Beiträge von Kyriakos

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    Evenor


    Kyriakos hatte ihn davor gewarnt, allein nach Kundschaft zu suchen. Doch was sollte Evenor tun? Python war ihm blind keine Hilfe mehr und Castor und Pollux waren nach ihrem letzten Doppelmord vorübergehend untergetaucht. Ohne einen Beschützer waren die Straßen gefährlich für jemanden wie Evenor. Aber wenn er sich allein ein paar Asse verdiente, anstatt im Lupanar die Zeit totzuschlagen, konnte er das Geld unbemerkt beiseite schaffen, ohne Kyriakos den Pflichtanteil überlassen zu müssen. Evenor war nicht so dumm, wie alle behaupteten. Er konnte allein zurechtkommen. So hatte er sich geschminkt, seine Locken mit dem heißen Eisen hinab in den Nacken gezogen, damit sein Hals schmaler wirkte, und war allein hinaus in die Nacht getrippelt. Ein nach Mädchenparfum duftendes, flatterndes Gewand umspielte seine Konturen, darunter war er nackt.


    Ein Zug durch die Stadt weckte seine Aufmerksamkeit. Wo gefeiert wurde, floss Wein. Wo der Pegel stieg, stieg das Bedürfnis nach Nähe. Evenor beeilte sich. Bald holte er die Feiernden ein, augenscheinlich eine Hochzeitsgesellschaft. Er begleitete die Veranstaltung in gerade ausreichender Entfernung, dass man ihn nicht verjagen würde, lächelte, als würde er sich zieren, kicherte dann und wann und zog in gespielter Scham die Locken vor sein Gesicht. Es dauerte nicht lange, bis jemand auf ihn zukam. Evenor hatte Glück, der Mann war gepflegt.

    »Wohin darf es denn gehen, Süßer?«, fragte er mit hoher Stimme, ein wenig auf seinem Zeigefinger kauend und jungfräuliche Verlegenheit simulierend. Er konnte bewusst seine Wangen erröten lassen und tat genau das.

    So ist es, Saturninus. Und mit den Folgen muss ich nun leben.


    Es ehrt mich, wenn jemand für Kyriakos zu fechten bereit ist. Doch bitte ich darum, dass niemand seinetwegen in ein Spiel gezwungen wird, zu dem er nicht bereit ist. Trotz seiner zwielichtigen Umtriebe soll Kyriakos SimOFF keine Last sein, sondern Bereicherung. Er soll das IR um eine dunkle Facette der Gesellschaft erweitern und kein Lästling sein.

    Da das IR glücklicherweise auf eine gebildete Community blicken darf, verstehen die Leser meines Beitrages, dass der Begriff der Nächstenliebe sich nicht auf die handelnden Figuren, sondern auf die Leserschaft bezieht. An jene pflegt eine Moral sich üblicherweise zu richten. ;)


    Von einem Prozess möchte ich absehen, wenn er den erforderlichen Mitspielern keine Freude bringt. Aber die Ablehnung auszuspielen, und sei es als formloser Brief, würde mich freuen, da sie gutes Material für meine Einmann-Tragödie wäre.


    Dein Gegenvorschlag zum Prozess um die Giftmischerei würde mich indes als Leser ausgesprochen interessieren und SimON würde ich um Freund Hairan bangen.

    Der Sinn des Rollenspiels ist das Spielen einer Rolle. Ich hoffe, dass niemand die Handlungen, Gedanken und Gefühle einer Spielfigur auf ihren Spieler überträgt. Auch hoffe ich umgekehrt, dass niemand hier sich selbst spielt.


    Prostitution ist ein menschenverachtendes Geschäft, welches fühlende Wesen zu Hüllen degradiert - dies gilt übrigens auch für die Kundschaft. Die Geschichte um Kyriakos ist keine Verherrlichung der Prostitution bestimmter Bevölkerungsanteile, sondern berichtet vom Gegenteil. Ich verharmlose nichts, meine Lupos sind Verlorene, die an ihrem Dasein zugrunde gehen. Die Geschichte von Kyriakos und seinem Umfeld zeigt die Schattenseiten der Gesellschaft, deren Mahlwerke all jene zermalmt, die keinen Rückhalt haben.


