Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    << RE: Officium Gubenator Titus Umbrenus Nero


    Eine weitere Flusspatrouille stand an, die sie mit einer Transportfahrt verbinden würden. Confluentes war das Ziel.


    Die heutige Herausforderung bestand darin, dass sie auf dem Hinweg mit der Strömung fahren würden und dann, auf dem Rückweg, wenn sie schon erschöpft waren und die der Laderaum der Keto bis obenhin mit Holzkohle gefüllt war, ging es gegen die Strömung wieder nach Hause. Auch der Wind machte ihnen einen Strich durch die Rechnung - er blies auf der Hinfahrt in ihren Rücken und auf der Rückfahrt würde er ihnen ins Gesicht fauchen. Germania war keine freundliche Provinz.


    Es würde ein hartes Stück Arbeit werden, die veranschlagte Menge Holzkohle nach Mogontiacum zu bringen, doch das war nichts, was Sabaco seinen Marini nicht zutraute. Ein wenig Post hatten sie auch dabei. So schlimm war es nicht, sie würden das Ding schon schaukeln.


    Gleichmäßig tauchten die Ruder ins Wasser. Elegant glitt die Keto um die Kurve. Sabaco warf einen Blick auf Nero. In besonders dicker Kleidung saß er achtern auf einem Fell, einen dicken Stapel Formulare in den Händen, die Sabaco ihm vorbereitet hatte, damit es aussah, als würde er eine weitere Kontrolle von Sabacos Eignung als Suboptio Navalorum durchführen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und der Tag versprach, kalt, nass und grau zu werden. Meile um Meile glitt die Keto durch die Kälte in Richtung Norden. Stille lag über dem Land und kein Vogel sang.


    "Was für eine verschissene Drecksprovinz", lachte Sabaco.

    Sie verbrachten etwa zwei Stunden im Wasser, in denen sie ihren Bund erneuerten. Nicht mit ganzem Körpereinsatz, denn Nero war krank, doch Sabaco kannte Mittel und Wege. Nero brauchte nur stillzuhalten. Am liebsten wäre Sabaco danach in seinen Armen eingeschlafen, so wie bei ihrem ersten Abend in der Taberna Pulchra Patria. Doch das Wasser wurde langsam kalt und Nero musste noch warm eingepackt werden.


    So kletterte Sabaco als erster aus der Wanne, trocknete sich ab und zog sich an. Danach bereitete er das Bett vor und heizte den Ofen noch mal kräftig an, bevor er Nero aus der Wanne half, ihn abtrocknete, in die bereitgelegten dicken Sachen steckte und ihn dann zu Bett brachte. Als er mit ihm fertig war, schaute von Nero nur noch das Gesicht aus einer Walze von Decken und Fellen, in die er ihn eingewickelt hatte. Am Kopfende stand ein Scherenstuhl, der als Nachttisch zweckentfremdet wurde. Darauf hatte Sabaco heißen Met mit Honig und abgekochtes, dampfendes Trinkwasser platziert. Da Nero vollkommen eingepackt war, half Sabaco ihm vorsichtig, ein halbes Glas heißen Met zu trinken, von dem er selber auch nahm, ehe es an der Zeit war, für heute Abschied zu nehmen.


    "Die Wanne und alles lassen wir stehen. Den Krempel können die Arbeiter morgen wegräumen, während wir mit der Keto unterwegs sind. Ich hole dich ab und helfe dir beim Schleppen der Decken. Schlaf gut und kurier dich aus."


    Es dauerte noch einige Minuten, in denen er am Bett kniete und Nero von ihm vollgesäuselt, gestreichelt und geküsst wurde, ehe Sabaco zurück in sein eigenes Quartier kehrte. Der ganze verwüstete Raum und der Geruch des Feuers erinnerten daran, dass er da gewesen war.


    RE: Die Navis lusoria "Keto" >>

    Mit Raubtierblick beobachtete Sabaco, wie diese Eila mit sichtlicher Routine seinen kleinen Bruder für sich nutzbar machte und wie leicht dieser sich von ihr manipulieren ließ. In seinen Gedanken knirschte ihr Genick zwischen seinen Händen, als es brach. Dieses Exemplar war das Paradebeispiel einer germanischen Tavernenschlampe, wie Sabaco sie hunderte Male flachgelegt und in den Arsch gevögelt hatte. Wenn Ocella dieses Fickstück für die Liebe seines Lebens hielt, war ihm nicht mehr zu helfen.


