Beiträge von Sisenna Seius Stilo

    "Dörfer in dem dir bekannte Sinne gibt es wenige da draußen. Ein paar liegen an den Handelsstraßen. Die Bevölkerung ballt sich jedoch vor allem um die Heiligtümer der Fürsten. Dafür gibt es einige Stellen in der Wildnis, an denen man mit recht hoher Wahrscheinlichkeit auf Nomaden treffen kann, auf Reisende oder auf Pilger und Einsiedler. Prädestiniert dafür sind Höhlen mit sauberem Wasser in der Nähe und genügend Vegetation für die Tiere. Wenn man Pech hat, ist sie schon von einer Räuberbande besetzt. Ich für meinen Teil bevorzuge trotzdem die Übernachtung in der Natur gegenüber der Möglichkeit, in einem fremden Haushalt einzukehren. Gewerbliche Übernachtungsmöglichkeiten sind außerhalb der Städte praktisch nicht vorhanden."

    Über das stoische Gesicht von Stilo zog ein Hauch von Belustigung hinweg, als Iunius Verax vom undurchsichtigen, aber gewohnten Gang sprach.


    "Dann hoffe ich, dass dich diese Undurchsichtigkeit in Alexandria nicht gestört hat. Die Ränkespielchen der Tempelfürsten stellen alles in den Schatten, was ich an Undurchsichtigkeiten je erleben durfte. Diese Leute verkaufen ihre eigenen Götter, wenn es ihnen nützt."


    Vielleicht gab es Ausnahmen ... den edelmütigen Tempelfürsten, dem es um das Wohl seines Volkes und um das Andenken seiner Gottheit ging, doch Stilo vermutete, dass alle Tempelfürsten mit tugendhaften Ambitionen längst von den anderen ausgemerzt worden waren. Auch der Onkel seines Halbbruders Ravilla war auf höchst undurchsichtige Weise ums Leben gekommen. Ravilla konnte, wenn er ein Gläslein Weißwein zu viel getrunken hatte, eine lange Liste verdächtiger Namen samt passender Motive präsentieren, deren Zusammenhänge jeder, der nicht mindestens ein halber Cappadox war, sofort wieder vergaß.


    Stilos Schmunzeln wurde deutlicher bei der Anmerkung von Iunia Proxima zum Thema Wellengang.


    "Wir haben hier auch Kamele als Reittiere. Die sollte dein Bruder dann meiden. 400 Meilen werden es sein von hier bis nach Satala. Ich veranschlage um diese Jahreszeit zehn Tage Reisezeit, besitze allerdings ein trainiertes Pferd und führe noch ein genauso gutes Ersatzpferd zum Wechseln und einen Esel für das Gepäck mit mir. Mit einem durchschnittlichen Reittier würde ich ein paar Tage draufrechnen, wenn es nicht zuschanden geritten werden soll."

    Stilo hatte keine andere Antwort erwartet. Wer seine Familie hinter sich ließ, genoss für gewöhnlich die Luft der Freiheit, anstatt sich bei der erstbesten Verwandtschaft einzuquartieren, die ihm über den Weg lief und ihre Gastfreundschaft aufs Auge drücken wollte. Insbesondere, wenn verschiedene Gründe als Ursache des Verschwindens angegeben wurden.


    Stilo vermutete eher nicht, dass die beiden etwas ausgefressen hatten, vielmehr nahm er die hoffnungslos chaotischen Zustände in der Gens Iunia als Ursache an, in der sich jeder mit jedem verzankte, Leute aus ungeklärten Ursachen verstarben oder sich in die Fremde absetzten, ohne einen Abschiedsgruß zu hinterlassen. Wer war er, einem Iunier seinen Individualismus nehmen zu wollen? Sie wussten nun, an wen sie sich vor Ort wenden konnten, wenn sie mal übers Ziel hinausschossen und ein Mehr an wohlgemeinten Angeboten oder Ratschlägen würden sie nur davonjagen.


