Beiträge von Titus Umbrenus Nero

    Nero lehnte sich zurück und dachte über Castor und Pollux nach. Irgendwie musste er sich neben all seinen Aufgaben darum kümmern, die beiden kleinen Schlangen zu suchen. In Ruhe wollte Nero darüber am Abend nachdenken und einen Brief aufsetzen. Irgendwann musste er den ersten Schritt machen, wo er schon so viel Zeit verloren hatte.


    Titus schaute zur Tür und überlegte wo er selbst beginnen sollte. Alles musste sich setzen, es waren sehr viele Informationen gewesen, die in letzter Zeit auf ihn eingestürmt waren. Müde goss er sich etwas Poska ein und streckte sich.

    "Ich Dich auch Saba, sehr sogar. Provoziert? Nur ein klein wenig", gestand Umbrenus, während er die Nähe von Saba genoss.


    Nero neigte gehorsam das Haupt und drehte sich in Zeitlupe um, als Sabaco an ihm vorbei in sein Officium rauschte und hätte ihm dabei am liebsten über den Rücken gestreichelt. Mit liebevollen und etwas wehmütigem Schmunzeln setzte sich Nero zurück an seinen Tisch.


    Sabaco kannte ihn besser, als ihm lieb war. Doch er kannte ihn nicht gut genug. Natürlich hatte er ihn provoziert. Was glaubte Saba eigentlich? Das Nero tatenlos zusehen würde, wenn er sich in die eigenen Flammen werfen würde und verbrannte? Garantiert nicht. Er hatte es ihm eben noch versprochen und direkt umgesetzt.


    Einem bitte bleib, wäre Saba nicht gefolgt. Nicht in dieser Stimmung.
    Aber ein... geh und brenne, ich halte Dich auf... das hielt ihn tatsächlich auf.


    Vielleicht saß sein Kerl jetzt gerade grimmig, missmutig, ja gerade zu übel gelaunt hinten in seinem Officium, aber er saß dort! Er atmete, er lebte und er war hier bei ihm. Sabaco war wohlauf und in seiner Nähe. Das war alles was zählte. Nero fand es gerade sehr schade, dass er das Officium von Sabaco nicht von außen abschließen durfte.


    Er war froh, dass er vor Sabaco saß, um jede Gefahr von ihm abzuhalten. Zudem waren sie so den Großteil des Tages zusammen. Sie teilen alles, Beruf wie Privatleben. Er würde seinem Seehund nach Dienstschluss etwas Gutes zu Essen kaufen und ihn daran erinnern, was er für ihn empfand.


    Gehorsam machte er sich wieder an die Arbeit und erledigte den Papierkram. Bewusst etwas zu laut, so dass Sabaco im Grunde jeden Handgriff mithören konnte. Saba war nicht allein, das würde er nie wieder sein. Mit der Geräuschkulisse würde er es hören und eines Tages würde er es auch fühlen. Da war sich Nero ganz sicher.

    "Cimber werde ich nicht herrufen und instruieren Saba", antwortete Nero, kehrte zu seinem Mann und Vorgesetzen zurück und stellte sich ganz dicht vor ihn.

    "Das habe ich längst getan", grinste er verschmitzt.


    "Nur zu geh und brenne, ich werde Dein Wasser sein dass Dich löscht. Versprochen Seehund", sagte Nero liebevoll und nickte Richtung Tür.

    "Pass auf Dich auf und mach keinen Unsinn.... bitte".

    "Warum? Weil Du nicht mit verbrennen sollst, wenn die Welt in Flammen aufgeht. Weil die Welt nicht verbrennen soll, sondern nur unsere Feinde. Weil ich Dich behalten will Saba. Weil wir die Welt behalten wollen. Es soll unsere Welt werden. Was nützt uns verbrannte Erde? Du möchtest Ocella retten? Und dann? Wofür rettest Du ihn? Und was hinterlässt Du ihm, Deinen Brüdern und Deinem Sohn? Blutige, verbrannte Schlachtfelder? Dann hättest Du sie nicht gerettet oder gerächt Sabaco. Verstehst Du das nicht? Denke über meine Worte nach. Du wirst Deine Rache bekommen, wir werden sie bekommen. Aber nicht auf die Art, die Dein Leben kostet.


    Zur Karte Sabaco, absolut! Wir benötigen eine Karte über all das was Du aufgezählt hast. Zusätzlich eine Karte die wir darüber legen, die wir in Freund-, Feind- und Neutral-Gebiet einteilen. Wer ist wo? Wo sitzt wer? Wer und was nützt uns? Wer oder was stört uns und unser Vorhaben? Wir benötigen also eine Orts- und Lagekarte. Wir, beziehungsweise ich werde eine erstellen lassen. Schnellstmöglich.


