darum bin ich pleite, genau wie der Rest von unserer Truppe. Weil es das Geld aus der Gruppenkasse war. Es sollte ja auch der Truppentopf werden. Da er aus purem Gold ist, werden sie vielleicht darüber hinwegsehen und ich werde nach und nach von meinem Sold die Gruppenkasse wieder auffüllen. Vorher muss ich aber auch noch Satibarzanes bezahlen."
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Scato merkte mal wieder, dass er als Einwohner von Mantua ein ziemlicher Hinterweltler war, was römische Sitten und Kultur betraf. Das war ihm jetzt doch ein wenig peinlich. "Dann danke ich für die Information." Scato legte dem Wirt, der nach dem Disput verständlicherweise noch angefressen wirkte, einige Münzen auf den Tisch und begab sich mit Lurco und Terpander zur besagten Taverna Apica.
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"Salve, guter Wirt. Wir suchen ein Zimmer zu längerfristigen Unterbringung für diesen Mann, einschließlich Vollverpflegung. Er möchte zudem gern ein Bad nehmen und benötigt eine Rasur und einen Haarschnitt. Es wäre auch gut, wenn jemand ihm die Kleider in der Zwischenzeit waschen könnte, während er sein Bad nimmt. Lässt sich da etwas einrichten?"
Dass Terpander ein Sklave war, verschwieg er, das war unwichtig.
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Scato vermied Lurcos Blick, als er mit langsamen Schlucken seinen Wein austrank, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Was er im Lupanar soeben erlebt hatte, wirkte noch immer angenehm nach. Dieses Gefühl von zu Anfang wollte er sich erhalten. Das hier würde nicht enden wie mit Tiberios, dem Herzfresser. Der Grieche war wie ein Sonnentau, der mit glitzernden Tropfen arglose Leute in seine Nähe lockte, wo sie kleben blieben und er sie bei lebendigem Leib verdaute. Das war seine Taktik, wunderschön und gefährlich. Ihn radikal aus seinem Leben gestrichen zu haben, war schmerzhaft gewesen und wenn Scato ausnahmsweise ehrlich zu sich war, dann kam er nur so gut damit zurecht, weil er es fast vollkommen vermied, darüber nachzudenken. Doch Lurco wegen eines falschen Wortes zu verlieren, das wäre, wie die Seele amputiert zu bekommen. Allein der Gedanke daran war nicht zu ertragen. Letztlich war der momentane Status zwischen ihnen ja gar nicht schlecht, sie waren Kameraden und beste Freunde, was wollte er mehr? Und nichts sprach dagegen, den Lupanarbesuch zu wiederholen, nun wusste er ja, wie der Abschluss aussehen würde, was künftigen Schockzuständen vorbeugen würde. Er stieß Lurco mit der Stirn gegen den Schädel.
"Therme", bestätigte er freundlich. "Aber die Öffentliche, wo sie Wein ausschenken. Ich bin noch nicht besoffen genug."
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Einen Moment lang sah man Scato an, dass er erschöpft war. Er spürte den Drang, den Kopf gegen Lurcos Schulter sinken zu lassen. Dort wollte er rasten, dort wollte er ruhen. Er tat es nicht, sondern stand lässig da mit seinem Becher. Ein kurzes Grinsen zuckte über sein Gesicht, dass seine Augen nicht erreichte und sogleich wieder erlosch.
"Es war ein Geschenk und dabei bleibt es. Du hast gar nichts versaut. Oder was meinst du, warum ich wollte, dass es noch ein wenig länger andauert? Die Nähe von Satibarzanes ist mir gleich, sonst hätte ich da auch allein hingehen können. Damit du aber auch irgendwas davon hast, habe ich dich den Lupo auswählen lassen. Ich hätte ja an deiner Stelle den griechischen Griechen gewählt und nicht den germanischen", versuchte er sich in einem Witz, der allerdings denkbar schwach geriet.
Scato trank einen heißen Schluck Wein, wie um weitere Worte herunterzuspülen.
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"Warum hast du Satibarzanes dann ausgewählt, wenn er so widerlich ist, dass man nur auf ihm, aber nicht neben ihm liegen kann? Immerhin hätten wir dafür bezahlt. Ich dachte, du wolltest einen häuslichen und gemütlichen Typen. War er das nicht? Dann hätten wir auch den Burschen mit den schwarzen Locken im Empfangsbereich nehmen können, der sah wenigstens wie ein echter Grieche aus", nörgelte Scato, der sich um seine Schmuseeinheit betrogen fühlte.