    Dass kein Advokat sich der Not von Kyriakos und seiner Lupos annehmen möchte, steht symptomatisch für die traurige Moral der Geschichte: Nächstenliebe ist nicht bedingungslos. Als Spieler nehme ich die Ablehnung ganz ohne Groll auf, da jeder das Recht hat, einen vorgeschlagenen Plot abzulehnen, unabhängig der Beweggründe. SimON träfe die Ablehnung ins Schwarze.


    Den einen Wunsch möchte ich äußern: Diese Ablehnung dereinst SimON kommuniziert zu bekommen, wenn möglich, um die Tragödie fortführen zu können. Sie passt hervorragend in die Geschichte des Verzweifelten. Auch dieser Wunsch darf abgelehnt werden. ;)


    Zitat

    Ich möchte jedoch einwerden, zu guter letzt, dass ich die Character-Zeichnung des Kyriakos durchaus interessant empfinde, da wirklich versucht wird, sie von Zukunftsutopien (20./21.Jhd) fernzuhalten.


    Ich danke dir. Ich bin darum bemüht, schreibend möglichst ganz in meine Figur einzutauchen. Die Moralvorstellungen der Gegenwart haben in meiner Geschichte nur insofern Platz, als ihr Autor der heutigen Zeit entstammt und nicht gänzlich aus seiner Haut kann.

    Freilich polarisiert der Verhandlungsgegenstand, wie historisch stimmig er auch sein mag. In den römischen Lupanaren gab es nach unten keine Altersbegrenzung. Dennoch habe ich die Altersgrenze des Etablissements festgelegt nach den (historisch begründeten) Vorstellungen von Kyriakos, geprägt durch das Umfeld, in welchem er aufwuchs, damit es überhaupt spielbar ist. Er wählte als Untergrenze jenes Alter, in dem ein Jüngling in seiner Heimat üblicherweise von einem Älteren umworben wurde. Insofern handelt Kyriakos moralischer als die tatsächlichen Zustände in Rom einst waren. Dies nur, um eine Lanze für die ID zu brechen. Dass das Thema nicht für jeden spielbar ist, akzeptiere ich und möchte das auch gar nicht bagatellisieren. Das Thema ist hart und grausam, so wie das Leben nun einmal ist. Ich liebe Tragödien.


    Die Hilfe von Annaeus Conservator würde ich zu gern annehmen, es wäre ein spannendes Gespräch, doch ohne Gegenseite macht dies in der Form keinen Sinn. Vielleicht kann man einander anderweitig im Spielgeschehen begegnen.

    Nur Python ist ein (entlaufener) Sklave, die übrigen Jungs dürften Peregrini sein - falls dies eine Rolle spielt. Sie gehören mir nicht, ich benutze sie nur zum beiderseitigen Vorteil - Arbeit gegen Nahrung und Unterkunft und, wenn es reicht, auch ein Taschengeld.


    Gern bin ich bereit, in dem Fall mitzuwirken, er würde zum verbitterten Kyriakos passen. Aber natürlich gilt: Jedes Angebot darf abgelehnt werden.


    Ich freue mich aber, das hier und da Interesse an der Geschichte um den seiner Würde beraubten Spartiaten besteht und dass er noch taugt, um "spinnerte" Ideen bei seinen Lesern zu generieren. :)

    Wie ein sehr viel edlerer Mann als ich einst sprach: »Ich behalte keine Hoffnung für mich.«


    Es wäre für mich kein Unterschied zu sonst. Aber vielleicht ein interessanter Prozess, wenn gewünscht. Andernfalls findet sich sicher ein anderer, vielleicht spannenderer Verhandlungsgegenstand als das niedergebrannte Lupanar eines namenlosen Niemand.

