Beiträge von Galeo Seius Ravilla

    Erneut erklang die Musik, welche den Einmarsch der Vertreter der Legio begleitete. Bei jedem Schritt ertönten auch die metallischen Länge des Rüstzeugs, das Knarren der Ledergurte und das Rascheln der Tunika und des Mantels. Die Klänge eines marschierenden Soldaten waren durchaus dazu geeignet, auch Ravillas Gefallen zu wecken, auch wenn es lange gedauert hatte, sich daran zu gewöhnen, dass er selbst ihr Urheber war. Eine gewisse Wehmut stieg in ihm auf, denn die Ehrung galt der Legio, die er als stellvertretender Kommandeur geleitet hatte und die er in Kürze verlassen würde. Seine Amtszeit näherte sich gleich der Musik ihrer Climax. Sie erhob sich zu einem famosen Crescendo, bis sie mit einem Trommelschlag verstummte. Auch in die Menge kehrte Ruhe ein.


    Hinein in die Stelle rief der Legatus Legionis: «Oculos ad caesarem!» Und die Augen der angetretenen Stabsoffiziere richteten sich zeitgleich auf den Mann mit dem goldenen Lorbeerkranz, der vor ihnen saß. Die Stille, die sich für einen Moment erneut niedersenkte, war erwartungsvoll, doch auch drückend, denn der durchdringende Blick von Appius Aquilius Bala konnte nicht als angenehm bezeichnet werden. Als einer der ihren stand auch Ravilla stramm und die Ehrung war zugleich das Gericht über die im Verbund erbrachte Leistung des Legionsstabes, dessen Teil er war.

    Die Legio XXII stand in tadelloser Erscheinung auf dem ihr zugewiesenen Platz. Nicht allein die Soldaten, auch die Offiziere sowie der Stab waren in besonderer Manier herausgeputzt. Der höhere Sold aller Mitglieder wie auch einer großzügigeren Truppenkasse schlug sich in hochwertigen Ausrüstungsgegenständen und Materialien nieder. So fiel Ravilla an diesem Tag nicht über das gebotene Maß hinaus auf, sah man davon ab, dass sein maßgeschneiderter Panzer auffallend gut saß und der rote Rossharkamm seines Helmes eine Hand breit länger über seinen Rücken hinab hing, als gemeinhin üblich war.


    Das gute Wetter genoss Ravilla in vollen Zügen, nachdem er von Regen und Kälte während der Großübung der Ausbildungseinheiten zu viel hatte erdulden müssen. Aufmerksam verfolgte er die Ehrungen, sich einrpägend, welcher Mann für welche Leistung belobigt wurde, denn deren Eignung in den unterschiedlichen Bereichen interessierte ihn. Als sein Neffe Seius Iunianus Fango an der Reihe war, seine Armillae entgegen zu nehmen, stahl sich ein strahlendes Lächeln auf das Gesicht des Tribuns. Doch auch die übrigen Soldaten erhielten den verdienten Applaus.

    Die Tage nach dem Abschlussgespräch mit dem Caesar sowie dem Legatus Augusti Pro Praetore verbrachte Ravilla damit, seine Angelegenheiten zu ordnen. Da er sorgfältig gearbeitet hatte, ging es hier vor allem darum, offene Angelegenheiten entweder zu beenden oder so aufzubereiten, dass sein Nachfolger sich problemlos einzuarbeiten vermochte.


    Unter anderem wies er seine Mitarbeiter an, das Archiv durchzugehen und zu ordnen, wo sich stets kleinere Akkumulationen an offenen Angelegenheiten anzustauen pflegten, wenn Ravillas Aufmerksamkeit für eine Weile anderweitig gefragt war. Für den Tag vor seiner Abreise organisierte er bereits heute eine Grundreinigung, bei dem auch die Möbel in die Mitte des Raumes geschoben, die Feuerschalen geschrubbt und die Vorhänge gewaschen werden sollten. Einige kleinere Reparaturen, wie ein nicht ganz dicht schließendes Fenster, veranlasste er ebenfalls.


    Seine Heimreise wollte mit gutem Gewissen antreten.

