Beiträge von Charislaus

    Charislaus grübelte über die Worte nach.


    "Ein Mörder sollte ein wertvoller Mensch sein? Ich weiß nicht viel von Gesetz, Recht und Ordnung, aber das Mord ein Verbrechen ist, dass weiß sogar ich. Möglicherweise hatte sich der Mann der ermordet worden war, etwas zu schulden kommen lassen. Dass kann durchaus sein und streite ich auch nicht ab. Es kann sogar sein, dass diese Männer den Mann verhaften sollten. Aber was unterscheidet sie denn dann noch von den Verbrechern die sie jagen, wenn sie jeden einfach ermorden? Nichts.


    Sie haben ihn weder angehört, noch haben sie ihm gesagt was er angeblich verbrochen hat und Beweise haben sie ihm auch nicht vorgelegt. Gut das kann alles vorher passiert sein. Aber die Prätorianer richten doch nicht über die Leute. Die Urbaner genauso wenig.


    Du siehst da etwas falsch Linos, falls es den Männern nur um die Kiste ging die sie nach Hause schaffen wollten, dann brauchten sie uns nur so lange bis sie an Bord des Schiffes waren. Du hast Recht, sie haben uns mit Angst gefügig gemacht. Aber danach waren wir nur lästige Zeugen. Natürlich konnte er uns auf dem Schiff herumlaufen lassen und kümmerte sich nicht mehr um uns. Wohin hätten wir denn fliehen sollen? Ich bin der festen Überzeugung, dass er uns einfach über Bord geschmissen hätte auf der Heimreise, damit wir ertrinken.


    Geht es nur um die Kiste, ist schon ein Mann gestorben. Da spielen zwei Sklaven keine Rolle. Das er unseren Tod plante, denke ich nicht. Dafür sind wir zu unwichtig für ihn. Aber wir sind ein Dorn in seinem Fleisch. Er wird uns wegwischen wie Dreck, totschlagen wie eine lästige Fliege. Dafür plant auch niemand einen Mord Linos.


    Dieser Mann ist nicht verloren. Jene die ihm in die Quere kommen sind verloren. Er hat den Sinn seines Lebens verloren und beendet deshalb andere Leben? Ist das der Sinn seines Lebens geworden? Dieser Mann ist grausam und schändlich Linos. Sollte es so sein wie Du sagst, dann lässt dieser Unhold andere Menschen für seine Probleme büßen und bezahlen. Sie bezahlen mit ihrem Leben dafür. Aber irgendwann wird auch sein Glück enden. Und Männer wie er, fallen wie sie gelebt haben Linos. Er wird durch ein Schwert sterben. Rom ist nicht mehr weit und die Urbaner werden davon erfahren. Ich kann nicht glauben, dass der Kaiser so ein Verhalten akzeptiert oder befehlen würde.


    Rückblickend mag er gar nicht mehr so schrecklich sein Linos, aber das täuscht. Das ist nur die Erleichterung dass wir der Bedrohung entkommen sind. Lass Dich davon nicht mitreißen. Ich bin auch froh und glücklich, aber mir steckt der Schrecken noch immer in den Knochen und ich werde meinem Herrn von den Taten berichten. Das muss ich tun. So ein Mann darf doch nicht frei in Rom herumlaufen. Er wird wieder morden, das steht fest. Es hat ihn nicht interessiert. Eine Kiste hat ihn mehr interessiert als das Leben eines Mannes. Wer weiß was darin war? Es kann nur etwas Schreckliches sein", antwortete Charislaus und man hörte seiner Stimme an, welches Grauen er dabei empfand.


    "Das ist eine gute Idee, wir werden ihnen etwas Geld dalassen und dann machen wir uns auf den Heimweg. Ich fühle mich, als weiß ich im Moment gar nichts mehr Linos, doch ich hoffe für uns das Beste. Das wir eines Tages wieder Zuhause sein werden und uns sicher fühlen. So halten wir es, gestärkt und ausgeschlafen werden wir sicher ein Stück weit kommen. Du sagst es zum Glück sind wir wohlauf und am Leben. Das verdanken wir Plato, dass werde ich dem Mann niemals vergessen. Er hat uns gerettet, dafür danke ich ihm. Wir müssen uns für unsere Reise auch etwas Proviant kaufen, wir wissen nicht wie lange wir unterwegs sein werden", überlegte Charislaus und rieb seine verletzten Knie.

    Charislaus hörte Linos zu und zuckte mit den Schultern. Er wusste nichts über den Meuchler, er kannte den Mann nicht.


    "Woher weißt Du so viel über diesen Mann? Wer ist er überhaupt? Und was hat er mir Dir oder Deinem Herrn zu tun? Wir können nur Plato danken, dass er uns die Flucht ermöglicht hat Linos. Leider können wir ihm genauso wenig helfen, wie dem Mann am Hafen der ermordet wurde. Ich hoffe nicht, dass dieser Mörder zurückkommt. Was er dann mit uns vorhat ist doch klar, er wird uns ebenfalls beseitigen. Wir wissen was er getan hat, wir haben es mit eigenen Augen gesehen. Solche Männer hinterlassen bestimmt keine Zeugen. Das wir entkommen sind verdanken wir Plato. Wir dürfen nicht versagen, weder für uns noch für ihn. Sonst war all seine Hilfe umsonst Linos", antwortete Charislaus hilflos.


    "Meinst Du der Meuchler kehrt zurück? Dann müssen wir uns einen anderen Weg nach Hause suchen. Die Gefahr ist sonst zu groß, dass er doch zurückkehrt, uns aufgreift und uns genauso etwas antut wie dem Mann im Hafen.