Er schüttelte den Kopf und nahm sich vor, nie wieder in ein Lupanar zu gehen. Irgendetwas fehlte dort einfach immer. Wobei er sich zu erinnern glaubte, dass er sich das schon einmal vorgenommen hatte. Appetit hatte er keinen, aber er aß die Wurst Lurco zuliebe. Bissen um Bissen würgte er sie herunter, zum Schluss lutschte er seine Finger sauber, die deutlich anders schmeckten als sonst.
"Offen gesagt, bin ich pleite. Daran hatte ich nicht mehr gedacht, als ich meine Einladung ausgesprochen hatte. Wir alle sind pleite, weil ich unser gesamtes Guthaben der Gruppenkasse für den goldenen Topf ausgegeben habe." Das war zumindest nur zur Hälfte gelogen. "Wir müssen in einem anderen Contubernium fragen, ob sie uns was borgen und das Geld morgen Satibarzanes vorbeibringen. Und ein Teil davon muss in die Gruppenkasse wandern, damit es nicht auffällt, dass ich alles ausgegeben habe."
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Scato ließ sich tief befriedigt auf Lurcos Rücken sinken. Wohlig schnaufte er und schloss die Augen. Da buckelte sein Kamerad auf einmal wie ein Pferd, schmiss ihn raus und runter und stopfte sie beide fast schon brutal in die Klamotten. Scato war zu geschockt, um etwas zu sagen, genau wie Satibarzanes, der regelrecht verstört wirkte. Vermutlich suchte er den Fehler bei sich. Noch ehe Scato dagegen protestieren oder auch nur bezahlen konnte, wurde er von Lurco nach draußen geschoben und mit einer gigantischen Wurst mundtot gemacht, die er ihm bis zum Anschlag in den Rachen stopfte. Zum Glück war sie nicht heiß. Lurco schien es auf einmal sehr eilig zu haben und entfernte sich schleunigst vom Ganymed. Scato hatte es auf einmal nicht minder eilig, denn ihm fiel ein, dass er gar kein Geld mehr besaß - das hatte er in einem Anfall von Wut alles Tiberios überlassen. Ihre gesamte Gruppenkasse, bis auf das letzte As, gehörte nun dem Griechen, zur Strafe dafür, dass er danach gefragt hatte, ein materielles Abbild seiner Schande, eine monetäre Ohrfeige.
Als sie mit ihrer Wurst in ausreichender Entfernung waren, als dass ihnen noch ein erzürnter Lupo durch die Subura folgen würde, musterte Scato seinen Kameraden mürrisch über die Wurst hinweg, ohne dass sie dafür stehen blieben. Als er sah, wie Lurco die Soße von seiner Mahlzeit leckte und sie dann in den Mund schob, wurde Scatos grimmiger Blick erbärmlich weich. Schmachtend hing er an dem Anblick und vergaß dabei vollkommen, selbst etwas zu essen. Erst, als Lurco brutal zubiss, wurde er aus seinen Fantasien gerissen.
"Was war denn das gerade im Lupanar?", fragte er. Wie von selbst wanderte dermaßen dicht neben Lurco, dass sie sich beim Gehen berührten. Mehr war öffentlich nicht drin, erst recht nicht unter Urbaniciani. Und fast hatte es sich angefühlt, als würde Lurco selbst in den geschützten Räumen des Lupanars auf einmal unsichtbare Augen auf ihnen ruhen spüren, die gemahnten, wer sie waren und was sie durften - und was nicht. Wenn der Eindruck stimmte, dann waren es nicht die Augen des Faunus gewesen, das war gewiss.
"Ich hätte es gern ... langsamer ausklingen lassen." Missmutig betrachtete er den Zipfel seiner intakten Wurst. "Ich will nicht in die scheiß Therme", fügte er hinzu. "Ich wollte mit dir da liegen bleiben."