    «Danke, Legat.» Das knappe, etwas gezwungen anmutende Lächeln des Aulus Aemilius Nepos erwiderte er in nonchalanter Manier, wenngleich er verstand, was dem Manne auf das Gemüt drückte. Ravilla war jedoch nicht der Adressat, der jene Sorgen zu beheben befugt war.


    Er sah von einem zum anderen. «So dies von eurer Seite alles ist, werte Herren, endet mein Bericht an dieser Stelle und ich möchte mich für heute und die nächste Zeit verabschieden. In der Legio gilt es, die Angelegenheiten für meinen Nachfolger vorzubereiten, auf dass er sein Amt in weniger chaotischen Verhältnissen antreten kann als jene, die ich in Anbetracht der strukturellen Änderungen zu bewältigen hatte. In Kürze schon führt mein Weg mich zurück nach Rom. Wenn die Götter es so wollen, mag der Tag nicht fern sein, an dem wir einander erneut in den ehrwürdigen Hallen der Regia begegnen.»


    Die Heiterkeit, die Ravilla im Ausblick auf die kommenden Amtspause emfand, war in seinem Gesicht abzulesen. Nach der Bewältigung der Widrigkeiten und der mühsamen Transformation vom verwöhnten Spross kappadokischer Tempelfürsten zum stellvertretenden Kommandeur der Legio XXII hatte er sich die Pause redlich verdient. Bevor er sich zum Gehen wandte, ließ er seinen beiden noblen Gesprächspartnern Gelegenheit, den Abschiedsgruß zu erwidern.


    Nach der Verabschiedung kehrte er zurück in sein Officium.

    Dass Ravilla zu geostrategischen Fragen angehört wurde, die eigentlich nicht in den Aufgabenbereich eines Tribuns fielen, betrachtete er trotz des aemilischen Unmuts als Kompliment. Mit flinken Fingern durchblätterte er die mitgebrachten Unterlagen.


    «Auch diese Fragen will ich dir gern beantworten, Legat! Denn natürlich beginnt es nicht zu brodeln, sondern es brodelt bereits in Germania Magna, sämtliche Einheiten haben alle Hände voll zu tun.»


    Mit flinken Fingern fischte er das Gesprächsprotokoll ihrer ersten Unterredung hervor, in welcher die Zielsetzung des Straßenbaus definiert worden war1.


    «Hier steht die Antwort: Rom will nicht länger passiv darauf warten, dass ein Überfall nach dem anderen aus dem Barbaricum heraus über Unschuldige hinweg brandet, sondern in die Offensive gehen. In diesen Minuten bereitet das Exercitus Romanus eine Strafexpedition ins germanische Herzland vor, wie die Germanen sie noch nicht erlebt haben. Für jene Expedition Sommergewitter bildet die Via Seia das logistische Rückgrat. Nicht länger abwartend, sondern aktiv wird Rom auf die ständigen Provokationen reagieren.»


    Er hob den Finger, um aus seinen Aufzeichnungen zu zitieren: «Die Siedlung der Kollaborateure wird alsbald den Neid und Zorn jener Germanen wecken, welche heute mit Vehemenz gegen den Limes drängen. Die Agressoren werden alsdann die Richtung ihres Zorns ändern, um in glühendem Eifer gegen die Siedlung der Kollaborateure Sturm zu laufen. Dann ist es an der Zeit, in die Offensive gehen - nicht als Invasoren, welche blutige Rache üben, sondern als Beschützer unserer germanischen Freunde auf einem Schlachtfeld, das wir selbst gewählt und in unserem Sinne vorbereitet haben.»


    Um schlussendlich zu ergänzen: «Sollten unsere Verbündeten uns hintergehen, wissen wir, wie die Antwort lauten muss.»


    Sim-Off:

    [1] Erstgespräch


    «Hab Dank, mein Caesar», sprach Ravilla, höchst erfreut ob der Einschätzung seiner Leistung. «Den weiteren Herausforderungen des Cursus honorum blicke ich voll Tatendrang und Zuversicht entgegen.»


