Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    "Ich glaube, dass gerade verschiedene Göttinnen versuchen, mich zu beeinflussen. Normalerweise hilft mir in so einer Situation Apollo, aber der ist scheinbar gerade woanders beschäftigt."


    Woanders... das war doch mal ein Stichwort. Woanders wollte ich heute nämlich auch noch hin.


    "Da fällt mir ein, dass ich heute noch bei Aemilius Secundus in der Münzprägeanstalt vorbeischauen wollte. Von dort aus kann ich ja später noch einen Ausflug zum Tempel der Venus Verticordia machen."


    Meine Gedanken sprangen mir gerade etwas zu schnell. Ich schloss kurz meine Augen, um mich zu konzentrieren. Einatmen... ausatmen... Geist über Körper. Als ich meine Augen wieder öffnete, erschien mir die Welt wieder logisch und geordnet.


    "Und jetzt nochmal von vorn. Ich werde Aemilius Secundus besuchen, weil ich ihn in seiner Eigenschaft als Vigintivir sprechen muss. Ich habe eine neue Aufgabe erhalten. Es sieht nämlich so aus, als wäre das Verfassen von Gesetzen meine neue Beschäftigung."

    "Ich danke dir für deinen Rat."


    Entschieden hatte ich mich aber noch nicht. Denn einen Vorteil hatte die Ungewissheit: Ihr fehlte die Endgültigkeit. Und letztlich wäre es auch nicht richtig, meine Energie einer Frau zu widmen, wo doch noch so viel unvollendete Werke ihrer Vollendung harrten. Warum suchte ich eigentlich Ausreden? Und war ich nicht gerade meinem Patron gegenüber sehr unhöflich, weil ich hier vor mich hin sinnierte?


    "Entschuldige, ich bin irgendwie nicht ganz fokussiert."

    War ich wirklich so bekannt? Gut, es gab Anzeichen, die das nahelegten. Dennoch war ich skeptisch. Die Aussagen zu Venus ließen mich dann auch zunächst eine Augenbraue hochziehen.


    "Um Beistand bei der Eroberung bitten erscheint mir etwas zu plump und ich denke, das würde zumindest Apollo ähnlich sehen. Und Minerva würde ganz sicher mehr von mir erwarten. Mit beiden will ich es mir nicht verscherzen. Da wäre eine Befragung nach den Erfolgsaussichten sicher die bessere Wahl. Eine generelle Unterstützung wird wohl eher etwas sein, das ich erst bei nicht vorhandenen Erfolgsaussichten in Erwägung ziehen würde."


    Ja, ich war niemand, der die Geduld der Götter unnötig strapazieren wollte.

    Ja, da gab es eine Frau, die mich schon sehr interessierte... ich musste ein wenig lächeln, als ich an Fusca dachte.


    "Nun, kürzlich durfte ich eine Frau kennenlernen, die beinahe schon perfekt wäre. Gebildet, aus einer guten Familie, und sehr schön."


    Kurz musste ich meine Gedanken ordnen, wobei mein Lächeln verschwand.


    "Allerdings sollte ich auch realistisch bleiben. Ihr einer Bruder ist im Ordo Senatorius, der andere bei den Cohortes Praetoriae. Da habe ich schon berechtigte Zweifel, ob ihre Familie ihr Einverständnis zur Heirat mit einem einfachen Plebejer geben würde. Was auch einer der Gründe ist, weshalb ich noch niemanden gefragt habe. Und vielleicht ist es auch gar nicht der Weg, den die Götter für mich vorgesehen haben? Immerhin sagen einige Philosophen, dass man als Philosoph am meisten bewirken kann, wenn man sich frei von familiären Verpflichtungen ausschließlich der Mehrung des Wissens und der Gesellschaft widmen sollte. Minerva ist schließlich auch jungfräulich."


    Besprach ich eigentlich gerade etwas mit meinem Patron, was eigentlich nicht in seinen Aufgabenbereich fiel?


