Die Worte von Tacitus musste Terpander durchdenken - auch, weil das Wort "Liebe" ihn in dem Zusammenhang schockte. Hielt Tacitus ihn wirklich für einen romantischen Träumer? Dann musste er an sich arbeiten. Er selbst sah sich als Realist und auch als Opportunist, doch wer wusste schon, wie er mittlerweile wirkte? Er hatte zu bequem gelebt, darum ging es ihm auch so elend.
"Kann es sein, dass wir von verschiedenen Dingen sprechen?", versuchte er die Dinge zu ordnen. "Erstens meinte ich mit 'Liebhaber' keinen 'Geliebten'. Das sind für mich zwei paar Schuhe. Den Geliebten liebt man, mit dem Liebhaber hat man Spaß. Wenn man sich nur als Liebhaber sieht, muss man keine Gefühle haben, es genügt Sympathie. Und zweitens muss der Beischlaf auch nicht an das Zeugen von Nachkommen gebunden sein. Weder Liebe noch Zeugungsabsichten sind also für guten Beischlaf notwendig. Wenn du es so betrachtest, findest du dann immer noch, dass er einen vom Erkenntnisgewinn abhält?"
Auf die Antwort war Terpander gespannt, da er von Philosophie keine Ahnung hatte. Er hielt sie - wie so vieles andere - für Zeitverschwendung, aber das würde er Tacitus nicht sagen, denn die Philosophie schien ihm auf einer persönlichen Ebene wichtig zu sein.
Dann aber schlug Stilo genau in die Kerbe des Theaters. Terpander verzog keine Miene, doch entgegen seiner üblichen Art wischte er die Meinung des Jüngeren nicht einfach mit einer rüden Floskel beiseite, sondern dachte darüber nach. "Theater zur Bildung und Pflege von Kultur", wiederholte er langsam. "Gibt es so was denn? Alles, was ich miterleben musste, als ich meinen jungen Herrn Scato ins Theater begleitete, war massentauglich aufbereitet." Oder Scato hatte schlichtweg bloß dumme Theaterstücken besucht. "Auch in Mogontiacum gibt es ein Theater. Falls mal eine solche Aufführung stattfindet, wie du sie beschreibst, könntest du mich mitnehmen", schlug Terpander großmütig vor. "Dann kann ich dir hinterher aus Sicht des Paedagogus sagen, was ich davon halte."