    Auch für die Frage des leidgeplagten Aulus Aemilius Nepos fand Ravilla eine Antwort: «Den Schutz der Via Seia übernehmen die Germanen der Siedlung in eigener Verantwortung, Legat. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Straßen jenseits der Provinzgrenzen zu bewachen. Dies ändert sich erst, wenn die Operation Sommergewitter beginnt, und auch nur für die Dauer dieser Mission.»

    Ravillas Gedanken kreisten noch um die Frage des Legaten, als er einen Schritt nach hinten tat und sich unvermittelt in sehr hoher Gesellschaft fand. Unverhofft stand er inmitten der Aura des zweitmächtigsten Mannes der Welt. Herrje! Um Contenance und Gesicht zu wahren, lächelte er die Anspannung fort und trat elegant wie ein Tänzer einen halben Meter zur Seite, so dass er wieder auf einen angemesseneren Abstand gelangte.


    Allerdings musste er nun erneut mit dem Legaten in die Karte blicken, wobei Ravillas Hand über die Karte strich. «Die Straße verläuft von hier», ein sehr gepflegter Finger tippte auf Mogontiacum, «über diese Wegpunkte bis nach hier. Dann setzt sie sich als Via Terrena, als Erdstraße, fort, die aber nichts mit unserer Arbeit zu tun hat. Die Höhenmeter wollen beim Maß der Strecke berücksichtigt werden, fallen hier aber kaum ins Gewicht. Auch anhand des verbrauchten Materials lässt sich die exakte Länge errechnen. Summa summarum ergibt das wie folgt ...»


    Natürlich wusste Ravilla die Länge seiner Straße aus dem Kopf, nahm jedoch an, dass mehr hinter dieser Frage steckte, was seine Kette der Beweisführung auslöste, warum dieses Maß korrekt war. Er legte dem Legat eine kleinteilige Tabelle vor und rechnete laut vor, auf wie viele Meilen Straße man mit den genehmigten und georderten Materialmengen kam. Er hielt dies für erforderlich, da er annahm, der Legat wittere eine eventuelle Diskrepanz zwischen Kosten und Ergebnis, doch da war keine zu ermitteln.


    Ravilla und der ihm anvertraute Stab hatten äußerst präzise gearbeitet. Der dicke Stapel Unterlagen ließ keine Frage offen und kein geflossener Sesterz unerklärt. Nichts war auf dubiosen Wegen verschwunden. Mit den bereitgestellten Mitteln waren sie sehrgut hingekommen, es blieb am Ende sogar etwas übrig, das an den Staat zurückging. Logistik, das war anhand der langen und durchaus enthusiastisch vorgetragenen Ausführung nicht zu überhören, war die wahre Passion des Seius, nicht das militärische Kommando.


    Sim-Off:

    Eine genaue Länge der Via Seia wurde bislang nicht definiert. Ich werde mich mit der Spielleitung beraten. :)

    Sim-Off:

    Edit: Es wird seitens der Spielleitung darum gebeten, die Frage nach der Strecke offen zu lassen, da im Rollenspiel des IR allgemein eher mit vagen Angaben als mit exakten Zahlen gearbeitet wird.

    Die Inszenierung blieb nicht ohne Wirkung bei Ravilla, in dessen Ohr das Wort des Caesar noch immer hallte. Ein angemessener Platz war ihm zugesichert worden, im Gelingen wie im Scheitern ... doch hatte die Routine des Dienstalltags im Stab der Legion ihn im Umgang mit dominanten Persönlichkeiten gefestigt. An Selbstsicherheit hatte es ihm darüber hinaus noch nie gemangelt. So litt sein eigenes Auftreten nicht, als er sagte: «Ave, mein Caesar.»


    Sodann breitete er die Unterlagen auf dem Besprechungstisch aus. Protokolle, Tabellen, Übersichten und Skizzen. «Der Straßenbau konnte fristgerecht abgeschlossen werden." Mit dieser Einleitung, vorgetragen nicht ohne Stolz, beantwortete er die wichtigste Frage, die Essenz seiner Arbeit während der letzten Monate.