    Richtig die Karte muss stets aktuell gehalten werden, ständige Lagesondierung. Ich werde umgehend Cimber damit beauftragen", grinste Nero sein messerdünnes Lächeln.

    "Du solltest beim Verbrennen Deiner Feinde stets drauf achten, dass sich der Wind nicht dreht Sabaco. Lebender Zorn ist eine fatale Eigenschaft. Gestehe Deinem Zorn kein Eigenleben zu. Er stammt aus dem Abgrund und dahin wird er Dich mitnehmen. Du willst Rache. Eine Regel ist so alt wie die Rache selbst, sie muss eiskalt serviert werden. Heißer Zorn wird Dich Dinge übersehen lassen. Er wird Dir für seinen Blutdurst einreden, dass der Gegner schwach ist. Dass er fallen wird, dass Du siegen wirst. All das ist nur eine Schlacht entfernt. Das sind die Worte des Zorns Sabaco. Er ist ein Lügner. Er spricht von seinem ewigen Hunger, nach Leid und Seelen. An Dich denkt er da nicht, Du bist nur Mittel zum Zweck. Erliege nicht dem Irrglauben, dass Du den Zorn anketten für Dich nutzbar machen kannst. Es mag sich für den Bruchteil eines Moments so anfühlen, wenn Du über einem gefällten Gegner stehst. Aber alles was Dich dahin gebracht hat in Begleitung des Zorns war nichts als reines Glück.


    Willst Du siegen, musst Du einen klaren Kopf bewahren. Glasklar wie frisches Quellwasser. Du musst bis auf den Grund Deines Problems herabblicken können. Dort wirst Du sehen wer Feind und Freund ist. Du wirst alles erkennen, aber in trüber Brühe fischt es sich schlecht. Deshalb vergiss Deinen Zorn. Schieb ihn beiseite. Lass Dich davon nicht blenden. Eine derartige Rache schmeckt nur einmal, danach ist sie schale wie abgestandener Wein. Für einen einzigen Moment diese Gefahr eingehen?


    Servierst Du die Rache gekonnt, wirst Du ein Leben lang in Deinem Sieg schwelgen. Es wird eine unvergleichliche Erinnerung und sie gehört Dir allein.


    Germania wird nicht brennen Sabaco. Unsere Feinde werden fallen und Germania wird uns gehören. Schlachten führt man nicht nur mit dem Schwert. Die einen werden am Schreibtisch ausgetragen, die anderen durch Stellvertreter, andere mit blankem Schwert. Was nützt es uns, wenn Germania in Blut ertrinkt? Tote arbeiten nicht, Tote bringen uns keinen Vorteil, kein Geld. Wir werden Germania nicht auslöschen, wir werden es unterwerfen.


    Das dabei einige über die Klinge springen müssen ist Fakt. Aber wir benötigen einen Schlachtplan, für die Schlacht und das Schlachten Sabaco.

    Lass Dir das gesagt sein. Ich möchte Dich nicht an Deine Wut verlieren. Ich habe mehr als einen Mann in seinen eigenen Untergang reiten sehen und er war sein eigener Feind. Er machte den Job, der seinen Feinden vorbehalten war. Zwing mich nicht, Dich vor Dir selbst zu retten Seehund.


    Also reiß Dich zusammen, für Dich selbst und Ocella. Du willst den Kopf seiner Häscher auf einem Tablett? Das siehst Du nur, wenn Deiner auf den Schultern bleibt", antwortete Nero ernst und nahm einen Schluck vom Wein.


    "Dieser Stilo braucht einen Tritt in den Arsch, ich werde sehen was ich tun kann", grinste Nero über den Rand seines Bechers hinweg und blinzelte Sabaco an.

    Nero grinste sein messerdünnes Grinsen von einem Ohr zum anderen und drückte Sabaco noch eine Spur fester an sich. Erst danach war er bereit ihn freizugeben. Tatsächlich bereit war er nicht, aber es ging nicht anders. Am liebsten hätte er die Tür verschlossen und den Dienst Dienst sein lassen. Aber er wusste genauso gut wie Sabaco, dass das ein Ding der Unmöglichkeit war. Dennoch hatte er eine Versicherung gebraucht, schlicht weil er sich für einen winzigen Moment auf dem Meer der Ewigkeit gefühlt hatte. Kein Land in Sicht und alles worauf er vertrauen konnte, war ein Wort. Ein Wort von wert, das Wort seines Mannes.


