Lurco hörte weiterhin schweigend zu. Denn das größte Problem bestand meist darin, dass Leute nicht zuhörten um zu verstehen, sondern nur um zu antworten. Die Tatbestände die sein Praefectus aufführte entsprachen den Tatsachen. Er hatte Befehle verweigert, er hatte sich Ermessensspielraum gegönnt, er hatte zwischen den Zeilen gelesen und hatte so gehandelt, wie er es für richtig gehalten hatte. Ob dies richtig gewesen war, konnte er nur rückblickend beantworten. Nein, dass war es nicht.
Zu dem Zeitpunkt hatte er mit dem Herzen gedacht, anstatt mit dem Kopf. Er hatte sich und andere in Gefahr gebracht, nur in dem Moment, in der Situation hatte er es selbst nicht bemerkt. Enttäuschung und Demut waren es gewesen. Demut hieß nicht, weniger von sich selbst zu halten, sondern weniger an sich selbst zu denken. Er hatte nicht an sich gedacht. Lurco war weder ins Feuer noch in das Nest der Krähen gegangen für Ruhm, Ehre oder gar eine Auszeichnung. Er ging für jene die nicht mehr gehen konnten. Für jene die für immer liegengeblieben waren. Und beinahe wäre es ihm ebenso ergangen. Wem hatte er damit letztendlich gedient?
Scato? Seinen Barackenbrüdern? Seinen Urbanern?
Tja hinterher wusste man immer mehr.
Sie benötigten Vorgesetzte, die Befehle erteilten die ihnen allen dienten. Befehle die verlässlich waren und die der Aufgabe und den Urbanern gerecht wurden. Befehle die genau das bewirkten, was sein Praefectus angesprochen hatte. Aber damit dachte er wieder einen Schritt zu weit, ob ein Befehl dem entsprach hatte nicht er zu entscheiden. Er hatte ihn auszuführen und nichts weiter.
Er sollte das Überlegen vor das Handeln setzen, falls es zukünftig noch etwas zu überlegen und zu handeln für ihn geben würde.
Was auf Befehlsverweigerung stand, war Lurco bewusst.
Lurco erwiderte den Blick von Herius Claudius Menecrates.
Sollte er diesen Mann um sein Leben bitten? Nein, denn nicht Menecrates hatte es verspielt, sondern er selbst. Niemand sonst hatte ihn in die Situation gebracht, in der er sich nun befand. Und weshalb sollte jemand seine Bitte erhören? Welche hatte er erhört, als seine Ohren für jedes Argument taub waren, außer jenen die seiner selbst auferlegten Aufgabe dienten sein Schwert in das Blut der Krähen zu tauchen?
Lurco wollte nicht sterben. Er hatte auch nicht derart unbedacht gekämpft, weil ihm sein Leben nichts wert war, sondern weil er das seiner Brüder beschützen wollte. Für einen Sekundenbruchteil dachte er an Scato und seinen Rat. So weit war der Ausgang nicht entfernt und er hätte die Überraschung auf seiner Seite. Er müsste sich nur umdrehen und rennen was seine Beine hergaben. Und dann? Lurco wischte den Hirnfurz mit einem Gedanken beiseite.
Er war nicht hergekommen um davon zu laufen und er hatte seinem Praefectus nicht die Wahrheit gestanden, um ihn dann stehen zu lassen. Er hatte ihm alles anvertraut, also musste er erneut Vertrauen in diesen Mann haben. Hatte er es nicht, hätte er schweigen müssen. Lurco hatte nicht geschwiegen, drum schwieg er jetzt und wartete auf das Urteil seines obersten Vorgesetzten.