Beiträge von Manius Purgitius Lurco

    Pullus


    "Dass passt doch wunderbar, wir ergänzen und was den Keksgeschmack angeht. Eine Naschkatze? Nun ja vielleicht hast Du da sogar Recht, ich esse gerne süß, auch wenn man mir das nicht ansieht. Aber wer weiß wie es ohne unsere Ertüchtigung aussehen würde. Muss ich nicht drüber nachdenken oder? Ich habe ja immer genug zu laufen. Wunderbar, dann Therme und Taberna unser Plan steht. Ich teile den Traum gerne, damit wäre es dann unser Traum. Ich folge Dir auf dem Fuße", grinste Pullus und nahm die Höflichkeit der geöffneten Tür mit einem breiten Lächeln zur Kenntnis.


    Der Duft von frischen Puls wehte ihnen wie eine Einladung entgegen und Pullus nahm gut gelaunt am Tisch Platz. Insgeheim hoffte er, es wäre schon Feierabend und blinzelte kurz Asper zu.

    "Verstanden, ich leiste meinen Dienst in Deinem Vorzimmer und Cornicularius Octavius Frugi ist mein Vorgesetzter. Streifendienst in der Subura als Teil der Disziplinarmaßnahmen. Ich werde beides verknüpfen, den Streifendienst und die Suche nach den passenden Grundstück für die Doppelstation Praefectus. Bezogen auf die Tische, Danke dass ich die Ermittlungen in der Sache weiterführen darf. Bleibt es dann bei Deiner Erlaubnis mit den beiden Gens vorab in Ruhe Kontakt aufnehmen zu dürfen, zwecks Aufklärung?


    Du sagst Tiro Annaeus Vindex ist ausgefallen und ich soll mich um Ersatz kümmern. Da muss ich nachfragen. Wie soll ich das bewerkstelligen? Also soll ich seinen Posten neu besetzen, so dass seine bisherigen Aufgaben weiterhin erledigt werden? Oder soll ich mich um einen Auszubildenen kümmern, also kompletten Nachersatz? Sprich benötige ich jemanden von uns, der seine Aufgabe ableistet oder soll ich wen anwerben?


    Einen wöchentlichen Bericht wirst Du erhalten Praefectus und ich werde wie von Dir befohlen meinen Tribun über das Geschehen informieren. Wie weiß ich noch nicht, aber dass ist mein Problem. Vermutlich ist es das Beste ich teile es ihm geradeheraus mit", antwortete Lurco und musste bewusst seine angespannte Oberschenkelmuskulatur lockern. Seine Beine wollten schon los, aber der Rest wusste dass er genau da sitzen bleiben musste wo er gerade saß. Beherrschung hatte er zu lernen. Wie sagte einst sein Liebster? Es gab nichts was man sofort entscheiden musste. Und hier hatte er gar nichts zu entscheiden, die Aufgabe erledigte sein Praefectus.


    Sein Praefectus verließ das Vorzimmer und kehrte mit seinen Waffen zurück. Da lag er Löwenzahn sein Schwert und sein Dolch. Lurco nahm beides geradezu andächtig wieder an sich. Es fühlte sich gut an, wieder Waffen zu tragen. Lurco war nicht aufgefallen wie sehr er sie vermisst hatte, dafür spukte ihm zu viel im Kopf herum. Noch während er die Waffen verstaute erteilte Menecrates den Befehl, dass Frugi ihm befehlen sollte die Latrinen zu reinigen. Eine sehr unbeliebte Aufgabe. Dabei übersahen die meisten Kameraden eines, saubere Latrinen waren das A und O des Wohlfühlens eines Urbaners. Denn wo fing Sauberkeit an, wenn nicht auf der Latrine? Und wo Sauberkeit war, war Gesundheit. Selbstverständlich hatte auch er kein besonderes Interesse daran im Dreck zu wühlen. Aber Dreck zu beseitigen war eine Aufgabe, die ihnen allen diente und saubere Latrinen waren eine Arbeit die der Gemeinschaft galt. Die Tätigkeit war nicht die Beste, was man damit erreichen konnte hingegen schon. Und einer musste den Job ja machen, heute war er es.


    Lurco schaute Frugi gespannt und freundlich an.