    Ja schön ist es hier. Sehr schön sogar und die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft von Leonides ist erstaunlich und bemerkenswert. Doch lange dürfen wir hier nicht bleiben, falls Dein Verdacht richtig ist, wäre dieser gute Mann ebenfalls in Gefahr, weil er uns geholfen hat. Männer wie der Meuchler kennen keine Gnade. Wir könnten versuchen den Hafen zu beobachten, ob wir den Meuchler sehen. Falls nicht fragen wir bei einigen Schiffen ob sie uns mitnehmen würden. Sollte das nicht gehen, haben wir dann die Möglichkeit auf dem Landweg zurück nach Hause zu kommen?", fragte Charislaus hoffnungsvoll.


    Leider hatte er überhaupt keine Ahnung, wie sie sonst zurück nach Hause kommen sollten. Er hatte vorher noch nie eine Reise unternommen.

    Chari war verblüfft und erleichtert zugleich. Sie fanden noch einen guten Menschen, der ihnen helfen wollte. Linos sprach mit ihm und einen Augenblick später schon durfte Charislaus erleichtert aufatmen. Sie sollten zu einem kleinen Bauernhof laufen und der Frau des Bauern sagen, dass Leonides sie geschickt hätte. Fremden sollten sie aus dem Weg gehen. Dass musste ihnen der Mann nicht zweimal sagen, nachdem was sie erlebt hatten.


    "Danke Leonides", flüsterte Charislaus, wohlwissend das der Mann ihn nicht mehr hören konnte. Doch die guten Worte sollten den freundlichen Herrn begleiten, der sie so selbstlos unter seine Fittiche genommen hatte.


    "Das hast Du sehr gut gemacht Linos. Das war erstklassig. Wir müssen uns beeilen und uns von Fremden fernhalten. Wir dürfen unserem Retter keinen Ärger machen. Plato hat sein Leben für uns riskiert, Leonides ebenso. Er weiß nicht, welche Mordsgesellen auf dem Schiff lauerten. Auch wenn es ablegt, weiß ich nicht ob wir sicher sind. Ich habe immer noch Angst, dass sie kommen und uns das Schlimmste antun.


    Lass uns zu dem Bauernhof gehen Linos. Wir warten dort einige Tage und dann brechen wir auf, um nach Hause zu kommen zu unseren Herren. Wir werden vorsichtig sein und es wird bestimmt etwas dauern, aber wir werden es schaffen Linos", sagte Charislaus fest und überzeugend, er wollte Linos und sich selbst Mut machen.

    Charislaus nickte gehorsam auf den Befehl des Matrosen hin und schritt brav in die Richtung die ihnen aufgetragen worden war. Die Gasse entlang, am Ende rechts, Hügel rauf, Obstwiese eines Bauern. Dort sollten sie warten. Linos hatte den Befehl ebenfalls bestätigt und in die passende Richtung genickt. Charislaus lief so, dass er mit Linos auf gleicher Höhe war und schwieg einen Moment. Still lief er neben ihm her und wartete, während sie den vorgegebenen Weg folgten.


    Es dauerte nicht lange, dann waren sie außer Hörweite der Matrosen. Chari wartete noch einen Moment, ehe er zu Linos schaute.

    "Los!", flüsterte Chari, packte Linos am Handgelenk und rannte los, was seine verletzten Beine hergaben.


    Dies war ihre einzige Chance zur Flucht. Nur weg, erst einmal mussten sie so viel Abstand wie möglich zwischen sich und dem Kahn aus dem Abgrund bringen. Plato hatte gut geschauspielert, der Mann hatte ein Herz aus Gold. Charislaus wusste, dass er ihnen die Chance geschenkt hatte von dem Schiff zu kommen und so ihren Häschern zu entfliehen. Er wollte den Mann nicht enttäuschen. Denn er wusste, sonst würde Plato auffliegen und die Schurken würden ihren Groll an dem guten Mann auslassen!


    Chari rannte und zerrte Linos dabei hinter sich her. Weiter nur weiter, irgendwo mussten sie einen Unterschlupf finden.

    "Halt die Augen nach einem Versteck auf!", japste Chari und zerrte Linos weiter.


    Sie mussten sich verstecken und in Sicherheit bringen. Diese eine Chance mussten sie nutzen und sie mussten bestehen.

    Charislaus drückte die Tasche mit den 2.000 Sesterzen an seine Brust und überlegte fieberhaft.


    "Ja Plato, selbstverständlich", antwortete Charislaus gehorsam und band sich seine Tasche so gut es ging um den Leib, damit sie nicht störte.


    Dann folgte er den Männern vom Schiff mit gesenktem Kopf. Das war ihre Chance! Charislaus Herz schlug ihm bis zum Hals, als er hinter den Männern herlief. Er wagte sich nicht, nach Linos zu schauen. Dieser war sicher direkt hinter ihm. Einfach laufen, einfach geradeaus schauen, einfach den Job erledigen. Oder zumindest so aussehen!

    Charislaus setzte sich an ihren alten angestammten Platz und lächelte Linos tapfer an, auch wenn er sich alles andere als tapfer fühlte. Er war müde, zerschlagen und wünschte sie beide an einen anderen, besseren Ort. Einen den sie sich zu Anfang ihrer Reise erträumt hatten. Aber so spielte das Leben nunmal. Das Linos so verzweifelt und niedergeschlagen war, konnte Charislaus verstehen, ihm erging es nicht anders. Aber Schuld trug Linos keine.


