Beiträge von Sisenna Iunius Scato

    "In Ordnung, mach ich", konnte Scato noch sagen, ehe ihm das Wort abgeschnitten wurde.


    Überrascht glotzte er, wobei er leicht schielte, als Lurco ihn so unvermittelt auf den Mund küsste. Scato hielt ihn fest und machte mit. Das Erste, was er fühlte, waren die kratzenden Bartstoppeln, dann Lurcos Lippen, die sich ziemlich fest anfühlten und leicht rau. Lurco war durch und durch männlich. Das Weibische, was man seinesgleichen oft nachsagte, ließ er vollkommen vermissen, er war ein ganzer Mann und Scato gefiel das. Wobei ... seinesgleichen? Oder eher ihresgleichen? Völlig egal in diesem Augenblick, es war angenehm und das war, was zählte. Scato grinste kurz, schloss die Augen und schob seine Gedanken beiseite, um das Gefühl zu genießen.


    Satibarzanes wühlte derweil in einer Kiste oder einem Korb, so genau konnte Scato das nicht erkennen und es war ihm gerade auch herzlich egal, woher der Lupo seine Öle holte, nach denen er am ganzen Körper roch. Das Einölen und Striegeln war die schnelle Variante, sich zu waschen und Satibarzanes schien während der Arbeit Wert auf Reinlichkeit zu legen. Er nestelte danach an Scatos Tunika, zog sie nach oben aus seinem Gürtel heraus und zerrte sie ihm dann kurzerhand über den Kopf, wodurch der Kuss etwas unsanft unterbrochen wurde. Scato protestierte belustigt, ohne Widerstand zu leisten. Nun trug er nur noch sein Cingulum militare, denn wie jeder anständige Römer verzichtete er auf einen Lendenschurz als Unterbekleidung; das war eine Sache für Sklaven und Arbeiter, nicht für einen stolzen römischen Bürger oder gar einen Soldaten.


    "Warte", sagte Scato und nahm sich den Gürtel selbst ab. Er wollte nicht, dass der Lupo ihn anfasste, der Gürtel war ihm heilig und keine Hurenhand sollte ihn berühren. Sorgsam legte er ihn auf die am Boden liegende Tunika, wobei er die andere Hand vor seinen Schritt stellte. Dass Lurco seine Freude nun unverhüllt sehen sollte, war ihm doch ein wenig peinlich. Insbesondere, da sie sich nicht einfach so eingestellt hatte, sondern eigens für ihn.


    Derweil kroch Satibarzanes zu Lurco und zog nun auch an seiner Tunika, in dem Versuch, ihn zu entkleiden, wobei er trotz seines vermutlich unschönen Berufs einen interessierten Blick an den Tag legte oder vielleicht tat er auch einfach nur so, weil man das von ihm erwartete. Es war nicht zu sagen, er machte seine Sache gut. Der Lupo trug einen griechischen Lendenschurz, der wie ein Röckchen anmutete und darunter nichts - außer sehr vielen dunklen Haaren. Und Lurco? Neugierig äugte er.

    Scato freute sich, dass Maro sie augenscheinlich behalten wollte. Da sie beide etwas Trubel verursacht hatten, wenn auch nicht im bösen Sinne, war er sich nicht sicher gewesen, was der Centurio von ihnen hielt. Offenbar immerhin genug, um sie nur ungern wieder herzugeben. Scatos Haltung straffte sich vor Stolz. Diese Einschätzung bedeutete ihm viel.


    Auf Lurcos Worte hin nickte er, ohne etwas hinzuzufügen. Sein Kamerad hatte bereits alles gesagt. Sie wollten vorankommen, sich weiterbilden und damit nützlich machen für die Cohortes Urbanae und dachten gar nicht daran, der Castra den Rücken zu kehren. Scato für seinen Teil fühlte sich hier rundum wohl. Dass ihm die Grundausbildung großen Spaß gemacht hatte und er nun, nach Abschluss ihrer letzten Lektion, nicht nur erleichtert war, sondern auch mit einem weinenden Auge auf das Ende blickte, behielt er für sich. Wenn die Ergebnisse offiziell waren und sie bestanden hatten, war der geeignete Zeitpunkt, Maro für seine Mühen zu danken. Jetzt ging es um die Zukunft.