    "Sag mal, wo hast du deine Eier verloren?", fragte Sabaco, kaum, dass die Bedienung weg war.

    Ocella hatte Glück. Da Sabaco sich in den Flammen verloren hatte, war ihm die Ankunft seines jüngeren Bruders entgangen. So kam Ocella um die leidenschaftliche Umarmung herum, die ihm üblicherweise zuteilwurde. Wobei Sabaco das Gefühl hatte, dass der Kleine ihm neuerdings mit Absicht auswich und gar nicht mehr geknuddelt werden wollte. Er stutzte kurz. Wer sonst grüßte seinen Bruder bitte auf anderthalb Meter Entfernung?! Zumindest hätte Ocella ihm die Schulter tätscheln müssen. Sabacos Kiefermuskulatur arbeitete, doch ansonsten blickte er freundlich drein. Er freute sich trotz der kleinen Betrübnis sehr, Ocella wiederzusehen.


    "Salve, Kleiner. Schön, dass wenigstens einer von euch beiden pünktlich kommt, wenn eine Einladung steht. Vorbestellt habe ich nichts, nur den Tisch, damit ihr euch selbst aussuchen könnt, was ihr futtern wollt. Du siehst etwas besser aus als beim letzten Mal, nicht mehr so käsig. Aber die Beine. Junge! Es ist arschkalt. Zieh Beinlinge und Socken an!"


    Er schnippte nach der Bedienung.

    Nero hatte es gut, denn er bekam nun die Glatze massiert, während sie ein wenig plauderten. Irgendwann zog Sabaco sich ebenfalls aus und kletterte zu ihm in die Wanne. Langsam schob er die Beine über die des Gubernators, während er sein Gesäß zwischen dessen Füßen platzierte. Der Wasserspiegel stieg exakt bis zum Rand, sie mussten aufpassen, dass nichts überschwappte. Das heiße Wasser war herrlich. Ganz vorsichtig wusch Sabaco seine Haare und seinen Rest. Auf die Rasur verzichtete er heute, Stoppeln im Badewasser kamen nicht infrage. Mussten die Marini eben morgen seine Stoppelvisage ertragen. Da sein Bart schwarz war, sah man es immer besonders gut.


    "Wir machen das anders, du lässt dich erst übermorgen krankschreiben. Für morgen aber ändere ich deinen Dienstplan. Ich habe eine längere Fahrt vor mir und will dich nicht so lange hier in diesem Zustand allein zurücklassen. Wir packen dich richtig schön warm ein, du machst es dir in der Keto gemütlich, döst eine Runde und ich gebe auf dich Acht. Wie hört sich das an?"


    Er massierte unter Wasser Neros Zehen, die endlich eine normale Temperatur annahmen.

    Eigentlich hatte Ocella ja den Herrenabend organisieren wollen. Jedoch gab es viel zu tun bei der Ala, so lautete der offizielle Grund, warum Sabaco dann plötzlich doch an seiner Stelle die Organisation übernehmen sollte. In Wahrheit war Ocella noch nicht wieder gesundheitlich auf der Höhe, da war Sabaco sicher. Natürlich half er gern. Nicht ein Wort verlor er darüber, dass der Kleine noch schwächelte, reservierte den Tisch und gab seinen beiden Brüdern darüber Bescheid, an welchem Tag das Treffen anberaumt war und dass sie gefälligst auch beide kommen sollten.


    Damit gar nicht erst irgendjemand herumirren musste, traf Sabaco am besagten Abend zeitiger ein. Ordentlich zurechtgemacht, wie er neuerdings herumlief, nahm er Platz an dem Tisch in der Nähe des Feuers, den er für die Reservierung gewählt hatte. Er liebte den Geruch des Rauches, das Knistern und den Blick in die Flammen. Stundenlang konnte er in ein Feuer starren und auf das Prasseln lauschen, ohne sich zu langweilen oder in düstere Gedanken abzudriften. Doch heute vertrieb es ihm nur so lange die Zeit, bis seine Brüder eintreffen würden.

