Beiträge von Tiberia Stella

    Zitat

    Original von Faustus Aurelius Tigellinus


    Es ist eine Zusammenkunft derjenigen, die sich bei mir in einer bestimmten Sache mittels PN gemeldet haben. Ich schau mal kurz ob Du dabei warst ... Moment ...


    Also doch: Aliens. Es wurden UFOs gesichtet. xD

    Rom war verrückt. Das musste sie immer denken, bei diesen Zufällen, die ihr hier widerfuhren. Stella brauchte einen Moment, um zu realisieren, was gerade geschah. "Ehm," machte sie und blickte sich etwas verstört um. Erst diese merkwürdige Sänfte, dann eine Frau, die ihr einfach ein Täfelchen in die Hand drückte und irgendwas von einem Typen aus Alexandria laberte und schlussendlich der Soldat, welcher das offensichtliche bemerkte. Ja, ihr Stammhaus war verwaist. Kurz blickte Stella auf das Täfelchen, dann zur Frau, die sehr unseriös auf sie wirkte, und dann sehr intensiv zum Soldaten, der etwas sehr wichtiges gesagt hatte. Etwas, was ihr helfen konnte, der Sache auf den Grund zu gehen, was ihrer Familie widerfahren war. Sie erlaubte es sich, die merkwürdige Täfelchenverteilerin zu ignorieren, auch wenn das Täfelchen sicherlich ein gutes Gewicht in den Händen abgab, um ein wenig die Nervosität zu vertreiben. Stella begann nervös damit in ihren Händen zu spielen. Die Sänfte ignorierte sie vorerst ebenfalls, da hohe Herren ohnehin nicht mit ihr sprechen würden und sie keinerlei Bezug zu der Sänfte hatte, auch wenn sie aufgeschlossen war. Solange diese Person sie nicht direkt ansprach, würde sie sich nicht trauen. Dem Soldaten galt ihre ganze Aufmerksamkeit, denn er hatte notwendige Informationen."Todesfälle?" Eine rhetorische Frage, denn Stella sprach sofort weiter."Es heißt, dass die gesamte Familie ausgelöscht ist," erklärte sie. "Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Zeiten gefährlich sind," sagte die junge Tiberia in einem ernsten Tonfall. Ihr war es sogar ganz deutlich bewusst, da sie genau unter diesen Zeiten gelitten hatte: versteckt auf einem Landgut, ohne Namen, ihr Vater höchstwahrscheinlich tot und ohne Familie in Rom. Es tat weh, dass dieser Mann das beiläufig erwähnte, was sie jeden Tag erdulden musste. Die Trauer traf erneut. Am liebsten hätte sie ihm entgegen geschrien, dass sie selbst eine Tiberia war und endlich wissen wollte, was hier geschehen war. Doch das konnte sie nicht. Stella entschied sich stattdessen, den Soldaten zu prüfen, ob er vertrauenswürdig war. "Was weißt du über diese Familie, die einst hier gelebt hat?" Eine Frage, die Stella viel bedeutete. Es ging nicht nur darum, was ihr Name in Rom zurückgelassen hatte, sondern auch, was die letzten Jahre hier passiert war. Stella musste einfach wissen, was hier vor sich gegangen war. Auch wollte sie einfach wissen, was ihr Name für einen Soldaten ganz persönlich bedeutete. War mit dem Namen Tiberius Leid verknüpft oder doch mehr als das? Stella legte ihren Kopf leicht schief und blickte mit ihren traurig-großen Augen direkt in die Augen des tapferen Soldaten, der munter seinem Dienst nachging und sie eigentlich als Lumpenprinzessin vertreiben wollte. Es aber nicht getan hatte. Stella blinzelte, als unweit die Person tatsächlich der Sänfte entstiegen war. Jetzt erkannte sie die Farben seiner Toga, die etwas schwitzig war und erkannte einen Senator. Gut so, dass auch Senatoren schwitzen konnten. "Der Senator beäugt das selbe Ziel," sagte sie halb im Scherz und lächelte sehr liebevoll zu Scato, der in dieser Sekunde fast wie ein Freund war, auch wenn er sicherlich kein Freund war. Stella nahm das Gespräch mit diesem Soldaten inzwischen als normal wahr und er war der erste an diesem Ort der Trauer, der sie als Person wirklich wahrgenommen hatte, wenn auch unter anderen Vorzeichen. "Scheinbar ist dieses Haus jetzt ein öffentlicher Treffpunkt geworden," sagte sie und versuchte dabei belustigt zu wirken, was ihr aber misslang, da in ihrem Gesicht immer noch die Maske der Trauer und Einsamkeit lag, die sie nie ganz aus dem Gesicht löschen konnte.

    Stella wartete, und wartete, und wartete, so dass die Zeit an diesem Ort keine Bedeutung zu haben schien. Fast schlief sie im Stehen ein. Doch dies wurde durch die Büste verhindert, die sie mit ihrer Hüfte anstieß. Die Büste begann zu kippeln, so dass Stella schnell reagieren musste. Stella stabilisierte den Stand und versuchte ihr beinahe Missgeschick geschickt zu überspielen. Sie trat einfach vor die Büste. In diesem Augenblick wurde sie bereits von einem Beamten angesprochen. "Ja," war die Antwort. In der Tat war sie verloren, in vielerlei Hinsicht aber vorallem verloren in dieser Amtsstube, die garnicht ihr eigen war. Dieser Ort stahl einem die Zeit und Zeit war kostbar, kostbarer als Gold oder Rubine. Pluto würde sich freuen. Stella machte eine höfliche Geste, indem sie ihr Kopf dezent neigte, was jedoch keiner Verbeugung gleich kam. Verbeugungen waren unüblich und Stella hielt auch nicht viel davon. Dafür war sie auch zu stolz. "Salve," grüßte sie freundlich aber nervös, denn jetzt galt es sich zu beweisen, allen Mut zusammen zu nehmen, um das Versprechen des Kaisers einzufordern. "Ich habe ein außerordentlich wichtiges Interesse zu vertreten," meinte sie und drückte sich unnötig geschwollen aus, da sie glaubte, so besser bei der Bürokratie anzukommen. "Mein Vater, Tiberius Verus, war einst Trecenarius des Imperator Caesar Augustus. Er diente ihm gut, sofern ich das als Tochter beurteilen kann," begann sie mit einer kurzen Einleitung. "Er verschwand. Und mein Leben änderte sich," fasste sie den traurigen Teil zusammen und wollte diesen schnell übergehen, da er sicherlich nicht wichtig genug für einen Beamten war, denen man gerne Gefühlskälte unterstellte. Dennoch zeigte sich, dass Stella nur mit Mühe ihre Tränen zurückhalten konnte. Doch gelang es ihr, nicht zu weinen. "Der Imperator gab ihm einst ein Versprechen, dass er sich um eine Bestattung und Versorgung der Angehörigen kümmern würde." Stella hatte den entsprechenden Brief ihres Vater bei sich, wollte diesen aber nicht zeigen, da er auch andere private Informationen enthielt. "Ich bin hier, um dieses Versprechen einzufordern und darüber hinaus möchte ich herausfinden, warum mein Vater verschwand und welche Mission er vom Imperator erhalten hatte, die ihn vermutlich umbrachte," forderte sie und gestand sich schmerzlich ein, dass ihr Vater wohl tatsächlich tot war. Dieser Ort gab ihr die Gewissheit, dass er nie wieder zurückkommen würde. "Ich brauche Hilfe," sagte sie und ihre Stimme brach ein. Stella brauchte wirklich Hilfe.

