disciplīnae Mārci Annaei Cōnservātoris - pars secunda
Die Lehren des Mārcus Annaeus Cōnservātor - Zweiter Teil
Sie spielte mit einem Reifen unter der straßenseitigen porticus. Es war Spätsommer, die Sonne brannte noch sehr warm und die porticus warf einen kühlenden Schatten auf den Gehweg, den sie überdachte. Ein idealer Platz, mit Stock und Reifen zu spielen. Dabei trieb sie mit dem Stock den Reifen in eine Laufrichtung, wobei dieser nicht umfallen durfte. Ihre welligen, fast schon lockigen braunen Haare wurden bei den schnellen Kopfbewegungen hin und her geworfen, und da wo sie in der Luft lagen und Licht durchließen, schimmerten ihre Haare in einem golden-bräunlichen Ton, fast wie Bernstein.
Wie alt sie war wußte er nicht, aber seine jungen Augen, die eines 14 jährigen Jungen, der so gut wie heiratsfähig war nach den Gesetzen, bemerkten die sich abzeichnenden Brustformen, die die Tunica nach außen leicht wölbten. Nicht so wie bei seiner Mutter, die war ja auch älter, aber genug um aufzufallen. Ihre braunen Augen strahlten mit der Sonne um die Wette, sie leuchteten voller Freude und Spaß. Arme und Beine waren durch den Sommer gebräunt und ihre Füße steckten in einem Paar offener Schuhe.
Als Mārcus sie so spielen sah, blieb er stehen und beobachtete sie. Ganz vergessen war in diesem Moment seine Arbeit, seine Ausbildung. Er fühlte sich hingezogen, um nicht zu sagen angezogen, zu ihr. Er beobachtete sie noch eine Weile, dann riß ihn der Ruf seines Namens wieder zurück in die Wirklichkeit. "Mārcus, wo steckst du? Beeile dich jetzt!", rief seine Mutter, die in Begleitung eines servus familiaris auf dem Weg zum Wochenmarkt war und ihn da so stehen sa. "Laß deinen Vater nicht so lange warten, du weißt doch, dass er das nicht mag. Mārcus, nun los!"
"Ja Mama! Ich komme schon.", und Mārcus drehte sich in die Richtung, aus der seine Mutter ihn gerufen hatte und ging schnellen Schrittes zu ihr, lächelte sie an und wünschte ihr einen guten Markteinkauf und den Schutz der Götter. Danach rannte er nach Hause zu seinem Vater, der auf ihn wartete.
Am folgenden Tage sah er das Mädchen erneut. Diesmal saß sie auf einer kleinen Bank und rupfte ein Huhn, wobei sie ein Lied vor sich hin trällerte. Mārcus näherte sich ihr und als er nicht mehr weit von ihr entfernt war, roch er es: einen zarten Mädchenduft, der in seine Nase stieg. Die Bewegungen ihrer Arme während des Rupfens sorgten für eine beständige Bewegung ihres Oberkörpers und so auch ihrer Weiblichkeit. Das Lied, das er aus ihrem Munde vernahm, wurde von einer zarten Stimme voller Honigsüße gesungen, die Worte teils gehaucht, teils gezogen. Er achtete nicht sonderlich auf die Worte an sich, denn der gesamte Eindruck ließ ihn dahinschmelzen wie Gebirgseis im Sommertal.
Sie spührte die Nähe einer Person und sah hoch, ohne ihr Lied verstummen zu lassen, Stahlende Augen lächelten ihn an und Mārcus lächelte zurück. Was er in diesem Moment empfand ging im Durcheinander aller Eindrücke unter, aber zum Schluß fühlte er sich verliebt. Verleibt in ein Mädchen ohne Namen, denn den hatte er nicht erfragt, da sein Name gerufen wurde. Strenger und bestimmter als gestern.
"Mārcus! … Mārcus! Bewege dich endlich, Sohn! Soll ich ewig auf dich warten? Bei allen Göttern, bist du ohne Sinn und Verstand? Mārcus!" Die Stimme seines Vater durchdrang ihn, gefühlt wie ein heißes Stück Eisen, und riß ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich von dem Mädchen weg und rannte seinem Vater entgegen.
"Was ist mit dem Mädchen und dir, Mārcus? Sie taugt nichts, glaube mir. Es bringt dir nichts als Ärger, sich mit ihr einzulassen. Bleib ihr fern."
"Vater, warum sagst du das, sie ist schön, sie strahlt, sie ist wunderbar."
"Höre mir jetzt gut zu Mārcus. Ich verstehe deine Sehnsüchte, war ja auch mal in deinem Alter. Du hast das Gefühl voller Energie zu sein, wie ein junger Bock. Aber wir sind keine Böcke, wir bespringen nicht gleich jede, nur weil sie schön aussieht. Du mußt an die Konsequenzen denken, an die Familie und, was für dich noch wichtiger ist: an dich!
