Bevor Florus das Gebet sprach, von dem ich sehr beeindruckt bin, denn selten habe ich einen Text so inbrünstig und laut, aber nicht schreiend, vernommen, gab er mir das Opfermesser, mit dem er zuvor den Stier rituell entkleidet hatte. Das Tier hatte sich kurz geregt und ich hatte schon befürchtet, es würde gleich durchgehen, doch es war nur ein kurzes Schnauben geworden und ein leichtes Zittern, das sicherlich von der allgemeinen Berührung kam - ich stelle es mir nicht sonderlich angenehm vor, wenn eine recht kühle Klinge den gesamten Körper entlang streicht.
Auch das anschließende Trankopfer war vollkommen einwandfrei verlaufen, die Götter sind uns allen definitiv gnädig am heutigen Tage. Das Messer wiegt recht leicht in meiner Hand, vielleicht ist es aber auch nur das berauschende Gefühl, dass sich hier allmählich breit macht. Die Musik tönt noch immer, die Zuschauer sind aber deutlich ruhiger geworden, kaum ein Wispern ist irgendwo zu vernehmen. Sollte auf den anderen Foren etwas los sein, wir hören es nicht. Jede und jeder einzelne hier ist vollkommen fokussiert und schaut gebannt auf die einzelnen Schritte. Warum auch nicht, schließlich hängt ein wenig das Schicksal des gesamten Reiches an dem heutigen Opfer.
Iulia Stella und Crispina hatten ihre Aufgaben bravourös erfüllt, das große Hauptopfer steht jetzt bevor. Der sicherlich wichtigste Part des gesamten Prozederes und gleichzeitig auch mein Auftritt. Die nächsten Schritte sind klar und ich blicke einmal kurz zum victimarius und zu Ravilla. Beide sind hoch konzentriert, nicken aber unmerklich als sie meinen Blick wahrnehmen. Sie sind soweit.
Ich trete an den Altar vor, das Opfermesser in meiner Hand. Der Rauch des Trankopfers lichtet sich.
Ich blicke in die Runde. Unzählige Augen sind auf Florus, den Stier und mich gerichtet.
Ich blicke zu Florus. Florus blickt zu mir. Ich frage laut und deutlich: "Agone?"1
Florus lässt das Wort ein wenig in der Luft schweben und antwortet: "Age!"2
Ich drehe mich zum victimarius um und nicke ihm wieder zu. Er schreitet nach vorn, den Opferhammer an seiner Seite und außerhalb des Blickfeldes des Stiers. Wir hatten einen Fachmann ausgewählt, der uns in dieser Sache unterstützen sollte, denn wenn jetzt etwas schief ginge, dann könnte es für sehr viele Leute sehr schlimm enden.
Nun steht er neben dem Stier. Ein paar Sonnenstrahlen zeigen sich und werden von den vergoldeten Hörnern reflektiert.
Der victimarius nimmt eine andere Position ein, um das auszugleichen. Er steht jetzt seitlich hinter dem Kopf des Stieres.
Er hebt seinen Hammer in beide Hände. Er holt aus und atmet durch.
Es ist leise, man könnte es hören, wenn jetzt eine Nadel auf den Boden fallen würde.
Der victimarius führt seinen Schlag gegen den Schädel des Stiers und...
... nichts.
Der Stier schaut noch ein wenig benommener als zuvor. Es fällt ihm offensichtlich schwer etwas zu fokussieren, sei es ein Gedanke oder ein Objekt vor sich. Ich stehe vor dem Stier, sein Kopf dreht sich zu mir, die Hörner glänzen und ein einzelner Blutstropfen rinnt die Stirn des Tieres entlang. Dann beginnen seine Vorderbeine zu zittern, die Hinterbeine folgen. Es kann sich nicht mehr lange halten. Ich nicke Ravilla zu, der sofort mit der Schale herankommt, um gleich das Blut des Stieres aufzufangen.
Ich stelle mich an die Stelle, an der der victimarius eben noch stand, das Messer in meiner Rechten. Ich fasse um den Hals des Stiers, meine Linke greift sein Horn. Ich setze das Messer an die Kehle des Tieres und schneide schnell, schneide tief in seinen Hals hinein. Der Stier zuckt, seine Beine verlieren jegliche Kontrolle, er kann sich nicht mehr halten und fällt mehr als er gleitet zu Boden, ich halte seinen Kopf einigermaßen aufrecht, Ravilla ist beinahe gänzlich aus meinem Blickfeld verschwunden. Der Stier hatte einige Laute von sich gegeben und gezuckt und geschnaubt, aber nun ist er still. So still wie die gesamte Umgebung.
Sim-Off:1 "Soll ich (das Opfer) vollziehen?