    "Verzeih mir bitte, wenn ich dich damit behellige. Leider habe ich am Museion gelernt, alles zu hinterfragen, gerade auch mich selbst. Normalerweise würde ich mich ja mit meinen Verwandten besprechen, aber mein Vater ist, wie du weißt, bereits verstorben, meine Mutter und Schwester sind in Germanien und mein Vetter hier in Rom ist jünger als ich. Die angeheiratete Verwandtschaft wiederum gehört zu den Geschwistern der Frau, die mir doch sehr gefällt. Zu sehr vielleicht."


    Das war schon alles ziemlich kompliziert. Konnte mein Leben nicht einfacher sein?

    "Nun, im Gespräch mit dem Augustus erwähnte ich, dass mir aktuell eine Frau an meiner Seite fehle, wenngleich mir nach der Lex Iulia et Papia auch noch zwei Jahre Zeit bleiben, um eine Frau zu finden. Daraus resultierte die erwähnte etwas kryptische Bemerkung des Augustus. Eine gewisse Verpflichtung zum Heiraten existiert also und ich gedenke sie zu erfüllen."

    Ich lachte kurz und nahm Platz.


    "Nun, Aemilius, du solltest den Vorteil sehen. Ein ruhiges Leben ist zwar angenehm, aber die Münzreform wird immer mit deinem Namen verbunden bleiben. Das wird dir bei den zukünftigen Wahlen sicher von Nutzen sein. Sie muss nur erfolgreich sein, und dabei unterstütze ich dich gerne."


    Das tat ich wirklich. Immerhin waren wir Klienten des gleichen Patrons.

    Ich erwiderte das Lächeln und reichte Aemilius die Hand.


    "Vigintivir, es ist mir eine Freude, dass du die Zeit erübrigst, mich zu empfangen. Und möchte mich direkt bei dir entschuldigen, dass ich mich nicht vorher angekündigt habe. Ich hoffe, dass du jetzt wegen mir keine Überstanden machen musst."


    Schließlich wusste ich, dass er sicher alle Hände voll zu tun hatte, die alltäglichen Aufgaben zu erfüllen und dann noch eine Münzreform durchführen zu müssen.


    "Leider bin ich recht kurzfristig als juristischer Berater durch die kaiserliche Kanzlei beauftragt worden, um bei dem nötigen Edikt für die Münzreform mitzuwirken. Die Hauptarbeit bei der Reform liegt natürlich bei dir. Und weil ich nicht möchte, dass Edikt und Planung auseinanderlaufen, möchte ich mit dir die Randbedingungen und Pläne der Reform abklären. Ich denke, dass das für uns beide vorteilhaft ist. Und wenn ich 'abklären' sage, meine ich natürlich, dass du als Verantwortlicher für die Umsetzung der Reform das letzte Wort hast."

    Ich winkte ab.


    "Es bedarf hierfür keines Dankes. Schon wegen meiner philosophischen Ausbildung hatte ich gar keine andere Wahl."


    Doch gab es da noch etwas...


    "Allerdings könntest du mir einen Gefallen tun. Bei meiner Audienz erwähnte der Augustus, dass Venus dafür bekannt sei, sich bemerkbar zu machen. Und dass mir mein Patron sicherlich mehr darüber erzählen könnte. Nun bin ich Rätseln sicher nicht abgeneigt, doch muss ich leider auch sagen, dass mir Minerva und Apollo sicher sehr viel näher stehen als Venus. Und da mir unser Augustus nun so ausdrücklich meinen Patron nahegelegt hatte..."


    Ich zog meine Schultern hoch.


    "Nunja, manchmal gehe ich auch gerne eine Abkürzung und löse nicht jedes Rätsel selbst."

    Ein Edikt zur Münzreform zu formulieren, war eine anspruchsvolle Aufgabe. Natürlich konnte man ein Edikt auch unabhängig vom Vigintivir verfassen, doch war das nicht unbedingt sinnvoll. Vor allem die Anteile der verschiedenen Metalle in den Münzen sollten festgelegt werden, weil andernfalls die Münzprägung in den Provinzen davon abweichen konnte. Das wiederum würde aber zu Unterschieden führen, die zu vermeiden waren. Was lag da näher, als diese Details mit dem Vigintivir abzustimmen?


