Sabaco ließ den Mensch seine Arbeit machen. Er zappelte nicht und benötigte auch keine Fixierung oder Maulsperre für die Nachbehandlung, auch wenn ihm dann und wann mal ein Bein oder Arm zuckte. Als es geschafft war, stand er auf. Mit der Zunge fühlte er nach den gefeilten Zähnen. Viel besser. Dicax verstand sein Handwerk. Aber kein Alkohol ... na prima. Auf Essen konnte er notfalls verzichten, aber kein Wein? Er hatte ja jetzt schon Schmacht ohne Ende. Sabaco bedankte sich und stapfte mit einem so finsteren Gesicht zurück in seine Unterkunft, dass die Soldaten ihm auswichen. Die nächste Zeit war es besser, wenn er die Tür hinter sich zu machte. Er würde vollkommen ungenießbar sein.
Beiträge von Publius Matinius Sabaco
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Zwei waren besser als einer. So war das immer. In dem Fall konnten sie Sabaco, sollte er doch umkippen, leichter aufsammeln. Für einen Eques war er ein ziemlicher Brocken. Doch er schaffte es ohne Zwischenfälle zurück in das Quartier, das sein Bruder ihm organisiert hatte. Die nächste Zeit verbrachte Sabaco mit fiebern, schlafen und leiden. Es war ein gutes, heilendes Fieber, das seinem Körper half, das Übel auszutreiben, was sich in ihm eingenistet hatte. Er aß nichts, wie es ihm gesagt worden war und war vernünftig genug, im Bett zu bleiben. Nur der Durst nach Wein war ziemlich stark, doch noch gelang es ihm, diesen zu unterdrücken. Als er wieder´ins Valetudinarium zur Nachkontrolle kam, war seine Temperatur zwar immer noch erhöht, doch die Wunden hatten aufgehört zu hacken.
"Ich glaube, das heilt", sagte er unfachmännisch und machte es sich auf dem Behandlungsstuhl bequem.
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Sabaco konnte stehen und grinste etwas mit seinen gelichteten Zahnreihen, doch sein weißes Gesicht glänzte vor Schweiß und er stand unsicher. Eine Operation im Mundraum, wie gut sie auch verlaufen sein mochte, war nicht ohne, mit den vorhandenen Mitteln der Betäubung noch weniger. Er krallte sich einen der Capsarii und zerrte ihn zu sich, um sich mit der Hand an dessen Schulter abzustützen. So würde es gehen, ohne dass man ihn irgendwo aufsammeln musste.
Er sah Dicax an. "Danke." Seine Stimme war leiser als sonst. "Ich kann gehen. Aber einer muss mich rüberbringen, sonst lande ich im Dreck. Dann müsst ihr mich schleppen."
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Die Frage nach den Fliegen konnte Sabaco beantworten. "Die Scheißviecher versuchen es ... aber noch keine Maden. Danke für deine Hilfe, Mann."
Sabaco spülte anweisungsgemäß seinen Mund und spürte, dass der Schmerz nachließ. Wann hatte er das letzte Mal schmerzfrei gelebt? Er konnte sich nicht erinnern. Irgendwann vor langer Zeit, bevor die Legio sein Leben wurde. Als man ihn festzurrte, entspannte er sich. Seine Muskeln erschlafften und sein Gesicht nahm einen friedlichen Ausdruck an. Was jetzt geschah, lag nicht länger in seiner Macht. Nun waren es andere, die kämpfen mussten. Er schaute den Medicus vertrauensvoll an, ehe er die Augen schloss, als würde er einschlafen.
Sabaco erwartete den Schmerz.
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"Ach, die Provinzhauptstadt", sagte Sabaco gedehnt, als er das Gefühl hatte, sprechen zu können, weil der Medicus den Eindruck verarbeiten musste. Der Mann hatte gut reden, er musste das Unheil nur sehen, Sabaco trug es im Maul mit sich herum. Die Abkürzung hatte er jedenfalls noch nicht gehört. Sabaco schaute ihm in die Augen, um herauszufinden, was ihn jetzt erwartete.