    Mit aufmerksamem Blick wartete er auf die Antwort des Centurios.

    "Auf jeden Fall behalte ich ihn." Scato schüttelte den unsäglichen Brief. "Du hättest deine Herrin nicht dermaßen Feuer unterm Hintern gemacht, um bleiben zu dürfen, Terpander, und wärst diesen weiten Weg nicht gegangen, wenn es dir nicht wirklich wichtig wäre. Ich kann das verstehen. Viele entsorgen ihre alten Sklaven, indem sie ihnen die Freiheit schenken. Mit Dankbarkeit und Gnade hat das meist nichts zu tun, sondern mit dem Gegenteil. Es geht nur um das Sparen von Geld und darum, sich das Elend eines Sterbenden nicht antun zu müssen. Es ist grausam, jemanden im Lebensabend aus seiner Familie zu reißen und vor die Tür zu setzen. Richtig gemein. Lurco hat Recht, irgendwie kriegen wir dich schon auch noch durchgefüttert. Mach dir keine Sorgen. Nur habe ich überhaupt keine Ahnung, wo wir dich einquartieren sollen, bis wir die Taberna hochgezogen haben. Irgendwer eine Idee?"


    Er schaute betreten, in seinem Hirn arbeitete es. Dann kam er zu einem merkwürdigen Zwischenergebnis und guckte er Lurco an.


    "Du sag mal, wenn du ganz sicher bist, dass Sklaven zur Castra keinen Zutritt haben - wer waren dann die Typen in den Thermen, von denen wir uns haben rasieren, einölen und striegeln lassen?"

    Scato benötigte seine Zeit, um sich an die Enge zu gewöhnen, der er nun ausgesetzt war. Er roch Lurcos Haut und die geschmolzenen Flocken auf seiner Kleidung und er roch Satibarzanes, der sich großzügig mit Duftölen eingeschmiert hatte, aber trotzdem nach den vorherigen Kunden und nach körperlicher Anstrengung stank. Scato schob seinen Arm hinter Lurcos breitem Kreuz entlang und legte die Hand auf dessen Taille, wo er ihn noch immer übertrieben vorsichtig streichelte. Noch waren sie ja bekleidet, eigentlich war alles halb so wild. Sie waren sich schon näher gewesen und sahen sich jeden Tag nackt. Er grinste Lurco ein plötzlich an und packte dessen Gürtel fest. Mit einem kurzen Rück hatte er ihn ganz an sich herangezerrt, so dass sie sich seitlich berührten.


    "Salve, Lurcsi", gurrte er und verspürte den Drang, seinem Kameraden gut gelaunt ins Ohr zu beißen, was er aber nicht tat. Langsam begann er sich zu entspannen, wozu die Krauleinheit sicher beigetragen hatte.


    Scato wäre es allerdings lieber gewesen, sein erfahrener Kamerad oder der wohl noch viel erfahrenere Satibarzanes hätte die Entscheidung für die Reihenfolge getroffen. Andererseits war es eine gute Gelegenheit, jetzt endlich mal damit aufzuhören, sich wie ein Waschlappen zu verhalten und Nägel mit Köpfen zu machen. In Scatos Fantasien war Tiberios immer die Frau gewesen. Einen Moment noch schlich die miese kleine Ratte sich in seine Gedanken. Der Grieche räkelte sich ganz unten, in der Mitte steckte Lurco und ganz hinten er selbst, wo Scato mit Lurco kuscheln und ihm zusehen konnte, wie er es dem Burschen besorgte. Auch jetzt noch hatte das Bild seinen Reiz, wenn auch härter, um den Griechen in seine Schranken zu weisen und wieder zur Vernunft zu bringen. In diesem Gedankenbild winselte Tiberios, während sie ihm zeigten, wo sein Platz war - und wem er gehörte, ganz gleich, wessen Bronzetäfelchen er um den Hals trug. Scato erschrak einen Moment vor seinen Gedanken, aber sein Körper reagierte darauf erschreckend positiv. Aber was waren schon Gedanken ... jeder konnte schließlich denken, was er wollte, selbst wenn er sich eine Nummer mit dem Kaiser vorstellte und auch ein rechtschaffener Urbaner bildete da keine Ausnahme. Scato grinste selig, während eine verräterische Beule sich unter seiner Tunika abzeichnete. Die Entscheidung für die Reihenfolge war gar nicht so schwer.


