Beiträge von Publius Matinius Sabaco

    << RE: Officium III - Centurio Classicus - Marineinfanterie


    Der Griffel verharrte reglos über dem Pergament. Sabaco starrte auf die leere Fläche. Er hatte noch nie eine Nachricht an irgendwelche Hinterbliebene verfasst. Weder wollte er das Ganze in einem bürokratischen Einzeiler abhandeln, noch ein langes Lamento verfassen. Sabaco wusste nicht mal, wie man das Ding nannte. Todesnachricht? Sterbemitteilung? Er brauchte ein Muster, ein Formular, eine Vorlage ... aber nachdem er eine Weile in den ihm zugänglichen Akten gewühlt hatte, hatte er feststellen müssen, dass es eine solche nicht gab und die Art der Mitteilung stets im Ermessen des Vorgesetzten lag. Also in der von Sabaco ... so würde es schon stimmen, was immer er hier fabrizierte.


    Er stand noch einmal auf, erkundigte sich nach den hinterlegten Notfalladressen der beiden Tirones. Sein erster Weg führte ihn dazu ins Valetudinarium, wo er nach den Musterungsakten fragte. Und tatsächlich ... Tiro war Klient eines Lucius Annaeus Florus Minor.* Ansonsten war nichts über Verwandte bekannt, wohl weil es ein Libertinus war. Also würde er den Patron benachrichtigen. Doch im Falle des Problemkindes Adalrich existierten überhaupt keine Angaben zum Wohnort seiner Angehörigen. So eine Pleite.


    Erstmal den Wisch für Tiro fertigmachen. Heilige Scheiße, warum hatten die zwei sich auch aufschlitzen lassen müssen!


    Ad

    Lucius Annaeus Florus Minor

    Roma


    mors certa

    hora incerta



    Salve Lucius Annaeus Florus Minor,


    diese Zeilen erreichen dich aus der Castra Classis Germanica sectioni Mogontiacum.


    Ich schreibe dir, um dich über den Tod deines Klienten Lucius Annaeanus Tiro zu informieren. Seine sterblichen Überreste und die seines Kameraden Adalrich wurden am ANTE DIEM XI KAL SEP DCCCLXXI A.U.C. (22.8.2021/118 n.Chr.) in der Nähe von Borbetomagus durch eine Flusspatrouille im Rhenus aufgefunden. Eine tiefe Schnittwunde in den Kehlen der beiden Tirones lässt ein Gewaltverbrechen vermuten. Die leblosen Körper wurden nach der Identifikation dem Rhenus überlassen.


    Lucius Annaeanus Tiro starb im Dienst für Rom und Rom wird antworten. Sei gewiss, dass wir alles tun werden, um die Schuldigen zu finden und ihrem gerechten Urteil zuzuführen.


    Mögen die Götter seiner Seele gnädig sein.


    Publius Matinius Sabaco

    clger-suboptioclassis.png


    Wie man so schön sagte ... über die Toten nur Gutes. Über tote Kameraden sowieso. Mit seinem Entwurf stapfte Sabaco zurück zum Centurio, damit der ihn zerreißen konnte.


    RE: Officium III - Centurio Classicus - Marineinfanterie >>


    Sim-Off:

    *RE: Valetudinarium II - Musterung

    Sabaco hatte keine Ahnung, ob es für die Stammrolle einen bestimmten Ansprechpartner gab. Was Verwaltungssachen anging, waren die Dienstpläne sein Metier, an deren Optimierung er sich ziemlich festgebissen hatte. Aber da der Centurio schon wieder auf seine Unterlagen blickte, war Sabaco keine Rückfrage vergönnt. Zum Hades, woher sollte er diese Dinge wissen, wenn keiner sie ihm erklärte?!


    "Jawohl, Centurio", sagte er also nur, salutierte und verließ das Officium.


    Draußen blieb er ein oder zwei Augenblicke stehen und starrte vor sich hin. Dann schnaubte er, stapfte davon und machte sich an die Arbeit.


