Beiträge von Sisenna Iunius Scato

    "Huch!" Scato drehte sich zur Seite."Hab dich gar nicht gesehen." Da saß ja noch jemand: Cerretanus, offenbar ein überzeugter Lappenbenutzer und bereit, seine Ansichten bis zum Äußersten zu verteidigen. Da er ranghöher war, hatte er dabei ziemlich gute Karten. Jetzt war Scato doch etwas verlegen, dass er ertappt worden war. "Sieh es mal so", erklärte er diplomatisch, während Tarpa sich unbeeindruckt von der Anwesenheit der Opposition weiter mit dem Schwammstock putzte, "die bestmögliche Latrinennutzung ist ja auch eine Frage der Gesundheit. Da ist es doch gut, sich gemeinsam darüber Gedanken zu machen, wie man das System optimieren könnte."


    "Und eine Frage des Wohlbefindens", fügte Tarpa hinzu.


    Scato nickte. "Stimmt! Diese Lappen sind hart, rau und generell ziemlich blöd. Die Kackschwämme hingegen sind weich und freundlich, jeder liebt sie. Wäre es da nicht vorteilhaft, die rauen Lappen zum Reinigen der Latrinen zu benutzen und die Schwämme für den Körper anstatt umgekehrt?"

    Die tragische Botschaft, die der Miles Furius Cerretanus verkündet hatte, machte die Runde und spaltete die beiden Lager der Latrinenbenutzer nur noch tiefer. Die Fronten schienen unwiderruflich verhärtet und keine Seite war bereit, nachzugeben. Auch Scato war nach anfänglichen Zweifeln wieder zu seiner alten Meinung (und Gewohnheit) zurückgekehrt. Während er so saß und nachdachte, betrachtete er das neue Wandbild, das von einem anderen Xylospongiumliebhaber direkt auf die rot bemalte Wand gepinselt worden war: Wandbild Genau vor dem Bild saß einer seiner Kameraden, als würde er das Ganze lebend illustrieren.


    "Sieh es mal von der Seite", erklärte Scato Tarpa, der sich gerade mit einem Geschäft abmühte. "Wozu sonst sollten diese Öffnungen vorne in der Latrinenwand dienen? Die sind doch augenscheinlich dazu da, dass man bequem im Sitzen das Xylospongium hindurchfädeln kann, um sich dann, ohne aufstehen zu müssen, den Unterboden zu waschen."


    "Die Öffnung könnte auch andere Gründe haben", stöhnte Tarpa wortkarg, während er sich quälte.


    Scato beobachtete sein Treiben kritisch. "Du musst mal paar getrocknete Pflaumen essen und jeden Tag einen Löffel Leinsamen in deine Puls."


    "Ja, ja", ächzte Tarpa. Ihm traten die Schläfenadern hervor.


    "Ich meine, wozu sonst sollte die Öffnung denn dienen?", fuhr Scato mit dem wirklich wichtigen Thema fort. "Niemand hier hat so einen riesen Dödel, dass der extra vorn eine Aussparung benötigen würde." Er überlegte kurz. "Zumindest hoffe ich das für alle."


    Eine Weile antwortete Tarpa nicht, sondern rollte sich wimmernd zusammen. Scato wartete. Endlich gab es ein klatschendes Geräusch und Tarpa atmete erleichtert aus. "Meine Fresse." Mit dem Handrücken wischte er sich den kalten Schweiß von der Stirn. "Also diese Öffnung ist dazu da, wenn jemand im Stehen pinkelt", erklärte er nun sehr viel entgegenkommender. "Wenn man fertig ist, wird der Strahl immer kürzer, ehe man nur noch tropft und dann würde man die ganze Sitzfläche einsauen, gäbe es nur oben ein Loch."


    "Und welche Sau pinkelt hier bitte im Stehen?", empörte Scato sich. "DAS ist mal WIRKLICH widerlich!"


    Tarpa zuckte die Schultern. "Die gleichen Leute, die mit dem Xylospongium die Latrine wischen", sagte er, während er ein Xylospongium griff, es in der Wasserrinne nass machte und sich genüsslich und sehr ausführlich damit putzte.