    "Satibarzanes spielt die Frau", entschied Scato und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht des haarigen Dickerchens herum, der von seinen langen Wimpern und fehlenden Muskeln einmal abgesehen so unweiblich aussah, wie man nur aussehen konnte. Er sah auch völlig anders aus als Tiberios und das war gut. "Du darfst Satibarzanes verwöhnen, Lurci." Er legte den Kopf ein wenig schräg. "Und ich verwöhne dich." Dabei gruben seine Finger sich mit unterdrückter Gier in Lurcos Flanke.

    Zitat

    Original von Marcus Octavius Maro
    Könnte man bitte einmal Lurco und Scato zu ordentlichen Milites der Cohortes Urbanae befördern? Deren Ausbildung ist durch, wenn ich nichts vergessen habe :D


    Vielen Dank für die Anfrage und Umsetzung! *verneig*

    Scato las den Brief zunächst leise, dann wiederholte er ihn in etwas abgewandelter Form laut für Lurco:


    "Scato, du faule Sau, könntest deiner armen alten Mutter auch mal öfter schreiben. Weil ich mich dermaßen über dich geärgert habe, drücke ich dir die Verantwortung für den alten Sack Terpander aufs Auge. Der wird immer älter und hässlicher und sein Lurch ist auch nicht mehr so zuverlässig wie früher. Nicht mal seine Nebenfunktion als Lehrer kann er noch ausüben, seit du mieser Hund mich allein gelassen hast.


    Um mein Gewissen zu erleichtern und mir seine Altersversorgung zu sparen, wollte ich ihn auf die Straße setzen, aber der undankbare Mistkerl hatte etwas dagegen. Er hat mir gedroht, dass du davon erfahren wirst und sicher nicht erfreut sein wirst. Wie jeder weiß, kannst du ausgesprochen nervig werden, was ich mir nicht antun will, jetzt, wo ich doch alt, schwach und krank bin. Indem ich dir den Schlappschwanz schenke, schlage ich drei Fliegen mit einer Klappe: Ich bin Terpander los, ich spare mir das Geld für seine Versorgung und du hast einen Klotz am Bein, der dich finanziell ausbremst. Ich hoffe, das bringt dich zum Nachdenken.


    Rutsch mir den Buckel runter.
    Deine Mutter.


    P.S. Falls du wieder nach Hause kommst und dir die Braut anschaust, die ich für dich habe organisieren lassen, können wir noch einmal über alles reden."


    Er hielt Lurco den Brief vor die Nase.


    "Genau das steht da!"

    Scato beaufsichtigte gerade Tarpa, der mit Staubwischen dran war. Scato machte sich den Spaß, ihn für jeden einzelnen Handgriff herumzukommandieren. Da Tarpa inzwischen neben Lurco und Ramnus zu seinen engsten Freunden zählte, machte der den Spaß mit - und wischte zielsicher um die genannten Stellen drumherum. Das ergab einige lustige akrobatische Übungen.


    "Na?", grüßte Scato, als Lurco in die Baracke kam. "Das war ja ein kurzer Ausflug."


    Und eine Minute später wusste er, warum. Sein alter Lehrer hatte ihn am Tor abgepasst, um sich nach Scato zu erkundigen und ihm einen Brief zu überreichen. Aber weshalb war Terpander nur dafür den langen Weg von Mantua nach Rom gereist? Scato konnte es sich nicht anders erklären, als dass es sich um einen Notfall handeln musste. Vielleicht war seine Mutter erkrankt und wollte nun, dass er seine Ausbildung abbrach und zurück zu ihr zog. Und Scatos alter Lehrer sollte die Verstärkung dieses Ansinnens bilden.