    "Das weiß ich alles Saba, Du erzählt mir hier kein Geheimnis. Aber ob Dienst oder nicht, ich musste es hören und fühlen. Deine Antwort beruhigt mich und schmeichelt mir gewaltig. Niemand wird Dir derartiges unterstellen und keiner sollte es sich wagen Dich zum Krüppel zu schlagen. Dienst hin oder her, dann würde es persönlich. Manchmal neige ich leicht dazu, verägert zu reagieren oder auch etwas rachsüchtig zu sein. Minimal, nicht der Rede wert, aber manchmal packt es mich eben.


    Du kannst gerne noch eine Weile hier warten, bis Deine Liebesbekundung abgeklungen ist. Ich liebe Dich auch Sabaco. Seius Stilo, ein Prätorianer. Er könnte uns sicher helfen, er wird viele Kontakte haben und sich in Rom auskennen. Wir müssen mit dem Mann Kontakt aufnehmen Saba. Ja ich gehe davon aus, das er die Kleinen finden wird.


    Ich sehe sie regelrecht vor mir. Wusstest Du, das ganz junge und ganz alte Schlangen besonders giftig sind? Damit gleicht die Natur wohl die Unerfahrenheit und die Gebrechen des Alters aus. Schlangen haben da einen Vorteil. Stell sie Dir vor, jung, zerbrechlich und mit ganz zarten Giftzähnen. Aber wenigstens haben sie die. Ich hoffe nur, sie haben gelernt sie einzusetzen und sich durchzuschlagen.


    So einiges habe ich bei meinen Zwillingen wieder gut zu machen", antwortete Nero und setzte sich zurück an seinen Schreibtisch. Dabei schaute er Sabaco nachdenklich an.


    "Pass bloß da draußen auf Dich auf", sagte er in einem Ton, den sonst kaum einer zu Ohren bekam.

    Nero schaute seinem Neffen hinterher, strich sich über die Glatze und atmete einmal durch. Zuviel war ungeklärt, um sich ein Bild von der Sachlage zu machen. Was war tatsächlich geschehen? Wer war für all das verantwortlich? Oder besser gefragt, wem mussten sie ihre Rache servieren und zwar eiskalt? Blut konnte nur mit Blut vergolten werden.


    Gleich was einige Togaträger von sich gaben, unabhängig davon ob es vielleicht jemanden traf, der an der ganzen Sache nicht beteiligt gewesen war. Floss das gleiche Blut durch seine Adern, gehörte er zur falschen Familie. Sie waren geduldig, sehr geduldig sogar. Aber einen Umbrenus zu töten, hieß den Zorn aller von ihnen heraufzubeschwören. Cinna war wohl kaum eines natürlichen Todes gestorben.


    Nero setzte sich grübelnd zurück. Wo diente Aulus Umbrenus Cinna zuletzt? Mit wem hatte er Kontakt? Mit wem war er befeindet oder befreundet? Mancher Freund stellte sich als schlimmster Feind heraus. Gab es zwielichtige Gestalten in seiner Nähe? Hatte er etwas in Erfahrung gebracht, dass ihn das Leben gekostet hatte? Oder war jemand davon ausgegangen?


    Nero stand auf und begab sich zu seinen Schreibern.


    "Ich muss schnellstmöglich wissen, wo zuletzt Aulus Umbrenus Cinna seinen Dienst versehen hat. Wer ist der Vorgesetzte der Einheit? Wer diente mit ihm? Alle verfügbaren Eckdaten", befahl Nero und begab sich zurück in sein Officium, während der Kamerad schnellstens von dannen eilte.


    Lange hatte Titus nicht zu warten, es klopfte und nach einem knappen "herein" sah er den Schreiber wieder.


    "Salve Cornicularius Umbrenus. Die von Dir gewünschten Informationen.

    Aulus Umbrenus Cinna diente zuletzt in der Legio XV Apollinaris in Cappadocia.