    Lurco wusste nicht wie ihm geschah und folgte der Aufforderung baff. Er wurde zuerst gelobt, dann zu Recht gescholten, dann gerettet und befördert?!? Das Wechselbad der Gefühle sah man Lurco im Gesicht an. Er setzte sich etwas unbeholfen und hatte für einen Augenblick Angst sich versehentlich daneben zu setzen vor Aufregung. Die Stimme seines Praefectus hatte sich gewandelt und nahm ihm die Anspannung, die Verwirrung jedoch blieb noch eine Weile.


    Das Gesagte von Menecrates freute Lurco und machte ihn auch zeitgleich betroffen. Ja er hatte reiflich darüber nachgedacht, was er getan hatte und weshalb. Zudem hatte er die ständige Angst, Scato nie wieder zu sehen. Wie wäre sein Leben ohne Scato verlaufen und was hatte er ihm alles zu verdanken? All das wäre ausgelöscht worden, durch seine unbedachte Handlung.


    "Darauf möchte ich gerne antworten. Meine Beweggründe waren sicher nachvollziehbar, aber die Handlung war es nicht gewesen. Heute hätte ich anders reagiert, es ist einiges an Zeit ins Land gezogen und ich habe einen anderen Blick auf die damalige Situation. Nicht mindern betroffen, aber nicht mehr voller brennender Wut. Ernüchterung hat der Wut Platz gemacht und sie ist ein besserer Ratgeber als die Wut.


    Dass Du die Ehrlichkeit hervorhebst zeigt mir, dass Du leider selbst nicht die besten Erfahrungen gemacht hast. Mir war wichtig, dass Du die Wahrheit erfährst. Du hast Dich als Erster und vermutlich Einziger interessiert. Das Mindeste was Du verdient hast, war die Wahrheit", antwortete Lurco ruhig.


    Der Blick von Menecrates wurde einen Atemzug lang hart, Lurco hätte gesagt dunkele Wolken zogen über dessen Antlitz, ehe sein Praefectus sie wieder beiseite wischte.

    "Meine Handlungen galten Rom und seinen Bürgern, dass schwöre ich Dir. Sie waren unüberlegt, sie waren überhastet und sie hätten anders laufen können und müssen. Das ist mir rücklblickend bewusst geworden. Wie heißt es? Die oberste Pflicht in so einer Situtation ist die Ruhe zu bewahren. Das habe ich leider nicht, dennoch galten die Handlungen zu keiner Zeit mir persönlich. Nie Praefectus, um mich ging es nicht.


    Ich habe mit vielem gerechnet, mit dem Optio ab actis nicht. Ich Danke Dir für alles Praefectus - die zweite Chance, die Schelte, das Lob und die Möglichkeit Dich von meinem Wert überzeugen zu dürfen. Du hast aufgeführt, dass ich nicht ausbilden darf. Verständlich ich habe selbst noch genug zu lernen und das werde ich", gab Lurco freundlich zurück.

    Pullus


    "Asper denk doch ein bisschen nach, in den Thermen ist es nicht gemütlich, denn da kannst Du keine Zimmer mieten. In einer Taberna schon. Also zuerst Therme und dann Taberna? Das passt würde ich sagen. Du hast Deine Kekse nicht vergeudet, Du hast sie mit einer gewissen Hoffnung fortgegeben. Sie waren Boten und haben das übermittelt, was Du nicht aussprechen könntest. Er hat Deine Botschaft erhalten und er achtet Dich, dass merkt man. Aber dass was Du Dir von ihm wünscht, gehört einem anderen. Und vermutlich wesentlich mehr.


    Es ist nicht falsch Träume zu haben Asper, die habe ich auch. Mit Deinem hat es nicht geklappt, wie wäre es, wenn wir dann meinen nehmen?

    Ich mag gerne Kekse mit Trockenfrüchten und wie isst Du Deine?", fragte Pullus gut gelaunt.

    Pullus


    Als Asper so den Kopf neigte, dass sich ihre Nasen und ihre Stirn berührten, schmunzelte Pullus und für einen winzigen Augenblick fühlte er sich verlegen. Er hatte sich den Moment völlig anders vorgestellt, aber er genoss ihn. Nicht alles konnte man planen oder in eine Tabula pressen.


    "Du hast versucht den Falschen anzufüttern, wobei ich verstehe was dahintersteckt. Ich hatte leider keine Kekse und keine anderweitige Idee ohne Dir, ihm oder mir zu schaden. Aber das was nun vorgefallen ist, zeigt mir, wie schnell es vorbei sein kann. Deshalb habe ich mich gefragt, ob ich das wirklich so stehen lassen möchte. Soll ich es unausgesprochen lassen? Wer weiß was morgen ist Asper, so weißt Du heute einer hätte Deine Kekse sehr gerne gegessen und zwar ich.


