Dagny lauschte fasziniert und auch ein wenig verblüfft, als Cimber detailliert das umbrenische Gestüt in Cappadocia beschrieb. Auf diese Art vermochte sie es sich aber sehr gut vorzustellen – einige Dinge waren dem duccischen Latifundium gar nicht so unähnlich, während andere wiederum ganz anders waren. Sie lächelte. „Vielen Dank, Umbrenus, für die ausführliche Beschreibung. Das klingt wirklich wundervoll – und ehrlich gesagt auch ein bisschen so, als würdest du deine Heimat vermissen, was ich verstehen kann.“ Sie selbst hatte Germania noch nie verlassen, wenn man es genau nahm, noch nicht einmal die nähere Umgebung von Mogontiacum. Einerseits fand sie die Erzählungen von anderen Orten oder gar anderen Ländern sehr faszinierend, andererseits wusste sie nicht, ob sie nicht schreckliches Heimweh haben würde, sollte das Schicksal sie einmal woanders hinführen. „Und das mit dem Winter erzählte Hadamar bereits. Es stimmt, man glaubt immer, es muss warm sein in Cappadocia.“ Obwohl sie diesen Eindruck bereits seit ihrer Begegnung mit Tariq hatte revidieren müssen, er schien den germanischen Winter zwar nicht sonderlich zu mögen, aber ihm war auch nicht permanent kalt, womit sie eigentlich gerechnet hätte.
„Das Gestüt meiner Familie ist dem deiner insofern gar nicht so unähnlich, dass sich die Stallungen und Weiden auf dem Gelände des Anwesens befinden“, beantwortete sie Cimbers Frage. „Wenn ihr von der Via Borbetomaga hereingekommen seid ...“ Was vermutlich der Fall war, dort war das Torhaus, durch das die meisten hereinkamen. „... dann seid ihr an dem großen Stallgebäude vorbeigekommen, in dem so gut wie alle Tiere untergebracht sind. Die Weiden sind daneben und gegenüber. Wir züchten und verkaufen die Tiere – die hiesige Ala ist natürlich ein Abnehmer, aber auch andere Züchter oder Privatleute.“ Auch über Mogontiacum hinaus, die Duccier hatten sich da mit Jahren einen Namen gemacht, auch dank der Freya Mecurioque, die mittlerweile weitreichende Kontakte hatte. „Wir haben viele Tiere unterschiedlichen Alters, wenn ihr Interesse habt, könnt ihr sicher mal tagsüber vorbeikommen und sie euch anschauen.“ Zumindest Cimber und Fango wirkten interessiert, Dagny hatte auch am Rande mitbekommen, das sie sich über ein Pferd unterhalten hatten, das Fango wohl geschenkt bekommen hatte.
Als Sabaco sich in das Gespräch einschaltete, lächelte sie ihm zu. „Das war unser Wunsch, sowohl für uns, als auch für unsere Gäste. Es freut mich, dass es so ankommt.“ Das freute sie wirklich. Was das Fest ihrer Familie bedeutete, gerade in diesem Jahr, darüber hatte sie sich bereits viele Gedanken gemacht, aber das Julfest – und auch die römischen Saturnalien – sollten ein Lichtblick sein in der dunklen Jahreszeit. Eine Zeit, in der jeder den Alltag Alltag sein lassen und sich ein wenig entspannen konnte. „Und lasst es euch weiterhin schmecken, unsere Köchin freut sich, wenn möglichst viel weggeht.“ Natürlich würde etwas übrig bleiben, es blieb IMMER etwas übrig, aber die Köchin Marga betrachtete es als persönliche Herausforderung, dass Gäste nach einem Festmahl mehr oder weniger nach Hause rollten. „Bist du auch bei der Ala?“ fragte sie Sabaco. „Oder bei der Legio?“ Da sie erst später hinzugekommen war, hatte sie seine Vorstellung nicht mitbekommen.