Charislaus freute sich auf den entspannten Abend. Selten ging er weg, wo sollte er auch hingehen? Im Grunde hatte jeder seinen alltäglichen Trott, der auch ganz angenehm war. Morgens stand als Erster der alte Sthenis auf, weckte ihren Herrn Viridomarus und machte ihn zurecht, ehe dann das gesamte Haus auf die Beine kam. Auch sein Herr hielt es den Römern gleich und rief am Morgen zuerst die Götter an. Für einen sicheren Tag, gute Geschäfte und Kunden mit prallen Geldsäcken.
Der Herr durchlief den üblichen Morgen wie sie alle, jeder hatte seine Aufgabe und nachdem Sthenis das Haus geöffnet hatte und Viridomarus die Sänfte bestiegen, ging es auch schon nach einem üpprigen Frühstück los in den duftenden Viri. So verlief der Morgen, der Mittag und gegen Abend wurde der Laden geschlossen.
Das war die Zeit der fleißigen Sklaven. Jeder hatte eine Stunde für sich, die er frei verbringen konnte. Vorab hatte man sich allerdings in den Thermen gründlich zu waschen und zu salben. Wer Sauberkeit und Düfte verkaufte musste mit gutem Beispiel voran gehen.
Chari wusste noch, wie es dem jungen Menalcidas ergangen war, der die Ränder unter seinen Fingernägeln vergessen hatte. Noch heute hallten die Schreie des Unglücklichen in seinen Gedanken wieder, als dieser für seine Verfehlung von Nubius ausgepeitscht wurde. Er war die Peitsche von dem Herrn nicht wert. Wo Menalcidas wohl nun war? Er hatte ihn nach diesem Abend nie wieder gesehen.
Ihr Herr war manchmal sehr streng, aber auf anderer Seite auch großzügig.
Nun heute hatte er nach den Thermen den neuen Kollegen Hyazynthos nach Hause gebracht und war sofort wieder aufgebrochen, um keine Zeit zu verschwenden. Immerhin war er mit Tiberios verabredet. Und nichts war schlimmer, als wenn jemand wartete und nicht wusste ob der andere doch noch kommen würde. Tiberios musste genauso pünktlich daheim sein wie er. Er sollte nicht durch seine Schuld die Peitsche schmecken. Nur dass nicht.
Chari schüttelte den Gedanken ab und widmete sich ganz Tiberios.
"Eine gute Idee das Parfüm sorgfältig einzuschlagen. So kann nichts zu Bruch gehen. Manchmal ist eine kleine Großzügigkeit eine gute Investition oder so ähnlich, sagt unser Herr stets. Nun die Zwillinge waren etwas frech, sie sollten Kunden werben und nicht in den Laden prügeln.
Ich glaube die beiden haben da was völlig falsch verstanden. Du halb nackt auf der Flucht vor den Zwillingen, also allein dafür gebührt ihnen doch schon unser Dank oder nicht? Das muss wahrhaft ein Anblick gewesen sein.
Warum haben sie überhaupt Deine Kleider geraubt? Damit Du bei uns neue kaufen musst? Das wäre ja eine Geschäftstaktik", überlegte Charislaus, kam aber zu keinem Ergebnis ob die Zwillinge wirklich so weit gehen würden.
"Hyazinthos der Retter in der Not, auch wenn er nichts für die Götter und Mythologie übrig hat. Die Worte von Hyazinthos waren es vielleicht, die Deine und seinen Beinen Flügel verliehen, so dass er schnell genug zu Deiner Rettung eilte", lachte Chari gut gelaunt auf Tiberios Geschichte hin.
"Sei froh dass unser Hauswächter angerauscht kam, wer weiß was die Zwillinge getan hätten, wäre Nubius nicht gewesen? Den Mann bringt scheinbar nichts aus der Fassung, man kann ihn nur bewundern. Keine Ahnung was Nubius nach dem Kuss getan hätte, vermutlich wie alles im Leben er hätte ihn mit stoischer Miene ertragen. Aber teste das besser nicht aus", schmunzelte Chari und freute sich über die Aufforderung, dass er ihr Essen aussuchen durfte.
"Dann nehme ich das Fladenbrot bitte mit doppeltem Käse und Oliven. Dazu bitte einen Krug Posca für uns beide", bestellte Chari und grinste Tib freundlich an. "Ich hoffe Du bist genauso ein Käsefreund wie ich".
"Charis? Ja gerne darfst Du mich so nennen. Das sind wirklich Begriffe mit denen mich sonst keiner bedenkt und göttlich ist an mir soweit nichts, auch wenn viele behaupten ich könnte so massieren", gab Chari zurück, verschränkte seine Finger glücklich mit denen von Tiberios und streichelte diese sanft.
"Ich zähle 19 Sommer und ich wurde in Rom geboren Tiberios. Zuerst lebte ich mit meiner Mutter bei einem anderen Herren, dem Herrn Boiorix, selbst ein ehemaliger Sklave. Wir arbeiteten gut und schnell, so hat es mich meine Mutter gelehrt. Eines Tages als ich eine Besorgung für meine Domina beim duftenden Viri abholen durfte, fragte Viridomarus mich nach meinen Herrn. Ich weiß gar nicht ob man auch zu einer Peregrina Domina sagt, aber wir hatten es aus Respekt so gehalten. Dass ist nun fünf Sommer her.
Gelernt habe ich damals bei Crixus, dem alten ehemaligen Masseur von meinem Herrn Tiberios. Er hatte im Grunde meinen Beruf und ich war sein Hyazynthos. Damals war er schon sehr alt, aber ein netter Kerl. Ich denke gerne an ihn zurück, die Lehrzeit bei ihm hat mir Freude gemacht. Was ich alles gelernt habe, von den Ölen bis zu den Düften. Wie man wo massiert und vor allem wo niemals. Es gibt so viele Dinge, die man beachten muss. Es kommt anderen vielleicht wie eine einfache Tätigkeit vor, aber man muss sehr viel über Gesundheit wissen um niemanden zu schaden Tiberios.
Was ist mit Dir? Erzähle mir von Dir", bat Chari und hoffte noch etwas über die Heimat von Tiberios zu erfahren. Er selbst hatte da nicht viel zu berichten, denn Rom war Rom. Jedenfalls für sie beide.