    Letzte vorliegenden Informationen bezüglich der Legio auf die Schnelle:

    Legio XV Apollinaris Standort
    Satala
    Emblem
    Greif

    Soldaten

    Legatus Legionis - unbesetzt -
    Praefectus Castrorum Lucius Iulius Antoninus
    Tribunus Laticlavius - unbesetzt -
    Tribunus Angusticlavius Titus Tuccius Tychicus
    Aquilifer - unbesetzt -
    Vexillarius - unbesetzt -
    Centurio Marcus Tiberius Coriolanus

    Lucius Duccius Ferox


    Centurio Legionis XV
    Decurio - unbesetzt -
    Signifer - unbesetzt -
    Cornicularius - unbesetzt -
    Duplicarius Appius Umbrenus Cimber
    Optio Sisenna Seius Stilo
    Eques - unbesetzt -
    Legionarius Gaius Sempronius Sophus, Aulus Umbrenus Cinna

    Tiro - unbesetzt -


    Das sind die mir vorliegenden Daten", erklärte der Mann und reichte die Notizen seinem Vorgesetzten.

    "Sehr gut, dass reicht mir für den Anfang. Du darfst gehen", erklärte Nero und nahm die Notizen zur Hand, während der Schreiber das Officium verließ.


    Viele bekannte Namen prangten auf der Notiz, von Cimber über Stilo aber ein Name war besonders wichtig - Tuccius. Genauer Tribunus Angusticlavius Titus Tuccius Tychicus. Ein Name der ihm sehr bekannt vorkam. Ganz ohne Cimber und Stilo war Cinna allein in der Legio verblieben, mit einer Schlange in seiner Nähe. Zufall? Nero glaubte nicht an Zufälle. Jedenfalls nicht an jene, die er nicht selbst herbeigeführt hatte.

    Nero betrachtete argwöhnisch das was vor sich ging. Sein Neffe erhielt einen Brief, verlor jede Farbe und reichte ihm das Schreiben. Nachdem Titus es selbst gelesen hatte, war klar warum. Cimbers Sohn Cinna war verstorben. Für einen Moment schloss Nero die Augen, um sich zu sammeln. Er selbst hatte keine Kinder, nun was dachte er da? Natürlich hatte er die!


    Jedenfalls hatte er bis dato keine Kinder gehabt, aber er wusste wie es sich anfühlte, jemanden zu verlieren den man liebte. Er wusste es nur zu gut. Jedes Wort dass er sagen konnte, würde nur hohl und banal klingen. Für manchen Schmerz gab es keine Worte.


    "Es tut mir leid Cimber.

    Ein Mann der seine Frau verliert, ist Witwer.

    Ein Kind das seine Eltern verliert ist eine Waise.

    Ein Vater der sein Kind verliert ist...

    für dieses Grauen gibt es nicht einmal ein Wort. Denn so soll es nicht sein", antwortete Nero leise.


    Titus legte den Brief zurück auf den Tisch und betrachtete ihn wie einen Feind, ehe er den Blick hob und sich fragte, was mit Cinna geschehen war. Im Brief hatte nichts Erläuterndes gestanden. Aber spielte der Grund eine Rolle? Cinna war fort und mit ihm war ein Teil von Cimber selbst gegangen.

    "Liebe und Notwendigkeit müssen sich nicht im Weg stehen Saba und falls doch, weiß ich wie ich Hindernisse aus dem Weg räume. Wie ich Dir sagte, Du gehörst zu mir, das heißt aber auch, dass Du mir gehörst. Heirate wen Du heiraten willst, das wird nichts an dieser Tatsache ändern Seehund. Außer Deinen Status für die Allgmeinheit und vielleicht bekommst Du auch noch ein schönes Stück Papyrus.


    Was würde das zwischen uns beiden ändern? Nichts. Solange Du die Frau nicht liebst, sondern mich.


    Und wer weiß, wann Du heiratest Sabaco. Zwischen uns liegen 20 Jahre. Du bist 27 Jahre alt und ich 47 Jahre. Bedenke was das heißt, wenn Du 47 oder gar 67 Jahre alt bist. Bis dato habe ich vermutlich mehr verloren, als nur die Haare. Vielleicht sogar den Bart, bei Neptun.


    Die Schlangen leben in Rom, Name Castor und Pollux, es sind Zwillinge. Kennst Du niemanden in Rom? Nun wir werden uns auf die Suche machen. Oder ich muss von hier aus suchen. Was natürlich wesentlich schwieriger wird. Cimber hat doch die Obhut für Fango. Und Fango hat Verwandte in Rom. Vielleicht könnte ich mich über Fangos Verwandte nach ihnen umhören?


    Man was bin ich für ein Trottel! Wir machen einen Aushang! Wir suchen sie offiziell! Das kommt davon, wenn man sich ärgert. Ärger darf man nicht an sich heranlassen, wenn man logisch und berechnend entscheiden möchte. Erste Regel für eine Natter", grinste Nero und packte Sabaco felsenfest im Nacken.