    Stella wurde aus ihren Erinnerungen gerissen, die mal und mal weniger schön waren. Mitunter war es eine Erlösung aus diesen Träumen der vergangenen Zeiten gerissen zu werden. Überrascht wich sie einen Schritt zurück, fast einem Sprung gleich. Nervös richtete sie ihren zerzausten Zopf, der zwar nicht ungepflegt wirkte aber sicherlich nicht einer kunstvollen Frisur einer römischen Frau entsprach. Der Zopf wirkte fast germanisch und barbarisch in seiner Flechtkunst. Die einfache Tunika wies ein paar Flecken am Schulterbereich auf. Es handelte sich um Asche und färbte die Schultern grau. Stella hatte sich ein wenig hinter der Villa umhergetrieben, um das alte Versteck zu finden, welches stets ihr Geheimnis gewesen war. Hilfe brauchte sie in der Tat aber nicht von einem Soldaten. Seine Tonwahl machte ihr klar, dass dies kein ehrliches Hilfsangebot war, sondern viel mehr eine Warnung. Vermutlich Stadtkohorten. Insoweit kannte Stella noch die Organisationen in Rom, da ihr Vater großen Wert darauf gelegt hatte, dass sie Aufmachungen und Uniformierung unterscheiden konnte. Stella kratze sich nervös am Hals, da sie eigentlich nicht mit einem Miles gerechnet hatte. Soldaten machten sie immer nervös (eine Ausnahme war ihr Vater gewesen). Die junge Frau brachte nicht sofort ein Wort hervor und blickte den armen Soldaten einfach mit großen Augen an, während ihr ausgetretenen Sandalen nervös über den Boden kratzten.


    "Ich erinnere mich nur," platzte es ihr heraus und Stella gab damit mehr preis, als sie eigentlich wollte. Wenn sie nervös wurde, machte sie dumme Dinge. Noch dazu war sie ungeschickt und tollpatschig. Niemand würde glauben, dass ihr Vater sie tatsächlich in einigen Kampffertigkeiten ausgebildet hatte. Doch Stella konnte sich verteidigen aber hatte im Laufe der Zeit viel vom Training vergessen, welches einst regelmäßig stattgefunden hatte. Ihr Vater wollte seine Tochter beschützt wissen, auch wenn er nicht Zuhause weilte. Nach den Aufständen und vielem, was geschehen war, sah er die Notwendigkeit gekommen, auch sie im Kampf zu schulen, was sicherlich erstaunlich und ungewöhnlich war. Auch ihre Mutter hatte dies unterstützt. Ihr Papa hatte ihr dadurch Courage vermittelt. Eine Tapferkeit und Selbstvertrauen, welches sie durch die schweren Zeiten gebracht hatte. Doch diese Fertigkeiten wurden hier nicht gebraucht. Stella war keine überzeugte Kämpferin, keine Amazone, und mit Sicherheit keine traurige Heldin, die sich an dieser Stelle opfern würde. Stella wollte einfach nur ein Zuhause finden. Einen Ort, wo sie sein konnte, und vielleicht eine Zukunft. Diese traurigen Augen blickten den Soldaten fordernd-mitleidig an.


    "Salve," grüßte sie ungeschickt im Nachsatz und versuchte ihrem Gesicht ein selbstsicheres Lächeln zu entlocken, was aber trotz aller aufgebrachter Willenskraft, schlicht auftauchte und sofort wieder verschwand. "Ich schaue mich nur um," wollte sie sich erklären und merkte in diesem Augenblick, dass dies wohl die falsche Aussagen gegenüber einem Soldaten war. Doch sie wollte sich jetzt nicht vertreiben lassen und ignorierte die freundlich formulierte Warnung mit einem kleinen mutigen Herzen. Immerhin war sie hier aufgewachsen, zumindest für einige Jahre. Es war ihr Stammhaus. Ihr Vater hatte es ja erst erneut erbauen lassen, nachdem es abgerbannt und bei Unruhen zerstört wurde. Alles an diesem Haus war Erinnerung. "Ich bin Stella," stellte sie sich vor und kratze sich dann nervös am Hinterkopf, wobei ihr Zopf wild umherwirbelte. Die Lumpenprinzessin nannte ihren wahren vollständigen Namen aus Vorsicht nicht. Zu viel Respekt hatte sie vor diesem Soldaten.

    Der langsame Verfall hatten bereits eingesetzt, denn die Zeit arbeitete gegen das Fundament einer einstig großen Familie. Stella betrachtete die Villa, jenes Stadthaus, welches einst ihr Zuhause war. Ein Zuhause, welches sie stets hoch und in guter Erinnerung gehalten hatte. Jetzt war es nicht mehr ihr Zuhause. In ihrer einfachen Kleidung reihte sich in die Passantein, die am Gebäude vorbei strömten, um ihren täglichen Aufgaben und Geschäften nachzugehen. Stella hatte mit dem Hauspersonal gesprochen, sofern es ihr möglich war, denn hineingehen wollte sie nicht. Die Antworten stimmten sie traurig. Dieser Ort schien verloren in der Zeit. Bewegungslos verharrte sie im Gedränge, blickte still auf das Eingangsportal und wollte Abschied nehmen. Doch wirklich verabschieden konnte sich Stella nicht. Zu viel Schickal lag in diesem Haus. Zu viel Erinnerung. Einen Moment holte sie tief Luft, wurde aber durch den miefigen Geruch eines Garumtransports unterbrochen, der durch eine Kette von Sklaven durchgeführt wurde, die Amphoren trugen, aus denen jener starker Garum-Duft stieg. Stella grummelte, trat zur Seite und verweilte schließlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, um sich noch eine Zeit des Abschieds zu erlauben.