    RE: Cubicullum Suboptio Matinius Sabaco >>

    Als Nero ihn anstarrte, blickte Sabaco ruhig zurück. Er kannte die Suche in der Mimik des anderen, die Suche nach der Lüge, nach dem Verrat. Das ewige Misstrauen, die Suche nach der Bestätigung seiner bösen Vorahnung. So ließ er Nero in seinen Augen lesen, denn Sabaco hatte gerade nichts zu verbergen. In dem Moment erkannte er, dass diese Suche gar nicht der Grund war, warum Nero ihn anstarrte. Nero kam lediglich Sabacos Drang, das Verhalten der Leute zu sezieren, entgegen, indem er ihm alles offenbarte, was man aus seinem Gesicht nur lesen konnte. Sabacos Nackenhaare richteten sich auf, als ihm die Tiefe des Blickes bewusst wurde, er hatte das Gefühl, ins Wasser zu fallen und komplett unterzutauchen, bis hinab zum schlammigen Grund, nur um dort die Flussperlmuscheln zu finden, nach denen er bisher vergebens gesucht hatte. Er spürte es als eine Gänsehaut, die sich sogleich wieder entspannte.


    Als Nero weiter auf Erkundungstour ging, schloss Sabco halb die Augen, den verschleierten Blick auf das Feuer gerichtet. Nero ließ es ruhig angehen und spannte ihn auf die Folter. Sabaco war es nicht unbedingt gewohnt, sich Zeit zu lassen, denn das tat er nur, wenn er auch mit dem Herzen bei der Sache war. Wie oft kam das vor? Gemessen daran, wie umtriebig er in den 27 Jahren seines Lebens gewesen war ... wie er Menschen konsumiert hatte ... verschlungen, gefressen, abgenagt fallen gelassen ... fast nie. Er benötigte keine ganze Hand, um diese Gelegenheiten an den Fingern abzählen zu können. Seine Hände wanderten nun zu Neros Schultern und über die Oberarme, wo sie die gut entwickelten Muskeln fest drückten, die ihm gefielen.


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    Nero würde er nicht fressen und wieder auswürgen ... er würde ihn fressen und zu einem untrennbaren Teil von sich machen.

    Na immerhin. Dann würde er es bald hinter sich haben und konnte Feierabend machen. Sabaco stapfte nach hinten durch, wiederholte seinen Gruß - diesmal an die Gesetzmäßigkeiten des Grüßens eines Vorgesetzten gebunden - und machte Meldung.


    "Salve, Centurio! Suboptio navalorum Matinius Sabaco, ich melde das Auffinden als auch den Tod der beiden verschollenen Tirones Adalrich und Tiro."


    Sein Mund klappte wieder zu, wobei seine Zähne klackten, und Sabaco wartete.

    << RE: Die Navis lusoria "Keto"


    Sabaco wusste nicht, ob sein Centurio der richtige Ansprechpartner war ... man hatte ihm nur gesagt, er solle sich in der Principia melden. Nach dem langen und für seinen Geschmack mit zu vielen Emotionen versehenen Tag wirkte Sabaco mürrisch, doch das täuschte. Er trauerte, doch sah dies bei ihm anders aus als bei den meisten anderen Menschen und war nicht von bloßer schlechter Laune zu unterscheiden.


    Er klopfte an den Türrahmen und trat ein. Sein Salut war kraftvoll und seine Meldung nicht minder, als er darum bat, mit dem Centurio sprechen zu dürfen.

    Sabaco hatte nicht bemerkt, dass Nero die Kuscheltunika trug. Noch ein Fettnäpfchen ... nichts könnte ihm gerade gleichgültiger sein.


    Er ließ zu, dass Nero ihn rücklings auf das Bett drückte und sich dann auf ihm niederlegte. Selten fühlte er sich so rundum wohl, wie er es jetzt gerade tat. All die Kämpfe, die Sabaco sonst ausfocht, die inneren wie die äußeren, ruhten nun. Alles war rund ... Frieden. Neros Körperwärme umfing ihn und er spürte das klopfende Herz in Neros Brust, die sich bei jedem Atemzug auf ihm liegend weitete und entspannte. Sabaco schloss die Augen, strich mit den Händen über Neros Seiten hinab, umfasste seine schmale Taille, fuhr ihm seinen Rücken hinauf und wieder ganz hinab zu seinem Gesäß, dessen runde Muskeln er langsam und genüsslich knetete. Er roch die erregende Mischung aus Kaminfeuer und leichtem Schweißgeruch, der ihn warm umfing. Das Kaminfeuer knisterte, die trunkenen Stimmen und das Lachen in der Taberna waren weit weg, gedämpft durch Türen und Wände. Über sein Ohr strich Neros Atem, verleitete dazu, den Kopf zu drehen, weil er einen weiteren Kuss bekommen wollte.