    "Sag das Du mich liebst", forderte er ihn auf.

    "Einen Sohn, Du solltest ihn nicht als Bastard bezeichnen. Wie es nach einer Adoption weitergeht? Nun Du wärst ihm ein Vater. Allerdings müssten wir uns etwas überlegen, für die Kinder wo sie tagsüber untergebracht sind, bis wir uns um sie kümmern können. Und ewig wird das auch nicht nötig sein Saba, irgendwann sind sie alt genug und wir nehmen sie mit zu uns. Kurzum sie fangen hier an, wo wir ihnen alles beibringen was wir wissen und sie wissen müssen. Glaubst Du Dein Sohn bekommt woanders eine bessere Schule als hier?


    Ich denke nicht. Wir haben genug Scheiße im Leben gefressen, um zu wissen wie man sie umgeht. Aber scheinbar schiffen wir trotzdem ständig hinein. Wir können mehr als eine Aufgabe bewältigen, zur Not müssen wir andere damit betrauen, bis wir übernehmen können. Dafür gibt es doch Sklaven! Wir schaffen uns einen für den Zweck an. Am besten so einen hochnäsigen Griechen, die sollen ja als Lehrer unschlagbar sein. Zudem kann sie eh keiner ausstehen, wie ich hörte", lachte Nero und küsste Sabaco fest.

    Nero legte seinen Kopf auf Sabacos Schulter ab und starrte die Wand dahinter an.


    "Wer weiß wann er sie zeugte? Vor uns? Dabei? Danach wohl kaum. Ich hätte den Brief sofort öffnen sollen. Das tat ich nicht, wie Du siehst. Solange der Brief zu war, waren die letzten Worte nicht gesprochen. Die Endgültigkeit brach nicht über mich herein. Ein kleines Stückchen war er noch da, denn ich ließ diese Worte nicht frei. So als hielt das Siegel auch das ganze Unheil und den Schmerz zurück der geschehen war. Unsinn so etwas als erwachsener Mann zu denken. Lass den Brief zu und alles bleibt ungeschehen. Aber es gibt Situationen wo Logik keine Bedeutung mehr hat.


    Zeugte er sie während uns, hätte ich ihm damals etwas dazu gesagt. Extrem viel, oder vermutlich nichts. Ich weiß es nicht Sabaco. Nun der Platz in meinem Herzen der einst Thala gehörte, gehört nun Dir. Du bist "Schuld" dass ich den Brief öffnen konnte, um die Worte frei zu lassen. Du hast mir die Kraft dazu gegeben. Dennoch komme ich mir dumm und unzulänglich vor.


    Wo war ich, als die beiden mich brauchten?

    Wo war ich, als sie eine Schulter suchten zum Anlehnen?

    Wussten sie von mir?

    Haben sie gewartet?

    Warten sie noch?


    Hast Du nicht auch Kinder? Das meine ich nicht als Vorwurf, sondern hoffnungsvoll. Ich habe nichts dergleichen Saba, nicht mal mehr einen Beruf der mit Wasser zu tun hat. Ich bin ein Fisch auf dem Trockenen. Was sollte gegen die Schlangen sprechen? Ich war einst selbst eine und zwar freiwillig. Alles was einst von mir bleibt, wird Erinnerung sein, die in Deinem Kopf oder denen von den Zwillingen weiterlebt. So fern ich sie denn finde", antwortete Nero zerknirscht.

    Nero benötigte einen Augenblick um zu verstehen, was Sabaco tat und sagte. Er war zu sehr in der Situation gefangen und fühlte sich hilflos. Für einen Moment noch konnte er die Fassade aufrecht halten, dann jedoch sank er in Sabacos Arme und drückte ihn fest an sich. So verharrte er bis er sich in der Lage fühlte auszusprechen, was ihn derart die Fassung hatte verlieren lassen.


    "Niemanden. Ich habe geerbt und zwar Verantwortung Sabaco. Zwei Söhne. Castor und Pollux, die Söhne von Thalatio und nun meine. Weißt Du wie lange ich dieses Schreiben mit mir herumschleppe ohne es je geöffnet zu haben? Nun was das für ein Schreiben ist, kannst Du Dir denken. Ich spreche es nicht aus. Es war alles, was ich von ihm noch hatte. Als die Schlange fort war, war das Schreiben alles was geblieben war. Tote Worte auf trockenem Papier. Das waren meine Gedanken.