    "Ach Linos, Du warst mit anderen Dingen beschäftigt. Wir beide waren außer uns vor Sorge und da geschehen solche Dinge. Wasser ist eine gute Idee, Dankeschön. Du trägst keine Schuld an alledem. Schuld sind die Meuchler, sie haben uns entführt, geschlagen und hierher gebracht. Vorher haben sie denn Mann dort ermordet und das Lager angezündet. Dafür kannst Du doch nichts. Und was hättest Du tun wollen? Schau ich bin genauso hilflos wie Du. Wir sind keine Kämpfer und selbst dann Linos, wir sind zwei. Sie sind viele und hätten uns ebenso ermordet.


    Alles was wir versucht haben ist in so einer Situation zu überleben. Die Reise war doch anders geplant Linos, oder ist das Deine heimliche Vorführung? Nein nicht wahr? Das war nur Spaß. Niemand konnte mit so etwas rechnen. Das hätte uns auch in Rom passieren können, mitten auf dem Marktplatz. Du hast mich gebeten Dich zu begleiten und ich habe es gerne getan. Daran hat sich nichts geändert.


    Weder Du noch ich wollten einem Meuchler begegnen, der eine ganze Bande im Schlepptau hat. Aber noch leben wir Linos. Noch ist nicht alles verloren. Und wir segeln nach Rom. Dort warten unsere Herren und sie werden uns retten. Und wenn sie hören was geschehen ist, dann wird sich alles zum Guten wenden Linos. Drum rede doch nicht so über Dich, als könntest Du was für das Verhalten dieser Männer Linos", antwortete Chari und drückte sich die zerfetzte, durchnässte Tunika von Linos auf die geschwollenen Knie.


    Und schon war Linos wieder auf den Beinen um Trinkwasser zu holen. Chari schaute ihm hinterher und hoffte Linos konnte sich selbst verzeihen, für ihn gab es nichts, was er ihm verzeihen musste. Linos war genauso unschuldig wie er. Sie waren einfach unbedarft und tollpatschig, aber das war kein Verbrechen. Chari drückte die kühlende Tunika fester auf seine Knie und seufzte bei der erleichternden Kühle.

    Charislaus drückte verdattert den Beutel an sich. Gefühlt wog dieser Tonnen mit dem ganzen Gold. Vermutlich war es die Verantwortung für eine derartige Summe. Soviel Gold hatte er noch nie auf einem Haufen gesehen, geschweige denn in Händen gehalten. Es gehörte sicherlich dem Toten und nun sollte er es behalten? Oder verwahren? Er würde es behalten und in Rom seinen Herrn geben, dazu würde er hören was sich zugetragen hatte.


    Sein Herr würde wissen was zu tun sei. Falls nicht, tja...

    Dann war sein Herr 2000 Goldstücke reicher.


    Chari blickte an sich herunter und sah, worauf der Mann hingewiesen hatte. Seine Knie sahen aus wie rote Bratpfannen. Jedenfalls für ihn, das konnte doch alles nicht die Wahrheit sein. Resigniert ließ er den Kopf hängen und stakste hinter Linos her.


    "Warte bitte auf mich, Linos", rief Charislaus und schaute sich noch einmal auf dem Schiff um, ehe er weiterlief. Möglicherweise beruhigten sich die Gemüter auf hoher See. Jedenfalls hoffte Chari dies inständig.

    `Aulus Tiberius Verus, warum stehst du dir selber im Weg? Vor nichts und niemanden hast du Angst. Mir scheint du fürchtest dich vor dir selber. Du fürchtest dich davor, dir selber von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Bei all deinem Tun, deiner List und Tücke, fürchtest du dich vor einem, deinem Freund. Dem Freund der alles für dich tun würde, dich anhören, verstehen und dir verzeihen wird. Denn so etwas macht ein Freund und das weißt du. Das fürchtest du. Du läufst vor deinem Inneren weg. Du bist in Wirklichkeit feige. Mit deinem bisherigen Leben überdeckst und verbirgst du diese Feigheit. Zeig deinen wahren Mut und stelle dich endlich dir selber´, das waren Linos Worte.


    Aulus Tiberius Versus, so hieß der Mörder, Brandschatzer, Enführer und wer weiß was sonst noch. Vielleicht war dieser Mann einst der Freund des Herrn von Linos gewesen. Aber wie eine faule Frucht war er vom Baum gefallen und war verrottet. Äußerlich vielleicht noch einigermaßen in Ordnung, aber tief im Inneren schwärte die Fäulnis. Der Mann mit dem der Herr von Linos befreundet gewesen war, war schon lange tot, da war sich Charislaus sicher. Dass war hier herumlief und mordete, war nicht mal mehr ein Schatten dessen, was dieser Mann einst gewesen war. Vermutlich ein Urbaner der die Seiten gewechselt hatte. Gut Charislaus hatte seinen eigenen Herrn auch schon frustriert gesehen.


    Sie riskierten ihre Gesundheit und ihr Leben für Bürger, die nichts als Hohn und Spott für sie übrig hatten. Aber jene feine Herrn waren dann die ersten, die bei Not sofort nach den Urbanern kreischten. Dieser Mann falls man einen Schatten als Mann bezeichnen konnte, hatte sich auf der anderen Seite verloren. Sich seiner Frustration und seinem Groll ergeben. Hatte die längst aufgegeben die Krallen in die Richtigen zu schlagen. Er hatte so viel Gold, dass er es achtlos fortwarf.


    Das was er Charislaus vor die Füße geworfen hatte, war ein Vermögen. So viel Gold würde er niemals wieder in seinem Leben auf einen Haufen sehen. Er wusste was man damit alles kaufen konnte oder was man damit sogar Gutes tun konnte. Aber dieses Gold durfte er nicht anfassen. Denn eines war klar, diesem Mörder hatte es nie gehört. Nicht wirklich. Er hatte es nicht verdient, er hatte es geraubt. Er war einer jener Männer, die sein Herr zur Strecke brachte. Er gehörte erschlagen, selbst die Löwen waren für ihn zu schade.