    «Falls sich jemand die Details der Planung noch einmal ins Gedächtnis rufen möchte, so habe ich hier alle Unterlagen vom Anbeginn bis zur Vollendung anbei.» Der Tribun legte die Karte vor, welche sowohl die alten Pfade und die neue Straße zeigte. «Gebaut wurde eine Via Munita, die zunächst dem Lauf einer vorhandenen Erdstraße folgt, dann jedoch schnurgerade weitergeht, anstatt den umständlichen Windungen der Hügel und Flusstäler zu folgen. Wir haben zu diesem Zweck die germanische Landschaft nach unseren Bedürfnissen verändert, Hügel eingeebnet und Täler aufgeschüttet, um ein geringes Gefälle zu erzielen. Im Ergebnis haben wir eine schnelle und vor allem ganzjährig nutzbare Verbindung zu dieser dem Imperium freundlichen gesonnenen Siedlung inmitten des germanischen Hinterlandes geschaffen.»


    Ravillas Finger tippte auf die eingezeichnete Siedlung. Der gewaltige Zeitgewinn, der sich für Reisen dorthin ergab, war auch ohne komplizierte Berechnungen offensichtlich. Ebenso blieb dem militärisch geschulten Blick die strategisch günstige Lage dieser Siedlung nicht verborgen, welche dazu einlud, sie zu gegebener Zeit zu einem römischen Brückenkopf auszubauen. Das vordergründig zivile Anliegen der Via Seia, die Förderung des Handels und des Austausches zwischen Rom und seinen germanischen Verbündeten, schuf unter der Hand das logistische Rückgrat für die geplante Operation Sommergewitter, die den Krieg vom Limes ins Germanische Herzland tragen würde.


    «Die Absicherung der Baumaßnahmen erfolgte durch die Turma Secunda der Ala I Aquilia Singularium. Das hat vortrefflich funktioniert. Kein einziger Überfall hat den Bautrupp der Legio gestört. Das sogenannte Sumpffieber konnte gleichsam eingedämmt werden. Die Seuche hat uns keine erwähnenswerten Verluste im Vergleich zu den bei solchen Baumaßnahmen üblichen Zahlen beschert, weder unter den Soldaten, noch unter den Zivilisten. Einzig die lange Regenperiode zu Beginn des zweiten Quartals erschwerte kurzzeitig die Materialtransporte, doch es kam zu keinen zeitlichen Engpässen. Die Via Seia ist vollendet, meine Herren!»


    Ravilla richtete sich auf von seinen Unterlagen, trat einen Schritt zurück und strahlte in die Runde. Da er in seiner Funktion als Tribun weder geschminkt noch parfumiert auftrat, seine unzählbar vielen Fingerringe seit Monaten in der Schatulle beließ und sich zudem für eine gedeckte Farbwahl seiner Kleidung entschieden hatte, wirkte das Lächeln weniger affektiert, als man noch vor seinem Dienstantritt von ihm gewohnt war.

    Zur siebten Stunde des folgenden Tages ließ Ravilla von Anaxis seine Ankunft an der Porta Regiae verlauten, um dem Legatus Augusti pro praetore seinen Abschlussbericht vorzulegen und bei Rechenschaft über sein Herzensprojekt abzulegen. Anbei trug er die Unterlagen, für den Fall, dass Einsichtnahme oder genaue Zahlen erfragt würden. Seiner Schilderung sollte es nicht an notwendiger Substanz mangeln.

    Von seinem Scriba wurde Ravilla über die Einladung unterrichtet. Glücklicherweise hatte der fleißige Mann gleichsam die übrigen Pflichten des Tribuns um diesen bedeutsamen Termin herum arrangiert, so dass demselben nichts im Wege stand. Am folgenden Tag machte Ravilla sich zu gebotener Stunde auf den Weg in die Regia, um erneut den mächtigsten Mann der Provinz zu treffen.

