Beiträge von Servius Annaeus Vindex

    Seit der Brief mich erreicht hatte, lag er entrollt auf dem Tisch in meinem cubiculum. Ich hatte tatsächlich eine positive Antwort bekommen und wurde zu einem Gespräch beim Pontifex in seiner Villa eingeladen. Den Weg dorthin hatte ich nach Erhalt des Briefes sofort in Erfahrung gebracht und dann dafür gesorgt, dass ich ihn keineswegs vergessen würde, wenn der Tag gekommen war.


    Und der Tag war heute gekommen.

    Mein Frühstück habe ich genossen, es gab aber nur eine leichte Mahlzeit und auch erst spät. Philetaerus hat mir eine frische Rasur gegeben und Nysa hat meine Kleidung gewaschen.

    Jetzt mache ich mich auf den Weg zur Villa Flavia, um rechtzeitig zu meinem Termin anzukommen.

    "Da bin ich mir sogar sicher."

    Wir gehen durch die Straßen Roms und zunächst in Richtung des Forum Romanum. Der Palatin liegt zu unserer Linken und in der Entfernung sind bereits die Bauten auf dem Kapitol zu sehen. Wir machen aber einen Schwenk nach Westen, bevor wir das Forum endgültig erreichen und halten den Kapitol auf unserer rechten Seite. Vor uns wird es lauter, die Geräusche kommen vom Forum Boarium, das wir aber ebenfalls liegen lassen und dem Tiber ein wenig flussaufwärts folgen.

    "Gleich da vorne ist es, du wirst es mögen."

    "Einen Tag, meine liebe, einen Tag bin ich nur länger hier." Ich lache.

    "Aber natürlich, ich führe dich herum, als ob ich selbst wüsste wo ich was finden kann." Ich wische mir eine Lachträne weg.

    "Im Ernst, ich bin hier genauso neu wie du. Zu meinen Verwandten musste ich mich mehrfach durchfragen und selbst dann war es nicht ganz einfach. Wenn du das Forum schon satt hast, dann könnten wir zum Marsfeld gehen. Das Theater von Pompeius wird dir sicher gefallen.

    "Nein, ich habe heute nichts weiter vor. Wir können also gerne noch ein wenig herumschlendern und reden, wenn du möchtest."

    Ich weiß derzeit nicht einmal, was ich tun sollte. Meine Rede war auch sehr spontan gewesen und wenn niemand darauf reagiert, werde ich mir einen anderen Plan ausdenken müssen, um in den ordo senatorius erhoben zu werden. Aber das hat auch noch ein wenig Zeit, denn noch läuft der Wahlkampf und viel erreichen kann ich vorerst ohnehin nicht.

    Wir verlassen das Gasthaus wieder.

    "Der Mann lässt sich dann wahrscheinlich nur Zeit. Vielleicht schauen wir in einigen Tagen nochmal bei ihm vorbei, dann müsste die Statue ja weiter fortgeschritten sein."

    Ich bin selbst nicht sicher, was ich mir vorn dem Gastwirt erhofft hatte, aber zumindest war das ein Hinweis darauf, dass Phoebe noch länger in der Stadt bleiben würde. Ich genieße es sehr, mit ihr Zeit zu verbringen und hätte im Nachhinein vermutlich nicht alleine die letzte Jahre herumreisen sollen.

    "Und was machen wir jetzt mit diesem Tag?"

    Ich betrachte das Gasthaus und blicke dann wieder zum Eingang der Werkstatt. "Ja, es könnte durchaus sein, dass man dort auf solche Ideen kommt. Problematisch wäre es nur, wenn der Bildhauer dort Stammgast wäre. Wollen wir nachfragen? Vielleicht kann der Wirt uns was erzählen und du musst dann deinen Aufenthalt hier verlängern und einen neuen Bildhauer suchen, der auch erstmal nach Pergamon reisen muss und so weiter..."

    Wir stehen wieder vor der Werkstatt, die Arbeitsgeräusche waren noch nicht wieder zu hören. Ich entferne mich ein wenig vom Eingangsbereich und sage dann: "Also für meinen Geschmack ein wenig langsam, aber das verlängert ja deinen Aufenthalt hier." Ich lächle Phoebe an. Sie hatte nichts von ihrem kundigen Auge verloren, noch immer betrachtete die Statuen und andere kunstvolle Objekte mit einem geschulten Blick, der ihr scheinbar in die Wiege gelegt worden war.

    "Und das heißt wiederum, dass wir noch viel Zeit haben, um die vergangenen Jahre aufzuholen, meinst du nicht?" Ich lächle weiter.

    Der Sklave Philetaerus hatte den Weg zur Regia des cultus deorum vermutlich in einer neuen Bestzeit zurückgelegt. Dort angekommen, erholte er sich kurz und gab dann den Brief seines Herrn ab, bevor er sich auf den Rückweg machte. Diesen würde er deutlich langsamer angehen.