    Nichts ist tot, jedenfalls nicht ganz. Er hinterließ mir eine Aufgabe die ich erfüllen muss Saba. Ich muss die Kinder finden, falls es nicht schon zu spät es. Es darf nicht zu spät sein. Frage mich nicht, weshalb ich den Brief nicht vorher geöffnet habe. Dummheit, Feigheit, Angst, ich kann Dir nicht alles aufzählen, was mich davor zurückschrecken ließ. So als würden die Worte verblassen, würde ich das Siegel brechen. Als wäre er damit tatsächlich fort. Dabei hat er mir etwas da gelassen, ein Stück von sich. Und ich habe es nicht gewusst, weil ich mich an einen Fetzen Papier geklammert habe.


    Sie heißen Castor und Pollux und es sind Zwillinge. Ich muss sie finden Saba und wenn ich dafür Rom umgraben muss. Stehst Du mir bei?", fragte Nero hoffnungsvoll.

    Nattern Nest


    Thala. Thalatio. Thalatio Tuccius. Bruder von Tychicus. Schlangen, Nattern, aber war bedeuteten schon Namen? Die Gezeiten der Zeit hatten sie davon gespült. Das letzte Andenken einer verlorenen Liebe war eine geschnitzte Schlange gewesen und die hatte Vater Rhenus für seine Besänftigung gefordert. So war nichts geblieben, außer die Erinnerung und ein Schriftstück aus der Vergangenheit. Worte auf trockenem Pergament, welche Lippen nie wieder formen würden. Gelesen hatte er es nie, aus Angst vor den Schmerzen die aus der Tiefe des endlosen Ozeans wieder nach oben treiben würden.


    Neros schwielige Seemannshände spielten mit dem Brief, der mehr als nur eine Nachricht war. Eine Verbindung zu einer Person, die längst auf der anderen Seite weilte. Mit grimmigen Blick strich sich Nero über die Glatze und brach das Siegel, dass so viele Jahre den Inhalt dieser letzten Worte gehütet hatte. Wort für Wort las er die Zeilen die Thala ihm hinterlassen hatte. Aber es waren nicht nur Worte, die ihm sein Mann hinterlassen hatte, sondern auch eine Verantwortung die sich jetzt wie ein Dolch in sein Herz fraß, einem Giftzahn gleich.


    Vor mörderischer Wut brüllte Nero seine Enttäuschung heraus, nicht bedenkend das Sabaco nur ein Zimmer weiter saß. Wieso bei Neptun hatte er diesen Brief nicht eher gelesen? Was war nur los mit ihm? Seinem Schrei folgte ein brachialer Fausthieb gegen die Wand, die seine Knöchel aufplatzen ließ. Der Schmerz holte ihn in die Wirklichkeit zurück, der mörderische Ausdruck verließ Neros Augen und das Leben sickerte zurück in das verwaschene Blau.


    Tausend Worte reichten nicht aus zu erklären, was er gerade empfand, doch maßgeblich waren nur zwei.


    Castor.

    Pollux.


    Die Kinder seiner Schlange, die Söhne Thalatios und nun seine.



    Nero schüttelte lachend den Kopf.

    "Ein Liebesgeständnis? Du hast Nerven Cimber, aber Du hast Recht. Gleich wie Du an Informationen kommst, beschaffe welche. Kameraden, Untergebene, Gäste in einer Taberna, Schankwirte, Händler auf dem Markt, tratschende Passanten, Gespräche in den Gassen und Gossen, Gerüchte hier wie außerhalb. Lass Dir etwas einfallen, Du weißt wie all das funktioniert. Bezüglich Fango, frische Ideen schaden ganz sicher nicht. Höre Dir an, was er zu sagen hat.


    Wir alle werden unsere Augen und Ohren offen halten. Und noch etwas Cimber, manchmal liegt die Information nicht darin was Du hörst, sondern darin was jemand versucht zu verschweigen. Welche Informationen fehlen in dem großen Ganzen? Wo kommen wir nicht ran? Welches Stück vom Rätsel fehlt? Genau das wird uns zu einer Information führen, die wirklich brisant ist. Also achte darauf was gesagt und was verschwiegen wird Cimber.


    Ansonsten kann ich Dir bezüglich Fango nur raten, übertrage ihm Aufgaben die wichtig sind. Sage ihm, wer er ist, dass er Teil unserer Familie ist und das wir uns auf ihn verlassen. Das dies mehr ist, als ein Militäreinsatz, das ist eine Familienangelegenheit", gab Nero zurück.