    Sim-Off:

    Offen für alle! :D

    Stella fühlte etwas. Es war eine Ahnung, dass etwas geschehen würde. Ein Deja-Vu. Sie war schon einmal hier gewesen, hatte genau dieses Gespräch geführt und ihr wurde in diesem Augenblick klar, dass alles in festen Bahnen verlief und sich stets wiederholte. Diese Wiederholung erschütterte sie. Diese Epiphanie zerstörte etwas von der gewonnenen Normalität dieses Gespräches. In Stellas Leben war wenig normal und noch weniger sie selbst. "Etwas stimmt nicht," sagte Stella und blickte sich um. "Wir haben dieses Gespräch schon einmal geführt, oder?" Die junge Frau beugte sich vor, um besser in den Raum zu blicken. "Es kommt mir so vor, dass wir schon einmal hier gesessen haben und genau dieses Gespräch geführt haben," meinte sie und lehnte sich dann wieder zurück. "Geschichten...," murmelte Stella und aß noch ein weiteren Happen und schob dann Cressida die noch halbvolle Schüssel hinüber. Stella ahnte, dass eine Sklavin sicherlich nicht viel Geld besaß und ebenso hungern konnte. Etwas sagte ihr, dass Cressida Hunger hatte. Vielleicht auch nur der Blick oder das sehr leise Magenknurren, welches Hunger immer von sich gab. Denn Stella war aufmerksam. "Hier," sagte sie und nickte Cressida aufmunternd zu. "Nimm' den Rest!" Zwar hatte Stella selbst noch Hunger aber Güte war etwas wertvolleres als ein völliges Sättigungsgefühl. Diese Demut hatte sie von ihrem Vater übernommen, der trotz seines harten Amtes, immer wieder Zeit fand, Menschen zu helfen. Vielleicht half er zu vielen Menschen.


    "Mein Vater...," griff Stella die Worte der nicht mehr fremden Cressida auf. "Mein Vater war ein besonderer Mann, der vielleicht mehr gelitten hatte und leiden musste, als viele vor uns. Er ist ein Beispiel für die Pflicht, die einen Mann zerstört. Nur die Liebe hielt ihn im Leben," erinnerte sich die junge Tiberia und lächelte bei einer wertvollen Erinnerung. "Er konnte atemberaubende Abenteuer berichten, hatte die Welt gesehen und in seiner Nähe war ich immer sicher. Er hatte immer eine Antwort auf jede Frage und konnte wunderbar jede Angst beruhigen..." Eine Träne fiel aus ihrem Auge, als sie an den Moment nach seinem Verschwinden dachte. "Er gab immer alles und fragte niemals nach etwas, was wir tun können. Er opferte sich auf, für Rom und für uns und am Ende...," sagte Stella mit brechender Stimme. "Nicht wichtig," brach sie ab und versuchte die Trauer zu bekämpfen, die sich ihrer Sinne bemächtigt hatte. Auch wenn es ein Deja-Vu war, eine ewige Wiederholung, wollte Stella durch diese Erfahrung gehen, denn ansonsten hatte sie nie eine Gelegenheit sich dieser Trauer zu stellen. Wie sehr sie doch ihren Vater und ihre Mutter brauchte. Diese Welt war zu groß für eine einsame Frau.


    "Verzeihung," jappste Stella und wischte sich die verbliebenen Tränen ab, die nicht mehr eisern zurückgehalten werden konnten. "Deine Geschichte ist ebenso traurig. Ich verstehe Menschen nicht. Wie kann eine Mutter ihr Kind verkaufen... und dein Vater einfach gehen," wollte Stella von sich ablenken und sich um die arme Cressida kümmern, die mehr Menschlichkeit bewiesen hatte, als jeder Römer in ihrem Leben bisher. "Du hättest etwas Besseres verdient als das," meinte Stella und schlug mit der Faust sanft auf die Tischkante. "Du bist Gauklerin geworden? Wenn auch nicht freiwillig und hast Menschen unterhalten. Ich habe nur im Dreck gewühlt und Karotten angepflanzt. Du hast Menschen Lachen und Lächeln geschenkt," erklärte Stella mit einem Lächeln, was von traurigen Augen umspielt wurde. "Welche von uns ist nun die Erhabene?" Eine Frage, die durchaus ernst gemeint war aber viel mehr ein warmherziger Scherz wurde. Stella sah völlig über den Kleinwuchs hinweg, da dieser für sie überhaupt keine Bedeutung mehr hatte. Cressida war einfach Cressida, ein guter Mensch. "Deine Geschichte endet hier nicht. Du schreibst sie jeden Tag," formulierte Stella und hoffte, dass Cressida nicht ihren Lebensmut aufgab und sich einfach ein Schicksal fügte. Stellas Leben bestand daraus, sich gegen das bittere Schicksal zu wenden und einen eigenen Weg zu finden. "Du hast mich vergessen. Ich bin doch nun auch Teil deiner Geschichte!" Die junge Frau schmunzelte.

    "Du hast ein gutes Herz," meinte Stella. "Eine Seltenheit in dieser Stadt." Die junge Tibera wollte über den Eintopf herfallen, aber hielt sich zurück, um die inzwischen nicht mehr ganz so Fremde nicht zu verstören. Dabei hatte Stella einen sehr großen Hunger und würde gerne den gesamten Eintopf in einem Sturz hinunterschlingen. Müde nahm sie den beiligenden Holzlöffel und tunkte ihn die breiige Flüssigkeit mit groben Klumpen. Es fiel Stella schwer das Alter von Cressida einzuschätzen. Vielleicht war sie noch ein Kind oder viel mehr eine Heranwachsende. Es war auch nicht wichtig aber Stella würde gerne mehr wissen, damit diese großzügige Geste nicht von einer Fremden getätigt wurde. "Ich werde mich eines Tages dafür erkenntlich zeigen," erklärte Stella ernst und gab damit ein Versprechen ab. "Gutes soll stets mit Gutem vergolten werden," wiederholte sie etwas, was einst ihr Vater immer gesagt hatte und was sie sehr geprägt hatte. "Wo waren wir stehen geblieben?" Stella rührte den leckeren Eintopf einmal um und ass dann ihren ersten Löffel, der wahrlich einem Himmel gleich in ihrem Mund schmeckte. Hunger machte jedes Essen zu einer herausragenden Küche. "Mein Vater sagte immer, dass wir alle jemandem dienen, auch wenn wir es nicht wissen. Ich glaube, dass er vielleicht falsch lag aber der Gedanke, dass es diese Freiheit garnicht gibt ist einerseits beängstigend aber auch befreiend...," versuchte Stella wieder anzuknüpfen, während sie zwsichen Worten Eintopf über den Löffel in ihrem Mund verschwunden ließ. Die festen Brocken kaute sie heftig und schluckte sie erstaunlich unhöflich herunter. "Ich kann mich nicht offenbaren oder dir etwas sagen, da ich diese Freiheit nicht mehr besitze. Meine Geschichte ist auch nicht so wichtig, war sie vielleicht auch nie," plapperte sie ein wenig ernster aber behielt einen seichten Plauderton bei. "... ich bin einfach Stella und das reicht doch eigentlich, oder?" Vorerst musste das reichen. An diesem Ort war es ohnehin egal, ob sie einen großen Namen besaß oder auch nicht. Natürlich wäre es schön, jemand zu sein, der Bedeutung hatte oder auch nur eine Familie. Stella hatte keine Bedeutung, eigentlich für niemanden, und hatte auch keine Familie mehr. Gerne würde sie Cressida alles berichten, was sie in ihrem jungen Leben erlebt hatte aber dies war nicht die Zeit oder der Ort dafür. Auch wäre dies mit Trauer verbunden, die sie nicht zeigen wollte. "Diese Stadt hat schon vielen ihre Namen gestohlen," gab sie mysteriös von sich und gab damit Cressida ein Mysterium mit. "Ich bin nicht klug, nicht schön, nicht reich und kenne niemanden," erklärte sie. "Manchmal ist das auch gut so." Sie zog ihre Schultern hoch, biss nachdenklich auf den Löffel, ließ diesen kurz im Mund verweilen, bis sie ihn erneut in den Eintopf tauchte. "Cressida, wir sind oft damit besessen, jemand zu werden und vergessen dabei, dass wir längst sind," dachte sie laut nach und lächelte der mutmaßlichen Sklavin zu. "Erzähl mir etwas über dich. Ich bin neugierig," sagte sie und nickte Cressida aufmunternd zu. Stellas Augen weiteten sich dabei etwas. Auch konnte sie so von sich selbst ablenken.