    Er mochte Nero gerne, verdammt gerne, stellte er fest ... dann glitt Nero an ihm hinab, schob Sabacos Tunika hoch und ließ es sich mit Lippen und Zunge schmecken. Alle Gedanken lösten sich auf in reinem Wohlgefallen.


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    Sabaco nickte Ruga zu, es wurde förmlich zum Abschied salutiert.


    Er freute sich so darüber, dass er seine Tunika hatte behalten dürfen, dass er vergaß, in Gedanken über Ruga herzuziehen. Er war vollends auf das Gute fokussiert, dass ihm heute widerfahren war und das ihn ablenkte vom Gedanken an die beiden gemeuchelten Tirones. Aber er hatte auch gesehen, was Nero in die Schale gegeben hatte, was die Flammen verzehrt hatten, was Asche und Rauch geworden und für immer von der Welt verschwunden war.


    Sabaco betreute seine Männer bei den noch anstehenden Aufräumarbeiten, ehe er sie in den wohlverdienten Dienstschluss entließ. Es war ein langer Tag gewesen und die meisten fielen vermutlich wie ein Stein ins Bett. Für ihn jedoch gab es noch etwas zu tun.


    Nachdem alle gegangen waren, nickte er dem Gubernator zu. "Ich muss mich noch in der Principia melden ..." Ihn zu verabschieden oblag dem Gubernator. Sabaco konnte nicht einfach gehen. Das mit der Schlangenkette tat ihm leid, doch das durfte er nicht sagen. Ihm kam ein Gedanke, den er für später verwahrte.

    Sabaco wanderte in dem Tempo, in dem Nero ihn schob, langsam rückwärts in Richtung Bett. Als er mit den Waden anstieß, ließ er sich niedersinken. Seine Hände glitten unter der Tunika entlang um Neros Hüfte herum nach vorn auf den Bauch. Jeden Fingerbreit befühlte er mit größter Aufmerksamkeit, denn was er fühlte, das war sein.


    "Zieh den Lappen aus", bat er, löste Neros Gürtel und ließ ihn fallen, ehe er wieder die Hände unter seine Tunika schob.


    Warm fühlte sich Neros Bauch an, trotz der Kälte, in der sie gestanden hatten. Sie hatten sich gegenseitig gut warm gehalten gegen den kalten Nachtwind. In Vorfreude leckte er, ohne es zu merken, seine Lippen. Er sah nach oben, hinauf zu Neros Gesicht, grinste und blickte dann erwartungsvoll nach unten, wo die Tunika sich vielversprechend wölbte. Er kannte Neros Körper, doch er kannte ihn nicht aus solcher Nähe.

    "Um mich zu vergraulen muss einiges passieren. Selbst wenn du merkwürdige Neigungen hättest, wäre das für mich kein Grund, denn was würde mich das angehen. Zum Glück sind sie ganz normal. Wir sind ein Wir", wiederholte Sabaco leise, während er fühlte, wie Nero sich an ihn schmiegte. Was sie nun beide wünschten, bedurfte keiner Worte. Sabaco spürte es und Nero spürte es auch. "Den Ort haben wir gefunden, wir mieten uns ein Zimmer hier in der Taberna. Hier treffen wir uns, wann immer uns danach ist und unser Dienst es erlaubt."


    Seine Hand suchte die Finger von Nero. Händchenhaltend herumzulaufen war ein Unding, aber er wollte die rauen, muskulösen Hände von Nero einen Moment halten und spüren. Das tat er auch, er liebkoste die kräftigen Hände und genoss den Augenblick, ehe er sich von Nero löste und mit dem Kopf in Richtung der Tür wies.