    "Also wenn meine Mutter will, dass ich hier alles hinschmeiße, hat sie sich geschnitten", murrte Scato und folgte Lurco nach draußen. "Die will nur, dass ich hier entlassen werde, damit ich wieder frei bin zum Heiraten."


    Am Tor stand tatsächlich Terpander in seinen Reisekleidern - und er sah schrecklich aus. Egal, was für ein Ansinnen er hatte, Scato sah ihm an, dass es etwas Ernstes sein musste. Neue Heiratskandidatinnen allein würden nicht solche Spuren in seinem Gesicht hinterlassen haben. Er griff Terpander an den Schultern und drückte ihn. Das war nicht ihre übliche Begrüßung, aber nach so langer Trennung war das Scatos Meinung nach legitim, besonders, wenn einer so unglücklich dreinblickte. Scato freute sich, den Griechen nach all der Zeit wieder zu sehen, doch gleichzeitig übermannte ihn die Sorge. "Was ist denn los, Terpsi?", fragte er leise.

    Satibarzanes blinzelte zufrieden, als ihm die Wampe gestreichelt wurde. Das war er sicher nicht gewöhnt; Scato stellte es sich so vor, dass sonst eine schnelle Abfertigung erfolgte. Er schien jedoch über die Abwechslung nicht böse zu sein. Scato zog seine Caligae aus und rutschte zu ihnen. Er beobachtete, wie unbefangen Lurco den anderen berührte, der sich vorerst damit begnügte, Ruhe und Gemütlichkeit auszustrahlen und die Fragen zu beantworten.


    "Ah ja, das Bild kenne ich", antwortete Satibarzan. "Welche Reihenfolge schwebt euch vor?"


    Scato rutschte zu Lurco auf. Dessen Anwesenheit und Sicherheit bot ihm ein Gefühl des Schutzes, auch wenn Satibarzanes nun wirklich alles andere als furchteinflößend war, das musste sogar Scato zugeben. Was war es, wovor er Angst hatte? War es überhaupt Angst - oder einfach nur extreme Nervosität? Der Tag heute war ihm wichtig auf vielerlei Weisen.


    Dieses Wandbild hatte Scatos Fantasie über Jahre hinweg begleitet, auch wenn die vorderste Person da eine Frau gewesen war. Alles, was es ausstrahlte, war pures Einssein, das über die Körperlichkeit hinausging, die Beteiligten wirkten rundum ausgeglichen und glücklich. Und das wünschte Scato sich. Das Bild war für ihn der Inbegriff von gutem Beischlaf. Heute mochte sich erweisen, ob er recht gelegen hatte oder all die Jahre einem Traumgespinst hinterher gejagt war, das in Wirklichkeit an Scheußlichkeit nicht zu überbieten war.


    Was aber wünschte sich Lurco? Oder war er nur mitgekommen, um Scato einen Gefallen zu erweisen? Andererseits ... er war es, der den dritten Mann ihrer Runde ausgewählt hatte und dabei war er nach seinem eigenen Geschmack gegangen. Ganz so uneigennützig war die Idee, Scatos Lieblingsbild nachzustellen, also von ihm hoffentlich nicht. Das gab Scato ein Gefühl, dass es Lurco vielleicht gefallen würde. Er war schwer zu durchschauen und Scato gelang es nicht, die Antwort zu erraten. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, dass es für die zwei routinierten Männer nervig sein musste, sich mit einer Fast-Jungfrau rumzuplagen. Würde Scato nicht stören, würden die beiden vermutlich schon auf der Matratze rumrollen. Mit zitternder Hand strich er über Lurcos Arm, um anzuzeigen, dass er es trotz seiner Zurückhaltung wirklich versuchen wollte. Dabei spürte er die Muskeln unter seiner gepflegten Haut. Lurco war wirklich ein schmucker Mann. Besser, er dachte nicht darüber nach, wie schmuck er wirklich war.


    Und plötzlich wusste Scato, wovor er sich fürchtete.