    Stella glaubte wirkliche eine dieser römischen Frauen vor sich zu haben, die nur über ihre Haare und Kleider sprachen. Furchtbar. Wirklich ein Albtraum, dass Maximilla genau dieses Vorurteil bestätigte mit ihrer Frage. Stella wollte abtauchen aber sich nicht die Blöße der Flucht. Jetzt musste sie improvisieren. Es fiel ihr schwer. "Ehm," machte sie, um sich etwas Bedenkzeit zu erkaufen. "Ich glaube, dass es helfen kann. Ich benutze auch eine Mischung aus Tonerde und Honig," war die schnell zusammengebaute Antwort. Ein falsches Lächeln wurde entsprechend angehängt, während ihre Augen zum wunderschönen Deckmosaik flüchteten. Es war wunderschön! Als die Augen zum Gespräch zurückkehrten, stellte Stella fest, dass Maximilla inzwischen knallrot geworden war. Urplötzlich traf Stella eine unvorbereitete Frage, die garnicht ins Bild passte. Maximilla durchbrach die Plauderei und überfuhr Stella regelrecht. Stella, um sich zu besinnnen, warf sich ein wenig Wasser ins Gesicht. Diese Frage hätte auch sie selbst stellen können aber nicht in diesem Kontext. Maximilla entpuppte sich als Rätsel. Stellas Vorurteile funktionierten nicht mehr. Natürlich hatte sich Stella diese Frage nach dem Tod auch gestellt. Sie selbst betete ja zu Pluto, den einzigen Gott, der wahrlich Macht über alle besaß. "Wir sind alle nur Schatten, Maximilla. Alle nur Gefangene einer endlosen Abfolge von Ereignissen," war die Einleitung ihrer Antwort. "Pluto holt uns irgendwann alle. Doch das ist nicht wichtig. Was wir im Leben tun, hallt in der Ewigkeit. Solange wir in Erinnerung bleiben, stirbt das, was wirklich waren, niemals. Und selbst wenn wir vergessen werden, hatte unser Ende stets einen Sinn, denn wir waren hier. Ein Ende ist ein Ende und was wirklich geschieht, wenn Pluto uns holt..." holte sie aus und verlor das Lächeln aus ihrem Gesicht, was ohnehin nur gefälscht war. "Das kann nur Pluto selbst sagen. Ob es ein Elysium gibt, einen Hades, oder ob wir einfach verschwinden... - Niemand weiß es." Stella nickte Maximilla zu. Noch immer war ihr Pluto eine Antwort schuldig. Noch immer wartete sie darauf, dass der Todesgott sich offenbarte und ihr antwortete. Doch Stella war sich sehr wohl klar, dass sie eine Antwort vom Tod erhalten würde. Schließlich tauchte sie unter und tauchte mit einer völlig konträren Aussage wieder auf. Stella war nun verwirrt. "Öh...!" Es schafften nur wenige, Stella vollständig zu verwirren aber Maximilla hatte es in wenigen Minuten geschafft. "Können wir bei einem Thema bleiben?" Stella wollte wirklich beim spannenden Thema Tod und Geister bleiben, denn das war deutlich interessanter als Haare oder Massagen.

    "Sind wir nicht alle Wesen aus Geist und Materie?" Eine Frage, die Stella entgegnete. Scheinbar war sie an eine Philosophin geraten, was sehr ungewöhnlich war. Oft hatte sie diesen Gedanken gehabt, dass sie selbst nur eine Figur innerhalb einer Geschichte war. "Die Frage ist, ob der Geist über die Materie herrscht," äußerte die junge Frau etwas betroffen, denn sie glaubte, dass ihr Vater sie stets davor gewarnt hatte, die Natur ihrer Realität in Frage zu stellen. "Es ist keine Masquerade. Es ist eine lange Geschichte..." Stella wollte ehrlich sein aber konnte es nicht. Vieles hinderte sie daran, sich zu offenbaren aber vor allem hinderte sie daran, die schmerzhafte Erinnerung an diesen einen Tag vor Jahren, der ihr bis dahin schönes Leben vollständig zerstört hatte. Die Frage der Fremden traf Stella genau an diesem wunden Punkt, so dass sie einen Atemzug brauchte, um wieder ins Jetzt zurück zu finden. "Du hast vollkommen Recht. Das sagte mein Va..." Sie brach ab und wollte es nicht aussprechen. Nicht hier. "Es ist eine gute Weisheit." Ihr Herz wurde schwer, während sich die Fremde als Cressida vorstellte. Eigentlich wollte Stella nun gehen, damit sie Cressida nicht zu viel von sich preis gab. Wenigstens gab es gleich etwas zu Essen. "Danke," bestätigte Stella höflich. Stella wartete an Ort und Stelle, da sie ahnte, dass man sich schnell aus den Augen verlieren konnte. Cressida kehrte alsbald mit dem Eintopf zurück, den Stella aufmerksam und ehrlich dankbar entgegen nahm. "Danke! Danke!" Stellas Augen strahlten, während ihr der Duft einer guten Speise in die Nase stieg. Wirklich. Es war eine Erlösung für die wirklich hungernde Stella, die sich wenig wirklich leisten konnte. "Wollen wir uns dort auf die Bank setzen?" Die junge Frau deutete mitsamt der Schüssel zu einer niedrigen Holzbank mit einem Holztisch daneben. Der Holztisch wirkte abgenutzt aber sauber. "Und lass' bitte das Domina weg. Ich bin nicht deine Herrin," sagte sie und bewegte sich bereits einen Schritt in Richtung der Bank. "... eher Freundin," ergänzte sie mit einem sanftmütig freundlichen Lächeln.