    Nero schaute für einen Moment derart eisig, als die Tür ohne sein Herein aufging, dass sich so manch einer bei dem Blick eingeschissen hätte. Jedoch wurde sein Blick schlagartig milder, als er sah, dass es sich um seinen Neffen Cimber handelte. Dieser stürzte gleich mit Tür und Thema ins Officium. Nero lehnte sich ein Stück zurück.


    "Sabaco vertraut mir und ich vertraue ihm, was Deine unausgesprochene Frage anbelangt, so lautet die Antwort - ja. Er geht offen damit um, also sollte ich es auch. Nicht bei jedem, nicht jede Information ist für jedes Ohr bestimmt. Doch Du gehörst zur Familie Cimber und Du sollst wissen, das Matinius ebenso dazu gehört. Privat gehören wir zusammen, nicht nur dienstlich.


    Was unsere Aufgabe angeht, eine Schlange sollte stets giftig sein, aber ob sie ihre Zähne einsetzt, dass muss wohl überlegt sein. Wir werden unsere Zähne nur dann einsetzen, wenn es nötig ist. Der beste Kampf ist der, den man nicht führen muss. Nun wir werden selbstverständlich nicht abwarten und Posca trinken oder gar die Hände in den Schoß legen. Wir werden tun, was wir tun müssen. Dazu gehört auch, dass wir andere für uns zubeißen lassen, am besten ohne dass sie wissen, weshalb und für wen sie zugebissen haben.


    Kurzum wir müssen uns ein Informationsnetz aufbauen, indem wir der Knotenpunkt sind. In unserem Netz wird es zig Sicherheitspunkte geben, kappen wir diese im Notfall, wird es kein Faden mehr geben der zu uns führt. Einerseits ist das eine Absicherung, andererseits kann es auch für uns sagen wir mal zumindest unangenehme Folgen haben. Aber Unannehmlichkeiten sind besser als Enttarnung. Wie Sabaco schon aufgeführt hat, benötigen wir offizielle Informationen und solche aus versteckter Hand. Wir benötigen Gerüchte, wir benötigen Flurfunk, wir brauchen alles an Informationen was wir bekommen können. Und sobald wir uns ein Bild von der Lage gemacht haben, werden wir anfangen gezielte Informationen in Umlauf zu bringen. Wir werden die Meinung beeinflussen, denn auch sie ist eine Waffe und zwar eine die nicht unterschätzt werden soll. Ebenso wie der Ruf, auch wir werden mit Gerüchten arbeiten.


    Wenn wir es geschickt anstellen, sind wir Herr der Lage. Das heißt, wir werden über Fakten verfügen und selbst bestimmen, welche Information als Wahrheit angesehen wird oder nicht. Kurzum wir werden zu Meinungsmachern Appius.


    Fango werde ich einbeziehen, er wird wachsen Neffe, weil er wachsen muss, um zu bestehen. Wie heißt es so schön? Versagen ist keine Option. Auch ein Natternnest ist ein Nest und schenkt Wärme", lächelte Nero sein messerdünnes Lächeln.

    Knotenpunkt


    Das Officium von Cornicularius Titus Umbrenus Nero war zweckmäßig eingerichtet. Seine "Plundersammlung" wie er sie selbst liebevoll nannte, hatte einen neuen Ort gefunden. Hier in diesem Officium stand nichts dass auf ihn als Person schließen ließ. Nun fast nichts, bis auf die Statue von Neptun. Mit grimmigen Blick, den Dreizack fest in der Hand saß der Gott des Meeres und der Pferde auf einem Hippocampus und wachte über das Geschehen.


    Sabaco hatte ihm übertragen, alle Informationen zu sammeln und mit alle Informationen, war genau dies gemeint. Er würde jeden noch so kleinen Informationsschnippsel in Erfahrung bringen. Ein gewaltiges Puzzle schaffen, aus dem sich ein Gesamtbild ergab. Eines das sie sich ansehen mussten, um es nach ihren eigenen Vorhaben neu umzugestalten. Es galt Informaten anzuwerben, es galt Leute mit Posten zu versorgen und es war seine Aufgabe Personen zu benutzen, die nicht wussten wofür sie letztendlich benutzt wurden. All das gehörte dazu, kurzum er musste den Weg der Schlange gehen.


    Das Personal der Schreibstube sollte ihn dabei unterstützen. Er war nicht allein, dass waren Sabacos Worte gewesen. Aber jede Schlange wusste, letztendlich war sie das. In ihren Windungen verbarg sie das Wissen, dass sie gesammelt hatte. Niemand außer ihr selbst durfte über den Knotenpunkt, über alles Wissen verfügen. Brocken ja, aber das Gesamtbild gehörte ihr allein. Und so würden auch die Handlanger nur das Wissen erhalten, dass sie wissen durften. Etwas sickerte immer durch, das war nicht zu vermeiden. Wer nach Wissen für andere suchte, fand selbst welches.