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    Anaxis


    Der Sklave war Anfälle überflüssiger Wortäußerungen gewohnt, so dass ihm jener seines Gegenübers nicht auffiel. Sein eigener Herr glänzte durch die Gegenteile von Wortkargheit und Bescheidenheit. "Ich werde ihm deine Nachricht ausrichten, Princeps Praetorii, und danke dir für deine Aufmerksamkeit und deine Mühen." Die Stellung seines Gegenübers hatte er bei vergangenen Treffen memoriert. Er machte einen höflichen Knicks, eine Geste, mit der er abseits seines Herrn Verneigungen zu ersetzen pflegte.

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    Anaxis


    "Wann immer es dem Legatus Augusti Pro Praetore beliebt", antwortete Anaxis mit einer eleganten Handbewegung, die alles und nichts bedeuten konnte, jedoch adrett anzuschauen war. "Freilich gilt wie stets: Je eher desto besser. Doch ist es nicht an meinem Herrn, unserem geliebten Stadthalter die Bedingungen zu diktieren, und er wird es sich jederzeit einrichten. Doch um einen Zeitrahmen anzubieten: Am geeignetsten sind die sehr frühen Morgenstunden oder die Zeit des Abends."

    Ich erbitte aus gegebenem Anlass höflich eine Audienz bei Aulus Aemilius Nepos. :) Und, so er es sich einrichten kann, gleichsam bei unserem verehrten Caesar APPIUS AQUILIUS BALA.


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    Anaxis


    Der Sklave von exotischer Schönheit war sicher manch einem im Gedächtnis geblieben. Anaxis bewegte sich nicht wie ein Sklave noch senkte er das Haupt vor einem Mann, der nicht sein Herr war, doch war sein Gebaren von ausgesuchter Höflichkeit. "Salve, verehrter Herr. Mein Herr, Tribun Galeo Seius Ravilla, erbittet eine Audienz bei seinem Legatus Augusti Pro Praetore, dem hochverehrten Aulus Aemilius Nepos", teilte er dem Wächter an der Porta mit. "Es geht um die Via Seia, zu deren Vollendung er einen Bericht erstatten zu dürfen bittet. Ich wurde fürderhin angehalten, zu erinnern, dass auch der ruhmreiche Caesar Appius Aquilius Bala während der Planungsphase ein Interesse an dem Projekt geäußert hatte."


    Ein wenig dreist war dieser Vorstoß, doch handelte Anaxis hierbei im Auftrag seines Herrn und nicht in eigenem Antrieb. Ein sanfter Zug um seine Mundwinkel milderte den Vorstoß um Versöhnung bittend ab. Aus schwarzen Augen, elegant umrandet, betrachtete er den Wächter in Erwartung einer Antwort.

    Besänftigt vom privaten Opfer des Tribuns entschieden die Unsterblichen, dem Bau der Straße eine letzte Frist einzuräumen: Der Regen wich strahlendem Sonnenschein. Und so kam der Tag, an dem der letzte Stein ins Erdreich gesenkt wurde. So wie er auch dem ersten Spatenstich beigewohnt hatte und dem ersten Stein, so war Ravilla persönlich anwesend, als es daran war, den letzten Stein der Via Seia zu verlegen. Ravilla dankte jedem Offizier persönlich, er dankte der Legio, der Ala und am Schluss allen Soldaten und zivilen Arbeitern im Kollektiv.


    Am Schluss aber sprach er: "Nun wollen wir heimkehren und die Vollendung der Via Seia feiern mit einer Kleinigkeit. Für den Rest des Tages und für morgen soll keiner von euch arbeiten müssen. Die Pause habt ihr euch alle miteinander redlich verdient. Esst nicht zu viel von eurem Proviant, denn in der Castra wurde etwas Kleines für euch vorbereitet."


    Die Soldaten jubelten, der Ruf "Roma Victrix!" erklang dreifach im Chor.