    << Exerzierplatz


    "Jawohl, Centurio", rief Scato mit den anderen im Chor. Wobei, Lurco hatte er noch nicht gesehen; den hatte er während des Marsches aus den Augen verloren. Allerdings war es Scato gerade nicht möglich, sich suchend nach ihm umzuschauen, wenn der Centurio sprach.


    Vor ihnen floss träge, braun und dreckig der Fluss, in den man jene Toten warf, die nicht in das Leben nach dem Tod eintreten sollten. Man hatte ihm gesagt, jene, deren Leichen in diesen Fluten trieben, fänden nicht den Weg ins Jenseits, sondern würden für immer vergehen. Die Gebeine von Verrätern oder in Ungnade gefallenen Personen lagen darum überall im Schlamm, zusammen mit dem Müll und den Abwässern der Latrinen. Die Cloaca Maxima führte direkt in den Tiber, zusammen mit allen anderen Abwässerkanälen der Stadt. Es war ein sehr unwürdiges Grab und Scato erschauerte bei dem Gedanken, in einem Fluss zu schwimmen, der nicht nur dermaßen schmutzig war, dass jeder Medicus davor warnte, das Wasser zu trinken, sondern in dessen Schlamm auch noch hunderte oder tausende unbestattete Tote ruhten. Auch der in Ungnade gefallene Prätorianerpräfekt Sejanus, dem sie die Castra Praetoria verdankten, war nach seiner Hinrichtung auf die Gemonische Treppe geworfen worden, wo das Publikum ihn in Stücke riss, ehe seine Überreste im Tiber ihr nasses Grab fanden.


    Das alles schoss Scato durch den Kopf, während die größte Sorge von manch anderem wohl die anschließende Reinigung der Ausrüstung war. Er aber rief sich ins Gedächtnis, dass, sollte heute jemand hier ertrinken, dieser Kamerad um jeden Preis aus den Fluten gezogen werden musste. Er straffte die Haltung und wartete auf den kommenden Befehl.

    Zum Tiber?! Scato und auch einige andere warfen einen sehnsüchtigen Blick in Richtung ihrer heißgeliebten Lagerthermen, die annähernd jeden Abend nach Dienstschluss die Anstrengungen und den Dreck des Tages in pures Wohlgefallen auflösten. Stattdessen erwarteten sie nun die kalten, verdreckten und gottlosen Fluten des Tiber ...


    Kein Schmachten nützte etwas und Scato wandte den Blick wieder nach vorn. Der Befehl war erteilt worden. Scato machte sich wie die übrigen Kameraden marschfertig. Im Gleichschritt folgten sie in voller Montur ihrem Ausbilder.


    Trans Tiberim - Tirones beim Planschen >>

    "Hm, ein Grund mehr, unsere Taberna zu besuchen und nicht die Konkurrenz." Scato schmunzelte, als Cerretanus sich zum Gehen wandte. Er würde ihn nicht länger aufhalten, das gab sonst nur wieder Ärger und diesmal für sie beide. "Na dann, man sieht sich sicher." Er hob zum Gruß die lappenfreie Hand und machte sich wieder daran, seine Kameraden bei der Arbeit zu unterstützen.

    Scato blinzelte freundlich und hob vielsagend den Lappen. "Schon gut, ich mach ja gleich weiter. Aber Kinder und Kindeskinder wird es von mir nicht geben, nee, darum müsst ihr als Publikum meiner Geschichten herhalten", sprach er ernst. "Wenn ich meinen Dienst rum habe, eröffne ich mit Kamerad Lurco gemeinsam eine Taberna hier in der Nähe zur Castra. So bleiben wir mit den alten Kameraden in Kontakt und tun ihnen noch was Gutes. Und falls ich in dieser Zeit wider Erwarten allein dastehen sollte ... irgendwas kann ja immer sein .. melde ich mich für die Evocati. Ein Leben als pater familias wird es für mich nicht geben. Zu anstrengend, zu nervig, zu wenig erfüllend. Das überlasse ich anderen."

