Ravilla, nunmehr frisch zurechtgemacht und sauber eingekleidet nach seiner nächtlichen Odyssee, sank darnieder wie ein gefällter Baum, nur dass nicht seine Glieder barsten wie Äste, da die Landung auf weichen Decken und Kissen erfolgte. Dunkelheit umfing ihn, Träume vom entsetzlichen Pluto und der trauernden Zwiebelprinzessin. Beide Gestalten verschmolzen am Altar des Gewölbes zu der noch viel schöneren und schrecklicheren Gestalt, die ihn vertraut aus dunklen Augen ansah, vorwurfsvoll, liebend und in unvergleichlicher Herrlichkeit: Seia Fusciana.
"Mein Bruder, hast du mich schon vergessen?", schluchzte sie.
Ravilla, ins Mark erschüttert, griff ihre weißen Hände, um sie innig zu küssen. "Wie könnte ich dich je vergessen, o zartestes aller Täubchen? Würde es doch bedeuten, mein Herz herauszunehmen und an einem anderen Orte als dem des Körpers liegenzulassen! Den dort wohnest du, sicher in meiner Brust, und bist stets bei mir auf allen Wegen."
"Liebst du mich noch immer?", hauchte sie mit bebenden Lippen, worauf Ravilla ihre Hände noch fester mit seinen Fingern umschloss.
"Auf immerdar", schwor er im Tone eines unbrechbaren Eides.
"Doch wie kann ich dir glauben, nachdem ich dich mit der anderen sah?", fragte Fusciana, die Lippen wie glänzende Kirschen, und betrachtete den Bruder durch den Schleier tränenfeuchter Wimpern.
Ravilla rang sehr mit sich, denn diese Worte bereiteten ihm untröstliche Qual. "Was verlangst du, Fusciana, meine Göttin?"
Sie drehte ein wenig den Kopf, doch antwortete nicht. Schweigend nur blickte sie neben ihn. Wie Nebel in der Morgensonne verblasste ihre Gestalt. Ein kalter Hauch strich zwischen Ravillas Fingern entlang, dort wo er soeben noch ihre Händchen liebkost hatte.
Entsetzt fuhr Ravilla aus dem Schlafe, weil seine Schwester verging, das Traumgespinst noch lebendig manifestiert im schlaftrunkenen Geiste und starrte in die Richtung, in die Fusciana soeben noch geblickt hatte - dort lag, reglos und kalt auf dem Nachttisch, der Dolch. Der schwarze Ritualdolch, der nach dem Blute der Tiberia Stella hungerte! War das Fuscianas Wunsch? Sollte er die andere Frau tilgen, welche seinem Herzen allzu nah gekommen war?
Was waren dies für Gedanken, er wurde verrückt!
Entsetzt scheuchte Ravilla den Anaxis aus dem Schlaf, der das unheilbringende Eisending in schwarzen Stoff schlagen und mit Weihrauch und Silber in eine Truhe sperren musste, ehe der Herr wieder schlafen konnte.