    Eine gewisse Rührseligkeit ergriff Besitz von seinem Geist, als das Pferd er gen Westen lenkte und seine Soldaten sich einreihten. Nicht allein der Bau neigte sich dem Ende, sondern auch Ravillas Zeit als Tribun. Dank der guten Arbeit der Ala I Aquilia Singularis hatte die Legio XXII sich unbehelligt ganz dem Bau der Straße zu widmen vermocht. Kein Überfall hatte die Mühen disturbiert. Diese Straße war nicht mit Blut geweiht, sondern allein mit dem Schweiß tüchtiger Soldaten und Arbeiter. Als der Tag sich langsam neigte, ritt Ravilla mit seinen Getreuen auf seinem edlen kappadokischen Ross über das steinerne Band, welches das verbündete Dorf des germanischen Hinterlandes fortan und für alle Ewigkeit mit Mogontiacum verband. Gleich einem Fluss würden die Wege der Menschen sich auf ihr treffen. Das Dorf würde wachsen und unter römischem Einfluss gedeihen. Händler, Reisende und Feinde würden die Via Seia gleichermaßen benutzen, was nach dem Desaster im Wassergewirr der Flusspatrouillen eine bessere Berechenbarkeit induzierte.


    Die Legion aber würde diese Straße nicht aktiv schützen. Sie lag jenseits des Limes und es gab keine Pläne Roms, in diese Bereiche dauerhaft vorzustoßen. Doch die Ala würde sie benutzen für ihre Operation Sommergewitter. Allen Skeptikern zum Trotz war diese Straße sein ganzer Stolz. Der Tag würde kommen, da man erkennen würde, dass sie nicht das Werk eines ruhmsüchtigen Mannes war, der seinen Namen für die Ewigkeit in Stein gemeißelt wissen wollte, sondern eines, der sein Handwerk verstand und zum Wohle Roms gegen die Widrigkeiten durchzusetzen wusste, die ihm entgegenschlugen - auch jene aus den eigenen Reihen. Galeo Seius Ravilla war von Kindesbeinen an in der Kunst der unblutigen Kriegsführung geschult worden. Die Via Seia war sein Weg, dies zu beweisen und seinen Beitrag zu leisten für die Sicherheit des Imperiums.


    So lächelte er frohen Mutes, als er die Legion mit den letzten Strahlen des Tages über die neue Straße heim in die Castra führte, wo ein kleines Festmahl und so manch Annehmlichkeit das Finale besiegeln würden.

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    Über die Legio XXII Primigenia


    Die Legio XXII Primigenia war die 22. Legion der römischen Armee. Ihre Legionssymbole waren ein Capricorn (mythologische Gestalt, halb Steinbock, halb Fisch) und der Halbgott Herkules. Sie wurde wahrscheinlich im Jahr 39 von Caligula für seinen Feldzug ins unbesetzte Germanien aufgestellt. Ab dem Jahr 43 war die XXII Primigenia sicher in Mogontiacum (Mainz) stationiert. Ihre Aufgabe war die Überwachung der Rheingrenze sowie Teile des Limes. Besonders während der Erbauungszeit des Obergermanischen Limes wurden von der 22. Legion Ziegeleien betrieben, aber auch der Betrieb von Steinbrüchen ist überliefert. In einem Steinbruch finden sich noch zahlreiche Inschriften und Abbildungen von Feldzeichen [Link]. Die Legion wurde im Zuge von Baumaßnahmen bisweilen auch zum Holzfällen abgestellt.


    Eine Auswertung der Mainzer Inschriften zwischen 43 und 70 n. Chr. ergab, dass 62 % der Legionäre italischer, 33 % gallischer und 5 % norischer Herkunft waren. Auch der spätere Kaiser Hadrian war von 97 bis 98/99 einer ihrer Militärtribune. So verwundert es nicht, dass eine Abordnung der 22. Legion ihn beim Bau des Hadrianswalls unterstützte.


    Berichte über die Legion gibt es bis ins 4. Jahrhundert. Nach Meinung einiger Archäologen wurde die XXII Primigenia im Jahr 351 in der verlustreichen Schlacht bei Mursa aufgerieben und danach nicht wieder aufgestellt, da seit der Nennung in konstantinischer Zeit keine weiteren Zeugnisse oder Aktivitäten der Legion überliefert sind.


    • Weitere Informationen über die 22. Legion finden sich in unserem Wiki oder auf Wikipedia.
    • Bei der Orientierung innerhalb des Standlagers hilft der Lageplan (mit Hovereffekt).