    Ad

    Collegium Pontificum

    Regia Cultus Deorum

    Roma


    Werte pontifices,


    ich bin erst kürzlich in dieser von den Göttern gesegneten Stadt angekommen, konnte aber schon einen Blick auf die Herrlichkeit der hiesigen Bauten werfen, die ohne Frage auch das Auge der Götter erfreuen. Nachdem ich mich nur ein wenig einleben konnte, möchte ich aber auch dieser Stadt dienen.


    Bei meinen Rundgängen fiel mir auf, dass einige der Tempel, so wunderbar sie auch sind, leider schlecht geführt zu sein scheinen. Ich mache niemandem einen Vorwurf, doch habe ich auf meinen Reisen im Osten des Reiches Vieles gesehen und gelernt und bis sicher, dass ich mit diesem Wissen der Organisation und Verwaltung sicherlich zuträglich sein werde.


    Werte Herren, betrachtet dies Schreiben bitte als eine offizielle Bewerbung um eine Position als Aedituus in einem der vielen Tempel dieser wunderschönen Stadt. Gerne würde ich ein persönliches Gespräch mit euch führen, da ich davon ausgehen muss, dass dieser direkte Vorstoß meinerseits einige Fragen aufwerfen wird.


    Hochachtungsvoll und in Erwartung eurer Antwort verbleibe ich damit.

    Vale Bene!


    Servius Annaeus Vindex

    Domus Annaea

    Auch Tage nach meiner spontanen Rede auf der Rostra hatte sich niemand bei mir gemeldet. Offenbar war dieser erste Versuch vollkommen fruchtlos gewesen, aber davon will ich mich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ich werde weiterhin mein Ziel verfolgen und dafür alles tun... aber wirklich alles? Nein, das Militär scheidet aus, das wird mich zu viel Zeit kosten. Ich nehme mir eine Schreibtafel und ritze das Wort "Militär" hinein, nur um es daraufhin durchzustreichen. Ich könnte natürlich auch einfach nach Pergamon zurückkehren und es von dort aus versuchen. Das würde bedeuten, die Pläne in Rom aufzugeben. Als ultima ratio möglich... zur Sicherheit schreibe ich die Idee ganz an das Ende der Tafel und schaue es an.


    Ich bin irritiert von dem Wort. Je länger ich es ansehe, desto mehr ekelt es mich an. Ich streiche es durch. Energisch und deutlich.

    Also gut, was kann ich machen? Wenn mich niemand aus dem ordo aufnehmen will, muss ich vielleicht ein wenig tiefer anfangen. Aber will mich da jemand aufnehmen? Will ich es nochmal so direkt versuchen? Das könnte ein weiterer Rückschlag werden und das kostet wieder Zeit. Und wenn ich noch tiefer einsteige? Hmm, das ist eine Möglichkeit, in der städtischen Verwaltung sollten genügend Stellen frei sein und mit den hohen Leuten komme ich dann auch irgendwann zwangsläufig in Kontakt. Ich notiere das.


    Notieren... ich könnte Schreiber werden. Das ist nichts besonderes, aber für den Anfang sollte es reichen. Vielleicht finden sich ja auch direkt etwas am Kaiserhof. Nein, das könnte zu schwierig werden ohne Kontakte und ich will Florus nicht ausnutzen. Ich muss beweisen, was in mir steckt. Am besten in einer führenden Position natürlich, aber das könnte... eine verwaltende und führende Position! Rom ist voll mit Tempeln und die müssen auch irgendwie organisiert werden! Der cultus deorum, eine Anstellung als Aedituus, das könnte es sein. Irgendein Tempel wird schon noch freie Kapazitäten haben oder Unterstützung brauchen. Und mit verschiedenen Menschen kann ich auch in ihren ureigenen Sprachen reden, hier kommen ja auch genügend Auswärtige her und Sklaven gibt es auch in Massen. "ηὕρηκα!", rufe ich und notiere auf meiner Tafel den Dienst an den Göttern.


    Militär

    städtische Verwaltung, unterste Ebene

    cultus deorum




    Aufgeben


    "Ja, Herr, ihr habt gerufen?", kommt es plötzlich von der Tür. Philetaerus steht in der Tür. Ich schaue ihn kurz verwundert an. "Nein, habe ich nicht, Philetaerus, wie kommst... oh, ich verstehe. Nein, habe ich wirklich nicht, aber es trifft sich gut, dass du gerade hier bist. Ich setze gleich einen Brief auf, der schnellstmöglich zu den pontifices muss. Bring mir unseren flinksten Sklaven." Ich greife nach leerem Briefpapier und überlege schon, was ich gleich schreiben werde. "Herr, ich bin der flinkste Sklave hier." - "Wirklich? Nun gut, dann warte vor der Tür, ich will nicht gestört werden. Und danach musst du diesen Brief dann... naja, du weißt ja." - "Natürlich, Herr", sagt er und schließt die Tür beim Verlassen meiner Gemächer hinter sich. Ich gehe zum Stehpult und beginne umgehend zu schreiben.