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Verzückt beobachtete Scato, wie die Schreibfeder über das Papyrus glitt und ihrer beider Namen für das Gedächtnis des Centurio konservierte. "Die schwere Arbeit ist gar nicht so übel, sie ist zusätzliches Training", fand Scato. Da er immer noch deutlich schmächtiger war als die meisten anderen Milites, wenn auch nicht mehr so ein Hering wie am Anfang, tat ihm das seiner Meinung nach gut. Vermutlich war er auch der einzige Miles, den das Scheißeschippen nie sonderlich gestört hatte, da man sich nebenbei unterhalten konnte. Schlimmer fand er da Liegestütze in voller Montur, da könnte er manchmal heulen.
"Danke für den Hinweis, ich werde Optio Mamercus Cincius Serranus darum bitten, ihn bei der Arbeit ab und an begleiten zu dürfen." Diskret war das zwar nicht, aber den Mann verstohlen zu beobachten und immer wieder Vorwände zu erfinden, um sich bei ihm im Valetudinarium herumzudrücken, konnte Fragen aufwerfen. Der Mann war eigentlich ganz locker, den mochte er. Und würde Scato das nicht, würde er ihn trotzdem fragen. Mehr als Nein sagen würde der Optio sicher nicht.
"Danke, Centurio und vale!" Er salutierte diesmal ausgesprochen vorschriftsmäßig und folgte Lurco nach draußen. Leise schloss er hinter sich die Tür, wobei seine Mundwinkel sich weit auseinanderzogen. "Sie haben tatsächlich noch Plätze frei! Und schön, dass du bei uns bleibst. Die Prätorianer wohnen zwar auch hier in der Castra, aber du würdest dann nicht mehr bei uns in Baracke VII leben."
Gemeinsam kehrten sie zu Baracke VII zurück.
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<< [vor der Castra] Ein verirrter Sklave
Es blieb nicht bei den sechs Urbanern, welche die Taberna betraten: Zwei weitere folgten, einen etwas heruntergekommenen älteren Sklaven im Schlepptau, der nach der langen Reise auch ein wenig müffelte. "Salvete", grüßte Scato in den Raum. Er hielt Ausschau nach dem Wirt, um ein Zimmer und ein Bad für Terpander in Auftrag zu geben. Wenn es sich einrichten ließ, auch gleich noch eine Rasur und die Reinigung seiner Kleider. Damit wäre Terpander vermutlich der einzige Sklave in Roma, der von anderen Sklaven bedient wurde, aber er war alt, müde von der Reise und hatte es sich in Scatos Augen verdient.
Einen der anwesenden Milites erkannte er, als er sich umschaute. Das war Cerretanus. Der hatte ihn und Tarpa gezwungen, die Latrinen zu schrubben, weil er es nicht ertrug, wenn jemand bessere Argumente hatte. Da Scato nun allerdings selber Miles war, wenngleich die Ergebnisse noch nicht offiziell verkündet worden waren, fiel das Verdonnern zu Strafarbeiten von dieser Seite fortan flach. Die nächste Generation gepeinigter Tirones würde nachrücken. Scato war ihm nicht böse, so lief das eben. Er grinste ihm kurz zu, krähte "Na, ihr Säcke?" und hielt dann weiter nach dem Wirt oder einem zuständigen Sklaven Ausschau, der seine Bestellung entgegennehmen würde.
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Lurco schob seine Hand an Scatos Sichtsperre vorbei und kümmerte sich um ihn. Mit zunächst schockiertem, bald verklärtem Blick genoss Scato, was er da tat. Starke Hände boten viele Vorteile, kein Vergleich zu den zarten Fingern der Lupa im Magnum Momentum, wobei diese durchaus auch ihren Reiz gehabt hatten, mehr noch ihr Mund. Lurco ging völlig unbefangen mit ihm um, der Mann hatte entweder Nerven wie Hanfseile oder war völlig immun gegen Berührungsängste. Scato war das mehr als nur Recht. Die Stoppeln knisterten leise unter dem gleichmäßigen Streicheln. Scato hatte noch nie das Bedürfnis verspürt, sich an den unmöglichsten Stellen zu rasieren - was akrobatischer Verrenkungen mit einem scharfen Gegenstand in der Hand und neugierige Zuschauer bedeutete hätte, in der Castra gab es keine Privatsphäre - oder sich von irgendwem dort unten rasieren zu lassen, so dass Lurcos Finger über gestutzen braunen Pelz fuhren, als sie das Öl verteilten. Es genügte, wenn Gesicht, Brust, Arme und Beine glatt waren. Viel zu schnell endete die Massage, da Lurco sich in gleicher Weise Satibarzanes widmeten. Und dann legte Lurco los. Es wurde auf einmal ausgesprochen warm in der fast lichtlosen und unbeheizten Kammer.