    "Taten sagen mehr als Worte", sprach der Mann mit den falschen Locken und vermutlich sollte es geheimnisvoll klingen. In Wahrheit war er vermutlich einfach zu faul oder hatte keine Ahnung. Scato war schon zu lange bei den Urbanern, um Lügen ignorieren zu können. Er hielt sich dicht an Lurco, während der sich nach kurzer Analyse für das Haarmonster entschied. Wobei Monster keine faire Einschätzung war, der Mann hatte ein hübsches Gesicht mit dunklen Augen und langen schwarzen Wimpern, nur leider hatte er im Gegensatz zu seinem Kollegen den Kampf mit dem Calamistrum, dem Lockeneisen, gegen seine Zotteln verloren und rannte nun herum wie ein Wischmopp.


    Satzibarzanes freute sich, dass er erwählt wurde. Er lotste sie beide nach hinten zu den Zimmern. Während Python ihnen etwas missmutig nachsah, war Scato insgeheim froh, dass er von der Anwesenheit von dessen Würgeschlange verschont blieb. Die schmalen, gemauerten Betten in den winzigen Räumen der Lupanare waren berüchtigt, sogar die Kopfkissen waren gemauert in Form einer Erhebung am Kopfende. Die Räume in den Lupanaren glichen im Allgemeinen eher Gefängniszellen und hatten keine Fenster, damit man sich beeilte. Ein Akt dauerte in der Regel zehn Minuten, dann wurde dank der Öllampen die Luft knapp. Das war natürlich Absicht, denn Zeit war Geld. Doch hier erwartete sie überraschend eine Strohgefüllte Matratze auf einem gemauerten Doppelbett. Die Matratze sah aus wie ein breiter, viereckiger Sack, der das gesamte Bett einnahm. Ein Fenster gab es zwar auch nicht, aber eine Art Schießscharte, so dass die Luft eine Weile erträglich bleiben würde.


    "Kommt rein", bat Satzibarzanes, während er ihnen die Tür aufhielt. Nachdem sie eingetreten waren schloss er sie hinter ihnen und es wurde finster. Nur die Öllampe spendete ein wenig Licht, so dass man die Konturen der anderen erkennen konnte.Trotz seiner schweren Statur stieg Satibarzanes recht leichtfüßig auf das Bett, wo er sich hinplumpsen ließ. Dabei schwappten einige Wellen durch seinen Speck. Er war nicht älter als sie beide, nur etwas dicker und sehr viel haariger. "Womit mit darf ich euch heute erfreuen?", erkundigte er sich und schaffte es, dabei nicht wie ein Händler am Marktstand zu klingen, der seinen Kunden die Ware zurechtmachte. Eigentlich klang er sogar recht nett. Auf jeden Fall war er weniger respekteinflößend als Python sondern wirkte irgendwie kuschelig. Einladend klopfte er auf die Matratze.

    "Salve, Centurio Octavius Maro", grüßte auch Scato, der sich hinter Lurco ins Officium schob und die Tür hinter ihnen schloss. Er verkniff es sich, neugierig in alle Ecken zu spähen. Er wusste so gut wie nichts über Maro, außer, dass er Centurio war und seinen Dienst gern bei gehobener Lautstärke verrichtete. Schreibstuben neigten dazu, ihren Besitzer zu verraten, doch diese hier wirkte einfach nur sauber und aufgeräumt. Vielleicht war sie auch nur neu.


    ... aber all das ging Scato ja nichts an.


    Da er von ihnen beiden sonst die Quasselstrippe war - es sei denn, es ging ums Lästern, da war Lurco nicht mehr zu halten, wenn er einmal begonnen hatte - überließ er diesmal seinem Kameraden den Vortritt und hielt sich vorerst zurück.

    Der Mann mit der künstlichen Lockenpracht lächelte. Scato fragte sich, ob das seine echten Haare waren oder eine Perücke. "Wie wäre es mit unserem Python?", schlug der Mann vor und wies auf einen Kollegen, der für einen Griechen recht blass, blauäugig und weißblond wirkte, aber gut, solche Griechen musste es ja auch geben. Vielleicht war er besonders teuer aufgrund seiner Seltenheit. Ein Blick auf Pythons Lendenschurz ließ erahnen, woher der Mann seinen Namen hatte. Scato musste schlucken. "Er ist ein ausrangierter Gladiator", fuhr der Lockige fort und in der Tat war das anhand seiner Statur nicht zu übersehen, besonders, was den Bauch anbelangte, denn zum Schutz ihrer Organe war es für Gladiatoren wichtig, nicht zu schlank zu sein.