    Eine Melodie durchfuhr Stellas Kopf, ummantelte die Gedanken in einen leidigen Sanftmut, welcher für einen winzigen Augenblick die Verunsicherung veränderte. Stella blickte die Fremde frech an, wollte eine ebenso freche Antwort geben aber unterließ es. "Aber du siehst die Dinge, wie ein Geist," meinte Stella schließlich und kratzte sich am Schädel. Nur kurz aber so intensiv, dass sich eine Haarsträhne verzwirbelte und im Fett des Haares verklebte. Ja, jetzt stellte auch Stella selbst fest, dass sie dringend ein Bad brauchte. Die fettigen Haare gaben etwas von ihrem öligen Glanz an ihren Zeigefinger ab, den Stella nun betrachtete und die schmierige Masse mit dem Daumen glatt rieb. "Ich leugne es nicht," gab sie von sich und wischte ihre Hand an ihrer längeren Tunika ab. "Verstecken wir uns nicht alle?" Das war ihre persönliche Meinung. Sie hatte zwar nur wenige Menschen in ihrem Leben wirklich kennengelernt aber die meisten Menschen versteckten sich vor etwas. Meistens versteckten sie sich vor Verantwortung oder Pflicht. Die meisten Menschen lebten in den Tag hinein, einfach verdrängend, warum sie wirklich lebten. "Woran machst du fest, dass ich eine edle Patrizierin bin?" Stella wollte wieder auf diesen Punkt zurückkommen, da sie wahrlich nicht beabsichtigt hatte, heute verkleidet zu sein. Es hatte sich einfach ergeben, da die Reise und der Weg ihr übriges getan hatten. "Ich bin Stella," stellte sie sich nun doch vor und beäugte die kleine Fremde, die sehr merkwürdig war und vielleicht etwas zu viel erahnte. "Du weißt, wie es ist, jemand anderer sein zu wollen?" Das hatte sie deutlich mitbekommen. Stella wollte hier nachhaken, da genau diese Frage interessant war. Dies konnte ein wirklich spannendes Gespräch werden, welches nicht nur einfache Plauderei war, die sie so sehr hasste. Vielleicht sprang auch etwas zu Essen für sie dabei heraus. Stella hatte nämlich Hunger. "Ich bin gerne bereit mit dir zu reden aaaaaber...," sagte sie und grinste breit, so dass ihr perlweißen Zähne zum Vorschein kamen. "Lädst du mich auf einen Eintopf ein?" Immerhin konnte sie so das wenige Geld sparen, das sie besaß. Und sie würde es sicherlich noch brauchen. Armut war unangenehm, unfair und selten schön.

    Das Wasser war eine Wohltat, wenn nicht sogar ein kleines Wunderwerk für die Tiberia, die auf ihrem Landgut nahezu keine Möglichkeit hatte, ein echtes Balneum zu besuchen. Die Wohltat lenkte sie inzwischen auch von ihrer selbstgesetzten Mission ab, die anwesenden Frauen zu studieren. Ein Studium dessen Stella viel zu schnell überdrüssig wurde, da das Verhalten der meisten seltsam eintönig war und nur aus sich wiederholenden Gesprächen und Gesten bestand. War es wirklich so einfach? Stella grinste frech und zynisch über diese Frauen, die sich von ihr sicherlich derart unterschieden, dass eine ausführliche Gesprächsführung für beide Seiten nicht von Vorteil war. Mit einer schnellen Handbewegung fuhr sie sich über die Stirn und dann durch die Haare. Sie entschloss sich für einen Moment die Augen zu schließen, einen Moment der Ruhe zu finden, damit sie nicht in ein gehässiges Lachen ausbrach. Besonders die Frauengruppe unweit hatte in ihr eine üble Gehässigkeit geweckt. Dennoch wollte sie nicht unangenehm auffallen. Es blieben nur gehässige Gedanken. Als Stella ihre Augen wieder öffnete, begegnete ihr Blick einer anderen Frau, die sie unmittelbar ansprach. Es war vorbei mit der Ruhe. Jetzt musste Stella ihre Konversationsfähigkeiten aktivieren, die ihr Vater einst schulen wollte aber leider war ihr Vater selbst kein großer Redner gewesen, viel zu nüchtern und eisern. Emotionen zu vermitteln war schwierig und andere zu begeistern oder zu unterhalten, noch ungemein schwerer. Stella konnte sicherlich plappern aber nicht wirklich plaudern. Einfache Gespräche konnte sie nicht, da sie oft in ihre seltsamen Gedanken abtrieb, die oft fantasievoll und sprunghaft waren. Langweilige Gespräche ohne Fundament waren ihr einfach zuwider. Das hatte sie insbesondere auf dem Land gehasst. "Salve," entgegnete Stella mit einem falschen Lächeln, etwas, was sie konnte. "Es ist wunderbar!" Die Antwort war ehrlich aber gab keine weiteren Impulse in Richtung eines Gespräches. Das wurde Stella schlagartig bewusst. "Stella," stellte sie sich knapp vor und hoffte damit die römische Höflichkeit bedient zu haben, die sie selbst im Exil abgelegt hatte. Dennoch musste sie diese Höflichkeit erneut erlernen, damit die junge Frau in der Gesellschaft irgendwie überleben konnte. Es war eine gute Gelegenheit das elende Plaudern zu erlernen.

    Stella fühlte diese schleichende Angst, die sie auch damals gespürt hatte, als ihr Vater verschwunden war. Alles schien bedrohlich, als der Soldat sie in die Amtsräume führte. Die Menschen machten ihr Angst, die Ausstattung des Raumes und ganz besonders die Atmosphäre. Die junge Frau war überfordert, wollte gar fliehen aber ihr kleines mutiges Herz hielt sie hier. Viele Jahre war ihr etwas vorenthalten worden, was nun greifbar war. Sie musste nur noch warten. Es war eine kleine Hoffnung für eine Frau, die mit allem fremdelte. Ihre Familie fehlte ihr. Ein echtes Leben fehlte ihr. Die Imitation dessen, was sie jetzt darstellte, war so unecht, wie die rote Farbe ihrer Lippen. Wortlos war sie dem Soldaten gefolgt, hatte den Weg erduldet, um endlich - erneut zu warten. Stella fühlte sich von den Anwesenden beobachtet und hektisch huschten ihre Augen umher, ein Versteck suchend. "Ja, ich bin Tiberia Stella," fügte die nervöse Dame an, als der Prätorianer sie anmeldete. Es war nicht notwendig aber Stella dachte, dass es notwendig war. Auch gab ihr der Name für diesen einen Moment etwas Sicherheit. Sie war eine Tiberia. Ein Name gab Bedeutung und Existenz. Viele Jahre war sie nur Stella gewesen, ohne jegliche Zugehörigkeit, versteckt und unter Aufsicht. Auch wenn es hier enden würde, ihr Name war gesprochen. Ihr wahrer Name. Kein Schauspiel mehr, denn es war überflüssig für diesen Moment. "Danke," warf sie dem Soldaten freundlich entgegen, der sich wortlos mit einem Nicken verabschiedete. Etwas verlassen stand sie nun dort, feststellend, dass hier wirklich viele Menschen warteten. Erst jetzt nahm sie die Zahl wirklich war, die vor wenigen Augenblicken noch zahllos erdrückend gewesen war. Stella fand keinen Sitzplatz mehr und entschied sich, sich an eine Wand zu lehnen, neben einer hässlichen Büste irgendeines Politikers, dessen Namen sie nicht kannte. Die Büste war wirklich hässlich, weil der Kopf aufgedunsen wirkte und die Nase furchtbar schief war. Wenigstens war die Hässlichkeit der Büste eine willkommene Ablenkung. Jetzt hieß es warten.