    Man sagte, die Griechen seien die besten Ärzte. Fast jeder Arzt des Imperiums stammte aus Griechenland. Doch Kyriakos war der Heilkunst nicht mächtig. Er hatte die gegenteilige Kunst erlernt: Die Kunst, den menschlichen Organismus zu zerstören, seine Funktionen zu vernichten. Kyriakos wusste, wie man tötete. Den römischen Medicus beobachtete er halb bewundernd, halb voll Misstrauen, als er von seinem eigenen Atem gab und das Herz anpumpte, als sei dieser Mann nur ein Blasebalg aus Muskelfleisch. Doch am Ende - atmete der Patient zu Kyriakos´ größter Überraschung wieder. Die eigenwillige Behandlung hatte gefruchtet.


    Der zweite Patient? Man würde sehen ...

    »Python ist nicht arbeitsfähig und wird es nie wieder sein. Niemand ordert einen blinden und verbrannten Lupo. Über die aktuellen Einnahmen wird Buch geführt. Doch wem sollte ich die Knaben melden? Es sind Straßenjungen unbestimmter Abstammung. Manche kennen nicht die Namen ihrer Eltern. Sie existieren offiziell nicht einmal.«


    Kyriakos ließ damit durchklingen, dass er sie nicht versteuert hatte. Ein Betrüger war er mitnichten, nur bar jeder Kenntnis über die römischen Verwaltungsabläufe. Vermutlich war es aus dieser Warte als positiv zu rechnen, dass die alten Unterlagen von den Flammen vernichtet waren. Und dann gab es noch den entlaufenen Sklaven Python, den vielleicht das Kreuz erwartete, wenn man seiner Identität gewahr wurde.


    Dass er bezüglich des Brandes an die Cohortes Urbanae verwiesen wurde und gar an den Prätor, ließ ihn einen Moment vor Enttäuschung mit den Worten ringen, ehe er nickte. »Dieser Hinweis hätte für mich zu erahnen sein müssen. Dem Aedil obliegen natürlich andere Aufgaben. Ich danke dir für deinen Rat und werde ihn beherzigen.«

    Ich zürne.


    Mein Lupanar wurde niedergebrannt, es gab Tote und Schwerverletzte. Noch immer sind keine Fortschritte der Ermittlung zu verzeichnen, wie ich bald erfahren muss, denn ich werde mich erkundigen gehen. So würde ich mich in Gestalt des Klägers zur Verfügung stellen. Dies würde voraussetzen, dass Furius Saturninus ebenfalls ein Interesse an diesem Spiel hegt, da er wohl zumindest als Zeuge, womöglich als Angeklagter zugegen sein müsste.


    Unabhängig von der Rechtslage, von welcher ich mir keine Ahnung zu haben attestiere, würde ich mich als Verlierer des Prozesses zur Verfügung stellen - ich habe nichts mehr zu verlieren. Das Spiel von Saturninus soll durch den Prozess nicht beeinträchtigt werden, sondern der Prozess für alle eine Bereicherung des Spielerlebens darstellen.


    In dem Sinne - schlagt zu. Stampft mich noch ein Stück tiefer in den Dreck.

    Ein Trupp von Lupos eilte in Richtung der Rauchsäule. Den Brand des eigenen Lupanars noch lebhaft in Erinnerung, konnte Kyriakos nicht tatenlos zusehen, wie sich die Existenz eines anderen in gleicher Weise in Asche und Rauch auflöste. Ein ausgeprägter Gemeinschaftssinn war ihm anerzogen worden, der nicht vergangen war trotz seines harten Lebens. Nur Python - er konnte nicht kommen, von Blindheit geschlagen, seitdem er in den Flammen hatte umkommen sollen. So wachte der einstige Gladiator über Nymphis, hielt den Jungen in seines Vaters Mantel gewickelt fest in seinen Armen an sich gedrückt, während er zitternd ob des Brandgeruchs im Ganymed ausharrte.


    Kyriakos aber und die übrigen Lupos eilten zur Stelle. Nein, sie waren keine Ärzte, aber sie versuchten ihr Bestes. Castor und Pollux als die Wagemutigsten drangen in den lodernden Hades vor, um zu sehen, ob sich nicht noch jemand - oder etwas - retten ließ. Für Kyriakos mit seinen lahmen Füßen wäre dies ein unmögliches Unterfangen. Doch ging er nieder auf die Knie bei den beiden Bewusstlosen.