Es gibt einige Mädchen aus gutem Hause, die sind nicht nur schön, sondern auch fleißig, ehrfürchtig den Göttern und ihrem zukünftigen Mann gegenüber. Und ihre Familien bieten uns, unserer Familie, und dir einen gute Verbindung und besseres Ansehen. Wenn Du etwas erreichen willst, dann ficke von mir aus irgendeine Lupa, oder wenn du wirklich willst kaufen wir dir eine eigen Leibsklavin. Da kannst du dir so häufig die Trompete spielen lassen wie du willst. Vor allem sind die Konsequenzen überschaubar. Im schlimmsten Fall haben wir einen Sklaven mehr. Den kann man behalten oder verkaufen.
Aber laß dich nicht mit dem Mädchen von vorhin ein, Mārcus. Hast du mich verstanden?"
Mārcus nickte seinem Vater bejahend zu "Ja Mārcus ich denke schon."
Mārcus konnte das Mädchen aber nicht vergessen, und so schlich er sich eines abends, als Vater und Mutter in ihrem cubiculum laut scherzten, aus dem seinigen in das ātrium und wartete dort, bis er vertraute Geräusche aus dem cubiculum seiner Eltern vernahm. Das Holz ihres Bettes knarrte und quietschte vernehmbar und der Stimmer seiner Mutter war zu entnehmen: "Sei mein Stier, so wie ich deine Europa bin."
Das war für ihn der Augenblick das Haus leise zu verlassen und sich da hin zu begeben, wo er das Mädchen immer gesehen hatte. Es lag nahe, auch ihr Haus dort in der Nähe zu verorten. Nur mit einer kleinen Lampe ausgestattet ging Mārcus schnellen Schrittes durch die Dunkelheit auf sein Ziel zu, huschte unter den porticus entlang, bis zu der Bank wo sie das Huhn gerupft hatte. Er blieb im Schatten einer Porticussäule stehen, und verdunkelte sein Licht.
Was hatte er gehofft? Was zu tun? Einfach an die Tür klopfen und um Einlass bitten? Er war so unüberlegt hinausgelaufen, bereit die mahnenden Worte seines Vaters zu mißachten. Nun stand er hier, willig und beschämt zu gleich, nicht wissend, was genau nun er tun soll.
Da öffnete sich unerwartet die Tür des Hauses und ein älterer Mann, dessen Haare schon licht und grau waren trat hinaus. Er drehte sich nochmals ur Tür hin um, während Mārcus sich gleichzeitig duckend hinter der Porticussäule versteckte und sein Licht löschte.
"Danke dir, Lupercus.(*1) Du hast wirklich Glück mit deiner Frau.", hörte Mārcus den Mann sagen. "Sie ist ein Schönheit, du solltest eigentlich eine zufriedenstellenden Zukunft habe."
"Danke dir Lascīvus,(*2) du wurdest deinem Namen gerecht." hörte er die Erwiderung in einem ebenso freundlichem Ton. "Aber sie ist nicht meine Frau."
"Wie? Ist sie nicht?", erklang wieder die Stimme des Mannes, der als Lascīvus angesprochen wurde.
"Nein sie ist die Tochter meiner Frau aus ihrer vorherigen Ehe.", ein dreckiges Lachen erscholl. "Ihr Mann rannte mir ins Messer. Was sollte ich also tun, wenn mich nicht um beide kümmern."
"Du bist ein Schwein, Lupercus.", hörte Mārcus Lascīvus lachend sagen "aber du bist mein Schwein. Mach was du willst mit den beiden, solange ich das junge Ding nehmen kann wann ich will. Solange du dich an unsere Vereinbarung hältst, passiert dir nichts und deine Geschäfte laufen auch weiterhin."
"Da mach dir keine Sorge Lascīvus.",erwiderte Lupercus, "du kannst sie haben solange du willst." Es entstand eine kurze Pause. "Salax,(*3) komm her, sofort." Mārcus hörte Schritte sich nähern. "Ja was ist denn?" Hörte er ihre Stimme, jene Stimmer die er beim Singen gehört hatte.
"Kümmer dich zum Abschied um unseren Freund Lascīvus. Er hält große Stücke auf dich, enttäusche ihn nicht."
"Hahaha ... ja und zwar ein großes Stück halte ich für sie."
Mārcus schob seinen Kopf um die Porticussäule und sah zu seinem Erschrecken, wie das Mädchen, das seine Gedanken beschäftigte, welches ihn seine Pflichten vergessen machte, vor Lascīvus mit dem Kopf unter seiner Tunica kniete, von hinten durch Lupercus Hände unterstützt.
Die Stimmer seines Vaters kam plötzliche zum Vorschein:
'Sie taugt nichts, glaube mir. Es bringt dir nichts als Ärger, sich mit ihr einzulassen. Bleib ihr fern.'
Mārcus duckte sich wieder hinter die Säule und schlich sich weg, Richtung eigenes Heim, wo er in seinem cubiculum den Kopf in sein Kopfkissen drückte und mit den Händen an die Wand trommelte.
'Sie taugt nichts, glaube mir … Bleib ihr fern … Sie taugt nichts … Es bringt dir nichts als Ärger … Sie taugt nichts … Bleib ihr fern … glaube mir … glaube mir … glaube mir … mir', die Stimmer seines Vater begleitete ihn in seinen Schlaf.
Sim-Off:*1) Lupercus - Herden- u. Fruchtbarkeitsgott
*2) Lascīvus - zügellos, frech, ausschweifend, wollüstig
*3) Salāx – geil, Geilheit erregend, geil machend