discrīminātiō ac dīstīnctiō
Differenzierung und Unterscheidung
Die Nacht ist die beste Freundin jener mit dunklen Intentionen und von jeher vermieden diese den Tag, das Licht, zu tarnen ihre Absichten. Es ist daher nicht sonderlich verwunderlich, daß man schon früh gesagt bekommt, besser in einer Gruppe zu gehen, denn eine Gruppe bietet Sicherheit. Der zweite frühe Ratschlag ist meistens, gehe schnell und trödel nicht rum. Der nächste ist meistens, sich nicht zu Unbekannten herunter zu beugen, nur weil sie am Straßenrand herumlungern und leiden tun und betteln. Schon manch einer, besser wissend zu meinen, hatte das Glück leichter zu sein - die einen nur des Geldes, andere noch des Lebens als Zugabe. Und dies alles betraf zuerst den Mann, den Jüngling, noch nicht die Rede von Frauen, ob jung, ob alt. Bei ihnen gab es eigentlich nur zwei - sei nicht alleine unterwegs, sei nicht in der Dunkelheit unterwegs, wenn deine Familie dich nicht begleitet.
Doch ist die Nacht so still, so einsam, wie jene es zu wünschen hoffen? Wenn all die guten, die besseren Männer und Frauen zu Hause sind, wer bleibt in der Nacht auf den Straßen, den Plätzen?
Nun, es können nicht nur Halunken sein, Strauchdiebe und Betrüger. Sie wären ja nur unter sich, keiner vermögend genug anderen als Beute wirklich dienen zu können. Doch wenn es nun diese Anzahl an dunklen Gestalten gibt, und zwar in einer Zahl, die zu schätzen schwer, doch zu empfinden ausreichend ist, für eben diese Sicherheitsorgane zu unterhalten, wer stellt nun die Beute? Wer ist das Rehkitz, wer das Lamm, der Wolf zu reißen gedenkt?
Und wenn die Dunkelheit nun ist die Freundin der Dunklen und der Tage der Freund des Lichtes ist, stellt die Frage sich, ob Dunkelheit auch im Licht gedeihen kann. Denn das ist ebenso wahr, wie der Tod gewiß ist, auch im Licht findet Dunkelheit statt. Sie nutzt die Schatten, jene veränderlichen halbdunklen Flecken, die durch die Wanderung des Lichts entstehen. Und nur hier kann die Dunkelheit sich behaupten. So fragst man sich, ist aller Zeit von Dunkelheit umgeben, gar durchdrungen? Wo bleibt die Tat des Guten, des Lichts, die Abwehr von Gefahr?
Oh, wie grausam zu wissen, daß selbst der Tag Dunkelheit bringt über einen, in Momenten, die ungewiss Fortūna einem bereitet. Die Tat des Guten, so war deine Frage, ist, zu wissen ob der Dunkelheit am Tage, zu wissen, daß Dunkelheit umschließt alles menschliche Leben, da des Menschen Drang des Menschen Leid sein kann. Und dies zu wissen ist Licht, ist die Fähigkeit zu schaffen Recht, zusammen mit allen in lichten Momenten, zu schaffen ein gemeinsames Licht im Recht. Doch wer glaubt die Dunkelheit ist blind und taub, verdrängt der Dunkelheits Befähigung auch Recht zu schaffen, sich dabei als Licht tarnend in die leichten Gemüter zu schleichen. So wird Recht zu Schatten, ist licht und dunkel gemeinsam, und im Laufe der Zeit, weiß keiner zu unterscheiden, was war Licht und was war Dunkelheit und der Prozess beginnt erneut von vorn.
Wenn nun scheint alles vergebens, da Dunkelheit Licht zu Schatten werden läßt und Schatten zu dunkel geraten können, was, oh Freund, sollen wir nun tun? Wie, oh Freund, können wir dem Licht verhelfen zu währen immerfort, die Dunkelheit verdrängen? Oh mein Bester! Welch Frage du stellst, so voller Zweifel, so voller Verzweiflung! Wechsel die Perspektive, mein Freund! Ändere deinen Standpunkt und erkenne, daß Licht und Dunkelheit sich bedingen beidseitig, denn ohne Licht keine Dunkelheit, ohne Dunkelheit kein Licht. Und sieh, Mārcellus, daß eine Veränderung deines Standpunktes auch Licht und Dunkelheit vertauscht. Denn was des einen Licht, ist des anderen Dunkelheit. Erkennst du, Mārcellus, nicht den Irrsinn zu reiten den gleichen Gaul? Bist du denn so besser in deinem Handeln, als jener, den du Dunkel nennst? Ihr beide seit eins, denn du nimmst von ihm und er von dir. So ist es nun einmal, und alles was bleibt, ist zu erkennen, ihr seit die selbe Münze, nur mal ist oben er, mal du, Mārcellus.
Mārcus legte seine Schreibfeder bei Seite und verschloß das Gefäß mit der Schreibflüssigkeit. Die Rolle, die er beschrieben hatte, legte er zum trocken vorsichtig an die Seite des Tisches. Er streckte seine Glieder aus und blickte hoch in den Himmel. Die Sonne warf ihre Strahlen nieder und tauchte das peristȳlium in ihr warmes Licht. Es war eine schöner Tag, angenehm warm mit einem leichten Windhauch, der fast schon lieblich die Blätter streichelte.
'Ja, es ist Licht und dort ist auch Schatten.' , ging es Mārcus durch den Kopf, während er mit seinen Augen die besonnten Pflanzen betrachtete und weiter zu den Schatten werfenden Säulen glitt.
'Licht und Schatten, Leben und Tod, Gut und Böse. Verdammt, irgendwann werde ich wohl noch einmal ein philosophus.' Er lachte kurz auf, erhob sich und ging Richtung culīna. Die Rolle ließ er zum weiteren trocken auf dem Tisch liegen.