    »Hört ihr mich«, fragte Kyriakos und beide bekamen nacheinander eine Backpfeife. »Atmen.«


    Sie waren noch sehr nahe am Feuer ... die Hitze drang bis hierher, mit ihr der Rauch, wenngleich dünner, so doch noch merklich. Kyriakos packte beide Männer an der Kleidung und spannte die Muskeln. Einer von ihnen war schwer, doch in Kyriakos wohnte die Kraft eines Athleten. Er praktizierte eine Auswahl von Leibesübungen aus seinen früheren Zeiten noch immer jeden Tag. Langsam schleifte er sie noch weiter fort, dorthin, wo die Luft besser war.

    Die Kunden ... Kyriakos betrachtete die Ruine. In anderen Lupanaren gab es keine Fenster. Die Räume glichen Gruften mit gemauerten Betten, der Qualm von Ölfunzeln verdickte die Luft zu einem kaum atembaren Gestank. Länger als zehn Minuten hielt man es darin nicht aus, diese boten ein reines Abreagieren ohne Atmosphäre. Ganz anders war es im Ganymed gewesen ... jeder Raum besaß ein Fenster und kleine Öfen hatten für wohlige Wärme gesorgt. Mosaike hatte es gegeben, Vorhänge, Getränke ...


    »Die Zahl meiner Mitarbeiter schwankt, Aedil. Gegenwärtig sind es sieben, die für mich arbeiten: Evenor, Nicon, Castor und Pollux, Python, Byzas und Xerxes. Sie sind gesund, bis auf Python. Er hat von dem Brandanschlag Verbrennungen davongetragen.«


    Und ja, auch die Wände waren schön bemalt gewesen. Eines der Bilder hatte das Feuer nicht vom Putz geschält, es war vorsichtig sauber gewaschen worden, so gut es ging. Es war das Lieblingsbild von Kyriakos, welches den bärtigen Jupiter zeigte, als er den jungen Ganymed küsste. Ein Bild voller Gefühl, zu gut für ein Lupanar, doch Kyriakos hatte es sich an der Wand gewünscht. Die Illustrationen all der Träume jedoch, die in diesen Räumen Wirklichkeit werden konnten, hatten den Brand nicht überstanden. Nichts von dem, was Kyriakos hatte aufbauen wollen, war geblieben.


    Und nun stand der Aedil in seiner Tür und fragte nach den Steuern.


    »So nehme ich an, dass die Ermittlungen abgeschlossen sind? Dass ich Entschädigung enthalten werde von den Besitzern dieser Brandstifterin, dieser Mörderin, damit ich wieder in der Lage sein werde, Steuern zu entrichten? Die Unterlagen sind vernichtet. Alles ... ist vernichtet.«

    Feuer und Wein entflammten ihre Gesichter, ließen die Wangen und Herzen erglühen. Kyriakos gab Serenus keinen Anlass anzunehmen, er solle Distanz zwischen ihnen herstellen. Er lehnte sich, trunken vom Wein in die Umarmung. Serenus wurde mit Zärtlichkeiten bedacht, geküsst und liebkost. In einer gewissen Regelmäßigkeit griff Kyriakos ihm in den noch feuchten Haarschopf, denn dort konnte er fest zupacken, ohne Schmerzen zu verursachen, so fest, wie es ihm in der Seele brannte, diesen Mann zu halten und dann küsste er ihn.