    "War ja klar", grummelte Sabaco, der eine erhöhte Temperatur an Neros Glatze spürte.


    Die Muskeln um seinen Mund arbeiteten. Als er die Hand wegzog, blieben ein paar schwarze Holzkohleflecken auf Neros Kopf zurück. Er befühlte Neros Beine, die nackt unter der Tunika herausschauten – sie waren natürlich eisig. Sabaco schaute wenig begeistert drein, war innerlich jedoch ganz in seinem Element. Ocella ließ sich nicht mehr betüdeln, weil er groß und undankbar geworden war. Doch nun stellte Sabaco fest, dass Nero seiner Fürsorge bedurfte. Er stürzte sich auf die Gelegenheit wie ein Raubtier, das sein Junges verloren hatte und jetzt ein anderes fand, das es in seinen Bau verschleppte, um es nie wieder herauszulassen. Dabei ignorierte er geflissentlich die Tatsache, dass das vermeintliche Junge ein sogar schon ziemlich alter Erwachsener war.


    "Natürlich hast du jemanden, der sich um dich kümmert – mich! Wir scheißen für heute auf die Therme, weil du sonst wieder durch die Kälte latschen musst. Warte hier."


    Er drückte Nero den Stapel mit den Tabellen in die Hände, damit er was zu tun hatte und wichtig aussah. Sabaco seinerseits verschwand für eine Weile.


    Kurz darauf öffnete sich die Tür. Herein kamen ein paar germanische Arbeiter, die für Arbeiten im Lager zuständig waren, auf welche die Soldaten keine Lust hatten. Da Sabaco sie für ihre Hilfe bezahlte, hatten sie durchaus gute Laune, als sie den hölzernen Zuber mitten im Officium platzierten. Dann ging ein Gerenne los, ständig kam einer rein oder ging wieder raus, jeder trug dabei einen schweren Ledereimer voll mit dampfendem Wasser. Sabaco heizte derweil den Ofen aufs Maximum hoch, wobei er gleich mal die neue Holzkohlelieferung prüfte. Es knisterte und loderte, bildete ein feuriges Glutkissen und wunderbare Wärme. Als der Zuber voll war und alles bereitlag, bezahlte Sabaco die Germanen, drückte ihnen auch noch eine Amphore Wein in die Hände, damit sie die Klappe hielten, und warf sie wieder raus. Hinter ihnen drehte er den Schlüssel herum.


    Langsam und mit sehr wichtigem Gesicht drehte er sich zu Nero um. "Na dann. Ausziehen, ab in die Wanne." Ihm selbst wurde schon brütend heiß. Es wäre doch gelacht, wenn sie Nero nicht durchgewärmt bekamen.

    "Scheiß auf die Datteln und die Tabellen! Kratzen im Hals?" Sabaco horchte auf. "Hast du die dicke Tunika immer getragen?! Beinlinge, Socken?! Meine Truppe habe ich aufgeklärt, wie sie sich anzukleiden haben, aber bei dir habe ich es vergessen!" Er blickte an Nero herab und kontrollierte dessen Kleiderwahl. "Du hast dir wahrscheinlich die verdammte Seuche eingefangen! Da passt man einmal nicht auf!"


    Manche sprachen auch von einem Fluch und langsam bekam Sabaco Sorge, dass dieser doch ihn betraf. Womöglich hatten die Götter oder die zornigen Manen gar nicht vorgehabt, ihn selbst erkranken zu lassen, sondern straften ihn auf eine Weise, die für Sabaco schlimmer war als der eigene Tod: Sie ließen alle um ihn herum elend zugrunde gehen, ohne dass er etwas tun konnte, damit er am Ende ganz allein übrig blieb.