    Das Gold hatte vermutlich dem Mann gehört, der schwerverletzt oder tot in der Gosse lag. Charislaus musste den Gedanken beiseite schieben. Er hätte gerne nach dem Mann geschaut, aber er war ein Feigling, er hatte keinen Mut. Er hätte ihm gerne geholfen, aber seine Angst stand wie ein Bergmassiv vor ihm und so hatte er den Mördern gehorcht. Sein Mut reichte bestenfalls für einige Worte, aber was waren Worte in einer Welt aus Waffen wert? Nichts.


    Und er hatte die Wahrheit gesprochen. Die Wahrheit auszusprechen wenn die Mächtigen wollten, dass man log, war sehr gefährlich. Weder der Meuchler, noch Plato wollten die Wahrheit hören. Charislaus war sich sicher, dass diese Truppe mehr als Kriminielle waren. So etwas wie Abgrund-Urbaner die sich ihren eigenen Kult um Mord und Totschlag geschaffen hatten. Nichts und niemand zählte mehr etwas, nur diese verstörenden Gestalten aus ihrer Gruppe.


    Ja Plato hatte wie der andere der ihnen zuerst helfen wollte, das System begriffen. Er hatte die Seite gewechselt. Vermutlich hielt Linos und ihn nur noch dessen Herr am Leben. Niemand war so verrückt, sich mit dem Praefectus anzulegen. Und falls doch, hatte dieser ganz sicher mehr Möglichkeiten als es den Meuchlern lieb war sie jagen und wie Hunde erschlagen zu lassen. Man würde nie wieder von ihnen hören, oder sie bekämen einen Prozess. Ja ganz bestimmt bekamen sie den!


    Es mussten andere abgehalten werden, so zu verfallen wie diese Männer. Aber der Herr von Linos war nicht hier, um die Macht der Gesetze über die Verbrecher hereinbrechen zu lassen. Er saß in Rom und wusste von alledem nichts. Nicht von der Gefahr in der sie schwebten, noch davon, dass sein Freund ein Mörder geworden war. Und waren sie erst vor Ort, wer wusste schon was dieser Mann tat? Den Praefectus ebenso belügen, natürlich. Und dann was? Charislaus schauerte bei dem Gedanken, dass sie einen Mörder nach Rom führten. Was wenn dieser den Praefectus angehen würde?


    Nur daran zu denken, ließ Charislaus erneut schlecht werden. Was war er nur für ein Sklave. Völlig unfähig, er hätte sich genauso gut in einem einzigen Zimmer verlaufen können. Sein Herr würde bitter enttäuscht sein, falls er ihn überhaupt jemals wiedersehen würde.


    Charis Blick wanderte zu Linos. Chari blickte seine Häscher an.


    `Ja da hat Euer Herr Recht. Jeder hat seinen Platz. Auch Ihr und den werdet Ihr irgendwann kennenlernen´, dachte er schlicht. Sie würden ihren Platz sicher kennenlernen, sobald sie in Rom waren. Er würde alles erzählen, falls er die Chance bekam. Er würde so schnell ihn seine Beine trugen, nach Hause rennen und von alle dem erzählen. Und von der Gefahr, die sich auf den Praefectus in der Tarnung eines alten Freundes zu bewegte.


    "Charislaus, 20 Jahre, Rom, Eigentümer - Cornicularius der Cohortes Urbanae Manius Purgitius Lurco", sagte Charislaus seltsam tonlos. Er glaubte nicht, dass dieser Mann begriff was er hier anrichtete. Aber er würde begreifen. Bald. Sehr bald. Spätestens in Rom.

    Charislaus schaute den Meuchler verstört an. Er hatte den Gesprächen gelauscht und fühlte sich, als wäre er in einem grauenvollen Albtraum gefangen. Sie hatten einen Mann gesucht und hatten eine Gruppe Meuchelmörder gefunden. Ein weiterer Unbekannter war dazugestoßen. Zuerst hatte es den Anschein, als wollte er ihnen beistehen, aber das war ein Trugschluss, er schloss sich den Mördern an. Von ihm war keine Hilfe zu erwarten. Die Mörder hatten gebrandschatzt und sie gezwungen preiszugeben, wie sie angereist waren. Durch Gewaltandrohung hatten sie das Schiff verraten, samt dem Kapitän.


    Endlich hatte er eine Gelegenheit gefunden, alles auszusprechen und Plato zu warnen und der Kapitän wirkte so, als hätte Chari den Einkaufszettel von letzter Woche vorgelesen. Und Linos sagte die Fracht war an Bord. Also jene Person die sie suchten, war unter den Meuchlern oder genau der Meuchler? Charislaus war schlecht und schwindlig. Vielleicht hatte Linos das auch nur gesagt, um Plato zu beruhigen damit es hier nicht zur Messerstecherei an Bord kam. Chari wusste es nicht, er wusste gar nichts mehr.


    Dann verabschiedeten sich die Meuchler, als wären sie ein religiöser Orden oder eine Bruderschaft. Chari wusste nicht, was diese Männer verband. Woher sollte er es auch wissen? Und er hatte Angst zu viel zu hören, weil Wissen nicht nur weise machte, sondern auch zum Mitwisser. Und die waren ganz unbeliebt, vor allem sobald sie als Zeugen aussagen konnten. Gut wer glaubte einem Sklaven? Doch solche Leute gingen auf Nummer sicher. Er wusste nicht ob er sein Zuhause und seine Herren jemals wieder sehen würde.