    "Oder darf ich euch vielleicht unseren Satibarzanes emfpehlen?" Die Haare dieses Mannes waren so unordentlich wie sein Name. Er wies auf einen Burschen, der gerade aus einem Hinterzimmer kam und sich etwas zu trinken nahm. Auch er hatte sich in künstlichen Locken versucht, nur die lange Variante - und es war schrecklich schiefgelaufen. Abgesehen von seiner missratenen Frisur sah er jedoch ganz adrett aus. Auf Brust und Bauch wucherte Pelz, während Python glattrasiert war.


    "Gefällt dir einer von denen?", fragte Scato neugierig. Es fiel ihm schwer, Lurcos Geschmack einzuschätzen.

    Scato, der eben noch die Finger von Tiberios an seiner Tunika gespürt hatte, wie sie zupften und strichen, starrte den Sklaven nun wie vom Donner gerührt an. Mit vielem hatte er gerechnet, vor allen Dingen mit einer höflichen Abfuhr, aber nicht damit, dass die Situation in kalten Geschäftssinn umschlug. Wie hart Tiberios dreinsah! Scatos Blick schwenkte einige Male zwischen dem hübschen Gesicht des griechischen Jünglings und seiner fordernd ausgestreckten Hand hin und her. Natürlich stand Tiberios eine Bezahlung für seine Dienste zu, ebenso dessen Herrn, wenn Scato die Zeit seines Sklaven vergeudete. Scato wusste das. Und doch traf ihn diese brüske Aufforderung bis ins Mark. Warum eigentlich, was hatte er erwartet? Was?!


    Er konnte nicht sagen, ob seine Wut auf Tiberios oder auf sich selbst größer war. Er war ein Narr und Tiberios eine miese Ratte. Genau so ein falsches Stück wie Terpander, dieses Ausmaß an Verlogenheit musste eine Kardinaleigenschaft aller Griechen sein. Was für ein widerliches Volk. Zum Glück würden sie nun alle beide gleich aus seinem Leben verschwunden sein.


    Scato stellte die Schüssel ab, aus der er gegessen hatte, und löste seinen Geldbeutel vom Gürtel. Alles, was noch darin war, schüttete er in Tiberios´ offene Hand. Die Münzen rieselten nur so, die Hälfte rollte über den Gehsteig, manche hopsten auf die Straße und eine genau in einen Regenabfluss, der in die Cloaca Maxima führte. Nicht nur sein eigenes Geld, sondern das das gesamte nach dem Topfkauf noch verbliebenen Guthaben der Gruppenkasse landete in Tiberios´ feinen Fingern, ehe auch noch der schlaffe Beutel auf dem Münzberg landete.


    "Ich hoffe, der Stundenlohn passt so. Wenn nicht, mach ein Schreiben fertig und gib die Rechnung in der Castra Praetoria ab. Schlag ruhig noch eine Bearbeitungsgebühr drauf. Als Vilicus solltest du mit dem Einfordern offener Posten ja vertraut sein."


    Er ließ das Geschirr auf der Treppe stehen, griff nach dem Henkel seines neuen Topfes und marschierte davon. Einige Passanten sahen ihm verwundert nach. Wenn nun irgendwer Scato dumm kam, hatte derjenige ein gewaltiges Problem, denn Scato war in der Stimmung, jemanden in der Luft zu zerreißen. Sein Herz stand in schwarzen Flammen. All dieses Gesäusel von Erastes und Eromenos und von Pan und Daphnis und wie sie alle hießen, er könnte kotzen! Er nahm sich vor, Tiberios gewaltsam aus seinem Hirn zu radieren. Ein Lupanarbesuch wäre genau das richtige, bar jedweder Gefülsduselei. Es wurde Zeit, dass er diese Lektion endgültig verinnerlichte.