    Es brauchte einen zweiten Versuch, aber ich bin fertig. Dieses Schreiben könnte meine Eintrittskarte werden. Es könnte aber auch unbeachtet vernichtet werden... nein, optimistisch bleiben! Ich gehe zur Tür und öffne sie. Philetaerus werdet sich sofort mir zu und betrachtet den Brief in meiner Hand. Ich gebe ihn an den Sklaven weiter und sage: "Zur Regia des cultus deorum, schnell." - "Ja, Herr", antwortet Philetaerus und macht sich umgehend auf den Weg.

    Ich verfolge das Gespräch zwischen beiden und betrachte die Statue, an der der Bildhauer gerade arbeitete. Mein Blick wandert dann im Hof umher und ich begutachte ein paar seiner weitern Werke. Es ist gute Arbeit, zweifelsohne, aber möglicherweise hatte ich schon bessere Arbeiten gesehen. Nur erinnere ich mich nicht mehr...

    Die Gegend ist durchaus gut und vermutlich nicht gänzlich billig. Das Gasthaus gegenüber der Werkstatt ist nicht mit dem zu vergleichen, in dem wir gerade noch gesessen hatten, und die Hammerschläge verbreiten gerade das richtige Maß an Geschäftigkeit, um hier nicht in Müßiggang zu verfallen. Zumindest nehme ich an, dass das für die Tageszeit gilt.

    Das Haus, oder die Werkstatt, vor der wir stehen wirkt als wäre sie schon länger hier als die meisten der Häuser drum herum, aber das spricht ja höchstens für die Qualität der hier geleisteten Arbeiten. "Gerne", sage ich zu Phoebe, "mal sehen, was der Meister so kann."

    "Dein Bildhauer, genau! Dann lass uns gehen und ihn suchen, so schwer wird das schon nicht sein. Wenn er arbeitet, dann sollte man das auch hören können."

    Wir bezahlen unsere Mahlzeit und verlassen das kleine Gasthaus in die Richtung, aus der wir zuvor kamen.

    "Wir werden sehen, aber danke. Erstmal warte ich, ob sich einer der Senatoren möglicherweise noch per Brief meldet. Und selbst wenn nicht: solange wir beide hier in Roma sind, werden wir schon irgendetwas finden, um uns die Zeit totzuschlagen. Auf uns!"

    Wir stoßen mit den Bechern an. Es war eine gute Idee die Trauben in den Wein zu entleeren, das macht ihn ein wenig... genießbarer.

    Auf jeden Fall ist es sehr angenehm hier in Rom jemand Vertrautes zu haben. Florus hat sich zwar gefreut, dass er nicht mehr allein im Anwesen ist, aber kennen tun wir uns nun wahrlich noch nicht. Das werde ich nachholen müssen, aber heute hat Phoebe Vorrang.

    "So. Der Käse ist schon weg, die Trauben gehen auch zur Neige. Was machen wir jetzt?"

    "Wir werden sehen, was ich erreichen kann. Noch stehe ich ganz am Anfang, wenn nicht sogar weit davor", sage ich während ich zwei Weintrauben zerdrücke und den Saft in den Wein tropfen lasse. Die zerquetschten Früchte werfe ich auf die Straße. Ich hebe den Weinbecher an und sage: "Aber ja, dann auf... große Pläne."

    "Genau", sage ich, "ich will hoch hinaus. Erst der ordo senatorius, später dann Statthalter." Mir fällt auf, dass ich meinen Plan in aller Öffentlichkeit verraten hatte. Ich blicke mich um und schaue nach Leute, die uns möglicherweise beobachten. Aber wer sollte uns schon beobachten? Wir sind einen beziehungsweise zwei Tage in der Stadt, niemand kennt uns. Trotzdem senke ich meine Stimme ein wenig weiter.

    "Tja, jetzt ist es raus. Statthalter von Asia, das ist mein Ziel. Aber nicht in diesem Loch Ephesus, nein. Ich will, dass Pergamon Provinzhauptstadt wird." Ich zögere kurz und frage dann: "Meist du, das ist verrückt?"

    "Du wirst sicher nicht lange allein bleiben, da bin ich sicher", sage ich und lächle Phoebe an. "Ich meine, schau dich nur an, du siehst noch schöner aus als damals!"

    Ich merke, was ich gerade gesagt habe und greife schnell nach etwas Käse und Wein. Mist, falsche Reihenfolge. Ein Scheibchen Wurst, das ist jetzt das Richtige. Ich wechsle das Thema.

    "Ach ja, Herumtreiber... da war ja noch was. Das war übrigens eine Bildungsreise. Ich wollte sehen, wie die Welt, wie das Reich, außerhalb von Pergamon und Asia funktioniert. Wie die alten Städte wie Athen und Alexandria sich in unser Reich eingliedern und wie neue Städte wie Augusta Treverorum und Aquae Sextiae erblühen. Und ich glaube ich habe viel gelernt."

    "Nein, das wollte ich dir auch nicht unterstellen. Ich bin nur... nun... es ist einfach ungewöhnlich."

    Ich fühle mich unwohl. Ich nippe an dem Wein und esse eine Traube, in dieser Reihenfolge ist der Wein sogar genießbar. Ich esse noch ein Stükchen Käse, um einen gänzlich anderen Geschmack im Mund zu haben.

    "Es tut mir leid, ich wollte dich nicht bedrängen."