    Dann wollte der Meuchler von ihnen das Versprechen, dass sie ihn und seine Leute nicht angingen? Welchen Ärger erwartete er von Chari? Das er zu Tode massiert wurde? Am liebsten hätte Charislaus schallend gelacht. Er hatte noch niemals jemanden etwas zu Leide getan. Da sollte er mal lieber ins Wasser blicken, da sah er das Gesicht eines Mörders!


    Chari konnte danach seinen Ohren kaum trauen, er log ständig und hatte diese Männer angegriffen? Also der Mann war gut.


    "Ich habe noch nie jemanden angegriffen und diese Mörder schon mal gar nicht. Ich werde auch nicht anfangen Leute zu ermorden. Und ich werde für Euch nicht anfangen zu lügen!", murrte Charislaus und versuchte all das zu verstehen was gerade vor sich ging. Sein Kopf schwirrte wie ein Bienenstock.

    Charislaus schaute Plato an und schüttelte den Kopf.


    "Linos hat den Auftrag eine Person zu suchen und keine Kiste. Wir sind nur über diese Männer gestolpert. Mehr nicht!

    Wir.... haben mit ansehen müssen, wie ein Mann... niedergestreckt wurde. Niedergestreckt vor unseren Augen!


    Du weißt doch wer Linos Herr ist und wer mein Herr ist, haben sie mit solchen Leuten zu tun? Niemals! Wir haben eine ehrliche Aufgabe.

    Linos hat versucht uns zu retten, aber es hat alles nichts genützt. Dann haben sie ein Lager angezündet, um ihre Spuren zu verwischen und drohten uns Gewalt an.

    Leider hatten wir in unserer Angst verraten, dass wir mit einem Schiff angereist sind. Da.... da haben sie von uns den Namen des Schiffes wissen wollen und uns gezwungen, dass wir sie zum Schiff führen.


    Jetzt sind wir hier. Sie lügen.... sie lügen alle miteinander!


    Unser Aufgabe war eine Person zu finden, keine Kiste! Diese schrecklichen Männer, oh Plato wir haben sie vorher noch nie gesehen. Wir kennen diese Kriminellen nicht. Sie haben uns gezwungen, wir wollten Dein Schiff nicht in Gefahr bringen. Wir kamen kaum vom Hafen fort, da geschah schon das Grauen! Ein Mann vor unseren Augen.... er... er war.... und dann diese Männer zündeten alles an!


    Sie wollten Linos die Arme ausreißen und Schlimmeres. Sie wollen Dein Schiff, das ist alles ein grausiger Trick und wir alle werden mit durchgeschnittenen Kehlen im Hafenbecken landen!", rief Charislaus aufgelöst und zitternd wie Espenlaub.

    Charislaus erstarrte mitten in der Bewegung als Linos schrie. Nein es war kein richtiger Schrei, es war eine Mischung aus Kreischen und Schreien, was Chari eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Wie gerne hätte er Linos beigestanden, aber sie beide waren Opfer der Umstände. Hineingestolpert in ein Schicksal das sie beide nicht vorhergesehen hatten. Sie wollten ihrer Aufgabe nachkommen, ihrer Mission und schon einige Meter hinter dem Hafen hatten sie kläglich versagt. Nun standen sie hier an Bord der Impetus und der einzige Mann der zwischen ihnen und den Kriminellen stand war Plato. Ein Mann wie ein Baum, leider scheinbar auch von der gleichen gedanklichen Geschwindigkeit. Bei den Göttern, was sollten sie tun?


    Sie versuchten doch ihn die ganze Zeit aufzuklären. Auf der anderen Seite, wer wusste wie sich manche Gäste hier sonst verhielten, dass Plato ihr Verhalten schon als völlig normal verbuchte? Charislaus wagte ganz vorsichtig eine Hand zu heben. Sollte Plato ihn auffordern zu sprechen als Herr dieses Schiffes, dann würde er reden. Und zwar so schnell er konnte!

    Charislaus brach seinen Sprung ab und landete auf den Knien. Eine nicht gerade angenehme Erfahrung die ihm die Tränen in die Augen schießen ließ. Sein Herr würde vor Scham im Boden versinken, bei dem wenigen was er verkraften konnte. Sein Herr und seine Kameraden waren ganz anderes gewöhnt, vor allem der Herr Scato der sogar Menschen heilte. Er würde sich sicher über aufgeschlagene Knien keine Gedanken machen. Chari versuchte jeden Ton zu unterdrücken, der wie ein Schmerzlaut klingen konnte. Ob ihm das gelang, konnte er selbst nicht feststellen, als er sich zurück auf die Beine kämpfte.


    Charislaus nickte knapp und stumm. Er war verzweifelt, aber auf eine Art auch neugierig, was der Meuchler diesmal zusammenlügen würde. Linos und er würden dann ihre Version erzählen von dem was geschehen war und dann... ja dann war diese Gruppe von Halsabschneidern Fischfutter. Charislaus lächelte Linos aufmunternd an, auch wenn er sich gerade ganz seltsam fühlte.

    Charislaus schaute sich nach Linos um und hoffte dass sie eine Chance hatten, jetzt wo Plato langsam aufwachte und den Löwen in sich entdeckte. Oder zumindest den Wachhund. Charislaus sah Plato schon die frechen und dreisten Kriminellen über Bord schleudern wie Puppen. Aber dann bellte der Meuchler wieder herum und deutete auch noch auf Linos. Das durfte alles nicht wahr sein.


    Linos wurde zu dem Kerl geschleppt und dieser redete davon, dass seine Identität unwichtig war. So hätte Charislaus sich auch herausgeredet. Wer wollte schon namentlich bekannt werden, wenn er Leute ermordete, Städte abfackelte und Schiffe raubte?