    "Ich bin über das Meer gekommen", beantwortete er die Frage. "Ich bin eine hoffnungslose Landratte, aber an Bord hat mir gefallen, wie alles harmoniert, wie eine gefühlte handvoll Menschen ein so riesiges Gefährt sicher durch Wind und Wetter navigieren kann. Die einen kümmern sich um die Segel, die anderen ums Steuer, immer ist irgendwer am werkeln und jeder hat seinen festen, unersetzlichen Platz. Das Leben in so einer Gemeinschaft stelle ich mir durchaus nicht schlecht vor. Mit einem Kriegsschiff würde ich gern mal mitfahren, auch wenn ich der Legio den Vorzug gebe, einfach um zu sehen, wie dort alles funktioniert.


    Wie sind die momentanen Zustände in Alexandria? Man hört ja so einiges, aber ich bevorzuge Informationen aus erster Hand und frischer könnten sie wohl nicht sein."

    Stilo wartete in Ruhe, bis die Mädchen die Taberna verlassen hatten. Sklavinnen einer Nannaia Surena, aha. Nie im Ort gehört, schien auch neu hier zu sein. Surena. Als jemand, dessen Familie seit Generationen in Cappadocia lebte, war Stilo der Nachname allerdings geläufig. Das konnte doch fast nicht sein, vielleicht verhielt es sich ähnlich wie mit den römischen Libertini, welche mit der Freilassung die Namen ihrer Herren annahmen? Doch nun galt es erstmal, sich um die eigene Sippschaft zu kümmern.


    "Titus Iunius Priscus war mein Schwager, der Mann meiner älteren Schwester. Selbst wenn es keine Blutsbande sind, die uns verbinden, so steht die Tür der Casa Seia für Verwandte jederzeit offen. Gästezimmer gibt es mehr als genug. Ich werde den Sklaven Bescheid geben, damit sie euch bei Bedarf einlassen. Braucht ihr Hilfe - meldet euch bei mir. Ich selbst bleibe nicht in Caesarea, ich reise Weiter nach Satala zur Legio XV Apollinaris. Was hat euch überhaupt hierher verschlagen? Cappa ist ja nun nicht gerade dafür bekannt, junge Römer zu locken. Die meisten empfinden eine Versetzung hierher als Strafe."

    Stilo verzog sich mit seinem Essen an einen der Tische. Das Fräulein hatte es eilig gehabt. Wäre sie nicht so schnell verschwunden, hätte sie erfahren, dass möglicherweise ein Verwandter vor ihr stand, aber wer nicht wollte, der hatte schon. Vielleicht war sie der Verwandtschaft auch überdrüssig und deswegen hierher ins entlegene Cappadocia gezogen - nur um erneut einer vergleichbaren Visage gegenüberzustehen.


    Das Flusskrebsfleisch schmeckte köstlich, die Brühe dampfte heiß auf dem Löffel und war gut gewürzt. Stilo würde warten, bis besagter Verax fertig war mit dem Gespräch, das er gerade mit einer anderen Kundin führte. Wenn der Bruder auf potenzielle Verwandtschaft genau so verschreckt reagierte wie seine Schwester, würde Stilo besser für sich behalten, dass die Casa Seia in nicht allzu weiter Ferne stand.

    Als Stilo an den Reihen seiner Männer vorbei schritt, meinte er, bei Einigen skeptische Gesichter zu erkennen, doch er achtete nicht weiter darauf. Jetzt an irgendetwas anders als den Augenblick zu denken war Vergeudung von Zeit und Energie und würde die Abläufe durcheinanderbringen. Die Kriegsmaschinerie Roms musste reibungslos funktionieren, denn in der Effizienz und Disziplin lagen ihre größte Stärke und ihr Vorteil gegenüber den Barbaren. Der Befehl des Centurios wurde von Stilo ohne den Hauch eines Zweifels weitergeleitet.


    "Schilde auf, Formation halten! Marschbereitschaft herstellen! Im Doppelschritt - marsch!"


    Sie befanden sich schließlich nicht in einem akustisch bis zum letzten Mauseloch durchgeplanten Amphitheatrum, sondern in der Wildnis. Hier fauchte der Wind, hier klapperte das Material, ständig quatschten die Soldaten. Es war erforderlich, dass auch im letzten Winkel seiner Centuria der Befehl deutlich ankam. Zwar gaben auch die Cornicen die wichtigsten Befehle weiter, doch es tat vielen Milites gut, wenn sie im Stress die vertraute Stimme ihres Kommandanten vernahmen. Von Stilo ging eine Aura in sich ruhenden Selbstbewusstseins aus, die gerade auf nervösere Soldaten oft eine positive Wirkung hatte. Ehe ein Stilo die Nerven verlor, musste schon einiges passieren.