"Und?", hakte er nach. "Ist noch was zu retten?"
Die Zähne interessierten ihn wenig, aber er würde für Ocella gern erfahren, ob er durchkam oder an dem Scheiß tatsächlich krepieren musste. War er todgeweiht, würde er vorher dies und das noch organisieren wollen. Er sperrte den Rachen wieder auf und ließ den Medicus weiter das Unheil betrachten, das ihn quälte.
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"Ebender. Was ist CCAA?"
Sabaco ließ sich so genussvoll in den Behandlungsstuhl niedersinken, als würde ihn eine Massage erwarten. Er öffnete seinen Rachen.
Dem Optio valetudinarii quoll heißer Verwesungsgeruch entgegen. Das Zahnfleisch glühte dunkelrot und war geschwollen, einige der Backenzähne glichen nur noch schwarzen Resten. Warum Sabaco seine Zähne nicht mehr pflegte war nun klar - es bereitete ihm abartige Schmerzen, was das Problem noch verschlimmerte. An den abgesplitterten Kanten war ersichtlich, dass er entweder öfter Schläge auf den Mund erhielt oder jedes Mal aufs Gesicht stürzte, wenn er stolperte. Die Form seiner Nase ließ eher ersteres erahnen. Einige der Bruchkanten waren frisch, wie ihre weißen Flächen verrieten. Sie waren genau so neu wie die Wunde oberhalb seiner Braue, die allerdings keine nennenswerten Probleme machte und gut heilte.
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<- RE: Ausbildungsturma Ala II Numidia
Sabaco war vermutlich der einzige Mensch im Lager, der sich darauf freute, sich die Hälfte der Zähne rausreißen zu lassen. Er trat ins Valetudinarium, während er mit der Faust an die offene Porta donnerte, und schaute sich um, ob einer Zeit für ihn hatte.
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Einige Tage waren vergangen. Sabaco hatte geschlafen und auf Ocella gewartet, der aber viel zu tun hatte. Das sah er ja auch ein ... aber trotzdem. Bruder blieb eben Bruder und wenn der weg war, war es Mist, besonders ohne Flasche zum Trost. Irgendwann war die Ausrüstung dermaßen gepflegt, dass es nichts mehr zu polieren oder reparieren gab. Der Typ im Armamentarium hatte auch schon komisch geguckt, weil er ständig aus Langeweile zu ihm kam und sich haarklein irgendeine Reparatur erklären ließ. Aber auch das war auf Dauer nicht erfüllend. Er brauchte Ablenkung und zwar möglichst brachial, sonst würde der erstbeste Penner draußen in Mogo dafür büßen. Weil Sabaco die ramponierte Kauleiste genau so zwackte wie der volle Sack, begab er sich auf gut Glück zum Valetudinarium.
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Während Ocella alles organisieren ging, zog Sabaco die Tücher vom Mobiliar und schüttelte sie aus dem Fenster aus. Die Möbel darunter wirkten rustikal und gepflegt. Dass er mal in einer Offiziersunterkunft hausen würde, hätte er nicht gedacht. Aber ihm wäre auch ein freies Bett irgendeines Contuberniums recht gewesen. Als Sabaco sich häuslich einrichtete und seinen Krempel überall verteilte, grinste er über beide Ohren.
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Sabaco sah kurz der Patrouille nach. Wenn so ein Trupp nahte, schissen sich die Barbaren zu Recht in die Hosen, wenn sie nicht mal wieder nackt in die Schlacht rannten. Wenngleich Angehöriger der Legio, hatte Sabaco nie Vorbehalte gegenüber den Kameraden von der Ala gehegt, wozu im Wesentlichen der Umstand beitrug, dass Ocella in der Ala diente. Auch Stilo predigte stets den Respekt gegenüber den peregrinen Kameraden.