    Wir könnten uns nicht mal nach Dienstschluss treffen, wir treffen uns heute nach Dienstschluss und gehen in eine Taberna. Irgendwohin wo wir in Ruhe reden können, entweder weil wir für uns sind oder so viele Leute dort sind, das unser Gespräch bei anderen untergeht. Oder hast Du ein andere Idee?", fragte Pullus und drückte seine Stirn fester gegen die von Asper.

    Pullus


    "Nein Asper er isst nur Zuhause, er holt sich nicht mal Appetit woanders. Er wird Deine Kekse niemals essen, nicht so wie Du es Dir wünscht. Du weißt doch selbst wie er ist, oder etwa nicht? Meinst Du er wäre in Keksangelegenheiten locker, wo er sonst so verbissen an allem festhält? Glaubst Du er würde nur einen Krümmel von den Keksen samt der Bedeutung essen? Wird er nicht, kann er nicht und will er nicht. Aber ich hätte gerne einen Bäcker der mich mit Keksen versorgt, Du nicht?", fragte Pullus ernst.

    Pullus


    Pullus trat so nah an Asper heran, dass sich fast ihre Nasen berührten.

    "Verarsch mich nicht Asper. Du bist der Bote, der Bäcker, er ist der Kunde. Du, er und ich wir ticken gleich, kapiert? Er will Deine Kekse nicht! Er hat jemanden der ihm Kekse liefert, er isst nur von dieser Person die Kekse. Ja mir schmecken die Kekse, aber ich würde gerne den Bäcker kosten", raunte Pullus und stach Asper mit dem Finger in den Bauch.

    Pullus


    Mit vor der Brust verschränkten Armen wartete Pullus vor der Barackentür. Die Stimmung war geknickt, einer von ihnen fehlte und das war ein Stich in der Seele. Für Scato hatte es eine ganz andere Bedeutung über die er schwieg. Aber sein Schweigen war seinem Verständnis geschuldet, er fühlte es, er ahnte es, er wusste es und deshalb waren seine Lippen versiegelt. Dafür würde er an anderer Stelle nun den Mund aufmachen.


    Einen Augenblick später war Asper bei ihm und Pullus betrachtete den Mann von oben bis unten und schloss hinter ihnen die Tür. Das was er sagte, war nicht für fremde Ohren bestimmt.


    "Kekse", sagte er kaum hörbar.


    "Ich weiß dass die Kekse von Dir sind. Ich weiß für wen sie sind und ich weiß warum Du sie ihm zusteckst. Dein Geheimnis ist bei mir sicher, wir teilen den gleichen Geschmack. Allerdings gilt mein Interesse dem "Bäcker" und nicht dem Kunden", flüsterte Pullus und starrte Asper herausfordernd an.

    Pullus


    "Ganz ruhig Scato, Du hast ja Recht. Ich lege doch seine Sicht dar und ich hätte es nur schön gefunden, wenn es nicht verloren ging. Aber was ist ein Schwert im Vergleich zu unserem Barackenbruder? Du wirst sehen, es wird alles wieder gut, es muss einfach, hörst Du? Und nun hocke Dich bitte wieder hin, ich bat Asper nach draußen. Nichts für ungut Scato", antwortete Pullus freundlich und legte Scato ein Stück von seinem gefüllten Brot hin.


    Pullus stand auf und ging nach draußen. Dort wartete er auf Asper in der Hoffnung, dass dieser ihm auch folgen würde.

    Pullus


    Pullus nahm ebenfalls einen Schluck auf Lurco und warf Asper und dann Scato einen Blick zu.

    "Mich interessieren seine Waffen und Dich ebenso. Natürlich könnte er neue Bewaffnung erhalten, sollte die alte abhanden gekommen sein, aber sein Schwert bedeutet ihm immens viel. Sagen wir es mal so, es ist kein reines Handwerkszeug für ihn. Kein Mittel zum Zweck, sondern es hat eine tiefere Bedeutung. Und die Klinge hat ihm das Leben gerettet, so eine Waffe sollte nicht verloren gehen oder?", gab Pullus zu bedenken und nahm sich ebenfalls einen Keks von Asper.


    "Könnte ich Dich nachher mal draußen sprechen Asper?", fragte Pullus mit nicht zu deutendem Ton.