    "Du gehst dann ins Valetudinarium und lässt dich krankschreiben. Notfalls prügel ich dich dort hin und glaub mir, das kann ich. Das Bestechungsgeld für die Krankschreibung bekommst du von mir, ich habe mir gerade mit Depeschendienst was dazu verdient, so verprasse ich es wenigstens nicht in Mogontiacum. Danach hütest du das warme Bett, ich lasse dir eine Kiste frische Holzkohle bringen. Hast du irgendeine Ordonnanz, die nach dir schaut, oder einen Sklaven? Aber erstmal gehen wir in die heiße Therme und wärmen dich durch. Ich muss auch noch hin, ich bin direkt nach dem Dienst hierhergekommen." Was nicht zu übersehen und auch nicht zu überriechen war.


    Eine dreckige, kalte Hand wanderte an Neros Stirn und maß Fieber. Die Tür abzuschließen hatte er keinen Nerv. Wer jetzt reinkam, den er erwürgte er einfach.

    << RE: Die Navis lusoria "Keto"


    Nachdem er seine Marini in den Dienstschluss entlassen hatte, schnappte Sabaco sich einen Stapel Wachstafeln mit Tabellen als Alibi und marschierte damit zu Nero. Er trat ein und schloss hinter sich die Tür, für die Leute draußen ein sicheres Zeichen, gefälligst zu klopfen und auf das Signal zum Eintreten zu warten, wenn sie was wollten. Er knallte den Stapel auf den Schreibtisch und salutierte mit der Faust auf dem Herzen, die er dann zur Seite wegriss.


    "Salve, Gubernator! Suboptio navalorum Matinus Sabaco." Er grinste, weil Nero auf dem Bett saß statt am Schreibtisch. "Ich habe hier ein paar Bedarfsberechnungen für Holz und Holzkohle erstellt. Vollständig umsteigen können wir nicht, so viel Holzkohle bekomme ich nicht ran, aber es sollte genügen, um die kältesten drei Monate damit die Stuben zu heizen. Die Genehmigung für weitere Transportfahrten habe ich schon, wir verbinden das mit den Flusspatrouillen. Wenn die Praxis mit der Theorie übereinstimmt, dann kommen wir damit preiswerter, verschwenden weniger Lagerraum und die Stuben sind obendrein wärmer. Willst du dir die Tabellen mal anschauen?!"

    Die Flusspatrouillen waren für Sabaco mittlerweile Routine. Meist fuhr man nicht nur den Rhenus entlang, sondern erledigte unterwegs noch Aufträge. Aufgrund ihrer Geschwindigkeit diente die Navis Lusoria unter anderem auch zum Depeschendienst. Oft transportierte Sabaco Nachrichten von einem Ort in den nächsten und verdiente sich dadurch etwas dazu.


    Da die Keto einen kleinen Laderaum besaß, verwendete man sie auch als Schnelltransporter. Jetzt, vor dem Winter, sollte die Keto Holzkohle für die Castra Classis abholen. Sabaco hatte das organisiert, er war in Sorge. Noch immer grassierte die Krankheitswelle, doch in seiner Einheit waren bisher keine ersten Fälle aufgetreten, nur Halskratzen und Schnupfen. Vermutlich, weil er penibel darauf achtete, dass seine Männer warm gekleidet waren und auch kein Genörgel duldete, wenn hier und da einer schwitzte. Alles war besser, als zu frieren. Jetzt gedachte er, es ihnen mit der Holzkohle anstelle des Brennholzes diesen Winter richtig schön warm und gemütlich zu machen.


    Er hatte sich informiert. Holzkohle hatte je Kubikmeter einen deutlich höheren Brennwert. Man sparte also Platz beim Transport und bei der Lagerung. Die Glut lag deutlich höher als bei Holz, was eine bessere Wärmeproduktion ermöglichte, und es musste seltener nachgelegt werden. Außerdem war es leichter, Kohle fürs Heizen zu lagern, da sie weniger empfindlich auf Feuchtigkeit reagierte als Holz, das nach Möglichkeit in einem absolut trockenen, geschlossenen Raum aufbewahrt werden sollte, ehe man es verwendete.


    Na, mal schauen. Sabaco war auf sein Experiment gespannt, diesen Winter die Stuben mit Holzkohle statt Holz zu heizen.