    Es war irritierend. Stella war einen Moment sprachlos, fast zurückhaltend und sie musste ihre Gedanken sortieren. "Du bist kein Geist," wiederholte sie abwesend, während sie erneut ein Trugbild vor sich glaubte. Manchmal geschah es, dass Stella die Welt anders sah, als andere. Bewegungen wurden Linien und Töne wurden Farben. So wurden auch die Stimmen der Fremden an diesem Ort Kunstwerke, die ihre eigenen Bilder malten. Stella hatte dies nie als Krankheit empfunden, denn ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass diese Fähigkeit kein Makel ist, sondern ein Geschenk. Die Welt wurde für Stella manchmal bunter, farbenfroher und allzu oft staunte sie selbst über die Veränderungen, die Töne auslösen konnten. Jede Stimme erzählte ihre eigene Geschichte, formte ihre eigene Farbe und Form, während Stella staunte. Auch Cressidas Stimme war eine Farbe. Es dauerte einen Moment, bevor die Magie endete und sich die junge Römerin wieder an der Stelle befand, von der sie vor wenigen Momenten fortgeflogen war. Nun sah Stella das schelmische Funkeln in den Augen der Fremden. Stella hörte zu. Und sie glaubte nicht richtig zu hören. "Ehm... Öhm," konterte sie mit merkwürdiger Grimasse. Nein, das konnte nicht sein. "Ich bin keine Patrizierin," sagte sie schließlich überzeugt. Die Fremde mochte Recht haben aber Stella tarnte sich an diesem Ort nicht, denn ihr war ihre eigene Erscheinung insoweit egal, solange sie keine Rolle spielte. Darüber hinaus sah sich Stella nicht als Patrizierin, da sie einen Großteil ihres jungen Lebens nicht als Adelsdame verbracht hatte. Sie hatte das Leben einer einfachen Landfrau gelebt, nichts Besonderes, fern von Rom und weit weg von allem, was eine Patrizierin auszeichnen würde. Stella vermochte etwas mit dem Begriff anzufangen aber sah sich nicht als solche, da sie die Verpflichtung ihres Namens, auch seinen Fluch, auch ohne besondere Vorrechte erfüllen konnte. "Wie kommst du darauf?" Eine neugierige Frage, die Stella herausgehoben betonte und eine wilde Geste mit ihrer linken Hand machte, damit die Unbekannte schnell fortfuhr.

    Was hatte sie für eine Wahl? Ungeschickt war sie, wenn nicht sogar töricht, dass sie diesen Versuch unternommen hatte aber Stella konnte nicht mehr warten, nicht mehr nur die einsamen Stunden zählen, welche vielleicht nicht schnell genug vergingen. Stella zog die Palla von ihrem Haupt, so als ob sie kapitulieren wollte, vor diesem Soldaten oder vor der Aufgabe, die ihr Vater hinterlassen hatte. Missmutig zerknüllte sie den Stoff in ihren Händen. Nein, es war nicht ihre Palla und auch der Stoff fühlte sich seltsam fremd und unwohl an. Auch wenn sie Theater spielen konnte, war sie noch zu naiv, zu lange von Rom entfernt gewesen, getrennt von der normalen Gesellschaft, so dass dies wirklich funktionieren konnte. Eigentlich funktionierte in ihrem Leben wenig gut, außer die einfache Arbeit auf dem Feld des fernes Landgutes. Vielleicht sollte sie einfach aufgeben. Gedanken wälzten sich in ihrem Schädel. Einfach aufgeben und sich in ein Schicksal fügen, welches sie nie gewollt hatte. Stella hatte nie darum gebeten, es nicht verdient, so zurückgelassen zu werden und doch war ihr inzwischen alles fremd. Einige würden sie als verrückt beschreiben, sich in Fantasie und Vergangenheit flüchtend, aber mehr hatte sie nicht mehr. Nur noch die Erinnung und ihre Fantasie, die sie in Rollen schlüpfen ließ. Nur in diesem Fall funktionierte die Rolle nicht. Eigentlich hatten ihre Rollen noch nie funktioniert, da sie nur zeitweilige Masken waren. "Ich...," versuchte sie eine Antwort zu formulieren aber die Worte kamen nicht über ihre Lippen. Einfach alles misslang in dieser Stadt. In ihrem Dorf konnte sie Bauern beeindrucken, Sklaven zum Narren halten und auf dem Landgut so tun, als ob dies die ganze Welt war. Doch die Welt, die wirkliche Welt, war nicht so einfach zu kontrollieren und zum Narren zu halten. Mangels Vorbilder war Stella alles andere als eine römische Dame. "Wäre ich doch nur nie gegangen," wollte sie schließlich sagen aber sprach es nicht aus und so formten ihre Lippen nur tonlose Silben. Immerhin wäre die Arbeit auf dem Feld nahezu ungefährlich und sie hätte ein Leben als einfache Feldarbeiterin Stella. Doch sie konnte einfach nicht vergessen. Stella wollte nur etwas mehr verstehen, warum sie nun allein war. Innerlich verfluchte sie alle Götter bis auf Pluto höchstselbst. Es war eine gewisse Ironie, dass eine junge Frau lieber den Gott des Todes anbetete, als alle anderen Götter aber der Tod schien ihr näher als das Leben. Auch hatte ihr Vater zu Pluto gebetet und sie hoffte, dass Pluto mehr über sie wachen würde, als die anderen Götter, die - so glaubte Stella - sie verraten hatten. Es war lange her, zu lange, und Stella versuchte sich an die Weisheit zu erinnern, die ihr einst ihre Mutter beigebracht hatte. Kleine Schritte waren auch Schritte und ein Weg brauchte nur Schritte. "Ich möchte warten," war schließlich der Satz, den sie ernst aussprach. Die verstellte Stimme war gänzlich webgebrochen. "Der Notarius wird mir sicherlich zuhören und wenigstens...," sagte sie aber beendete den Satz vorzeitig. Wenigstens würde ihr jemand zuhören und mitunter war eine Notiz alles, was schließlich von ihr bleiben würde. Immerhin eine Notiz. Stella kam nicht umhin innerlich verbittert zu lächeln, als sie diesen Gedanken fasste. "Danke," ergänzte sie und blickte wieder auf, um dem Soldaten ins Gesicht zu blicken. Sie hoffte etwas in seinen Augen lesen zu können aber ihre zurückgehaltenen Tränen machten ihr Augenlicht trübe. Ihr Herz schlug heftig, denn alles, was sie erwarten konnte, befand sich hier. Es lag alles hinter diesem Tor und wenn sie Wochen warten müsste, sie würde warten. Oder dabei umkommen.