    Lupanarbesuch-Versuch Nr. 2 >>

    "Also wenn das Hehlerwahre ist, dann ist die jetzt am zweitsichersten Platz von Rom gleich nach dem Palast. Mach mir keine Angst! Aber deine Gedanken sind gut, zurück in der Baracke schreiben wir sie sofort auf. Wir werden all das vielleicht erfahren, wenn wir gründlich nachforschen", gab Scato zurück.


    Da er fand, dass er nun lange genug geklopft hatte, trat er einen Schritt zurück neben Lurco und gemeinsam warteten sie darauf, dass Maro ihnen öffnete.

    "Das war wirklich gut, haben wir genial hingekriegt", antwortete Scato zähneklappernd und grinsend. Er knuffte Lurco und Ramnus zurück, der sie widerum knuffte. Das kollektive Knuffen bildete sich langsam zu ihrem Zeichen für Zusammenhalt heraus, was Scato freute. Tropfend und schlotternd legten die Tirones ihre Ausrüstung wieder an, ehe sie gemeinsam zur Castra Praetoria zurückkehrten, um sich am Brunnen zu waschen.


    Brunnen der Castra Praetoria >>

    Brunnen
    der
    Castra Praetoria


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    Klatschnass, stinkend und inzwischen wieder guter Dinge kehrten die Tirones von ihrer Tibertaufe zurück zur Castra. Es war ihnen untersagt worden, den Schmutz der braunen Fluten in den Thermen abzuspülen, weshalb sie sich trotz des neuerlichen Wintereinbruchs am Brunnen der Castra Praetoria einfanden. Dort zogen sie sich aus und überschütteten sich gegenseitig mit eiskaltem Wasser, was viel Gestöhne verursachte. Auch die Ausrüstung wurde auf diese Weise gespült. Nur die Tunika wollte Scato am besten wegwerfen, da er nur zwei besaß und sie abwechselnd zum Schlafen und für den Dienst trug. Ein stinkendes Bett aber wollte er nicht. Er würde die besudelte Tunika entsorgen und aus eigener Tasche gegen eine neue ersetzen.

    Scato schmunzelte und stupste ihn mit dem Ellbogen an, wobei er den Kopf in seine Richtung neigte, damit niemand sie hörte. "Unsere erste Ermittlung. Privater Natur, aber eine Ermittlung. Wichtig für unser berufliches Vorankommen. Betrachten wir es als Übung. Vielleicht finden wir heraus, was es mit diesem Topf auf sich hat und woher er kommt. Und falls er sich wirklich als ein Goldtopf entpuppt ..." Scatos Augen leuchteten. "... sind wir reich."

    "Für unser Contubernium nur das Beste", sprach Scato gönnerhaft. Ein verschwörerischer Ausdruck zog über sein Gesicht, die peinliche pinke Farbe wich langsam wieder. "Wenn wir wieder in der Baracke sind, zeige ich dir was. Der Topf hat eine besondere Prägung am Boden. Aber behalte das bloß für dich." Er sprach nun sehr leise.

    "Na aus der Gruppenkasse", antwortete Scato, der immer noch konzentriert die Tür anstarrte, als könne er Maro dahinter durch seine Gedankenkraft dazu bewegen, sie zu öffnen. "Der Topf war gar nicht so teuer. Der Händler sprach von einer Legierung, ich glaube Zinn, aber ich habe mir den Topf angesehen und probehalber auch mal reingebissen. Ganz weich. Du kannst ja auch noch mal schauen, aber für mich sieht der aus wie reines Feingold. Vielleicht Kriegsbeute, die Kelten verstehen sich auf Goldverarbeitung. Der Finder aber womöglich nicht."

    Scato, gerade eben noch breit grinsend ob der Idee, das vermeintliche Aroma des Käsestandes zu verfeinern, erlitt ein regelrechtes Schauspiel in seinem Gesicht bei dieser Frage. Er wurde abwechselnd blass und rot, ehe seine Gesichtsfarbe sich bei der eines frisch geborenen Ferkels einpegelte. Da er keinen Helm trug, sondern nur in Tunika hier stand, wie das zur Freizeit üblich war, war das wunderbar zu sehen. Sein Mund wurde schmal.


    "Hab ich", antwortete er knapp und starrte konzentriert die Tür an. "Aus purem Gold."