    RE: Officium Gubenator Titus Umbrenus Nero >>

    Sie verbrachten noch einige Stunden miteinander. Einzuschlafen wagte Sabaco nicht, aus Angst, morgens zu spät zum Dienst zu kommen. Er ließ auch Nero nicht viel Ruhe. Als sie endlich aufbrachen, dämmerte grau der Morgen. Die Handwerker begannen ihr Tagewerk, die Händler bereiteten ihre Stände vor. Die alte Asche wurde von den Hausfrauen aus den Häusern gebracht, neues Holz nach drinnen geschleppt, die Feuer in den Öfen neu entfacht. Mogontiacum erwachte zum Leben.


    Müde, aber glücklich kehrten Nero und Sabaco in das Castellum der Classis Germanica zurück. Es war noch genügend Zeit bis zum Weckruf und so gönnten sie sich ein frühmorgendliches Bad im heißen Becken der Therme, ehe der Dienstalltag sie wieder hatte. An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken gewesen, doch Sabaco fühlte sich dennoch auf eine merkwürdige Weise erholt und erfrischt.

    Sabaco setzte sich neben Nero. Das Kinn bettete er ihm auf die Schulter. Vollkommen friedlich wirkte der sonst um keine Untat verlegene Suboptio navalorum. Er blinzelte langsam und kuschelte sich noch näher. In der Abendkälte spürte er Neros Körperwärme besonders intensiv.


    "Eine Navis lusuria hat nur eine Unterarmlänge Tiefgang. Sie ist schmal und wendig, aber auch instabil. Wenn sie irgendwann noch einmal gerudert werden soll, müssen wir sechs Ruderbänke mindestens berücksichtigen, eher mehr aufgrund des zusätzlichen Gewichts mit dem Aufbau. Zweitens könnte der Aufbau sie instabil machen und zum Kippen bringen. Ist der Aufbau erst einmal voll Wasser gelaufen, kriegt sie keiner mehr umgedreht.Wir müssen uns entweder für ein statisches Hausboot im ewigen Hafen entscheiden, für eine flache Überdachung zum reinkriechen oder für einen bloßen Baldachin.


    Du hast uns das zu Hause organisiert ... wenn es irgendwann um ein eigenes Grundstück für uns geht, bin ich am Zug. Aber es kann noch dauern ... ich bin noch ein junger Hüpfer und habe noch viele Jahre vor mir bis zur Honesta missio."

    Man sagte, jedes Schiff hätte eine Seele.


    Man musste schon innerlich taub sein, um nicht zu merken, dass jedes Schiff, das man betrat, sich anders anfühlte und einen eigenen Charakter besaß. In Gedanken sah er das junge Holz der Keto golden in der Herbstsonne leuchten, spürte, dass die ganze Zukunft noch vor ihr lag. Jung und unbändig war sie, wenn ihr Segel sich blähte, kriegslüstern und bereit, ihren Sporn in die Schiffe der Feinde zu rammen und ihre Leiber zu zersplittern. Ganz anders fühlte sich die Seele der Triton an. Diese Dinge lagen lange schon hinter ihr, sie taugte nicht einmal mehr als Transportschiff. Sabaco strich über das dunkle, narbige Holz der alten Kriegerin. Zahllose Schlachten hatte sie geschlagen, nun wurde ihr Holz langsam müde. Es war Zeit für ihren wohlverdienten Ruhestand.


    Die Dunkelheit senkte sich wie ein schützender Schleier auf sie nieder, verbarg sie vor neugierigen Blicken. Die Stelle, wo die Triton vor Anker lag, war einsam um diese Tageszeit, während in der Ferne das Treiben von Mogontiacum langsam zur Ruhe kam. Still und schwarz floss der Rhenus. Die Flasche Wein nahm er entgegen und öffnete sie mit den Zähnen. Den Korken spuckte er ins Gebüsch.


    "Auf uns, Nero. Auf unser zu Hause, das Wasser und Land verbindet. Hier werden Hippokamp und Seehund sich gute Nacht sagen. Du hast wirklich keine Unkosten gescheut. Ich hoffe, du bist jetzt nicht pleite."


    Er trank einen großen Schluck, rülpste und reichte die Flasche Nero.

    "Der Große ist dort gut aufgehoben. Er soll sich an den Met halten, vom Wein bekommt man Kopfschmerzen. Zumindest von dem, der dort für einen Normalo bezahlbar ist. Pass auf dich auf, Kleiner."