    Es fiel ihr schwer, sich an diese neue Situation anzupassen. Natürlich hätte sie mit Vorkenntnissen besser agieren können und hätte sich sicherlich postalisch angemeldet aber sie hatte keine Vorkenntnisse über das Protokoll. Sie wusste noch nicht einmal, wie sie mit Amtspersonen sprach, da sie stets fürchterliche Angst vor diesen hatte. Ihre Erfahrungen waren nicht positiv geprägt. Zwar hatte Stella eine ausreichende Schulbildung erhalten aber alle, selbst ihr Vater, der sonst an alles gedacht hatte, hatte den Punkt Hofprotokoll schlicht vergessen. Stella wurde unruhig, da alles, was sie sich von diesem Besuch erhofft hatte, nun auf der Kippe stand. Auch wusste die junge Frau einfach nicht, wo sie unterkommen sollte. Sie konnte keine weitere Nacht ein Zimmer bezahlen. Auch die im Brief des Vaters versprochenen Helfer blieben aus. Rom entpuppte sich als nicht nur als letzter, sondern endgültiger Versuch, ihrem Leben Bestimmung zu geben. Stella fürchtete sich davor, allein in den Straßen zu enden. Auch weil die Feinde ihres Vaters hier lebten. Nein, sie wollte jetzt nicht aufgeben. Ihr Leben hing davon ab. Stella überlegte schnell. Sie setzte einen zuckersüßen Blick auf und sprach gleichzeitig: „Werter Soldat, ich habe nicht die Möglichkeiten lange in Rom zu verweilen!“ Nicht wirklich gelogen aber auch nicht vollständig korrekt. Wenn Stella nicht irgendwie jemanden sprechen konnte, würde sie bald nirgends mehr verweilen können. Auch das alte Stammhaus der Familie war inzwischen verwaist und auch dort war nur Einsamkeit für Stella gewesen. Es würde bald in den Staatsbesitz wandern, so hatte man es ihr erklärt und die Sklaven vor Ort bereiteten den Eigentumswechsel vor. Zudem hatte ihr niemand geglaubt, eine Tiberia zu sein. “Kann ich nicht heute einen Termin machen? Mit jemandem sprechen? Kann ich mit dem Procurator sprechen?“ Ihre Augen wurden aus Sorge glasig und Tränen kündigten sich an. Nicht, dass Stella dies beabsichtigt hatte aber es konnte nützlich sein, wenn Emotionen das Schauspiel unterstützten.

    Herausgeputzt in feinster Robe, die sie tatsächlich gestohlen hatte, oder wie sie es nannte, kreativ enteignet, fand sie sich vor dem Palast ein. Aufgetackelt mit vielleicht etwas zu viel MakeUp um die Augen und zu viel Rot auf ihren Lippen, wollte sie dieses Theaterstück zumindest passend über die Bühne bringen. Kleider machten Leute, da war sie sicher, auch wenn sie privat sicherlich unauffälliger war. Stella hatte sich dennoch viel von den Damen der höheren Stände abgeschaut und sich sogar einen Habitus angeeignet, nebst Gang, der sie als wohlgeboren ausweisen sollte. Die junge Frau hatte sogar geübt, mit vorsichtig erhöhter Stimme zu sprechen, um aristokratischer zu klingen. Alles war einstudiert, für diesen Auftritt, um ein Versprechen einzulösen, was einst ihrem Vater gegeben worden war. Stella wartete bis eine der Sänften vorbei getragen wurde, tat dann so, als ob sie gerade aus dieser gestiegen war und trat mutig mit ausladendem Hüftschritt auf die Wachen am Portal zu. "Salvete," sagte sie in einem schnöseligen Tonfall; vielleicht etwas zu viel und Stella ruderte dezent mit einem Lächeln zurück. "Ich bin Tiberia Stella," stellte sie sich vor und schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie keine Sklaven vorschicken konnte. Ihre Rolle war gefährdet, da ihr niemand glauben würde, dass sie wirklich eine Tiberia war. Sie hatte ja nur ihre Brosche und den Brief ihres Vaters, den hier aber niemand sehen dürfte. "Ich möchte mit dem Imperator Caesar Augustus sprechen." Schnell überlegte sie, was ihr Vater ihr einst eingeschärft hatte, wenn sie vor einem Prätorianer stand. "Plato schickt mich," fügte sie an und verwies damit wohl auf etwas Internes der Prätorianer, was sie selbst aber nicht ganz so verstand. "Egal," sagte sie dann doch. "Ich muss mit dem Augustus sprechen, da er meiner Familie einst ein Versprechen gegeben hat," sagte sie ehrlich und hoffte, dass dies helfen würde. Stella war furchtbar ungeschickt, da sie das Hofprotokoll nicht kannte. Eigentlich kannte sie fast nichts aus dieser Stadt. "Kann ich einen Termin machen," fragte sie dann doch etwas eingeschüchtert und blickte zu Boden, so dass ihr Blick durch ihre Palla verhüllt war. Jetzt hatte sie Angst.

    Erscheinung war Kostümierung, so dass Stella sich stets an ihre Situation anpasste. Stella verkleidete sich gerne, spielte gerne groß auf oder auch mal klein. Sie war nur eine Schauspielerin auf einer merkwürdigen Bühne. Allein in der Welt, allein in dieser Stadt, mit einer losen Hoffnung, gab es nichts, was sie hielt oder zurückhielt. Alles war ihre Bühne, auch wenn Bilder sie leiteten. Bilder, die oft klar und manchmal verschwommen waren. Hier war sie, sich vorbereitend auf den Tag, an dem sie eine Person konfrontieren würde, die sicherlich Geheimnisse hatte und sicherlich mehr über die Vergangenheit berichten konnte, als jeder andere. Eine Person, die ihrem Vater ein Versprechen gegeben hatte, welches sie nun einfordern musste. Wirklich einfordern, damit sie ihrem Ziel näher kam. Aber bis dahin galt ihr diese Bühne. Stella ließ sich fast durch das Wasser treiben, denn sie hatte ein solches Wunder in ihrem Leben zuletzt vor Jahren gesehen. Diese Therme war großartig. Und sie eignete sich, Frauen zu beobachten, um sich ihre Verhaltenweisen anzueignen, damit sie eine neue Rolle erlernen konnte. Stella musste ihr Verhalten imitieren, damit sie sich als etwas ausgeben konnte, damit man ihr glauben schenkte. Ihre Augen waren also offen und wach. Es gab viel zu lernen.