    »Kometen verglühen. Man sagt, sie erschlagen Menschen und Vieh und am Ende bleiben sie als kalter, ausgebrannter Stein zurück, der vergessen in der Wildnis liegt. Ob das stimmt, vermag ich dir nicht zu sagen. Doch manche behaupten, man könnte sie sammeln, die vom Himmel gefallenen Sterne. Was wir heute trinken ist der Wein - unser Wein - nicht wahr? Ich muss es raten, doch ich ahne. Und ich weiß: Dies ist ein guter Abend, Serenus.«


    Der Abend, an welchem es besiegelt wurde. Und die Sehnsucht in Kyriakos, diesen Mann, den er rechtmäßig zu dem Seinen gemacht hatte, nicht wieder gehen zu lassen, rauschte mit jedem Herzschlag durch seine Adern. Heiß war sein Blut, so heiß wie die Küsse von Serenus.


    »Ich wünsche mir, dich so bald wie möglich wiederzusehen, Serenus. Wo? Es ist mir gleich. Ich gehe mit dir durch das Labyrinth des Minotauren, dessen Maske ich einst trug, schiebe die Wände beiseite und reiße sie ein, vertreibe die Jungfrauen, erschlage Theseus und finde für uns einen Weg hinaus.«

    »Ich bin Kyriakos. Mir gehört alles, was von diesem Lupanar übrig geblieben ist.«


    Er musterte den wohlbeleibten Mann durchdringend, der mit seinen kindlichen Gesichtszügen einen amüsanten Befehlshaber für die Soldaten abgab. Hässlich war der Kleine nicht, in Hellas hätte er Aufmerksamkeit manchen Mannes auf sich gezogen. Nicht jeder bevorzugte gertenschlanke Jünglinge - es gab genügend Menschen, welche die kurvenreiche Weichheit üppiger Formen zu schätzen wussten. Beleibte Jünglinge wirkten länger jung und fühlten sich in den Händen griffig an. Üppige Frauen hatten volle Brüste und dralle Gesäße. Kyriakos erforschte die Regungen des runden Gesichts, die Körperhaltung des jungen Aedils, alles, was sich ablesen ließ, nahm er wahr. Die Analyse währte einige Sekunden.


    Evenor im Hintergrund wusste derweil nicht, wie man einem Aedil Respekt zollte und schaute erschrocken, als er von dessen Gehilfen grob angepackt wurde. Misstrauische und ängstliche Gesichter verfolgten die Prozedur. Niemand hier wusste, wie man sich angemessen benahm - bisher waren sie verschont geblieben von derartigen Begegnungen mit den Behörden.


    Plötzlich lächelte Kyriakos. Seine Zähne glänzten weiß und gepflegt. Mit einer einladenden Geste trat er beiseite.


    »Nur zu, mein Herr. Wir haben nichts zu verbergen. Was möchtest du sehen? Was erfahren? Wie du siehst, sind wir einem Brandanschlag zum Opfer gefallen. Letztes Jahr schon. Ich bitte darum, uns die Unordnung nachzusehen.«

    In der Ruine hatte man, so weit möglich, aufgeräumt. Ein Dach gab es im vorderen Bereich nicht mehr, nur ein gespanntes Segeltuch. Die verkohlten Wände hatte man mit Kalk geweißt und ein paar rote Vorhänge platziert, doch sonderlich gemütlich sah es hier dennoch nicht mehr aus. Eine neue Sitzgruppe stand im Eingangsbereich, auf welcher der hübsche Jüngling Evenor in gemütlicher Pose mit einem Getränk in der Hand auf Kundschaft wartete. Sein Bein war so aufgestellt, dass man unter seine Kleidung schauen konnte. Die halb geschlossenen Rehaugen öffneten sich nun ganz, als der Gast in unangenehm lautem Ton vorgestellt wurde, wobei sich eine schmal gezupfte Braue verzog. Evenor änderte seine Körperhaltung nicht, doch warf einen Blick in Richtung eines Durchganges, der nach hinten führte.


    »Kyri, Besuch für dich«, rief er, sogleich zu ergänzend: »Keine Kundschaft!«


    Danach hustete Evenor. Sein Stimmbruch war noch nicht abgeschlossen und das Schreien tat seinem Hals nicht gut. Mehrere Lupos, die meisten sehr jung, kamen herbei. Von Neugier über Sorge bis hin zu Abneigung war jede Gefühlsregung auf den Gesichtern zu finden. Kurz darauf erschien auch Kyriakos persönlich in seinem pseudogriechischen Röckchen. Er war gepflegt, das Gesicht auf feminine Weise geschminkt. Die schwarzen Locken trug er zu einer nicht ganz vorteilhaften Frisur geformt. Er musterte den Mann, der in sein zerstörtes Geschäft hereingeplatzt war. Dann schweifte sein Blick aus der Tür hinaus, wo augenscheinlich Soldaten lauerten.