    Da Ocella sich augenscheinlich vor einer Ansteckung ob der vermeintlichen Seuche fürchtete oder heute einfach Distanz benötigte, kam er um die sonst für Sabaco typische überschwängliche Verabschiedung herum. Er wurde nicht geknuddelt noch geknetet, nicht getätschelt noch geklopft. Sabaco blinzelte ihm nur zu, zeigte dabei grinsend sein fürchterliches Gebiss und ging dann den Weg zurück zum Castellum der Classis.

    Für Sabaco waren die Taten oder Untaten von Avianus nicht relevant. Er war sein Bruder, das genügte. Charakterschwächen waren nichts, was Sabaco störte, so lange man ihm gegenüber loyal war. Dies war der einzige Charakterzug, auf den er etwas gab. Das hatte im Laufe seines Lebens zu einem horrenden Sammelsurium an Freunden geführt, die man besser niemandem vorzeigte, die aber Sabaco in all ihrer Unzulänglichkeit am Herzen lagen. Ihn schreckten eher die ewig Perfekten ab, denen er in ihrer Maskerade nicht über den Weg traute. Er suchte das Raue, Rohe, Unverfälschte.


    Er lachte. "Kannst du dir einen von uns Dreien als Hausmann vorstellen? Nur noch das Geplärre der Kinder in den Ohren und das Gekeife der Weiber, während draußen vor dem Fenster das Leben an einem vorbeizieht? Und was, wenn die Frau einen mit irgendeinem Arschloch betrügt, ganz gleich, wie sehr man sie dafür prügelt? Wenn man nur noch der Geldesel ist, der sein Leben wegwirft für DAS?!"


    Er schüttelte den Kopf. "Damit wird keiner glücklich. Vater war es auch nicht, sonst wäre er nicht so ein verbittertes Arschloch gewesen. Ich habe es auch versucht, Ocella, es funktioniert nicht. Die einzige Variante, die ich mir halbwegs vorstellen könnte, wäre die, dass man sich Grundbesitz organisiert und dann als ritterlicher Tribun beim Exercitus einsteigt. Die haben ihre Familie mit in der Castra, so dass sie trotz Anhang in Ruhe ihren Dienst versehen können und nicht alles Lebenswerte aufgeben müssen. Oder man belässt es halt einfach bei Bastarden und spart sich den ganzen Unsinn mit der Ehe. Sex gibt es überall, dafür muss man sich keine Eisenkugel ans Bein ketten."


    Finanzielle Vorteile und regelmäßiger Sex waren die einzigen Gründe, warum jemand aus freien Stücken heiratete. Wenn man verheiratet wurde, kamen noch die Aspekte eines Bündnisses der Familien hinzu. All das waren aber Probleme, die durchaus auch anders gelöst werden konnten. Jetzt, wo Vater tot war, konnte ihn jedenfalls keiner zur Hochzeit zwingen. Ebenso gab es niemanden mehr, der etwas dagegen haben könnte, dass Sabaco seinen "Bastard" in die Gens holte. Er rieb sich das Kinn, nicht merkend, dass er Ocellas Körpersprache spiegelte. Es hatte alles seine Vorteile und auf die Nachricht von Vaters Tod hatte er sich das Grinsen verkneifen müssen.


    "Wahrscheinlich muss ich den Jungen adoptieren, nachträglich anerkennen ist wohl nicht drin nach all den Jahren. Ich muss mich mal schlau machen, wie die Abläufe sind. Damals war alles durcheinander." Wie könnte es auch anders sein, wenn Sabaco Jahre hinweg der Überzeugung gewesen war, dieses Kind sei die Brut von Catualda - bis er den Jungen leibhaftig gesehen hatte. "Der Kleine gehörte zu Rom und nicht zu den Wildlingen, bei denen er momentan haust und von denen er wahrscheinlich nur unnützen Scheiß lernt.


    Die Taberna steht noch. Warum sollte es auch anders sein?" Er wirkte vergnügt bei der Frage. "Alles darin ist nagelneu und noch ziemlich sauber. Das Essen ist nicht so gut wie beim unglückseligen Vorgänger, aber es ist essbar, und der Met ist hervorragend. Wir werden sicher einen Zeitpunkt finden, an dem wir alle drei frei haben. Organisierst du das? Dann würde ich dich jetzt wieder mit deinem Elend allein lassen."