    Doch auch hier kannte Nero die Lösung die ihm seine Schlange beigebracht hatte. Am besten versteckte man Informationen in anderen Informationen, Wissen verbarg man in Wissen. Suchte jemand Wissen, so gab man es ihm. Und zwar derart viel und derart nutzlos, dass er die tatsächlichen Informationen von Informationsmüll nicht mehr unterscheiden konnte. Wer wälzte sich schon durch einen Wald an Schreibrollen? Allein der Zeitaufwand um das Wissen zu finden, dass der Feind oder Maulwurf suchte, musste eine Dimension erreichen, die es Nichteingeweihten unmöglich machte, sich dem Kern - dem Knoten - zu nähern.


    Nero musste sich Männer suchen, die er auf ihre Linie eichte. Sie mussten ihrem Vorhaben treu sein und nicht dem Rest Roms. Sie mussten sich der Sache mit allem verschreiben, was sie hatten. Notfalls mussten sie sogar bereit sein, gegen andere zu agieren. Informationen heraus zu pressen und Zungen zum Verstummen zu bringen. All dies gehörte dazu und all dies würde er von diesem Officium aus dirigieren.


    Zwei Primärziele hatte seine Aufgabe:

    - Die Ermittlung des Verbleibs der Turma Prima

    - Die Ermittlung der Stimmung der grenznahmen Stämme.


    Cimber sollte ihn in direkter Weise unterstützten und darauf würde er auch zurückgreifen. Blut war dicker als Wasser, wobei man manches Blut selbst wählte. Auch das, welches man bereit war zu vergießen.


    Die alte Seeschlange war zurück.

    "Völlig freie Hand ist Musik in meinen Ohren, wir werden die Informationen erhalten, die wir benötigen. Wie heißt es so schön? Viele Wege führen nach Rom oder auch zu unseren Informationen. Ich werde keine falsche Rücksicht nehmen, soviel steht fest. Aber ich werde auch nicht grundlos Staub aufwirbeln. Wir wollen schließlich nicht gesehen werden, nicht wahr? Spionagearbeit ist heimliche Arbeit. In dem Moment wo mich jemand für meine Arbeit als Außenstehender kritisiert oder lobt, habe ich etwas falsch gemacht. Wir sind aufgeflogen und in Erscheinung getreten.


    Eine wahre Schlange weiß, sie ist erst dann gut, wenn niemand ihren Namen kennt. Loblieder werden nie über sie gesungen, ihre Taten bleiben ohne Ruhm. Aber darum geht es einer Schlange auch nicht. Ich werde tun was getan werden muss, gleich was es ist", antwortete der Nero Sabaco.

    Nero hörte Sabaco aufmerksam zu. Die Aufgabe die ihm der Decurio übertrug, sein Decurio, konnte klein gehalten oder ins Gigantische ausgebaut werden. Nichts Geringeres als einen Spionagering würde Nero versuchen aus der Wiege zu heben. Woher die Informationen stammten, waren gleich, Hauptsache war sie wurden ihrer habhaft. Offizielle Ermittlungen waren da genauso angesagt, wie heimliches Ausspähen. Soldaten wurden offiziell damit betraut und Einheimische die für klingende Münze alles verkauften. Und wie es sich gehörte, mussten auch die Spitzel bespitzelt werden.


    In genau so einem Hornissennest benötigte man loyale Männer, welche die Informationen sichteten und auswerteten. Loyal waren jene, denen man vertrauen konnte, weil man sie an den Eiern hatte. Dafür benötigte man wiederum Informationen. Vermutlich mussten sie auch hier und dort jemanden heranschaffen oder um die Ecke bringen. So etwas gehörte dazu. Leute wurden zum Sprechen und zum Schweigen gebracht.


    Wer mit einer Schlange gelebt hatte, wusste sich in einem Vipernnest zu bewegen. Auch wenn es sich dabei um eine bunte Seeschlange gehandelt hatte, die ihn von Herzen liebte, eine Schlange war eine Schlange und gab es für diese Aufgabe einen besseren Lehrmeister?


    "Ich habe völlig freie Hand?", fragte Nero rückversichernd und sein Gesicht verfinsterte sich in Vorfreude und Genugtuung.