Faustina verstand nicht so recht, warum die Tiberia nur Plattitüden und halbe Sätze herauspresste und dann nach Wein fragte? War sie sehr schüchtern und keinen Umgang mit Menschen gewohnt? Obwohl sie beide erwachsen und fast gleichaltrig sein mussten, kam es Faustina vor, als würde sie mit einem verschreckten jungen Mädchen sprechen. Vielleicht war sie aber auch nur nervös in der Anwesenheit des Claudiers? Bestimmt hatte sie keine große Angst vor Faustina und Iulia, da diese ja freundlich und harmlos waren. Vielleicht wäre sie ja in einem privateren Rahmen ohne die Herren der Schöpfung weniger nervös...
"Sie ist wahrlich gottgegebenes Geschenk, das unser aller Leben bereichert." Faustina machte eine kurze Pause, da Stella versuchte etwas zu sagen, aber sie wich dann auf das Thema Wein aus. "Ich mag Mulsum auch sehr gerne zur Cena, aber tagsüber bevorzuge ich Wasser und Fruchtsaft." Als Stella nach dem ursprünglichen Gesprächsthema fragte, so wurde Faustinas Gesicht wieder ein wenig neutraler und sie lächelte nicht mehr ganz so freundlich. Kurz haderte Faustina mit sich selbst, ob sie den Tod des Vetters ansprechen sollte. Vielleicht war Stella ja von sehr zartbesaitetem Gemüt, aber sie wollte auch nicht lügen oder etwas verschweigen. Das wäre auch nicht richtig.
"Ich habe Claudius Menecrates vom Ableben meines Vetters Aemilius Bassus berichtet, der in Germania gefallen ist und ihn zu einem Besuch bei meinem verehrten Vater Aemilius Lepidus eingeladen. Wenn du möchtest, kannst du gerne auch zur Villa Aemilia kommen und mich besuchen. Ein wenig Freude würde uns allen gut tun in diesen schweren Zeiten." Vielleicht würde die Tiberia ja die Einladung annehmen und sie besuchen und sie könnte dem Verhalten der jungen Frau auf den Grund gehen.