    »Wie kann ich helfen?«, fragte er ruhig, während er versuchte, den Befehlshaber der Truppe ausfindig zu machen.

    Kyriakos war mit seiner Portion zufrieden. In der ihm eigenen, erzwungen langsamen Gangart trug er den Korb durch die Menge. Noch immer wohnte er mit den verbliebenen Lupos in der Taberna Apicia, denn der Winter war kalt. Über das Fleisch würden sie sich zweifellos freuen. Wohin sie sich wenden würden, wenn es keinen Frost mehr gab, ob er sich durchringen würde, von dem Geldschatz eine feste Unterkunft zu kaufen oder sein dem Brand anheimgefallenes Lupanar erneut zu eröffnen ... wer wusste das schon. Es schien ihm momentan nicht sonderlich wichtig. Interessanter war, was er tun konnte, um Serenus für sich zu gewinnen. Sicher nicht, indem er ein neues Lupanar eröffnete. Und wie dessen wahrer Name wohl lauten mochte.


    Kyriakos erkannte Lurco, jenen Urbaner, mit dem ihn das Band gemeinsam vergossenen Blutes verband. Er lächelte Lurco zu, als er an ihm vorbeiging, ehe er in der Menge verschwand.

    Kyriakos bat um ein großes Stück Fleisch. Es war nicht für ihn allein, er würde es mit den Seinen teilen. Ob diese Beteuerung etwas ändern würde an der Größe, war zu bezweifeln, da andere sicher gleichwertig argumentierten, doch er versuchte der Bitte mit einer großzügigen Spende an den Tempel Nachdruck zu verleihen.

    Kyriakos vermochte nur von recht weit hinten das Opfer zu verfolgen. Wie gesittet, geradezu bieder die Römer etwas so Großartiges zelebrierten. Kyriakos glaubte nicht mehr an die Existenz der Götter. Doch die alten Rituale waren unauslöschlicher Bestandteil seines Lebens. Die Riten während der Agoge. Der Korybantentanz, die Krypteia. Die Ephebengeißelung im Heiligtum der Artemis Orthia, bei der man ihn halb tot gepeitscht hatte. Als Kyriakos das Blut und den Weihrauch roch, konnte er nicht anders, als sich die Lippen zu lecken und hungrig nach dem Fleisch zu schauen.

    »Was ich mit dir mache?«


    Kyriakos fragte dies zwischen heißen Küssen, die nach Blut und Erde schmeckten. Er saugte hart an Serenus´ Lippen, biss ihm sanft in die Zungenspitze und drängte immer näher. Erneut waren sie Licht und Schatten, waren sie Tag und Nacht, wurden Erde und Abgrund, Traum und Leidenschaft. Mit jedem Stoß schob er Serenus ein Stück durch den Schlamm, ehe er ihn mit kraftvollen Händen an den Schultern zurückzog.


    »Was ich mit dir mache ... ich liebe dich.«


    Der Akt war für Kyriakos eine Befreiung von alten Fesseln. Sein Leben lang hatte er mit seinem Körper bezahlt. Den verfluchten Lysander, dessen widerwärtigen Spielgefährten Cassander und ungezählte Freier. Und selbst Velia, die er geliebt hatte, hatte seinen Körper als eine Ware betrachtet, ihn als Kunden, der hatte bare Münze geben müssen, um sie zu berühren. Nun aber war alles anders. Kyriakos fühlte sich frei, dies war kein Geschäft, dies war wahrhaftig, er wollte es, Serenus wollte es und sie beide gehörten zusammen. Marsyas stieg aus den roten Fluten und eine neue Haut ward ihm gewachsen.