    Was beim Abgrund sollte Plato mit einer Tonscherbe? Charislaus schob sich ganz langsam und vorsichtig näher zu Plato. Scheinbar sah der Mann immer noch Gutes in dieser grauenvollen Gaunerbande. Dabei versuchte Chari so unschuldig und unsichtbar wie möglich auszusehen. Nur noch wenige Schritte und Charislaus war bei Plato. Vielleicht würde er dann zuhören. Chari war bereit die letzten Meter mit einem Sprung an Platos Hals zu überbrücken.


    "Plato", ächzte er und sprang auf diesen zu.

    Charislaus schielte zu ihrem Entführer herüber. Er traute sich nicht, sich offen nach ihm umzudrehen. Dieser Mann wollte das Schiff nicht, Charislaus fühlte sich wie betäubt. Was sollte dieser Mann? Wollte er nur den Namen des Schiffseigners wissen? Den hatte Linos ihm doch genannt. Oh... es dämmerte Chari, ihnen wurde nicht geglaubt, da sie Sklaven waren. Der gute Kapitän schaute immer noch voller Unschuld drein, fand Charislaus. Der Mann wusste nicht um die Gefahr in der er schwebte. Vielleicht ging er vom Guten im Menschen aus, wie sie auch bis vor wenigen Augenblicken.


    Es war nur einige Augenblicke her, dass dieser Mann sie entführt hatte, musste sich Charislaus selbst erinnern. Es kam ihm so vor als wären sie Monate unterwegs gewesen. Dabei waren sie nur zurück zum Schiff gelaufen.


    Chari umklammerte fest seine Tasche, das Gefühl etwas in der Hand zu haben beruhigte ein wenig seine Nerve. Er betete zu den Göttern, dass der Meuchler nicht den Kapitän, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte, niederstrecken würde. Charislaus hoffte das der Mann in die Nähe des Wassers ging. Möglicherweise konnte er ihn ins Hafenbecken stoßen und sein Leben retten. Wobei der Kapitän sehr standfest aussah, aber wenn sich die Gelegenheit bot und er den Mut fand, wollte er es versuchen.


    Erstes ergab sich vielleicht, bei zweitem war sich Chari überhaupt nicht sicher.

    Charislaus starrte den Kapitän aus großen, runden Kuhaugen an. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber seine Unterlippe bebte und kein Ton kam aus seinem Mund. Nervös wischte er sich über die Stirn und versuchte es erneut. Innerlich betete er zu den Göttern, dass der Mann hinter ihm nicht zustach und ihn für seine versuchte Stammelei tötete. Zeitgleich betete er darum, dass der Kapitän nicht ermordet wurde. Dieser Mann hatte sie sicher über das große Wasser gebracht und er brachte den Tod an Bord. Er war widerwärtig, keuchte Chari in Gedanken.


    Am liebsten hätte er losgeschrien, lauf, renn weg. Aber dieser Mann würde nicht rennen. Das wusste Chari, woher auch immer, er wusste es.

    "Hinter... hinter mir steht ein Mann, er wollte zu Dir. Er will.... Dein Schiff", keuchte Charislaus mit dem Grauen in der Stimme, das er empfand.

    Charislaus fragte sich, was er denn nun schon wieder falsch gemacht hatte. Der Mann der sie entführte, oder sagte man bei einem Sklaven raubte, war fast von Sinnen. Er sollte ihm das Schiff zeigen und das hatte er. Nun wurde auch noch der gute alte Kapitän, der sie so umsorgt hatte, mit hineingezogen. In was eigentlich? Charislaus hatte nicht einmal einen Namen dafür. Wie nannte man Mord, Brandstiftung, Raub und Kaperung? Kaum in Cappadocia angekommen, waren sie gleich über die gefährlichste Bande gestolpert, die es hier gab. Das konnte doch nicht wahr sein.


    Als ihr Peiniger ihn fragte ob dies das Schiff sei, nickte Charislaus zur Bestätigung.

    "Ja das ist das Schiff Impetus", sagte Chari sicherheitshalber noch einmal laut.


    Ihr Entführer wies ihn an, mit ihm an Bord des Schiffes zu gehen und beim Schiffsmeister und Kapitän vorzusprechen. Charislaus schämte sich in Grund und Boden, diese guten Männer dem auszuliefern, was nun folgte. Was war eine falsche Bewegung? Niesen? Husten? Sich kratzen? Schluckauf? Warum musste dieser Mann sie ständig bedrohen? Charis Nerven lagen schon blank genug. Er versuchte einen Blick auf Linos zu erhaschen.


    "Du musst niemandem Gewalt androhen oder verletzen, ich gehorche Dir. Bitte höre auf damit", bat Charislaus leise und betrat das Schiff.


    Er fühlte wie seine Ohren glühten und spürte die Präsenz des Mannes hinter sich, der sie gefangen genommen hatte. Suchend schaute sich Charislaus auf dem Schiff um. Was sollte er dem Kapitän sagen? Der Mann hatte niemandem etwas zu Leide getan und verlor nun vielleicht nicht nur sein Schiff, sondern auch sein Leben. Schäbiger war sich Charislaus niemals in seinem Leben vorgekommen. Und doch hatte er keine andere Wahl, als zu tun, was von ihm verlangt wurde.


    "Ich... ich habe vor Schreck den Namen des Kapitän vergessen", gestand Charislaus seinem Entführer.

    "Ja Charislaus, dass ist mein Name", antwortete Chari und schaute zu Linos. Ob der Mann die Wahrheit sprach oder nicht, was änderte es an ihrer Situation? Nichts. Sie konnten nur das Beste aus ihren Begebenheiten machen. Je schneller sie diese Männer zum Schiff führen, je schneller war alles vorbei. Wie es dann weiterging oder ob, dass wussten die Götter allein.