    "Wieder diensttauglich ... schön rausgeredet. Das beantwortet nicht meine Frage, wie es dir geht."


    Die übrigen Worte von Ocella erzeugten jedoch ein breites Grinsen in Sabacos Gesicht. "Gute Neuigkeiten sind das. Ein Matinier in jeder Truppe, es könnte nicht besser laufen. Germania sollte vor lauter Dankbarkeit auf Knien vor uns rutschen. Avianus hätte das Exercitus Romanus gar nicht erst verlassen sollen, es war klar, dass das schiefgeht. Er gehört unter die Adler, genau wie wir.


    Die Nüsse können mir ruhig abfallen und wegrollen, ich habe meine Schuldigkeit getan. Ich muss den Jungen nur noch irgendwie in die Gens holen ... keine Ahnung wie die Abläufe sind, jetzt wo Vater tot ist. Wer nun bei uns den Hut aufhat und so was entscheiden müsste. Aber das hat noch Zeit. Jedenfalls ist der Stammhalter von meiner Seite aus vorhanden, womit ich euch zwei Faulpelzen um einiges voraus bin."


    Und er hatte dafür nicht mal heiraten müssen, wenngleich ihm trotzdem das lange Tal der Tränen nicht erspart geblieben war ... der Weg, den alle irgendwann gingen, sobald sie sich familiär banden. Der einzige Unterschied bestand darin, dass bei einen das Tal schwarz und stürmisch war und bei den anderen trist und grau. Sabaco hatte die schwarze, stürmische Variante durchqueren müssen.

    Sabaco nickte. "Gut. Falls sich das ändern sollte, gibt mir Bescheid. Ich muss das wissen, es ist wichtig.


    Ja, gleich zwei Tirones sind mir durchgebrannt ... aber meine Schuld war das nicht. Sie haben die Musterung nicht vertragen, es waren prüde Schisser, aber ich hätte sie mir schon zurecht geprügelt. Alles, was ich gebraucht hätte, wäre etwas Zeit. Die haben sie mir nicht vergönnt. Und nun sind sie tot!"


    Sabaco biss die Zähne zusammen, seine Kiefermuskulatur arbeitete. Es ging prinzipiell schief, wenn man ihm die Möglichkeit nahm, aufzupassen. Erst Gwendolyn, die ihm mit seinem Erzrivalen Catualda durchgebrannt war. Dann Ocella, der fast von Germanen aufgespießt worden wäre, weil Varro ein verdammter Bastard war, der seine Männer für seinen persönlichen Ruhm verheizte. Nun auch noch Adalrich und Tiro. Normalerweise müsste Sabaco seine Augen überall haben.


    "Den Zusammenhang zwischen den beiden Toten und den ungeklärten Todesfällen mutmaßen einige unserer germanischen Kameraden, nicht ich. Weil sonst müssten die Manen - oder der Gehörnte Rhenus, wer auch immer - konsequenterweise mich bestrafen. Ich bin derjenige, der befohlen hat, die zwei aufgeschlitzten Körper auf das Schiff zu ziehen und sie mit nach Hause zu nehmen. Ich wollte sie vernünftig bestatten lassen.


    Wir haben sie nach ein paar Metern wieder dem Rhenus übergeben, weil alle mich dazu drängten. Die Keto wurde hinterher rituell gereinigt. Jetzt lässt mich das trotzdem in einem ungünstigen Licht dastehen, weil genau im Anschluss an das Ereignis so eine verdammte Seuche aufkommen musste! Verstehst du?"


    Er schnaubte und starrte den Stand mit dem billigen Vinum an ... Met hatten sie auch. Er würde sich was für den Rückweg mitnehmen. Sein Blick schweifte wieder zu Ocella.


    "Ich dachte, wenn ihr hier in der Ala das gleiche Problem gehabt hättet, vielleicht sogar schon länger, dann wäre das der Beweis gewesen, dass ich nichts dafür kann. Dass keine wütenden Manen oder Götter dahinterstecken. Aber gut. Und wie geht es dir ansonsten?!"