    Angekommen in der Stadt, die ihr stets fremd war. Eine Stadt, die ihr Vater immer als Abgrund beschrieben hatte. Stella hatte nie verstanden, was ihr Vater an dieser Stadt fand, wenn er doch wenig Gutes berichten konnte und letztlich blieb ihr Rom bis heute ein Rätsel. Ein Rätsel, was sie gerne lösen würde aber sich zurückhielt, da manche Rätsel auch lieber ihre Geheimnisse behalten sollten. Ihr Vater war schließlich über diese Geheimnisse gestolpert, hatte sicherlich auch Geheimnisse zu diesem großen Rätsel hinzugefügt, um letztlich vom Abgrund verschluckt zu werden. Er kehrte niemals zurück. Diese Leere konnte sie bis heute nicht füllen. Erklärungen waren stets verhallt, Wünsche tonlos verklungen und jedes Schlaflied brachte keinen Schlaf. Stella war durch die letzten Getreuen versteckt worden, vor Jahren, bevor ihr Vater verschwand. Sie hatte es nie verstanden und bis zu diesem Tage war dort keine Antwort. Es wirkte merkwürdig entrückt, durch diese Stadt zu irren, die höchstwahrscheinlich ihren Vater getötet hatte. Aber nein, es war nicht die Stadt, da war sich Stella inzwischen sicher, nachdem sie durch die Straßen gewandert war.


    Es waren Menschen, die wahrscheinlich immer noch ihrem Tagwerk nachgingen. Sie wollte eine Antwort, warum ihr Vater verschwinden musste aber im Herzen wusste sie es längst, dass die Aufgabe, die ihn verbittert gemacht hatte, verantwortlich war. Einzig die Sehnsucht blieb, herauszufinden, was damals in dieser unheiligen Nacht geschah, als ihr Papa aufgebrochen war und sie und ihre Mutter zurückgelassen hatte, damals beinahe eine Frau aber noch ein Kind, heranwachsend aber noch nicht erwachsen und nun als Frau war diese Frage so groß, dass sie eine Antwort brauchte, um ihr zerissenes Leben irgendwie zu retten. Ihr Herz war gebrochen, zusammengehalten von der Erinnerung an eine Familie, die sich stets heimgesucht sah. Es war an der Zeit, dass Versteck zu verlassen, auch wenn es sicherlich Gefahr für sie bedeuten konnte. Stella fühlte diese schwere Last auf sich, als sie sich durch die Menge an Menschen bewegte. Die letzten Getreuen, bevor auch sie aufgebrochen waren, hatten sie einst gewarnt, als sie unter Tränen auf das verlassene Landgut gebracht wurde. Eine Warnung vor dunklen Mächten, die alles vernichten wollten, was ihr Vater geschaffen hatte. Und sie wollten auch sie holen, um alles auszulöschen, was ihr Vater liebte.


    Diese Angst kroch in ihre Augen, die umher huschten, eine Gefahr vermutend.


    Stella wusste, dass nicht alles verloren war aber vieles. Es lag Hoffnung darin, die Wahrheit herauszufinden, auch wenn es ihr eigenes Ende bedeuten konnte. Leider musste sie mit der Suche in Rom beginnen. Die letzten Jahre auf dem Landgut, mit nur wenigen Angestellten und Sklaven, waren für lehrreich gewesen. Stolz konnte sie sich nicht mehr leisten, da sie oft mit anpacken musste. Wo andere Töchter aus einem großen Haus Kleider und Schmucken erleben konnte, sich nicht sorgen brauchten, musste Stella im Dreck der Erde wühlen, Äcker bearbeiten und Mist schaufeln, da es schlicht an allem fehlte. Sie erinnerte sich nicht einmal daran, wie parfürmiertes Rosenöl roch, oder wie sich Gold auf der Haut anfühlte, denn alles, was sie noch kannte, war Arbeit. Viel Arbeit, die sie inzwischen wertschätzte, da sie ablenkte. Ihr wurde erlaubt, ein Leben zu leben, welches fern der Grausamkeit lag, welche ihr Vater stets von ihr fernhalten wollte. Zu ihrem Glück blieb sie nicht lange allein, denn ihre Mutter war einst nachgekommen, gebracht von den selben Getreuen, um mit ihr auf dem Landgut zu leben, welches versteckt gelegen, ein neues Zuhause wurde. Zwischenzeitlich war auch ihre Mutter verstorben, so dass Stella allen Mut zusammen genommen hatte, um der Frage nachzugehen, was damals geschehen war. Es schmerzte daran zu denken, dass nun auch ihre Mutter im Elysium war. Dort, wo sie selbst noch nicht war. Inzwischen Waise wollte sie sich nicht mehr verstecken, konnte es auch nicht mehr, da sie eine Nachricht erreicht hatte, dass ihr Vater ihr etwas in Rom hinterlassen hatte. Stella trug den Brief und wenige Sesterzen bei sich, war mit einem Viehwagen nach Rom gereist, um den Instruktionen zu folgen. Es würde sie ihrer Antwort näher bringen. Oder zumindest war es etwas, was ihr Vater möglicherweise hinterlassen hatte. Etwas aus der Vergangenheit, dem sie sich verpflichtet fühlte.


    ~~~


    In einfacher Kleidung, mit Dreck unter den Fingernägeln, fand sie die Taberna, die im Brief erwähnt wurde. Hier sollte sich eine Person befinden, die ihr weiterhelfen konnte. Ein alter Vertrauter sollte sich an diesem Ort befinden aber sie wusste nicht, wie sie ihn erkennen sollte. Stella erinnerte sich daran, was ihr Vater ihr beigebracht hatte. Sie hatte Fähigkeiten erworben, nicht nur durch harte Arbeit, die sie von anderen Frauen unterschieden. Die Arbeit ihres Vaters hatte ihn vorsichtig gemacht und so hatte er auch seine Tochter unterrichtet, damit sie selbst nicht unmittelbar in Gefahr geriet und sich selbst durchschlagen konnte. Seine Vorsicht war sicherlich begründet gewesen, wie sein Verschwinden bewiesen hatte. Ihre Talente und Fähigkeiten hatten ihr oft geholfen, gefährlichen Situationen zu entkommen und unentdeckt zu bleiben. Vielleicht war es auch die Gabe ihrer Mutter, die sie geerbt hatte.


    "Ey," jappste sie, als sie unsanft angerempelt wurde, während sie sich in der Taberna umschaute. "Pass' doch auf!" Stella konnte herausragend schimpfen. Ein paar wütende Flüche später, stand sie dort, blickte sich um, die Instruktionen des Briefes im Kopf rezitierend. Es musste einen Hinweis geben. Schließlich blickte sie neben sich und entdeckte dort eine sehr kleine Person, die nicht ganz ins Bild passte. Ein ungewohnter Anblick. Neugierig legte Stella ihren Kopf schief, so dass ihr zerzaustes Haar gut sichtbar wurde, da sich eine verfettete Haarsträhne verschob. Ja, Stella machte wahrlich einen Eindruck, dass sie frisch vom Bauernhof kam. Stella streckte ihren linken Zeigefinger aus, um die kleine Person anzustupsen, da sie befürchtete erneut zu fantasieren und wieder Bilder zu sehen. Ihr Finger berührte die Frau an der Schulter und erbrachte den Beweis, dass diese echt war. "Verzeihung," sagte Stella mit einem breiten Grinsen, um sich dahinter zu verstecken.