    "Ich führe Dich und Deine Männer zum Schiff", gab Chari zurück und schaute zu dem Brand. Ein Getreidelager war dies, warum hatten sie es nur angezündet? Nahrung die einfach so in Rauch aufging. Diese Männer kannten den Wert von Nahrung nicht. Vermutlich hatten sie nie Hunger gelitten, wie andere arme Gestalten. Chari schmerzte es um die Waren, doch solche Sorgen waren in Anbetracht der Bedrohung die Linos und er ausgesetzt waren unwichtig.


    Der Fremde der bei den Meuchlern anheuern wollte wusste sicher nicht, worauf er sich einließ. Aber wusste er es? Er nahm nur die einzige Chance wahr, die sich ihm bot um Linos und sich zu retten. Und vielleicht, wenn das Glück ein wenig auf ihrer Seite war, wurden sie von einer Gruppe Vigilles oder Urbanern entdeckt und gerettet. Irgendwer musste doch den Brand bemerken und melden.


    "Hier entlang", erklärte Chari und lief den Weg zum Schiff zurück, den sie vorher genommen hatten. Unsicher schaute er sich von Zeit zu Zeit nach Linos um.

    "Ihr kriminelles Gezücht hört auch noch schwer was? Er hat mich hundertfach beim Namen genannt. CHARISLAUS!!!", rief Charislaus mit dem Mut purer Verzweiflung. Warum raubten diese Kerle sie nicht einfach aus und verschwanden wieder? Sie waren bestimmt kein Ziel von irgendwelchen Meuchlern.


    Doch dann kam Charislaus ein grauenvoller Gedanke. Übung machte den Meister.... Was war, wenn Linos und er in eine Übungsstunde von diesen Männern gestoßen waren? Das Morden musste man doch sicher auch lernen. Er wusste jedenfalls nicht wie man mordete. Das hieße, um einen Auftragsmord zu erfüllen, musste man so etwas lernen. Und wie lernte man? Durch Theorie und Praxis. Linos und er waren scheinbar der praktische Teil der Ausbildung oder Übung. Chari wurde schlecht. Er spürte wie die gefüllten Brote seinen Magen hinaufstiegen und schon in seinem Rachen kitzelten.


    Die Fragen von Linos waren mutig und gut, aber die Männer die sie aufknüpfen wollten, waren ohne Gnade. Vielleicht würden sie sich sogar an ihren Herren rächen für die zusätzliche Arbeit und den Ärger. Chari grübelte fieberhaft wie er an das Schreiben seines Herrn kam, um es verschwinden zu lassen. Dort stand sein Name und er würde ihn an diese Meuchler verraten. Er musste diesen Wisch vernichten, bevor sie ihn vernichteten und wer weiß was noch anstellten.


    Ganz langsam stand Chari auf und hielt Linos fest, er war nicht bereit seinen Freund herzugeben. Sie würden sie nicht ziehen lassen. Sie waren gemeinsam in dieses Unglück gestolpert und nun mussten sie gemeinsam die Biege machen. Der Dolch an seiner Kehle machte das Vorhaben leider zu nichte.


    Entmutigt ließ Chari den Kopf hängen.

    "Wir fügen uns, nur tötet und verletzt uns nicht", bat er kleinlaut.

    Linos stand ihm bei und verteidigte sie beide mit Worten. Ganz genau, der Meuchler konnte das Schiff auch anschauen, ohne jemanden dafür umbringen zu müssen. Selbst wenn Linos gelogen hätte, wen scherte es? Linos hatte nicht gelogen, absolut nicht. Aber selbst wenn es so gewesen wäre, was erwartete der Meuchler? Das die Leute sich eine bequeme Ecke suchten, wo er sie umbringen konnte? Natürlich würde jeder auf seine Art versuchen, mit dem Leben davon zu kommen. Und was hatten sie denn überhaupt falsch gemacht, dass sie getötet werden sollten?


    Das war doch alles Schuld von dem Meuchler, dass sie ihn gesehen hatten. Jetzt waren sie Zeugen und sollten sterben und der Kerl suchte eine Ausrede nach der anderen. Dabei war er doch in die Öffentlichkeit gelaufen mit seinem armen Opfer und hatte es vor aller Augen ermordet. Dafür wollte er ihnen die Schuld in die Sandalen schieben. Schuld waren sie gar nichts und Linos war zu Recht sehr wütend.


    Charislaus war ebenso aufgebracht, aber er war es nicht gewöhnt wütend zu sein. Seine Wut beschränkte sich darauf, manchmal etwas zu grummeln, aber länger als einige Augenblicke war er nicht erzürnt gewesen. Vor diesem Mann hatte er Angst, er spielte mit ihnen. Lies sie für einen Moment glauben, dass es eine Chance gab. Das er sie überleben lassen würde. Wenn das Schiff dort stand wo es stand, oder wenn sie wussten was der Herr von Linos für Eigenschaften hatte. Im Grunde hielt er ihnen einen Köder vor die Nase und zog ihn dann wieder weg.


    Chari dämmerte es, was der Mann wollte. Ihm war vielleicht gar nicht das Meucheln wichtig, sondern die Angst und Hoffnungslosigkeit in die er die Menschen stürzte. Hoffnung geben und wieder rauben. Er spielte mit seinen Opfern wie eine Katze mit den Mäusen oder Vögeln die sie erbeutet hatte. Und dann schlug auch noch der andere Mann nach ihm.


    Linos reagierte geistesgegenwärtig und so schnell, dass Chari keine Chance hatte selbst zu reagieren. Doch es nützte nichts, Linos wurde in den Nacken getroffen und stürzte auf die Knie. Chari war sofort an seiner Seite und hielt seinen Freund fest. Wie konnte dieser Unhold nur! Das erste Mal im Leben empfand Charislaus wirklich Wut, aber es überwog die Angst um Linos.