"Danke, Bruder. Ich besteige hier nur mein Pferd."
Sabaco mochte ein Ekelpaket sein, aber hier war er zu Gast in der Einheit seines Bruders und ihm würde er keine Schande bereiten, was auch der Grund war, warum er sich so herausgeputzt hatte. Alles, was Sabaco tat, würde auf Ocella zurückfallen, der ihn als Gast empfangen hatte. Er begleitete seinen Bruder ins Innere des Castellums.
"Habt ihr auch einen Zahnreißer oder einen Bader oder so was hier, den ich mir mal ausborgen kann? Wegen meiner Kauleiste."
Der hatte die Schlägerei mit der Schwarzkutte offenbar nicht gutgetan. Während die klaffende Wunde an seiner Stirn schon aufgehört hatte, zu eitern, und sich nun ans Heilen machte, zwackten die Beißer bisweilen ziemlich.
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Sabaco freute sich sehr, als er seinen Bruder sah. Schon allein dafür hatte es sich gelohnt, sich herausschmeißen zu lassen.
"Die Schankmaid mag mich ein wenig zu sehr, das gierige Luder." Das war hoffnungslos geschönt, aber Ocella würde verstehen. "Der Wirt - ihr Vater oder ihr Mann, das ist bei denen eh eins - ist damit nicht einverstanden. Er hat mich gebeten, zu gehen."
Die Drecksau, Sabaco würde ihm an seinem letzten Tag in Germania die scheiß Bude anstecken.
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Sabaco stieg von seinem wie eine Kastanie glänzenden Schwarzbraunen, bevor er die Wache ansprach. Nicht nur der Hengst, auch er selbst sah gepflegter aus als am ersten Tag seiner Ankunft. Die braune Tunika, die sein Bruder ihm geschenkt hatte, die Beinlinge und warmen Füßlinge, all das war in tadellosem Zustand. Sabacos Bart war entfernt und die buschige Monobraue in zwei ordentliche Bögen verwandelt. Er war ein attraktiver Mann heute mit seinem schwarzen Haar und den blauen Augen. Nur die Zähne, die sich beim Sprechen offenbarten, ruinierten das Bild des vorbildlichen Soldaten.
"Salve! Eques Matinius Sabaco, Legio IX Hispana. Kann ich mit Vexillarius Matinius Ocella sprechen? Ist mein Bruder." -
Er begann sogar zu hoffen, dass die Schwarzkutten wieder aufkreuzten, nur damit er ein vertrautes Gesicht sah, und sei es noch so verhasst. Einige Male hatte Sabaco sich auf den Weg ins Stadtzentrum gemacht, um sich Mogontiacum anzusehen und einen Markt zu suchen, war aber nach wenigen Metern wieder umgekehrt, zurückgetrieben von der festen Überzeugung, dass sein Bruder genau jetzt in der Taberna aufkreuzen musste. So war es doch immer, die Götter hatten einen grausamen Sinn für Humor. Und wenn das geschähe, würde Ocella nach Sabaco fragen, nur um zu erfahren, dass sein treuloser Bruder nicht auf ihn gewartet hatte, obgleich felsenfest versprochen. Bitter enttäuscht würde er wieder abziehen. Der Gedanke war unerträglich, Sabaco konnte hier nicht weg.
Bis zu dem Tag, da ihm der Wirt mitzuteilen wagte, dass das Schankmädchen keine Hure sei und er sich sein Treiben lange genug mitangesehen hätte. Sie würde schon Angst haben, die Gäste zu bewirten, wenn Sabaco im Raum saß und das tat er von früh bis spät. Falls Sabaco sie noch einmal belästigte, dann würde er ihn des Hauses verweisen. Dabei hatte er dem unbeliebten Gast mit dem Finger gedroht, den er sich garantiert immer in den Hintern schob.