    ~~~


    Im Obergeschoss lagen die Übernachtungsmöglichkeiten. Als Sabaco die Tür öffnete, strömte ihm der Duft eines warmen Ofens entgegen. Leise knisterte das Feuer. Es hüllte den Raum in einen wandelbaren Vorhang aus Feuerschein und Schatten, der um sie tanzte. Die Öllampen waren auf Sabacos Geheiß nicht entzündet worden, weil sie rußten und stanken. Der Lohn des Verzichts war herrlicher, natürlicher Feuerduft und schummriges Dunkel, das kaum von den Augen durchdrungen wurde. Die Fensterläden blieben geschlossen, um die Wärme im Zimmer zu halten. Für die Verhältnisse von Mogontiacum war dieses Zimmer brauchbar, rustikal mit viel Holz und vor allem sauber. Das Bett war breit genug für zwei Personen und die Strohsackmatratze war vollständig mit flauschigen Fellen abgedeckt, die von unten wärmen würden. Zusätzlich standen warme Wolldecken zur Verfügung. Sabaco hatte nicht die billigste Variante eines Zimmers gewählt, sondern jene, die seinen Vorstellungen am nächsten kam. Der Preis war zweitrangig. Er schloss hinter ihnen die Tür und drehte den riesigen Schlüssel quietschend herum. Sie waren allein in Wärme und Dunkelheit.


    Sabaco zögerte nicht. Nero würde ihn bremsen, wenn ihm irgendetwas nicht gefiel. Es gab keinen Grund, irgendetwas schon im Vorfeld von dem unversucht zu lassen, wonach es Sabaco verlangte. Nichts war abtörnender als jemand, der sich schüchtern zierte. Sabaco trat dicht vor Nero und presste ihm die Lippen auf den Mund. Während er ihn innig küsste, schob er die Hand von hinten unter Neros Tunika und begann, seinen Körper zu streicheln.

    "Er klingt gut."


    Was für eine Untertreibung. Noch besser klang das L-Wort. Doch Sabaco hütete sich, das auszusprechen ... vielleicht irgendwann, doch nicht jetzt, nicht hier. Sabaco liebkoste Neros Glatze, fühlte die Stoppeln an den Schläfen, die nach oben hin aufzuhören schienen. Also doch - Nero hatte eine Halbglatze. Sabaco war in seinen ersten Fettnapf gelatscht. Er bettete die Wange auf der Halbglatze und grinste vor sich hin.


    "Mit Haut und Glatze verschlingen", korrigierte er. Er mochte Neros Glatze. "Dass du eifersüchtig warst, nehme ich als Kompliment. Ich glaube, das ist ebenso eine Uraufführung. Es geschah nicht so oft in letzter Zeit, aber ich bin gerade glücklich verwirrt, Nero."

    << RE: Die Navis lusoria "Keto"


    Das Lararium


    Nirgendwo sonst fand man ein so unordentliches Lararium, dabei war es trotzdem gut gepflegt. Sabaco putzte es täglich. Der kleine Wandschrein quoll über vor Figürchen, die Sabacos Leute repräsentierten und vor Glücksbringern, die man ihm geschenkt hatte, da er sie nicht alle am Leib tragen konnte. Auch das kaputte Navigationsgerät von Nero befand sich darunter. Alles Personen und Dinge, von denen er wollte, dass die Götter ein Auge auf sie hatten. Er selbst fehlte auf diesem Schrein. Er bedeutete sich nichts. Aber scheinbar hatte jemand anderes einen kleinen tönernen Sabaco auf seinem Lararium stehen und bei den Göttern ein gutes Wort für ihn eingelegt. Ocella sicher, denn von ihm stammte die Tunika, die Sabaco noch immer in der Hand hielt.


    Er opferte Brot und Wein, die Schale dafür stand ziemlich gequetscht zwischen all seinen persönlichen Heiligtümern. Das Lararium war zu klein, ein Größeres musste an die Wand, mit dem Gehörnten Rhenus als zentraler Figur. Mal schauen, was sich machen ließ.

    Ich bin zu fett, dachte Sabaco.


    Die Keto schwankte, während er über Deck stapfte. Das Bier, der Met. Sie hinterließen mittlerweile ihre Spuren um seine Körpermitte. Auch beim Essen sah er keine Veranlassung, warum er aufhören sollte, wenn er noch nicht rundum satt war und noch etwas vor ihm in der Schüssel lag. Diesem griechischen Schlankheits- und Schönheitswahn sollten andere frönen. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, dass das Wanken des Schiffes nicht mit seinen Schritten übereinstimmte. Erschrocken blieb er stehen und sah ins Wasser in der Annahme, etwas Großes und Schweres sei mit der Keto kollidiert. Spontan stellte er sich die Leichen von Adalrich und Tiro vor, die ihnen mit der Strömung bis hierher gefolgt waren und es sogar geschafft hatten, um die Ecke in den Hafen einzubiegen. Vielleicht hatten sie sich mit irgendeiner Wasserpflanze am Ruder verfangen?!