    Chari tastete behutsam seinen Nacken ab, ob er auch nicht verletzt war.

    "Linos? Linos, ganz vorsichtig", sagte Chari beruhigend, obwohl er nicht so empfand und hielt Linos fest.


    "Was soll das? Wir haben Euch nichts getan. Nun schau was Du angerichtet hast. Aber das wird Dich nicht kümmern. Geh und schau nach dem Schiff. Oder wie glaubst Du sind wir hergekommen?", murrte Charislaus. Er hoffte der Kapitän würde den Meuchler windelweich schlagen. Jedenfalls ein kleines bisschen. War der Mann wirklich tot, den der Meuchler angegriffen hatte? Vielleicht lebte der Mann noch und brauchte Ihre Hilfe.


    "Wir sind aufrechte Sklaven und dienen treu. Und wir lügen nicht, das Schiff ist da", sagte Chari zu dem Mann der ihnen bis vor kurzem noch beistehen wollte. Sie mussten weglaufen, es war ihre einzige Chance. Aber Linos konnte nicht einmal mehr stehen.


    Charislaus kam eine Idee, wieso verhandelten sie denn? Warum riefen sich nicht lautstark um Hilfe. Es musste sie doch jemand hören. Oder der Meuchler würde sie für immer zum Schweigen bringen.


    "Linos", wisperte er und versuchte seinem Freund auf die Beine zu helfen.

    Charislaus hätte sich am liebsten an die Stirn gegriffen, als der die Worte der Männer hörte. Sie waren auf dem Arbeitsmarkt des Abgrundes gelandet. Linos und er hätten es nicht schlimmer treffen können. Vermutlich war dieser ganze Ort voller Verbrecher und sie beide, unbedarft wie sie waren, waren fröhlich hineinspaziert. Mit ihren Fähigkeiten konnten sie hier nichts ausrichten. Sollte er einen Feind in die Flucht massieren?


    Dabei wirkte der Meuchler nicht gerade wie ein Mann der Brutalität. Vielmehr machte er auf Chari den Eindruck als hätte er zu viel gesehen und zwar Dinge die ein Mensch nicht sehen sollte. Er wirkte nachdenklich, nicht wie ein plumpes Werkzeug, dass nur tötete um des Tötens willen. Aber was wusste er schon davon, was manche Männer dazu trieb, anderen das Leben zu nehmen? Allen voran war es wohl Geld, wofür andere starben. Als nächsten Punkt konnte Chari sich Rache vorstellen. Römer waren stolz und wer ihre Ehre oder ihren Stolz verletzte musste bezahlen. Blut war dann die Währung, die oft verlangt wurde.


    Als der Meuchler von den Eigenschaften des Praefectus sprach, stutzte Charislaus. Woher sollten sie denn wissen, welche Eigenschaften dieser Mann hatte? Sie konnten behaupten der Mann könnte gut zeichnen, woher wollte der Meuchler das wissen? Kannte er ihn etwa? Das war doch kaum vorstellbar. Es musste sich um eine Falle handeln, ein Köder den er ihnen hinhielt. Aber bei diesem Spiel konnten sie nur verlieren.


    Und dann sprach Linos und erläuterte dem Fremden, warum er seinem Herrn diente. Die Worte, dass der Meuchler möglicherweise der Gesucht war, ließ Chari zusammenzucken. Das konnte doch nicht die Wahrheit sein? Schmeichelte Linos diesem Mann, um ihn zu besänftigen oder meinte er diese Worte wirklich? Sollten sie diesen Mann suchen und anwerben? Chari flehte dass dem nicht so war. Oder sollten sie ihn ausschalten? Das war schlichtweg unmöglich. Sie wären schon Geschichte bevor sie sich überhaupt bewegen konnten.


    Bei den Eigenheiten seines Herrn führte Linos auf, er trinkt... Chari zuckte erneut zusammen und fragte sich für den Bruchteil einer Sekunde, ob sie aufgrund einer Weinlaune in Lebensgefahr waren. Dann fuhr Linos fort... nur Wasser. Charis Augen wanderten zu Linos. Sowas! Das Wechselbad der Gefühle, dass er hier bei jedem Wort erlebte, war kaum noch auszuhalten. Was sollten sie denn nur tun?


    Die letzten Worte von Linos ließen Chari erschauern... Aulus Tiberius Verus, er wartet sehnsüchtig auf deine Rückkehr.

    Du kannst uns zu diesem Schiff bringen und ich mache mir selbst ein Bild. Dein Partner wird unser Pfand sein. Wenn du uns belügst, stirbt er grausam unter Schlägen, bis sein Schädel bricht.


    Das waren die Worte des Meuchlers. Charislaus schaffte es den Kopf zu schütteln.

    "Nein, nein das will ich nicht. Ich will kein Pfand sein! Ich ha...be einen Zettel... von... von meinem Herrn. Ich habe nichts verbrochen, gar nichts. Warum soll ich sterben? Linos lügt nicht, Du kannst das Schiff... angucken gehen. Du musst keine zwei Sklaven fürchten... und ich... ich habe Dich gar nicht gesucht! Ich suche Dich nicht und ich will nichts von Dir", keuchte Charislaus und schaute von Linos zu dem Meuchler und zu dem Fremden der scheinbar Meuchler werden wollte.


    Sie mussten machen das sie fort kamen, lange würde dieser Mann sich nicht mehr hinhalten lassen. Und er glaubte bestimmt nicht, dass sie ihn gesucht hatten. Sie zwei harmlose Sklaven.