Sei es seiner Sturheit geschuldet, seinem vom Alkohol abgestumpften Verstand oder der Tatsache, dass er diese Taberna nicht mehr sehen konnte - Sabaco gönnte sich eine letzte, heftige Begegnung mit dem herrlich fetten Arsch der Frau. Ihren Protest erstickte er mit routinierter Gewalt. Die Münzen, die er immer für sie auf den Boden warf, ignorierte sie heute. Grinsend wälzte er sich auf den Rücken und kratzte seinen klebrigen Schritt. Dann raffte er sich auf, um noch einmal den Zuber in Anspruch zu nehmen. Keinen Augenblick zu früh sank er in das Wasser und wusch sich in Windeseile die Haare. Die Tür öffnete sich und der Wirt stand dahinter, flankiert von einigen großgewachsenen Germanen.
Wenig später fand Sabaco sich mit seinem Hab und Gut auf der Straße wieder. Wie gut, dass er zuvor gefrühstückt hatte. Er bereitete sein Pferd vor und belud es, ehe er in aller Ruhe in Richtung Castellum ritt.
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Die Zeit vertrieb Sabaco sich mit Trinken und Sex. So begann er die Tage, so beendete er sie.
Er hätte spazieren gehen, Kontakt zu den Soldaten vor Ort aufnehmen oder sich die Stadt ansehen können, doch er fühlte sich in der Taberna wie festgeklebt, in der er ein paar gute Stunden mit Ocella verbracht hatte, ehe sein Bruder ihn überstürzt verließ. Ocella konnte nicht weit fort sein und war doch unerreichbar. Sabaco würde bald in Cappadocia weilen, am anderen Ende des Imperiums, tausend Meilen weit fort. Dort würde er so wenig zu Hause sein wie in Germania, Sabaco war an jedem Ort ein Fremder. Doch ein Gefühl von zu Hause hatte er in diesem Schankraum mit seinem Bruder verspürt.
Und so tat er nichts anderes, als an genau dieser Stelle zu warten, bis die Zeit die Dinge wandeln würde.
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Sabaco kam nur dazu zu nicken, dann blieb ihm lediglich, auf den Rücken seines davongehenden Bruders zu sehen. Der unerwartete Abschied brachte ihn aus dem Konzept und ihm fehlten alle Worte.
Lange hüllte Sabaco sich hernach in Schweigen. Der Stuhl gegenüber stand halb zurückgeschoben, so als würde Ocella gleich wiederkommen, um sich zu ihm an den Tisch zu setzen. Das Frühstück, was für zwei gedacht war, musste Sabaco allein verzehren. Langsam aß er es auf, ließ nicht einen Bissen übrig und trank den Wasserkrug leer. Die Finger wischte er anschließend gedankenverloren an der Tunika ab und drückte das überreichte Päckchen an seine Brust, ehe er aufstand, um nach oben zu gehen.
Das Zimmer war gelüftet worden, der Nachttopf geleert und das Bad zur Hälfte eingelassen. Sabaco legte das Bündel vorsichtig auf dem Bett ab und ging sein Tier versorgen. Süßlicher Pferdegeruch umfing ihn im Stall. Er reinigte das braune Fell mit verschiedenen Bürsten, bis es glänzte, kratzte die Hufe aus und kämmte die schwarze Mähne und den Schweif. Für Futter und Wasser hatte schon irgendwer gesorgt. Es war ein schönes und zuverlässiges Tier, dem das Alter weiß ins Gesicht geschrieben stand. Diese Reise war sein letzter Einsatz.
Nach getaner Arbeit stapfte Sabaco wieder nach oben. Jede Treppenstufe knarrte und untermalte die empfundene Stille. Das Mädchen füllte gerade den letzten Eimer in den Zuber. Sabaco schloss hinter sich die Tür und wartete. Sein Blick war scheinbar entspannt, doch dass er den Weg nach draußen versperrte, war Botschaft genug. Als das Mädchen den Eimer abstellte, ergriff er sie wortlos und drückte sie bäuchlings ins Bett, das Gesicht von ihm abgewandt. Er erstickte jedes Geräusch mit der flachen Hand, weil er nichts von ihr hören wollte. Nachdem er fertig war, schickte er sie hinaus, mit ein paar Münzen abgespeist, und fühlte sich genau so beschissen wie zuvor. Sabaco warf seine dreckigen Kleider in die Ecke und ließ sich ins heiße Wasser sinken.