    Doch als Ruga die rechte Hand hob und das Opfer damit unterbrach, hörte das Wanken mit einem Mal auf, so dass Sabacos Verdacht zu Ruga wechselte, doch der stand fest auf beiden Beinen und hatte nicht herumgewackelt. Sabaco begriff nicht, bis der Coronarius ihm erklärte, was Sache war. Die Götter wiesen die Tunika zurück. Terentius Ruga kam nun in den seltenen Genuss, einen überglücklichen Sabaco zu erblicken, der den zusammengefalteten Stoff an sein Herz presste, und nun rasch eines der ledernen Armbänder von seinem Handgelenk fummelte. Das Flechtband hatte ihm einst ein Kamerad als Glücksbringer geschenkt, es hatte keinen materiellen Wert, dafür symbolischen. Doch der reichte bei weitem nicht heran an den der Tunika.


    Es war das erste Mal, dass Sabaco glaubte, ein Gott würde es gut mit ihm meinen. Das musste der Gehörnte Rhenus sein, der hier große Macht besaß und der Sabaco gut kannte, weil er oft in seinen Fluten schwamm. Er war es, der mit den Wellen sein Urteil gesprochen hatte. Noch länger kannte er Ocella, der jeden Tag an seinem Ufer entlangritt und darüber wachte. Der Rhenus kannte sie beide und er hatte in ihre Herzen geschaut. Sabaco musste sein Lararium umbauen!


    Mit der freien Hand legte er das Armband zu den übrigen Opfergaben vor die Feuerschale, mit der anderen drückte er immer noch die Tunika an sich, als er zurücktrat und wartete.

    Hatte Sabaco schon zuvor verwirrt gewirkt, so war sein Geist nun ein einziges Wirrwarr. Als Nero sich an ihn drückte, bettete Sabaco den Kopf auf seiner Glatze, die sich kalt anfühlte bei diesem Wetter. Sie mussten beizeiten irgendwo rein, damit Nero sich nicht unterkühlte.


    "Gemeinsam sind wir unausstehlich - auch wenn wir noch nie Gelegenheit hatten, unsere Unausstehlichkeit gemeinsam unter Beweis zu stellen. Dass du mich gegen einen anderen Mann verteidigen wolltest, ist so was wie eine Uraufführung in meinem Leben. Sonst ist es anders herum und ich muss mit den Fäusten dafür sorgen, dass Störfaktoren auf Distanz bleiben. Am meisten regt es mich auf, dass ich dann jedes Mal als Übeltäter hingestellt werde."


    Der Gedanke, nun selbst verteidigt zu werden, schmeichelte ihm. Mehr noch aber versprach er ihm Erlösung in seinem endlosen wie aussichtslosen Kampf gegen den Verlust. Jeden dieser Kämpfe hatte er verloren, jeden einzelnen, wie hart er auch versucht hatte, zu halten, was ihm gehörte. Hier nun hielt er einen Mann in den Armen - hielt ihn ein Mann in den Armen - der anbot, den Kampf auszutragen, der Sabaco zerfraß und ihn Jahr für Jahr mehr zerstörte. Es war Notwendigkeit, bisweilen Betäubung, manchmal auch der Wunsch einer intensiven, beinahe spirituellen Sinneserfahrung. Doch eines war dieser Kampf nicht: freiwillig. Nero versprach ihm das Ende, er versprach ihm ... Frieden. Sabaco hob den Kopf und suchte für einige Zeit die Lüge in Neros Augen. Er fand keine.


    "Du hast fast die gleichen Worte benutzt, wie ich sie verwende, wenn ich versuche, zu erklären, was ich mir wünsche." Was er verlangte. "Was ich ... mir wünsche", wiederholte er, "ist die Auflösung von Ich und Du, von der trennenden Dualität. Die Verschmelzung zu einem universellen Wir, das keine Kompromisse kennt. Ganzheit, Einheit. Das klingt schön, nicht wahr? Aber du weißt aus eigener Erfahrung, dass darin auch ein Risiko liegt. Der Schmerz, wenn ein Wir auseinandergerissen wird, ist vernichtend. Diese Wunde ist letal, man stirbt nicht sofort, doch blutet Tag um Tag ein Stück mehr aus. Wenn einer ... geht. Du hast recht, ich bin ein dicker, fetter alles verschlingender Seehund. Und ich will dich mit Haut und Haar, damit das nicht passiert."