"Seid ihr heiß zusammen", entfuhr es Scato keuchend. Es war das erste Mal, dass er einen Akt unter Männern beobachten konnte und fand es sehr leidenschaftlich. Nur schade, dass Satibarzanes es als Geschäft betrachtete, ein Dritter im Bunde, der sich aus freien Stücken hingab, wäre ein Traum. Oder vielleicht nur ... Scato schob gewaltsam den Gedanken beiseite.
Er machte es sich gemütlich und beobachtete die beiden. So könnte er ihnen ewig zusehen. Und dann ... sollte er auf einmal mitmachen. Nur ungern gab er seinen Beobachtungsposten auf. Freude und Angst vermischten sich. Dass seine Ausbildung ihm einst sogar im Bett nützen würde, indem er seine Angst schlichtweg ignorierte, hätte er sich auch nicht träumen lassen, aber tatsächlich war das der Fall. Er kniete sich hinter Lurco zwischen dessen Füße und legte sich einen Moment nur auf ihm ab, um ihn zu spüren und seinen Körper wahrzunehmen. Dabei strich er langsam über dessen warme Flanken. Satibarzanes ächzte unter dem doppelten Gewicht, aber der wurde schließlich dafür bezahlt. Eine Weile musste er das ertragen, bis Scato genug gefühlt hatte. Noch einmal strich Scato über Lurcos Kreuz, ehe seine Hand tiefer wanderte. In seiner Aufregung und Sorge, Lurco wehzutun, stellte er sich an wie der erste Mensch, doch mit ein wenig Hilfe ging es dann.
"Ich bin soweit", raunte er nervös. Den Takt musste Lurco in der Mitte vorgeben, sonst würden sie durcheinanderkommen, und Scato würde sich treiben lassen wie auf den Wellen eines wogenden Meeres.
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In einer freien Stunde kam Scato zu Fuß vorbei und warf einen Brief ein. Das war besser, als der schrecklichen Cousine leibhaftig zu begegnen, die ohnehin selten daheim war.
Ad
Iunia Axilla
Domus Iunia
RomaWerte Cousine,
wir hatten in der Vergangenheit die eine oder andere kleine Differenz, doch ich muss nun mit einer Bitte an dich herantreten.
Das Leben in der Castra Praetoria hat einen Nachteil: Man darf keine Sklaven mit hineinnehmen. Da mir meine Mutter ihren alten Sklaven Terpander vermacht hat, weiß ich nun nicht wohin mit dem Burschen und möchte gern fragen, ob er in der Domus Iunia unterkommen könnte. Gern auch in meinem Zimmer, das ich zur Zeit ja ohnehin nicht benötige. Er ist ein ruhiger und zuverlässiger älterer Mann, er wird niemandem Ärger bereiten und sich bestimmt nützlich machen wenn ich seiner Dienste nicht bedarf. Bis zu deiner hoffentlich positiven Antwort wird er anderweitig untergebracht.
Ich hoffe bald von dir zu hören.
Vale bene,
Scato
dein schrecklicher Cousin -
"Wir können Terpander im Blinden Esel einquartieren, bis wir ein Alternative gefunden haben. Ich werde mal in der Domus Iunia nach einem Plätzchen für ihn fragen, dann würde er dort kostenlos wohnen können. Allerdings ist es schwer, dort jemanden anzutreffen, darum muss ich einen Brief dalassen und die Antwort könnte ein wenig auf sich warten lassen."
Er stieß Lurco mit dem Ellbogen an. "Wir scheinen Autorität zu besitzen, wenn es uns gelungen ist, die Kameraden zur Körperpflege zu zwingen! Man kommt mit den merkwürdigsten Dingen durch, wenn man nur tut, als ob alles normal sei. Womöglich waren das ganz frische Tirones, die sich vor uns gefürchtet haben und dachten, das wäre in der Castra so üblich, dass die Jüngeren die Alteingesessenen wie Sklaven bedienen müssen." Da er auch außerhalb der Castra in den Thermen dazu neigte, sich sehr junge Sklaven für die Körperpflege herauszupicken, war es gar nicht unwahrscheinlich, dass er überforderte Neulinge erwischt hatte, die aus Angst den Mund nicht aufgemacht hatten.