    Scheinbar hatte es sich doch schon rumgesprochen, dass hier eine neue Taberna eröffnet hatte. Drei Gäste sahen schon anders aus als zwei. Doch etwas anderes war interessanter für Stilo. Es war zwar unwahrscheinlich aber ... er musterte das Fräulein etwas genauer, dass ihn sogar persönlich begrüßte und nicht nur hinter ihrem Tresen hervor blaffte, wie er das aus so mancher Spelunke von der Bedienung gewohnt war.


    "Eine Iunia, kein häufiger Name in der Gegend. Bist du verwandt mit einem Titus Iunius Priscus aus Rom, wenn ich so dreist fragen darf?" Dürfte er nicht fragen, würde ihn schon irgendwer vor die Tür bitten. "Sisenna Seius Stilo ist mein Name." Er ließ eine kurze Pause. "Die Suppe hört sich gut an, lass die Forelle weg und gib mir mehr von den Flusskrebsen." So sehr er den Geschmack der Forelle schätzte - ihre Unmengen feiner Gräten schätzte er weniger, wenn es nicht sein musste. "Und vom Henqet möchte ich auch gern ein Glas." Da es bei den Getränken stand, vermutete er hinter dem kryptischen Namen etwas zu Trinken und wollte auf gut Glück probieren, was das war.

    << RE: ~ Hortus ~ | Der nervige kleine Bruder


    Von der Reise aus Roma kommend legte Stilo eine Rast in seiner Heimatstadt ein. Er hätte dort in der Casa Seia einkehren können oder im Gestüt Umbrena. Doch zu Hause hatte er nur sein Gepäck geparkt, sich umgezogen, frisch gemacht und war gleich wieder gegangen. Er hatte diese neue Taberna entdeckt, die ausprobiert werden wollte. Noch nicht gut besucht, doch das hatten neue Tabernae so an sich. In Caesarea würde das allerdings wohl nicht lange so bleiben, wenn das Essen gut und die Getränke nicht überteuert waren. So las er die Speisekarte, während er die Daumen in seinen Gürtel hakte.


    "Was ist das für Fisch in der Fischsuppe?", wollte er wissen. Auf Fisch hatte er mal wieder Appetit, aber er mochte nicht alle Sorten.

    Was wie eine bloße Demütigung aussah, war in Stilos Augen mehr als das. Niemand provozierte eine Kohorte aus Spaß und ihre Gegner waren keine Dummköpfe, sondern verflucht gerissen. Das Contubernium von Pandus wurde unruhig und brach in Wutgeschrei aus. Stilo war kein emotionaler Mensch, aber der Anblick des verzweifelten Kameraden packte auch ihn kalt.


    Letztlich kam es aber darauf an, was ihr Centurio aus dem Verhalten des Reiters las und zu welchem Vorgehen er sich entscheiden würde. Stilo war dankbar, dass nicht er es war, der diese Entscheidung treffen musste. Bellatus hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera.


    Stilo registrierte, wie die Männer von einem Fuß auf den anderen traten, die Muskeln gespannt. Die Erfahreneren unter ihnen hatten eine vollkommen ausdruckslose und hochkonzentrierte Miene angenommen, die Jüngeren schauten besorgt oder wütend. Manche schnaubten oder fluchten. Einem Bübchen schossen die Tränen in die Augen, der Veteran neben ihm spuckte beim Treiben des Barbaren in den Sand.


    "Ruhig bleiben", mahnte Stilo seine Leute. "Konzentriert euch!" Kopflosigkeit konnten sie jetzt nicht gebrauchen.

    "Gefechtsbereitschaft herstellen", röhrte Stilo. Den Befehl des Centurios gab er damit unmissverständlich auch an die letzte Tranfunzel weiter. Er marschierte an seiner Centuria vorbei, den Stab im Anschlag, und jagte die Männer auf die Beine und in die korrekte Formation. "Contuberniae Abstand FÜNFZEHN Fuß! Lanzen, Bögen, Lanzen, Bögen...!"