    Es gelang Scato, eine absolut steinerne Miene aufrecht zu erhalten, während Cerretanus seine Geschichte zum Besten gab, wie er zunächst eine wildfremde Zivilistin rettete, was nun wirklich nicht zu den Aufgaben der CU gehörte, und sie dann auch noch nach ihrem Eindringen in die Castra verteidigte, anstatt seinen Kameraden dabei zu unterstützen, sie festzusetzen. Dass sie sich bedanken wollte, konnte schließlich auch nur ein Vorwand gewesen sein. Und das alles auch noch während eines Sklavenaufstandes! Dass eine Fremde in der Castra nichts verloren hatte, wo Waffen lagerten und militärische Interna besprochen wurden und man wichtige Unterlagen archivierte, würde Cerretanus mehr als nur deutlich eingepaukt worden sein. Als Scato jedoch hörte, dass Cerretanus bisweile stockte, verging ihm das gedankliche Feixen über dessen argloses Gebaren wieder. Offenbar hatte seine Strafe ziemlich gesessen. Der Mann hatte es, wie so viele, einfach nur gut gemeint und damit - zum Glück nur sich selbst - in die Scheiße geritten.


    "Ein weiser Mann sagte einmal: Jede große Katastrophe beginnt damit, dass es irgendein Hirni gut meint", sprach Scato fürsorglich. "Mach dir nichts draus, am Anfang ist fast jeder irgendwann mal einmal mit Latrinendienst an der Reihe. Und hey, sieh es mal so: So lange wir Strafarbeiten aufgebrummt bekommen, halten unsere Vorgesetzten uns für nützlich und glauben daran, dass wir uns bessern. Besser, als wenn sie uns gleich rausschmeißen."


    So erzählter er, um ihn aufzumuntern, lieber seine eigene Geschichte.


    "Ich wurde zum Scheißeschippen verdonnert, weil ich mich beim Ringkampf ins Gesicht eines Kameraden gesetzt habe, woraufhin dieser ohnmächtig wurde. Wir haben uns inzwischen wieder versöhnt. Nur muss ich ihm allerdings nun auch noch die traurige Nachricht überbringen, dass er das Xylospongium fortan anders benutzen muss."


    Gedanklich hörte er den triumphierenden Aufschrei von Quietus, der SIEHSTE! schrie.


    Maul halten und ruhig verhalten, nicht zappeln ... puh. Das waren Tipps, die für Scato wie schier unmögliche Hürden erschienen.


    "Ich frage mich, ob unser geliebter Centurio auch einst hier schippen musste. Und wenn ja, wofür", sinnierte er. Das würde ihn in der Tat interessieren, denn solche kleinen Vergehen machten die Soldaten doch irgendwo auch menschlich und weniger unnahbar, fand er.

    Das unverdiente Lob heimste Scato mit einem zustimmenden Blick ein, als ob er die ganze Zeit über schon Cerretanus´ Meinung vertreten hätte. In Wahrheit hatte er zu denen gehört, die sich mit dem Xylospongium das Hintertürchen poliert hatten. Zusammen mit den anderen Liebhabern des angenehm kalten, weichen und anschmiegsamen Schwamms würde ihn eine harte Zeit der Gewöhnung an einen schnöden und herzlosen Lappen erwarten, der hinterher zu Recht achtlos in der Grube landete.


    "Sisenna Iunius Scato, Cohors XII, Centuria III!", stellte Scato sich nun auch vor, erfreut darüber, jemanden aus der gleichen Centurie kennenzulernen. Wenn sie in der gleichen Centurie dienten, dann logischerweise auch unter dem gleichen Centurio. Der Mann würde den guten Maro ebenfalls auf dem Exerzierplatz kennen und lieben gelernt haben. "Uuund", fragte Scato honigsüß, "für welche Untaten musstest du hier schon Scheiße schippen?"


    Er hoffte auf eine haarsträubende Anekdote. Nicht zuletzt sorgte das Gespräch dafür, dass er ein Päuslein machen konnte, während die anderen nun endlich wussten, wie die Sitzfläche korrekt zu reinigen war und sich an die Arbeit machten, damit sie noch vor Sonnenuntergang fertig wurden.

