Es gab auch bei der dritten Zenturie der zwölften Kohorte schwarze Schafe.
In dem Fall war es allerdings eine Frage des Blickwinkels, ob es sich beim korrekten Quietus um eines handelte. Er selbst sah das freilich anders, als er seine eigene Einheit bei den Offizieren verpfiff, weil neuerdings Zivilisten und Militär beim Tor nach Belieben ein und aus gingen und niemand Anstalten machte, sie zu stoppen und schon aus Prinzip einer ausführlichen Kontrolle zu unterziehen. Zu Quietus' Verblüffung war ihm jedoch mitgeteilt worden, dass in den heutigen Zeiten keine Kontrollen mehr notwendig seien, wenn die Passanten das nicht wünschten. Für den korrekten Quietus war das ein Skandal. Das blanke Entsetzen im Gesicht eilte er zurück in seine Stube.
Sein Contubernium hatte sich für seine Rückkehr eine schöne Strafe überlegt, denn niemand mochte Petzen. Sie hatte mit einem stinkenden Holzbottich zu tun, in dem die neuen Diensttuniken nach dem Kauf rot gefärbt wurden. Als Quietus jedoch aufgeregt fuchtelnd verkündete, dass sie nicht nur keine Strafe für ihre Passivität erhielten, sondern ihnen sogar untersagt wurde, Passanten gegen deren ausdrücklichen Wunsch zu kontrollieren oder auch nur anzusprechen, war die Strafe für Quietus vergessen und ein lautstarkes Stimmengewirr brandete auf.
Man hätte annehmen können, dass eine vergnügte Feierlichkeit ob der gewonnenen Freizeit abgehalten werden wurde, stattdessen verfiel die Truppe in lautstarkes Lamentieren mit den Hauptinhalten: Was waren das für Zeiten? Was war mit der Bandenkriminalität, war irgendwer von denen da oben von einer Bande bestochen worden, um den Milites die Hände zu binden? Vermutlich gab es einen Maulwurf, der die Cohortes Urbanae gezielt unterwanderte und von innen heraus schwächte! Früher wären solche Zustände undenkbar gewesen, generell war früher alles besser.
Aus Denunziant Quietus wurde ein Held, der unerhörte Missstände aufgedeckt hatte; man brachte ihn zum Tisch und gab ihm Wein, damit er noch einmal ganz genau erzählte, wie das Gespräch verlaufen war. Wenn wirklich etwas passierte, waren sie es, deren Köpfe rollen würden für eine Vernachlässigung ihrer Pflichten, die ihnen per Anweisung aufgezwungen worden war. Der Arbeitsmoral der Truppe verpasste diese neue Anweisung zum Schutz des seelischen Wohls der Passanten, wie die Milites sie fortan nannten, einen empfindlichen Dämpfer und ihrem Stolz ebenfalls. Niemand machte sich gern vor Zivilisten zum Affen.
So kam es, dass die dritte Zenturie beim Wachdienst am Stadttor die Passanten nicht einmal mehr anschaute, selbst als Hufgetrappel erklang. Das Unheil nahm auch ohne ihre überflüssige Anwesenheit seinen Lauf. Die Männer lungerten auf der Mauer, unterhielten sich miteinander, spielten auf dem Boden des Wehrgangs Astragaloi oder saßen in den Wachstuben der Türme um die Tische, wo sie in düsteren Prophezeiungen für die Zukunft Roms schwelgten.
Unten am Tor stand überhaupt niemand mehr.