Als er in seiner neuen Kleidung die Treppe herunterkam, frisch rasiert und mit geöltem und glatt gekämmtem Haar, erkannte man ihn kaum wieder. Er hatte sogar seine zusammengewachsenen Brauen gezupft, sodass er wieder mit zweien statt einer aufwarten konnte und weniger finster wirkte, weil sie nun schmaler waren. Man sah seine blauen Augen, befreit von den buschigen Schatten. Wenn Sabaco nicht den Mund aufmachte und man die tiefe Platzwunde an seiner Stirn ignorierte, hätte man ihn vielleicht als gutaussehend bezeichnen können. Als er zahlen wollte, hatte Ocella, die gute Seele, längst alle Rechnungen beglichen.
Hilflos, was er tun sollte, bis irgendwann eine Nachricht eintreffen würde, stand Sabaco im Raum. Er setzte sich wieder an den inzwischen abgeräumten Tisch, bestellte einen Met und starrte schweigend auf den leeren Stuhl.
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Sabaco hörte auf zu kauen und schaute das Paket an. Er wischte sich die Finger gründlich an einer weitestgehend sauberen Ecke seiner Kleidung ab, ehe er es anhob und zu sich nahm. Er zog es nicht über den Tisch. Eine Weile sagte er nichts und schaute nur auf die neuen Tuniken und Beinlinge. Nicht einmal der Scherz seines Bruders aufgrund der dunklen Farbe erhielt eine Erwiderung.
"Danke", sagte Sabaco schließlich.
Die übrigen Gäste wurden kurz mit einem feindseligen Blick taxiert, ehe Sabaco wieder auf das sorgfältig gepackte Päckchen schaute.
"Ich muss baden, bevor ich die anziehe", murmelte er. Sein Pferd könnte auch noch mal gebürstet werden, ehe er losmachte ...
Auf die Anmerkung, dass seine Zähne ihn noch umbringen würden, lächelte Sabaco nur. Er brachte es nicht übers Herz, seinem Bruder zu sagen, wie gleichgültig ihm das war. Was ihn im Kampf furchtlos erscheinen ließ, war nur der Umstand, dass ihm der Ausgang egal war. Sabaco liebte weder sein Leben noch sich selbst.
"Ich werde einen Medicus aufsuchen", versprach er. Nicht für sich, sondern für Ocella.
Er schnippte die Bedienung heran. Anstelle einer Karaffe heißen Met bestellte er ein heißes Bad. Als die Frau gegangen war, um dem Mädchen Bescheid zu geben, das sich um die Zimmer und die Gäste kümmerte, sah er Ocella an.
"Das ist ein Abschiedsgeschenk", stellte er fest.
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Sabaco wurde davon geweckt, dass sein Bett wackelte. Das Weib, das ihm gestern das Baden angenehm gemacht hatte, war es vermutlich nicht, stellte er fest, während langsam sein Gehirn munter wurde. Es ließ sich damit mehr Zeit als sein Körper. Sabaco saß schon und starrte, während er mit offenen Augen noch Firlefanz träumte, ehe er seinen Bruder erkannte. Ocella war hier, der kleine Ocella, den er in Mogo besuchte. Sabaco grinste sehr breit.
"Morgen", sagte er nur.