    Der Tag war in der Tat schön, der Frühling schickte die ersten warmen Tage und die Abendsonne schien romantisch auf die Latrinen der Cohortes Urbanae, während ein singendes Vogelpärchen liebestrunken über den Himmel schwirrten. In den Latrinen jedoch herrschte eisige Stille, die einen zuvor ausgebrochenen Streit abgelöst hatte. Die hier arbeitenden Tirones und Milites schauten ziemlich verbiestert, Scato hingegen amüsiert. Er fand die ganze Situation dermaßen schräg, dass sie schon wieder komisch war.


    "Ja, diiie Sitzflächen", wiederholte Scato gedehnt und versicherte sich mit einem unauffälligen Seitenblick, dass ein gewisser Kamerad gerade außer Hörweite arbeitete. "Hier gab es vorhin fast eine Schlägerei wegen dieser verdammten Kackschwämme", sprach er gedämpft. Er wies auf die Amphore, aus der mehrere Stöcke ragten, ein Xylospongium war herausgefallen und lag traurig daneben. "Was würdest du sagen: Sind diese Dinger zum Reinigen der Sitzflächen oder zum Abputzen des Allerwertesten gedacht? Der Kamerad wollte damit die Sitzflächen schrubben, weil irgendwer das so an die Wand geschrieben hat. Aber weil jeder damit den Hintern wischt, wäre die Sitzfläche hinterher doch schmutziger als vorher!" Das kam davon, wenn kein Vorgesetzter eine Entscheidung fällte.


    Entsprechend sah auch die Sitzfläche der Mannschaftslatrine aus. Während der Graben unter der linken Seite inzwischen fast fertig ausgehoben war und schon der Kalk für den finalen Arbeitsschritt bereitstand, sahen die Sitzflächen um manche Öffnung herum aus wie eine Herdfläche, nachdem die Puls übergekocht war. Nicht wenige Kameraden zogen es inzwischen aus Ekel vor, im Stehen ihr Geschäft zu erledigen, was die Lage noch verschlimmert hatte. Der Graben war sauberer als die Latrinen selbst.

    Wie von Maro befohlen, hatte Scato sich nach dem gestrigen Dienstschluss das erste Mal zu seiner Strafarbeit gemeldet. Wenn der heutige Tag vorbei wäre, würde er mit Lurco beim Officium des Centurios vorsprechen, da sie sich über ihre Karrieremöglichkeiten erkundigen wollten.


    Vorerst aber ging es an einen weiteren spannenden Ausbildungsinhalt - das Schwimmen. Dazu waren sie zu Scatos Verwunderung alle in voller Montur angetreten. Maro hatte regelrecht gute Laune - das bedeutete vermutlich, dass das Schwimmen eine der Disziplinen war, bei der sich die Tirones auf besonders unterhaltsame Weise quälten. Scatos Hoffnung, dass sie die Rüstung noch ablegen durften, bevor sie ins Wasser gingen, war das nicht zuträglich. Glücklicherweise gab es in Mantua mehr als genügend Wasser, so dass Scato schon als Kind gelernt hatte, nicht unterzugehen. Die Stadt lag an den Fluten des Mincio. Mit seinem kleinen Bruder Lamia hatte er oft im Wasser getobt. Selbstverständlich war es allerdings nicht, dass jemand schwimmen konnte. So wartete Scato gespannt, wie viele sich noch als Nichtschwimmer offenbaren würden.


    Sim-Off:

    Wir waren so frei, schon mal an der Tür deines Officiums zu klopfen. :)

    Ohne zu klagen trat Scato seine Strafe dafür an, dass er Lurco während des Ringkampfs auf dem Exerzierplatz bewusstlos zu Boden geschickt hatte. Gemeinsam mit anderen, die sich irgendetwas hatten zuschulden kommen lassen und jenen, die schlichtweg an der Reihe waren, fand er sich für die folgenden vier Wochen regelmäßig zum Latrinendienst ein.