    Der Blick seines Praefectus Urbi war streng, Lurco wertete ihn als unnachgiebig, ehe die Worte von Herius Claudius Menecrates in seine Gedanken sickerten. Dort hallten die Worte in den Gedanken des Urbaners von Menecrates nach. Degration zum Optio.... Als Offizier hatte er Vorbildfunktion....


    Ausbilden wirst Du nicht....

    ... aber er würde leben!


    Lurco schluckte und schaute Menecrates in die Augen. Dieser Mann hätte ihn hinrichten können, der Praefectus wusste dies und Lurco wusste es ebenso. Aber nichts dergleichen geschah. Keine Drohung, kein böses Wort, keine Herablassungen. Menecrates bestrafte ihn und reichte ihm damit zeitgleich die Hand. Er verhielt sich wie man es sich von einem Vorgesetzten, ja wie man es sich sogar von einem Vater wünschte.


    `Anstatt ins Leben geprügelt, mit einer Handreichung geholt´, dachte Lurco erstaunt und gerührt zugleich.


    "Danke", antwortete Lurco schlicht und in diesem einen Wort lag all das was er gerade empfand. Das was er noch zu sagen hatte, fand hier keinen Platz. Menecrates hatte bewusst die gesamte Situation umschrieben. So war Frugi unwissend und Unwissenheit war manchmal ein Segen. Lurco räusperte sich.


    "Du wirst das in mich gesetzte Vertrauen nicht bereuen Praefectus", fügte Lurco glücklich an und hoffte niemand hatte das Rumpeln gehört, von dem Stein der ihm gerade vom Herzen gefallen war.

    Lurco hörte weiterhin schweigend zu. Denn das größte Problem bestand meist darin, dass Leute nicht zuhörten um zu verstehen, sondern nur um zu antworten. Die Tatbestände die sein Praefectus aufführte entsprachen den Tatsachen. Er hatte Befehle verweigert, er hatte sich Ermessensspielraum gegönnt, er hatte zwischen den Zeilen gelesen und hatte so gehandelt, wie er es für richtig gehalten hatte. Ob dies richtig gewesen war, konnte er nur rückblickend beantworten. Nein, dass war es nicht.


    Zu dem Zeitpunkt hatte er mit dem Herzen gedacht, anstatt mit dem Kopf. Er hatte sich und andere in Gefahr gebracht, nur in dem Moment, in der Situation hatte er es selbst nicht bemerkt. Enttäuschung und Demut waren es gewesen. Demut hieß nicht, weniger von sich selbst zu halten, sondern weniger an sich selbst zu denken. Er hatte nicht an sich gedacht. Lurco war weder ins Feuer noch in das Nest der Krähen gegangen für Ruhm, Ehre oder gar eine Auszeichnung. Er ging für jene die nicht mehr gehen konnten. Für jene die für immer liegengeblieben waren. Und beinahe wäre es ihm ebenso ergangen. Wem hatte er damit letztendlich gedient?


    Scato? Seinen Barackenbrüdern? Seinen Urbanern?

    Tja hinterher wusste man immer mehr.


    Sie benötigten Vorgesetzte, die Befehle erteilten die ihnen allen dienten. Befehle die verlässlich waren und die der Aufgabe und den Urbanern gerecht wurden. Befehle die genau das bewirkten, was sein Praefectus angesprochen hatte. Aber damit dachte er wieder einen Schritt zu weit, ob ein Befehl dem entsprach hatte nicht er zu entscheiden. Er hatte ihn auszuführen und nichts weiter.


    Er sollte das Überlegen vor das Handeln setzen, falls es zukünftig noch etwas zu überlegen und zu handeln für ihn geben würde.

    Was auf Befehlsverweigerung stand, war Lurco bewusst.


    Lurco erwiderte den Blick von Herius Claudius Menecrates.


    Sollte er diesen Mann um sein Leben bitten? Nein, denn nicht Menecrates hatte es verspielt, sondern er selbst. Niemand sonst hatte ihn in die Situation gebracht, in der er sich nun befand. Und weshalb sollte jemand seine Bitte erhören? Welche hatte er erhört, als seine Ohren für jedes Argument taub waren, außer jenen die seiner selbst auferlegten Aufgabe dienten sein Schwert in das Blut der Krähen zu tauchen?