    Der zweite Kuss ging von Sabaco aus und er war gierig, erinnerte an ein nagendes Etwas. Nero bekam Sabacos zerklüftete Zähne zu spüren, die an seinem Mund fraßen, seine Zunge, die von ihm kostete und die ihn scheinbar schlucken wollte. Sabaco wusste nicht, wie er ihm anders zeigen sollte, wie er empfand, was Nero erwartete, falls er das ernst meinte, wenn Nero Sabaco wirklich wollte. Außer Atem verbiss er sich danach in Neros Hals, nicht so fest, dass er ihn verletzte, doch stark genug, um ihn durch diesen Biss an Ort und Stelle zu halten, um wieder zu sich zu kommen. Er hatte sich gerade ziemlich angeheizt und musste kurz abkühlen.


    "Mein Bruder Avianus", sagte er schließlich, "und du, ihr hättet euch nicht geschlagen. Ich wäre dazwischengegangen. Da passe ich schon auf. Ich habe ihn in den Hintern getreten, weil ich ihn mag. Er ist mein Bruder. Ich musste es tun." Sabaco grinste schief. Wenn Nero selbst Brüder hatte, würde er das verstehen. Wenn nicht, war es müßig, das zu erklären. Wobei ihm auffiel, dass er Ocella nie grob behandelt hatte, nicht einmal im Spaß ... die brüderlichen Scherze hatten nur Avianus getroffen. "Ich küsse auch nicht jeden, Nero. Ich küsse nur aus tiefer Zuneigung."


    Er hatte den alten Grottenolm aus seiner dunklen, einsamen Höhle zurück ans Leben gezogen. Sabaco hatte die Initiative ergriffen mit seiner Dienstplan-Optimierungs-Offensive. Nun erhielt er die Antwort ... das Ja auf die Frage, die er niemals mit Worten gestellt hatte und von der er nicht erwartet hatte, dass Nero sie überhaupt wahrnahm. Er hatte sie nicht nur wahrgenommen, sondern auch verstanden. Und nun standen sie hier, Arm in Arm in der Kälte.


    "Meinst du das mit uns wirklich ernst?", fragte Sabaco leise. "Und was machen wir damit? Du bist mein Vorgesetzter ..."

    Der Kuss kam unerwartet. Dass er nun stillhielt, war nicht selbstverständlich. Während er im Bett kaum wählerisch war, zeigte er sich äußerst mäklig bei der Entscheidung, wen er küsste. Ohne tiefe Zuneigung geschah das nicht, auch nicht ausnahmsweise. Seine Brüder und Freunde hatte er bisweilen geküsst, Liebschaften hingegen nur in zwei Fällen. Was den Gubernator anbelangte ... plötzlich veränderte der Kuss sich und Nero wurde zärtlich. Sabaco schnaufte durch die Nase, seine Finger gruben sich in Neros Tunika und er merkte nicht, dass er die Augen schloss. Als Nero ihn wieder freigab und ihn frage, ob er nun verstehen würde, öffnete Sabaco widerwillig die Augen.


    "Ich verstehe nur teilweise", antwortete er schließlich. "Ich verstehe deine Andeutungen nicht. Was bekomme ich von dir ab? Und was an mir bist du nicht bereit, zu teilen? Meine Freundschaft? Was, Nero?"


    Langsam kam er sich dumm vor, weil er trotz zig Nachfragen einfach nicht begriff, was Nero scheinbar die ganze Zeit versuchte, ihm mitzuteilen. Doch die Antwort musste warten, zunächst berichtete Nero von Thalatio. Während er erzählte, hörte Sabaco aufmerksam zu und machte sich gedanklich Notizen in seinem Versuch, Nero zu begreifen. Was der Gubernator von dem Toten zu berichten hatte, ging sehr tief. Welchen Schmerz er seit dem Verlust mit sich herumtragen musste, überstieg das, was ein Mensch schadlos ertragen konnte. Sabaco kannte vergleichbare Verluste, nickte hin und wieder, doch unterbrach ihn nicht. Er hielt Nero noch etwas fester in dem sinnlosen Versuch, ihm Halt zu geben. Es gab keinen Halt, wenn man seinen Anker verloren hatte ... Sabaco wusste das. Nur war er nicht das Boot, sondern der Anker, der samt seiner algenbesetzten Kette nutzlos im Uferschlamm verrostete.