    Die Latrinen der Kastelle standen denen der Städte in nichts nach. Dem Zusammenhang zwischen Hygiene und Krankenstand war man sich durchaus bewusst. Entsprechend gab es in der Castra Praetoria reichlich Frischwasser, gut gepflegte Latrinen und wundervolle Thermen. Dennoch hatten die CU-eigenen Latrinen keinen Anschluss an das Abwassersystem. Darüber machte Scato sich so Gedanken. Das Schaufeln störte ihn nicht sonderlich, aber der Fäulnisherd inmitten der Castra, der übles Miasma im zu Hause der Urbanici verbreitete. Der Anschluss an das Abwassersystem war freilich sehr aufwändig, insbesondere, da das Abwasser direkt in den Tiber geleitet wurde und die Castra von diesem weit entfernt war, aber wäre im Sinne der Hygiene in seinen Augen durchaus sinnvoll. Bislang war es regelmäßig notwendig, die Hinterlassenschaften der Soldaten von Hand herauszuschaufeln, damit das Ganze nicht irgendwann überquoll und trotzdem waren die Latrinen ein Hort für Geziefer. Die Fliegenplage hielt sich um die Jahreszeit in Grenzen, aber im Hochsommer würde es schlimm sein.


    Leider war er nur ein Tiro und seine Gedanken würden niemanden interessieren. Anders würde es freilich aussehen, wenn ein Optio valetudinarii sich mit diesem Vorschlag an die zuständigen Stellen wenden würde. Generell würde Scato sich gern mal mit diesem unterhalten. Oder vielleicht vorher mit Centurio Octavius Maro in dessen Officium. Eine Zusatzqualifikation als Sanitäter, sobald er die Grundausbildung absolviert hatte, würde Scato gefallen - nur für den Fall, dass Lurco mal wieder umkippte. Scato grinste beim Schaufeln in sich hinein. Irgendwo war das Ganze ja trotzdem lustig gewesen.


    Am Ende der Plackerei war es stockfinster. Ein Fahrer mit einem Wagen würde den stinkenden Berg aus der Castra schaffen, um ihn draußen gewinnbringend an einen Bauern als Dünger für seine Felder zu verkaufen. Scato erklärte dem Fahrer, Soldatenmist sorge für besonders widerstandsfähige Feldfrüchte - und da auch Lupercischeiße darunter sei, für besondere Fruchtbarkeit.


    Am folgenden Tag begab sich Scato mit Lurco gemeinsam zum Officium ihres Centurios, um mit diesem über ihre Möglichkeiten für die Zukunft zu sprechen.

    Auch Scato grüßte den Centurio mit einem Nicken. Er entnahm Maros Worten, dass dieser ihn wieder mochte, was ihn etwas beruhigte. Zumindest redete er sich ein, dass es so war, auch wenn Maro vorsichtshalber hinter seinem Schild in Deckung ging.


    Die Schleuder war eine oft unterschätzte Waffe. In Reichweite und Wirksamkeit waren ihre Einschläge einem Pfeiltreffer ebenbürtig. Schleuderer konnten Schilde zerschlagen, ein Treffer auf den Helm konnte zu Gehirnerschütterung oder Erblindung führen. Der größte Nachteil dieser Waffe lag darin, dass es sehr schwierig war, damit zu zielen, was allerdings genau so auf Pfeil und Bogen zutraf, weshalb Bogenschützen des Heeres täglich diese Waffe trainierten. Für effektive Schleuderer galt das Gleiche, weshalb sie oft als Söldner rekrutiert worden, anstatt die Ausbildungszeit der eigenen Truppen damit zu belasten. Doch die Cohortes Urbanae hatten sehr guten Grund dafür, dies anders zu handhaben und Scato war darüber nicht böse.


    Die Geschosse sahen aus wie Eier, was er lustig fand. Damit würde er Lurco gern ärgern, aber nicht auf dem Exerzierplatz und erst recht nicht, nachdem Maro sich gerade erst wieder beruhigt zu haben schien. So nahm Scato brav und ohne Seitenblick zu Lurco sein eiförmiges Geschoss, legte es in die Mulde der Schlinge und schleuderte. Der Stein flog schräg nach sonstwo. Mit einem dumpfen Geräusch und einer kleinen Staubwolke schlug er in den Sand ein. Scato presste die Lippen zu einem schmalen Strich und versuchte es nochmal.