Zum Rest ersparte er sich eine Antwort. Er sah keinen Grund, irgendetwas gegen seinen Geruch zu unternehmen; er störte ihn ja nicht. Die Ölfunzel brannte noch und trug zusammen mit Sabaco selbst dazu bei, die Kammer in einen so stickigen Mief zu verwandeln, dass die Luft zäh wie Sirup wirkte und beim Atmen im Hals stach. Nachdem Ocella raus war, hinterließ Sabaco dem Zimmermädchen noch ein großes Andenken im Nachttopf, ehe er sich daran machte, seine Sachen anzuschauen. Die Bratensoße hatte den Stoff seiner guten (für Sabacos Verhältnisse) Tunika verklebt. Und die Reisetunika war durchgeschwitzt und stank wie ein Komposthaufen. Für seinen Bruder würde er sich ein bisschen schick machen, also nahm er die mit der Bratensoße, aus der er nur die Fleischstücke pulte. Dann folgten die restlichen Klamotten.
Sichtlich verkatert stapfte Sabaco schließlich die Treppe hinab und ließ sich bei Ocella an den Tisch plumpsen.
"Was für eine Einheit? Wann?", griff er den Faden wieder auf. Das war ja praktisch. "Ich glaube, ich muss noch die Versetzungsschreiben mitnehmen, aber die sind in der Castra der Hispania ... wenn sie dort sind. Scheiße, ich glaube, ich habe zu viel getrunken in letzter Zeit. Die Originale hatten jedenfalls einen Formfehler", versuchte er, sich verständlich zu machen. "Die brauchen ja nicht extra einen Reiter losschicken, wenn ich eh nach Roma mache."
Könnten sie schon, aber das war Vergeudung, es sei denn, es musste genau jetzt ohnehin ein Haufen Briefe nach Roma verfrachtet werden. Sabaco griff nach dem Schinken, der sehr gut aussah, schnitt sich eine dicke Scheibe ab und dazu eine Ecke Brot. Nur etwas zu Trinken vermisste er, so wartete er auf die Bedienung.
"Was trinkst du?", wollte er von Ocella wissen.
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Sabaco stutzte. Bei dem offiziellen Schreiben vor der Nase wurde er schlagartig ein wenig nüchterner. Wenn er diese Schriftrolle verloren hätte, dann hätte er ein Problem gehabt.
"Danke, Bruder ... da fällt mir ein, dass ... Scheiße. Stilo und ein paar andere haben den gleichen Befehl erhalten. Wir haben ja in der Neunten schon darüber geredet, dass wir nach Cappa versetzt werden. Also Stilo ist eine Art Varro, falls ich dir von dem noch nicht erzählt habe. Aber die sind gerade alle in Mantua wegen irgendwelchem Familienscheiß. Es gab irgendeinen Formfehler im Befehl und ich sollte die korrigierten Exemplare mitnehmen. Das habe ich voll vergessen. Werden die Schreiben ihnen hinterhergeschickt? Sonst muss ich noch mal in die Castra und sie mitnehmen."
Er ließ sich von Ocella bis zur Tür seines Schlafgemachs bringen. Einladend strahlte ihm das Bett entgegen, dessen Decke und Kissen herrlich fluffig aussah. Jemand hatte durchgelüftet und die Reste des Bades beseitigt.
"Scheiße ... ich glaube ich muss wirklich noch mal umgekehren. Wir waren in Hispania stationiert bei einer zurückgelassenen Einheit ... dann Zwischenhalt in der Hauptcastra unserer Legio gemacht ... und nun das!"
Ächzend zog er seine Klamotten aus, die voller Bratensoße waren, und legte sich ins Bett, wo er sich tief einwühlte. Die Nächte waren kalt in Germania, wenn man das Wetter von Hispania gewohnt war.
"In Cappa ist es warm", murmelte er, um sich zu trösten.
Dass die Winter in Cappadocia noch eisiger waren als in Germania, und über Wochen -20°C herrschen konnten, ohne dass es Holz zum Heizen gab, wusste er nicht. Er hatte noch nie kontinentales Klima erlebt und Stilo nur von den sonnigen, regenfreien Sommern schwärmen gehört. Laut Stilo war Cappadocia - seine Heimatprovinz - das Elysium auf Erden.