    Er streichelte Neros Rücken und schmeckte den Kuss noch auf seinen Lippen. "Du behauptest von dir, nicht einfach zu ertragen zu sein. Das sagen andere von mir auch. Ich bin anders als Thalatio, völlig anders. Wäre ich eine Schlange, dann keine hübsche kleine Seeschlange, die sich fröhlich durch ein buntes Korallenriff windet und niemandem Vorschriften macht, sondern eine riesige fette Würgeschlange, die in der Dunkelheit lauert und alles packt, dessen sie habhaft werden kann." Er sah weg. "Ich meine ja nur", sagte er ohne Nero loszulassen. "Weil ich nicht weiß, was das hier werden soll oder nicht! Der fremde Kerl war übrigens mein Bruder. Nicht Ocella, nicht der Kleine von der Ala, der so verletzt war. Sondern Avianus, der Große. Er ist gerade aus Rom eingetroffen."

    Sabacos eben noch fragendes Gesicht verhärtete sich zu einer Wand aus Eis, als Ruga ihn auf diese Weise anstarrte.


    Du hast keine Freunde und niemand mag dich, Ruga, antwortete er gedanklich. Auf der Latrine setzt sich ein Neuankömmling stets auf den Sitz, der am weitesten von dir entfernt ist. Deine Vorgesetzten beachten dich nur, wenn du Unmenschliches leistest. Deine Kameraden reden nur mit dir, wenn du einen ausgibst und für jeden einzelnen Fick in deinem Leben musst du irgendwen bezahlen. Wenn du gehst, lästern die Huren über deine peinlichen Vorlieben und geben dir den Spitznamen, den du verdienst. Du behauptest, dass du dein Leben genau so willst, aber das ist eine Lüge. Du hast gelernt, dir dein Schicksal schönzureden. Du bist ein armes Würstchen, Ruga, das all die Jahre vergeblich gekämpft hat, und lässt deinen Frust an anderen aus. Dabei vergisst du, dass dein größter Feind dir aus dem Spiegel entgegenblickt.


    Doch die lebhafte Vorstellung von Rugas vermeintlich unerfülltem Dasein vermochte ihn heute nicht zu trösten. Das Wertvollste, was Sabaco bei sich hatte, trug er auf seiner Haut. Ohne Furcht hätte er den Gehörnten Rhenus um sein Opfer gebracht, läge es in seiner Macht. Doch seine dicke Untertunika, deren braune Ärmel bei dem warmen Wetter unter der blauen Diensttunika hervorlugten, hatte für neugierige Fragen gesorgt. Stolz hatte er von ihrer Qualität berichtet und woher er sie hatte. Jeder wusste, was diese Tunika ihm bedeutete.


    Eine Stunde später stand ein umgezogener Sabaco mit den anderen auf der Mole. Sein Gesicht war ausdruckslos und sein Zorn auf Ruga verflogen. In den Händen trug er zusammengelegt die braune Wolltunika, die er heute Morgen angelegt hatte, damit Ocella bei seiner ersten Fahrt auf der Keto dabei sei. Stoisch starrte er vor sich hin und ließ Ruga und dessen Assistenten ihre Arbeit machen.

    "Ich hatte mich erschrocken", gab Sabaco zu, wobei er noch immer versuchte, sein Herzrasen und sein Keuchen unter Kontrolle zu bekommen. Dass Nero ihn nun seinerseits so fest umarmte, beruhigte ihn nach einigen Atemzügen. Sabaco entspannte sich. Mit einem letzten Schnaufen sank sein Kopf gegen den von Nero und er schloss die Lider, bis alles wieder gut war. Dann richtete er sich auf, legte die Arme um Neros Schultern und sah ihm in die Augen.


    "So muss ich annehmen, dass du jetzt entweder eigener Wege gehen oder mich zu einem Mönch machen willst. Das haben wir beide gemeinsam: Ich teile auch nur dann, wenn mir sonst noch weniger bleiben würde."


    Teilen war ein Wort, das Sabaco gern und absichtlich falsch benutzte. Für ihn war dieses freundlich wirkende Wort ein Euphemismus. Teilen hieß kontrollieren, denn mit wem er teilte, der ging nicht woanders hin. Doch er glaubte nicht, dass sie beide dasselbe darunter verstanden. Nero wand sich in seinen Händen wie die Seeschlange, von der er das einst gelernt hatte, er war schwer zu greifen und bildete merkwürdige Knäuel, die Sabaco nicht begriff.