    Nach einigen Übungsdurchgängen hatte er ein Gefühl dafür entwickelt. Je mehr der Steinhaufen schrumpfte, umso öfter näherten seine Geschosse sich der Zielscheibe, bis sie schließlich trafen. Scato machte bei seinem ersten Volltreffer einen kleinen Freudensprung und übte gemeinsam mit den anderen weiter, bis der Steinhaufen leer war und der Exerzierplatz vor ihnen aussah wie ein sehr unbequemer und steiniger Strand.

    "Faunus für die Wand ist eine gute Idee", freute sich Scato. "Wo er prangt, verbreitet sein Abbild gute Laune. Das ist ein interessanter Effekt, musst du mal drauf achten, jeder mag Faunus, auch wenn kaum einer im Alltag an ihn denkt. Vielleicht ein Bild, auf dem er Flöte spielt."


    Scato blinzelte zufrieden und stützte das Kinn in die Hand, während er die leere Wand betrachtete, die sich vor seinen Augen in eine jungfräuliche Malfläche verwandelte.


    "Doch, ich denke, das wird hübsch. Farben brauche ich und Zeit, dann geht es los."

    Scato musste grinsen, als Lurco sich dermaßen ausschweifend über die beiden Sklavinnen ausließ. Er musste sich noch mehr über sie geärgert haben als Scato und der war schon gewaltig auf Prass gewesen. Ein wenig fühlte er sich ja geschmeichelt, dass Lurco ihre Zukunftspläne dermaßen ernst nahm, so besorgt um ihn war, während er selbst verletzt auf den Medicus wartete und sich dermaßen für ihn ärgerte. Geträumt und fantasiert wurde in trunkener Runde ja viel, doch Scato war es genau so ernst.


    "Dafür, dass du eben noch bewusstlos warst, funktioniert dein Mundwerk wieder ganz gut. Du hast Recht, vergessen wir diese Puten, in unserer Taberna oder auch Taberna Medica wird es keine Weiber geben, stattdessen den kleinen Griechen oder einen vergleichbaren guten Mann. Aber über den Löwen ist noch nicht das letzte Wort gesprochen!"


    Froh darüber, dass sie sich wieder versöhnt hatten und dass es Lurco offenbar recht gut ging, starrte er auf die Tür, aus der hoffentlich bald die Stimme des Medicus schallen würde, um sie hineinzubitten.

    "Ach, wer redet denn von Rausfliegen!" Scato versuchte sich in einem aufmunternden Schmunzeln. "Maro wollte mich doch nur häuten. Nein, im Ernst: Ich gebe mein Bestes, damit so was nicht noch mal vorkommt. Die CU ist mein Leben geworden, die Castra mein zu Hause und du bist mein Freund. Was auch immer noch auf uns zukommen wird, wir werden den Weg gemeinsam gehen." Er machte eine Geste, als sähe er vor sich eine Vision. "In einigen Jahren werden wir als alte, humpelnde und faltige Veteranen unsere eigene Taberna eröffnen. Wir tragen alles in uns, was dafür notwendig ist. Alles, was wir tun müssen, ist kontinuierlich einen Fuß vor den anderen zu setzen. Und dabei möglichst wenige Fehltritte zu machen."


    Scato setzte sich zu Lurco auf die Bank. Der Medicus würde ihn schon gehört haben. Vorsichtig knuffte er seinen Kumpel.


    "Meine Bestrafung ist gerechtfertigt und fair, ich habe sie mir selbst zuzuschreiben. Ich bin schließlich nicht diese vor lauter Selbstmitleid zerfließende Sklavin, die wir eingebuchtet haben, die erst Scheiße baute und dann allen die Ohren volljammerte. Sie kannte die die Regeln - und ich kenne sie auch. Ursache und Wirkung, eine Strafe trägt man mit Rückgrat! Und darum werde ich meine annehmen ohne zu lamentieren. Die einzigen Leute, die Grund zur Klage haben, sind du, dem ich mit meinem Übermut geschadet habe, und Maro, der einfach nur enttäuscht sein muss. Mal schauen, wie ich das wieder gut machen kann."


    Er stand auf, drückte Lurco die Schulter und ging ihm einen Becher Wasser holen.