    Lurco wollte nicht sterben. Er hatte auch nicht derart unbedacht gekämpft, weil ihm sein Leben nichts wert war, sondern weil er das seiner Brüder beschützen wollte. Für einen Sekundenbruchteil dachte er an Scato und seinen Rat. So weit war der Ausgang nicht entfernt und er hätte die Überraschung auf seiner Seite. Er müsste sich nur umdrehen und rennen was seine Beine hergaben. Und dann? Lurco wischte den Hirnfurz mit einem Gedanken beiseite.


    Er war nicht hergekommen um davon zu laufen und er hatte seinem Praefectus nicht die Wahrheit gestanden, um ihn dann stehen zu lassen. Er hatte ihm alles anvertraut, also musste er erneut Vertrauen in diesen Mann haben. Hatte er es nicht, hätte er schweigen müssen. Lurco hatte nicht geschwiegen, drum schwieg er jetzt und wartete auf das Urteil seines obersten Vorgesetzten.

    Auf den Befehl hin Stillgestanden tat Lurco genau das und hörte seinem Praefectus aufmerksam zu. Was danach folgte war... ein Lob. Lurco hoffte, dass man ihm seine Verwirrung nicht ansah. Sein Praefectus führte auf, dass er ausgezeichnet ermittelt hatte und sich dafür die Phalera verdient hatte. Er durfte diese sogar behalten. Nun um die Phalera war es ihm nicht gegangen, mehr Auszeichnung als die Phalera war das Lob von Herius Claudius Menecrates.


    Doch so wie sein oberster Vorgesetzter sprach kam gleich das große ABER.

    Aber vermutlich wird Dir die Phalera bei den Löwen nichts nützen?...

    Weil... dass würde sicher folgen.


    Oder es ging beim Abgrund schon gar nicht mehr um die Ermittlungen und die Statio, sondern um den Schwamm? Lurco zermarterte sich den Kopf und überlegte fieberhaft, was er neben den 27 geschlachteten Krähen von denen 2 schon tot gewesen waren, noch angestellt hatte. Ihm fiel beim besten Willen nichts ein. Doch! Die Befehle! Er hatte sich ziemlich großzügig ausgelegt, jedenfalls jene von Cerretanus. Aber dieser Mann hatte manchmal einen derartigen Unfug befohlen, dass er nicht wusste ob das Hohn oder Befehl war. Wie damals als er Phyton aus den Flammen zog...


    Aber sein Praefectus hatte eindeutig gesagt, dass nur die Einhaltung der Befehlskette die Zuverlässigkeit der Truppe gewährte. Oder übersetzt, wo das Versagen des Einzelnen den Tod aller bedeuten konnte, durfte es keine Gnade geben. Das bedeutete, genauso gnadenlos wie er vorgegangen war, würde man auch ihn aburteilen. Gleich was er vorher getan hatte, denn man hatte ohne Ansehen der Person zu entscheiden. Hatte er das bei den Krähen getan? Nein. Er hatte sie gehasst und zwar stellvertretend für alle, die dazu nicht mehr in der Lage gewesen waren.


    Lurco schalt sich binnen eines Atemzug, er musste bewusst seine Gedankenflut unterbrechen ehe er sich völlig verzettelte und sein Praefectus aus den Sandalen sprang, weil er ihm scheinbar nicht zuhörte. Dabei hörte er zu und dachte in Dauerschleife was nun kommen würde. Nachfragen durfte, konnte und würde er nicht. Er hatte diesen Mann zu nichts aufzufordern. Im Gegenteil er hatte sich zu gedulden und zu warten. Nicht gerade eine seiner leichtesten Übungen, aber er gab sein Bestes. Denn auch das hatte Herius Claudius Menecrates verdient.


    Er war der Einzige gewesen, der ihm zugehört hatte. Da gebot es schon allein der Anstand, dass er den Mund hielt und sich auf gleiche Art bedankte.


    Lurco schaute seinen Praefectus abwartend an und entgegen seiner sonstigen Art schwieg er.

    Lurco nickte grüßend Frugi zu.

    "Salve Frugi, doch ich komme Dich besuchen. Natürlich hätte ich Dich gerne auch mal so besucht. Allerdings bin ich heute dienstlich hier, da ich mich im Vorzimmer des Officiums unseres Praefectus Urbi umgehend melden sollte. Und hier bin ich. Folglich habe ich einen Termin, ob bei unserem Praefectus oder bei Dir, weiß ich nicht", antwortete Lurco .


    In jenem Moment trat Herius Clauius Menecrates in das Vorzimmer.