    Er nickte in Richtung von Ocellas Bauch. Bei dem Gedanken an die Wunde fuhr ihm ein hässliches Ziehen durch den Leib. Normalerweise mochte Sabaco ein gewisses Maß an Schmerzen ganz gern, weil sie ihn entspannten. Doch das traf nicht auf die nachempfundenen Schmerzen seines Brüderchens zu.

    "Mich?", fragte Sabaco erschüttert.


    Dann fuhr er plötzlich herum, als hätte er hinter seinem Rücken etwas gehört. Doch da war nur das Fenster. Er reckte sich und sah sich im ganzen Raum um, dann sprang er auf, zog den Pugio, ging leise zur Tür. Er drehte den Schlüssel herum. Nackt und durchgenudelt wie er war, öffnete er und schaute nach rechts und links in den Gang. Nichts. Er schloss sie wieder ab, schob den Pugio zurück in die Scheide. Schnaufend ließ er sich neben Nero nieder, schob den Arm über ihn und zog ihn fest an sich heran.


    Sabaco wusste, dass Nero die Wahrheit sprach. Aber das L-Wort war gefährlich. Es war wie mit dem Tod: Man hoffte, ihm bis ins hohe Alter zu entgehen, indem man ihn nicht beim Namen nannte.


    "Wir haben es gewusst von dem Tag an, da du mich am Rhenushafen gefunden hast, nicht wahr? Du hattest Schiss, aber du hast es auch gespürt. Es lag wortlos zwischen uns, ein unsichtbares Band, das wir heute zur Kette geschmiedet haben. Manche Dinge sind unabänderlich, Speichen im Rad des Schicksals, Säulen im Palast der Wahrheit, zu groß und zu mächtig, um etwas dagegen zu tun. Wir waren dazu bestimmt, heute hier zu liegen, die Summe aller Augenblicke hat uns hierhergeführt. Da soll noch einer an den Unsterblichen zweifeln."

    Er redete sich in pathetische Stimmung, wozu der Wein in seinem Blut einiges beitrug. Bei den Göttern, Sabaco wollte diesen Mann!


    "Es ist gut, dass du mich überall spürst, so vergisst du mich nicht beim ersten Hahnenschrei. Wir haben es besiegelt, Nero, du gehörst jetzt mir. Wenn man das Liebe nennt, dann liebe ich dich. Es gibt keine Zweifel über die Richtigkeit, es muss so sein. Am Ende wird sich alles fügen. Wir werden uns das Hausboot kaufen. Es wird unsere Insel, wo Wasser und Land sich berühren."

    Das Brüderchen hatte augenscheinlich eine seiner Launen. Wenn es einen Vorteil dabei gab, dass Ocella diese Pestbeule namens Varro vergötterte, dann den, dass ihn diese Tatsache hier für immer im Castellum festnagelte. So lange der Germanicus hier seinen Dienst verrichtet, so lange würde Ocella ebenfalls hier dienen, ganz gleich, was Sabaco so trieb. Varro, der allen Vorgesetzten bis zum Anschlag in den Anus kroch, würde schon dafür sorgen, dass keiner von ihnen beiden irgendwo anders hin versetzt wurde. Die Ala war Varros Leben und er ging ohne sie zugrunde. Sollte das Brüderchen doch muffeln und maulen ... diesmal konnte es nicht fortlaufen.


    Sabaco blinzelte versöhnlich und respektierte Ocellas Distanzbedürfnis. Alles war unter Kontrolle.


    "Ich kann auch später wiederkommen, aber wir müssen reden. Kleiner, bei uns in der Castra grassiert womöglich eine Seuche. Es gibt Tote, teils ohne eine ersichtliche Ursache. Manche sagen auch Fluch dazu. Es hat mit zwei Tirones zu tun, die schon zu Lebzeiten keine angenehme Gesellschaft waren, zwei Deserteure, die auf der Flucht ermordet wurden und nun vielleicht als Manen ihren Unmut an den Soldaten Roms auslassen. Ich muss wissen, ob ihr das gleiche Problem habt oder ob es sich auf die Classis beschränkt."