    "Wie war eigentlich Thalatio so, wenn er gerade keine Mordpläne schmiedete? Wie lief das zwischen euch?", erkundigte er sich und fragte in Wahrheit: Wer bist du wirklich, Gubernator Umbrenus Nero? Erzähle mir von dir.

    "Frag an der Porta der Castra Ala II Numidia nach. Dort dient unser Jüngster. Was die Flotte betrifft, so habe ich neulich zwei meiner Tirones mit durchgeschnittenen Kehlen im Rhenus treiben sehen. Harmlos ist der Dienst bei der Classis nicht, nein. Ich gebe mich keinen Illusionen hin, Avianus. Der Tod ist unser aller Handwerk und er kann uns eines Tages früher erholen, als natürlich wäre. Aber was diesen Germanicus betrifft ..."


    Sabaco sah erneut weg. Während er seine Faust ballte, spannten sich die Muskeln seinen Arm hinauf sichtbar bis zum Hals. Avianus konnte nicht wissen, dass die Aversion, die Sabaco für Varro empfand, gut zehn Jahre alt war und sehr tief reichte.


    "Es gibt gute Offiziere, weniger Gute und es gibt Arschlöcher. Ocella hat Besseres verdient als diesen kalten Fisch zum Decurio, nur das Allerbeste. Diesem Germanicus geht Ocella am Arsch vorbei. Unser Kleiner begreift nicht, dass er vollkommen ersetzlich für Varro ist. Varro hat ihn nur im Valetudinarium besucht, um mir den Besuch zu versauen. Leider hat es funktioniert ... Ocella war danach stinksauer. Und unser Bruder ... er hat mir gedroht, Avianus. Mir."


    Dass Sabaco den kleinen Bruder fast im Alleingang erzogen hatte, dürfte auch Avianus bemerkt haben. Entsprechend eng war die Bindung, zumindest von Sabacos Seite. Sabacos Blick fixierte die Wand, damit der Hass in seinem Blick niemanden traf, erst recht nicht Avianus. Erst, als er seine Mimik wieder unter Kontrolle hatte, sah er seinen älteren Bruder erneut an.


    "Wenn du Ocella siehst, grüße ihn von mir. Und vergiss nicht, mich ebenfalls zu besuchen, wenn du dich in Mogontiacum eingerichtet hast. Oder auch vorher. Ich hoffe, dass du eine Weile bleibst. Für meine Brüder nehme ich mir immer Zeit, wenn es mir möglich ist. Und in Notfällen finde ich einen Weg, um euch zu helfen. Du weißt, wo du mich findest. Pass auf dich auf. Ein verletzter Bruder genügt."


    Sabaco erwiderte die Umarmung. Für seine Verhältnisse war sie zärtlich. Er liebte seine Brüder und das zeigte er ihnen. Über den Spruch am Ende musste er wieder grinsen.


    "Nicht nur die Ohren, Bruder, nicht nur die Ohren. Das Leben ist kurz und wir sind jung."


    Freundlich klopfte er ihm die Schulter und nahm endgültig Abschied für heute.


    Kurz darauf stand Sabaco wieder allein auf der nächtlichen Straße. Kalt pfiff der Wind um seine nackten Beine. Die meisten Fensterläden waren geschlossen, so dass kaum ein Lichtstrahl die Gassen erhellte. Doch was er sah, genügte, um festzustellen, dass Nero nicht gewartet hatte!


    Entsetzt ächzte er, blickte panisch nach links und nach rechts. Nicht schon wieder!


    Doch da ... rechts war eine Silouette. Sabaco rannte in einer Geschwindigkeit auf sie zu, die sein Gewicht und seine Trunkenheit Lügen strafte. Er konnte kurzfristig extreme Energien entfalten. Zu seiner Erleichterung erkannte er Neros Glatze, die bleich wie ein zweiter Vollmond in der Dunkelheit schimmerte. Sabaco packte ihn beim Überholen von hinten mit einer Hand vor die Schulter und riss ihn herum, so dass Nero rücklings an die Hauswand gepresst wurde, während Sabaco eine halbe Drehung machte. An der Wand nagelte Sabaco ihn mit dem ganzen Körper fest, während er seinen Atem und seinen Herzschlag niederrang.