    "Salve Praefectus", grüßte Lurco respektvoll, "ehe ein falsches Bild entsteht, ich habe Deinem Befehl Folge geleistet und den Arrest vollzogen. Deinen Befehl mich unverzüglich im Vorzimmer zu melden, habe ich durch meinen Kollegen Tarpa erfahren. Ich habe also den Arrest und damit den Befehl nicht gebrochen", erklärte Lurco. Immerhin konnte dies auch ein Test bezüglich seines Gehorsams sein. Arrest hieß Arrest und nicht Erholungsurlaub in der Castra. Folglich hätte er unter Arrest den Aushang nicht lesen können, dass er hier stand wäre somit Beweis für seinen Ungehorsam, grübelte Lurco und wartete ab. Manchmal war er wirklich ein Umstandskrämer und dachte um zu viele Ecken. Ob Test oder nicht, sein Schicksal würde sich hier entscheiden.

    Pullus


    Pullus setzte sich an den Tisch und schaute in die Runde, er blickte in jedes einzelne Gesicht, ehe er auf die große Zeichnung der Götter starrte. Gemeinsam hatten sie die Zeichnung gefertigt und Lurco hatte Mars gemalt.


    "Er wird zurückkommen Scato, er muss. Er ist ein Kämpfer und er ist verbissen. Wo sind seine Waffen? Trinken wir auf ihn", sagte Pullus, bewusst den Namen vermeidend. Er hatte das Gefühl, dass es ihm nicht zustand seinen Kameraden in dieser Situation beim Namen zu nennen. Er hätte gerne mehr gesagt, aber das was er zu sagen hatte, war für andere Ohren nicht bestimmt und möglicherweise stimmte es nicht, was Pullus dachte. Er sah viel und sprach wenig. Er sah woher die Kekse kamen und verstand die Botschaft. Und er sah was Scato um den Hals trug wie heilige Artefakte. Pullus war ein guter Beobachter, dass musste er sein, um selbst nicht gesehen zu werden.


    "Auf ihn, möge Mars ihm beistehen", sagte er und hob seinen Becher Posca.

    Lurco schaute auf, als Tarpa die Baracke betrat, hörte sich an was dieser zu sagen hatte und nickte knapp. Für die kleinen Wortgefechte hatte er keine Kraft mehr.


    "Ob ich mal an Dich gedacht habe? Ich denke ständig an Dich. Und nein, ich fühle mich nicht gut. In meinem Hals steckt ein Kloss und in meinem Magen liegt ein Stein, der Rest fühlt sich eisig an. Wie gesagt, ich bin gut darin einzufangen, nicht wegzulaufen. Du bist der Einzige der alles weiß, Du weißt wieso ich es getan habe und was ich vor hatte weiterhin zu tun Scato. Glaubst Du das mache ich aus Freude oder ich hätte keine anderen Hobbys? Nein nenne mich einen Idioten oder einen verblendeten Trottel, vielleicht bin ich das sogar, aber ich wollte etwas dagegen unternehmen dass man uns und unbescholtene Bürger abschlachtet.


    Ist das nicht die Aufgabe der Urbaner? Ich komme mir vor, als erzähle ich das hundert mal am Tag und es interessiert immer noch keinen. Als sollte ich mich dafür schämen, dass ich zur Waffe gegriffen habe. Was wäre die Alternative? Hätte ich die Krähen fragen sollen, in welche Ecke ich mich legen soll, zum Abmurksen? Ich war es leid Scato, ich war das Desinteresse, die Lügen und Heucheleien leid. Ich wollte einfach, dass es zu Ende ist. Dass dieses Kapitel der Krähen ein Ende findet. Und ich wollte es jemanden erzählen, jemanden der es verstehen würde, jemanden dem ich vertraue. Das war unser Praefectus Scato. Er war der Einzige der uns helfen wollte, der zuhörte und sich der Aufgabe angenommen hat, dass alles aufzuklären. War ich ihm da nicht die Wahrheit schuldig?


    Möglicherweise hast Du Recht und ich hätte fliehen sollen. Kann man vor dem Praefectus fliehen? Er wäre nicht wo er ist, wäre er ein so leicht zu täuschender Mann Scato. Er mag alt sein, aber er ist schlau und gerissen und er hat Erfahrung über die ich nicht verfüge. Der Mann hat vermutlich mehr vergessen als ich je wissen werde. Würde ich ihm widererwartend entkommen Stöckchen, wäre dies das eine. Mir selbst und meinen Erinnerungen kann ich nicht entkommen.


