Saguntum – secundis pars (*1)
Er ließ den Portus Sagunti (*2) hinter sich, indem er der Straße in Richtung Forum folgte. Auch hier herrschte Leben und Betriebsamkeit und beide Straßenseiten waren eingesäumt mit Tabernae und Caupōnae.
Es war nicht verwunderlich, dass die ersten Tabernae der Straße durch die Nähe zum Hafen von Piscātōres (*3) belegt waren. Hier lag ihr Tagesfang in Behältern zur Ansicht durch potentielle Kunden in der Auslage.Jedenfalls hoffte Mārcus, dass es sich um den Tagesfang handelt. Einer der Taberna Piscātōria (*4) wollte wohl auch verdeutlichen, dass es nur bei ihm frischen Fisch gab, da er lebende Fische in mit Meerwasser gefüllten Behältern zeigte, die dort hin und her zogen. Dem entsprechend hatte er auch seine Preise angeschlagen. Frische kostet halt mehr. Die sich dort den Fang ansehende und begutachtende Kundschaft war schon an ihrer Bekleidung anzusehen, dass sie die Preise nicht abschreckt. Viele hatten auch einen Sklaven oder Sklavin dabei, die bei erfolgreichem Handelsabschluß den Fisch aus den Meerwasser Behältern entnahmen und in einen Weidenrutenkorb legten.
Mārcus ließ die Piscātōres (*3) hintersich liegen und folgte weiter der Straße. Er erblickte eine Taberna Unguentāria (*5), wo in kleinen Gefäßen unterschiedlichste Unguenta (*6), Sēplasia (*7) und Odores (*8) von einer Unguentāria (*9) feilgeboten wurden. Neben ihr befand sich eine Taberna Tōnsōris (*10) und in diese entschied sich Mārcus spontan einzutreten. Er fasste sich mit seiner linken Hand an sein Kinn und strich von dort links und rechts hoch, er brauchte wirklich dringend eine Rasur. Ein innerlicher Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm, als er sah, dass es noch einen freien Platz gab. Mit etwas schnellerem Schritt steuerte er auf diesen zu, bevor noch irgendein anderer diesen belegte, und ließ sich nieder.
„Barbam mē tondē!“ (*11) und deutete dabei mit dem Zeigefinger seiner linken Hand in sein Gesicht.
„Ita statim, domine!“ (*12), kam die Antwort und ein Schatten huschte schnell zu ihm hin.
Er spürte einen nassen warmen Stofflappen, der sich um sein Gesicht und Kinn legte und zwei Hände begannen nun durch den Lappen die Feuchtigkeit in sein Gesicht zu massieren. Mārcus kannte die Prozedur seit er das erste Mal rasiert wurde. So wurden die Barthaar weicher und leichter zu entfernen – vorausgesetzt die Rasierklinge war scharf genug dafür.
Nach diesem Vorgang nahm er im Augenwinkel die Lichtreflexion von Metall war und nun blieb nur noch zu hoffen, dass der Barbier eine scharfe Klinge hatte. Er spürte, wie die Klinge angesetz wurde … und rssscht, neues Ansetzen … rssccht … rssccht … rssccht …. Ein letztes Mal entfernte das Rasiermesser seine Barthaare bevor erneut ein nasses, diesmal kühleres, Tuch auf sein Gesicht gelegt wurde. Dort verbleib es eine kurze Zeit und wurde im Anschluß entfernt. Mārcus strich sich mit der Linken über die Wange, den Hals und das Kinn und besah sich danach seine Hand. Er war zufrieden. Keine Spuren von Blut an den Fingern und das Gesicht war wieder ordentlich glatt. Er schmunzelte.
„Quanti hoc stat?“ (*13), fragte er den nun an seiner linken Seite stehenden Mann.
„Tres asses, domine.“ (*14)
, antwortete dieser ihm.
Mārcus ließ drei Asse in die offene und ausgestreckte Hand des Mannes fallen, stand auf und verließ den Laden wieder. Nach dieser Stunde Aufenthalt fühlte er sich fast schon wie neugeboren. Jetzt fehlte nur noch ein Bad und saubere Kleidung. Seine Laune begann sich wieder zu heben.
*1) secundis pars - Zweiter Teil
*2) Portus Sagunti - Hafen von Saguntum
*3) Piscātōres - die Fischer (piscātōr – der Fischer)
*4) Taberna Piscātōria - Fischladen
*5) Taberna Unguentāria - Salbenladen
*6) Unguenta – Salböle, Fette (unguentum - Salböl, Fett)
*7) Sēplasia – Salben (sēplasium - Salbe)
*8) Odores - Parfüm
*9) Unguentāria - Salbenhändlerin
*10) Taberna Tōnsōris – Barbierstube, Friseurladen
*11) Barbam mē tondē! - Rasiere mir den Bart!
*12) Ita statim, domine! - Ja sofort, Herr!
*13) Quanti hoc stat? - Wieviel kostet dass?
*14) Tres asses, domine – Drei Asse, Herr.