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Sabaco ließ sich auf den Stuhl pflanzen und verarzten. Der Met zwiebelte in seiner Wunde und das linke Auge war vom Blut verkrustet und an den Wimpern zusammengeklebt. Er konnte es nicht mehr öffnen und nur noch einäugig schauen. Doch Ocellas traurigen Blick bemerkte er trotzdem. Er ging ihm selbst in seinem vom Alkohol abgestumpften Zustand durch Mark und Bein, denn sonst blickte niemand Sabaco so an. Er war nicht gerade dazu geeignet, Zuneigung oder Mitleid zu erwecken. Beides wollte er auch nicht, weil Menschen bösartig waren. War man am Boden, pissten sie einem ins Gesicht. Er hatte seine Schlüsse gezogen, um nicht als der zu enden, der unten lag. Nie wieder. Er war gefährlich, er war hässlich und er stank. Er war derjenige, der bei Strafexpeditionen die kleinen Kinder tötete, der fickte, was ihm vor die Lanze geriet und der neue Rekruten mit mitgebrachten Körperteiltrophäen erschreckte. So blieben die Menschen auf Abstand und sie taten gut daran.
Es gab zwei Menschen in seinem Leben, denen Sabaco vertraute: Ocella und Stilo. Dass einer davon nun traurig war, das gefiel ihm nicht. So grinste er aufmunternd und stellte sich mit Hilfe seines Bruders auf die Füße. Er schwankte und stolperte zwei Mal, bis er sein Gleichgewicht gefunden hatte, dann stand er.
"Einverstanden. Ich lege mich ins Bett und schlafe. Morgen warte ich den ganzen Tag auf dich, bis zum nächsten Abend und dem folgenden Morgen." Er dachte angestrengt nach, rechnete. "Bis übermorgen also. Dann muss ich weiterreiten."
Er hoffte, dass Ocella freibekommen würde. Denn bis sie sich das nächste Mal sahen, mochten wieder Jahre ins Land gehen.
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Als sein Gegner umfiel, stürtzte Sabaco mit diesem zu Boden. Ocella hatte am Ende auch seinen Prätorianer gefällt. Einen Moment lang bedauerte er, dass der Kampf vorbei war. Sabaco rappelte sich auf. Mit dem Handrücken wischte er über seinen Mund. Das linke Auge musste er geschlossen, halten, als er sich umschaute, weil das Blut aus der Braue hineinlief. Der Raum lag voller Verletzter. Wie viele Ocella umgehauen hatte, konnte er im Suff nicht zählen. In einer Ecke lag ein ganzes Menschenknäuel.
"Saubere Arbeit", lallte Sabaco betrunken und halb betäubt von dem gewaltigen Hieb. "Dein großer Bruder ist stolz auf dich! Sehr stolz, Ocella." Er selbst hatte heute eine grausige Figur gemacht, woran sein Gegner Schuld trug.
Eine Ecke in Sabacos Hirn wollte die letzten beiden Schwarzkutten auch noch vernichten, die ihre Kameraden auflasen, aber damit würde er Ocella noch mehr Arbeit aufhalsen und selbst wenig beitragen können. Letztlich waren das auch römische Soldaten, sollten sie ihre Verletzten aufsammeln. Irgendwie schaffte es sein Gegner noch, sich auf den Knien zu halten. Zäh wie ein Ochse. Der Kerl hatte hervorragend gekämpft, Sabaco war es nicht gewesen, der ihn erledigt hatte. So verzichtete er darauf, ihn ganz umzuhauen und auf den Kopf zu pissen, sondern ließ von ihm ab.
Er grinste breit und dreckig. "Wir wollten noch nach Borbetomagus. Heute oder morgen?"
Vielleicht war auch schon morgen. Das konnte man in Zechnächten immer schlecht sagen und war dann stets aufs Neue überrascht, wenn man die Sonne aufgehen sah.