    Zudem wollte ich Dich absichern, ich wollte Dir alles vermachen was ich besitze. Am Anfang mag es nicht viel gewesen sein, aber heute sieht die Sache anders aus. Selbst wenn die der Wert all dieser Dinge nichts bedeutet, so sollte die Casa Leonis Dir etwas wert sein. Sie war und ist unser Zuhause, es ist unsere Zuflucht wo wir beide schlicht wir sein durften. Ohne Maske, ohne Rüstung, einfach nur Du und ich. Kein Ort der Welt ist mit der Casa Leonis zu vergleichen und wenn es die schäbigste Hütte wäre, sie ist unser Nest Scato.


    Was aus Dir werden soll? Ein gesunder, glücklicher Mann hoffe ich der nicht vergisst dass ich ihn liebe. Alles weitere entscheide nicht ich Scato, dass entscheidet unser Praefectus und den Rest den entscheidest Du. Ich muss los, wünsch mir Glück", antwortete Lurco liebevoll und küsste Scato als gäbe es kein Morgen. Er drückte sein Stöckchen für einen Moment fest an sich, dann stand er auf und machte sich auf den Weg zum Vorzimmer des Praefectus.

    "Scato ich gehe nirgendwohin. Ich bin kein Windhund, sondern ein Bluthund. Vom Weglaufen habe ich keine Ahnung, aber davon jemanden auf den Fersen zu bleiben und ihn einzufangen. Deine Sorge weiß ich zu schätzen und Deine Idee ist gut. Aber wie soll es enden? Ein Leben lang auf der Flucht? Und dann noch mit Terpander? Er wird mich durch Griechenland schleifen, da wäre die Arena ein Spaziergang gegen!


    Auf der Flucht, weil ich es für unsere Brüder besser machen wollte? Weil ich es für uns Urbaner und die unschuldigen Opfer nicht so stehen lassen wollte? Ich wäre doch keinen Deut besser als die Krähen, wenn ich jetzt weglaufe.


    Du kennst mich und mein Glück. Keine zwei Schritte auf der Flucht aus unserer Baracke würde ich vermutlich unseren Praefectus über den Haufen laufen.

    Falls er dann noch auf ein Schwamm stürzt... nicht auszudenken.


    Ach Scato, ich will Dich und unser Leben auch nicht verlieren. Die Löwen sind nur meine Vermutung, vielleicht hacken sie mir auch einfach den Kopf ab oder peitschen mich öffentlich zu einem blutigen Kumpen. Ich weiß nicht, welche Strafe dafür üblich ist.


    Nach Angabe der Brandstifterin hatten die Krähen Einfluss in die höchsten Bereiche. Jene die ich geholt habe, waren vermutlich Werkzeuge, gleich wie hoch im Rang. Die grauen Eminenzen im Hintergrund blieben vermutlich unangetastet.


    Ich habe keine Verwandten Scato, ich bin der Letzte aus meiner Familie. Und genau genommen hätte es mich auch gar nicht gegeben, wie Du weißt. Ich habe Dir meine Geschichte erzählt. Falls Du meinen Besitz nicht erben möchtest, wird es keiner erben. Außer ein Staat der Urbaner bevorzugt die als Dekoration in der Castra hausen oder ihren Officium sitzen. Aber dafür habe ich mich hier nicht eingeschrieben, als bessere Topfpflanze",
    knurrte Lurco verzweifelt.

    Lurco beobachtete das treiben seiner Barackenbrüder und war ihnen mehr als dankbar für ihren Beistand. Er befühlte das Tuch, dass ihm Asper hingelegt hatte. Nun wusste er woher die Kekse kamen. Er schaute Asper und ebenso Pullus nach. Auch mit Asper würde er reden müssen. Er war die falsche Adresse für diese Kekse. Als er endlich allein mit Scato war und dieser ihm über die Wange streichelte, konnte Lurco nicht anders, als seinen Schatz einfach zu umarmen.


    "Quietus hat nichts damit zu tun. Ich hatte doch meinen Termin beim Praefectus zur Aufarbeitung des Anschlags der Statio I und was dort geschehen ist. Oder was nicht geschehen ist. Ich habe ihm die Wahrheit gesagt. Auch darüber dass nicht alle Leichen die ich gefunden hatte, bei Auffindung schon Leichen waren. Kurzum dass ich sie davon überzeugen musste, welche zu werden. Er war nicht mal wütend Scato, er war enttäuscht. Ich verstehe es, ich weiß wie er sich fühlt. Es musste raus verstehst Du? Irgendwann muss es vorbei sein. Es musste ein Strich gezogen werden unter all dem Desinteresse, dem Hass, der Verachtung und der Verzweiflung. Und er hat sich so für uns eingesetzt, so für uns gesprochen, da musste ich ihm die Wahrheit sagen. Nichts Geringeres hat er verdient.