    Die Formation war noch durchschaubar, doch was Bellatus sich im Gefecht vorstellte, war anspruchsvoll. Er hoffte, seine verpeilte Centuria wäre dem gewachsen. Auf der anderen Seite waren die Geografie, das Klima und die Sicht günstig, so dass die Voraussetzungen nicht besser hätten sein können. Wenn sie hier Fehler machten, dann war es rein menschliches Versagen.


    Stilo krallte sich einen Soldaten, der nach einem guten Läufer aussah. "MILES! Zurück zum Castellum zur Nuntio! ABI!" Der Mann rannte in einer Staubwolke davon.


    Stilo fuhr wieder zur Truppe herum, wo inzwischen die Formation stand. Sein Blick richtete sich auf den Centurio. Stilo war hoch konzentriert und spürte keine Angst. Die hätte erstens nichts genützt und zweitens war er kein ängstlicher Typ. All seine Aufmerksamkeit galt dem Hier und Jetzt.


    Sim-Off:

    Wir haben eigene Bogenschützen dabei: Link

    << RE: Sella Curulis des Praetor Urbanus


    Als Stilo erneut den Garten betrat, war aus seinem Schmunzeln ein herzliches Lächeln geworden. Wer ihn gut kannte, würde einen stärkeren Glanz als üblich in seinen Augen registrieren. Hier im sicheren Umfeld war es erforderlich, seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Ihre Wege würden sich nun wieder trennen, niemand wusste, für wie viele Jahre, und Fango sollte nicht nur hören, dass er nun sein Junge war, sondern er sollte es spüren, wie ernst es Stilo mit seiner Rolle war. Er wartete, bis Fango günstig stand, dann schloss er ihn in die Arme und hielt ihn fest. Er küsste ihn auf den Kopf und kraulte sein Haar. Ziemlich wehmütig war Stilos Blick.


    "Ich bedaure, dass uns nicht mehr Zeit bleibt. Aber meine Centuria wartet auf mich. Schreib mir, sobald du sicher in Germania angekommen bist, damit ich weiß, dass es dir gut geht. Falls du ihn dort oben triffst, grüße meinen Freund Publius Matinius Sabaco von mir. Mach deinen Papa stolz und sei ein guter Römer, aber vor allem: Pass auf dich auf. Du bist nicht nur mein einziger Sohn, du bist auch mein Stammhalter. In deinen Lenden ruht die Zukunft der Gens Seia."

    "Wir haben uns natürlich Gedanken über den Namen gemacht. Uns würde Iullus Seius Iunianus Fango am besten gefallen. Es wäre schön, wenn der gewohnte Rufname erhalten bliebe. Zudem ist der Rufname ein Andenken an Fangos leiblichen Vater, der ihm diesen Namen gab. Dieses Andenken soll nicht ausradiert werden. Ich werde den leiblichen Vater nicht ersetzen können, aber ich werde die Aufgabe wahrnehmen, die er nicht mehr wahrnehmen kann."


    Er verkniff es sich, dem Jungen vor dem Praetor behütend über das Haar zu streichen.


    Sim-Off:

    Hinweis: Mit der SL wurde abgesprochen, dass Stilo sich ausnahmsweise für die Adoption an zwei Orten gleichzeitig in der Welt befinden darf. Die Wahrscheinlichkeit, dass er seinem Sohn so schnell noch einmal in Rom begegnet, ist ansonsten verschwindend gering und er hatte ihn das erste Mal bereits verpasst ...

    Die Kommandos waren eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen der introvertierte Stilo mal laut wurde. Dann aber richtig.


    "Centuriae ... parate vos ad iter", brüllte er." Centuriae ... scuta sursum!"* Ein gleichmäßiges Klirren und Stampfen ging durch die Reihen, begleitet von Stilos Blick. Dann folgte der finale Befehl: "Pergiteeeee!"


    Die ersten Reihen setzten sich in Bewegung, die zweiten, die dritten, bis beide Zenturien volle Marschgeschwindigkeit erreicht hatten. Und diese würden sie halten. Fast vierhundert genagelte Soldatenstiefel wirbelten den kappadokischen Staub auf. Der Wind, der heute schon erstaunlich hohe Temperaturen aufwies, blies eine gelbbraune Wolke über das karge Land, die wie eine Fahne hinter der Kohorte herwehte.


    Sim-Off:

    *Marschbereitschaft herstellen! Schild auf!