    Du weißt dass ich als Kind immer gerne in der Arena den Löwen zugesehen habe. Das ist sie eine Tages aus nächster Nähe sehe, damit hätte ich nicht gerechnet. Ebenso weiß ich, dass die Krähen auch bei der Verhaftung ihrem gerechten Urteil zugeführt worden wären. Jedenfalls wären sie das heute. Damals? Wen hätte es damals geschert? Aber dürfen unsere Gesetze von unseren Vorgesetzten abhängig sein? Heißt es ohne Crispus keine Gerechtigkeit und wir müssen sie selbst herbeiführen und suchen? Heißt es ohne unseren Tribun steht das Recht still und ohne unseren Praefectus ebenso? Eigentlich nicht oder? Doch so war es gewesen.


    Meine Tat machte kein unschuldiges Opfer wieder lebendig, aber meine Art der Krähenbehandlung verhinderte weitere Opfer. Gut eingesperrt im Carcer hätten sie auch niemandem mehr schaden können. Jedenfalls bis zu dem Tag, wo Cerretanus sie freigelassen hätte mit welcher fadenscheinigen Ausrede auch immer. Oder sogar ganz ohne Ausrede.


    Sage Pullus, er muss die Ermittlungen in Sachen Püppchen-Mord alleine weiterführen. Übergib ihm meine Fallakten. Er hat einen Befehl von Maro, diese Aufklärung stand unter einem Befehl, dass ist seine Handlungsgrundlage Scato. Falls nicht sogar dieser Mord sogar noch mit den Krähen zusammenhängt. Und übergib ihm das Püppchen... jetzt fange ich schon wieder damit an...


    Hör zu, das ist alles Nachwirkungen von einer Handlung die im Hintergrund gegen uns stattgefunden hat und letztendlich hat mich auch meine Reaktion darauf eingeholt. Es gibt keinen Weg zurück", antwortete Lurco und tippte auf Scatos Anhänger die er um den Hals trug.


    "Ich liebe Dich Scato. Meinen gesamten Besitz vermache ich Dir, dass heißt ich schreibe es auf und Du musst es zum Tempel der Vestalinnen bringen oder selbst verwahren hörst Du?


    Verkaufe die Häuser, mach alles zu Geld und sieh zu dass Du diesen Moloch verlässt. Zwischen Dir und dem Sumpf stehen nur zwei Männer und sie werden da nicht ewig stehen. Wobei die Entscheidung liegt letztendlich bei Dir. Wie heißt es so schön? Es war mir eine Ehre... Ins Leben hinein und hinausgeprügelt... pass auf Dich auf Stöckchen, es tut sonst keiner", sagte Lurco liebevoll und küsste Scato auf den Mund.

    Barackenarrest


    (von hier kommend: RE: Statio I Urbana - die Aufarbeitung )


    Lurco war auf direktem zu ihrer Baracke gelaufen und trat ein. Im Vorraum blieb er stehen und betrachtete die dortige Ausrüstung der Kameraden. Seltsam wie von einem Moment auf den anderen der Blickwinkel auf die Welt verschoben werden konnte. Weshalb dem so war, wusste er. Was noch folgen würde, wusste er nicht. Einfach abwarten war noch nie seine Sache gewesen und hatte ihn genau in diese Situation gebracht. Trotzdem musste er einiges klären, gleich wie es für ihn weitergehen würde und was mit seinem Besitz im Wenn-Fall geschehen sollte.


    Lurco betrat die Stube, schaute ob noch etwas zu Essen im Topf war und schnappte sich dann etwas Brot und Käse. Beides hart, beides alt, beides trocken. Das passte perfekt. Wo waren nur die köstlichen Kekse von Scato um seine Seele zu wärmen, wenn er so einen Keks dringend brauchte? Was scherten ihn eigentlich die Kekse. Lurco schaute auf und betrachtete Scato der ebenfalls in der Baracke anwesend war.


    "Hast Du einen Moment Zeit? Ich muss mit Dir reden und zwar allein unter vier Augen. Aber es muss in der Baracke stattfinden, denn ich stehe unter Arrest...", sagte Lurco und stopfte sich ein hartes Stück Brot in den Rachen.