    So begab ich mich, wie üblich in eine gute Tunika und Toga gekleidet, zur Münzprägeanstalt und sprach die Wache an.


    "Salve, mein Name ist Aulus Iunius Tacitus. Ist der ehrenwerte Vigintivir Nero Aemilius Secundus zu sprechen? Ich habe etwas Wichtiges zu besprechen."

    "Realistischerweise ist es das Gesetz des römischen Volkes, welches durch den Rechtsbrauch dieses Gesetz begründet hat, oder nicht? Davon abgesehen musste es auch jemand schaffen, das Gesetz unverändert durch den Senat zu bringen. Mir scheint, dass das eine nicht zu unterschätzende Leistung ist."


    Sodann überreichte ich meinem Patron die Schriftrolle, die ich in der Hand trug.


    "Und damit meine Juristenkollegen das Gesetz auch richtig auslegen, war ich so frei, diesen Kommentar zu verfassen. Ich denke, dass ich damit in die Rechtsgeschichte eingehen werde als derjenige, der am schnellsten eine Kommentierung eines Gesetzes geschrieben hat."


    Ich lachte fröhlich, auch weil ich mir schon vorstellen konnte, dass einige Juristen sich ärgern würden, nun zwangsläufig auf meine Kommentierung eingehen mussten, wenn sie denn selbst einen Kommentar verfassen wollten.


    "Eine Kopie ist bereits auf dem Weg in die Bibliotheca Annaea. Eine weitere Kopie ist zusammen mit Kopien meiner anderen Bücher auf dem Weg zum Imperator Caesar Augustus. Das hat mich zwar die Nacht hindurch wach gehalten, aber das ist es mir wert gewesen. Und wenn du es jetzt noch einrichten könntest, dass eine Kopie in die Sammlung der Basilica Ulpia übernommen wird, wäre ich fast wunschlos glücklich."

    Ich gab eine Kiste mit fünf Büchern ab, der ein Schreiben beigefügt war.


    Ad

    Imperator Caesar Augustus

    Tiberius Aquilius Severus

    Palatium Augusti

    Roma


    Salve Princeps Civitatis,


    bei der mir gewährten Audienz, für die ich dir sehr dankbar bin, versprach ich dir, Kopien meiner Bücher zukommen zu lassen. Diese findest du in dieser Kiste. Bei den Büchern handelt es sich um Werke, von denen ich hoffe, dass sie insbesondere im juristischen Alltag nützlich sind. Du wirst hierauf eher nicht angewiesen sein, doch wirst du sicher eine nützliche Verwendung finden.


    Zunächst findest du zwei allgemeine Werke:


    Liber de Interpretatione Legum - ein Buch zur Auslegungslehre


    und


    Commentarius de Bona Fide, Mala Fide et Dolo Malo - ein Kommentar zu den Rechtsbegriffen des guten Glaubens, bösen Glaubens und bösen Willens.


    Des Weiteren findest du zwei Kommentare zum Privatrecht:


    Commentarius de Mancipatione - ein Kommentar zur Manzipation, die prinzipiell immer noch angewendet werden kann


    sowie


    Commentarius de Usucapione - ein Kommentar zur Ersitzung.


    Final habe ich die neu beschlossene Lex Annaea de matrimonio kommentiert:


    Commentarius de Lege Annaea de matrimonio.


    In der Hoffnung, dir mit diesem Geschenk eine Freude zu machen, verbleibe ich mit den besten Wünschen für deine Herrschaft und deine Gesundheit. Mögen die Götter dich segnen.



    Siegel Aulus Iunius Tacitus Advocatus


    Die Kopien der Bücher hatte ich auf bestem Pergament selbst angefertigt, um so meine Wertschätzung auszudrücken. So lagen dann auch in edlen Lederrohren die Bücher:


    Liber de Interpretatione Legum

    Commentarius de Bona Fide, Mala Fide et Dolo Malo

    Commentarius de Mancipatione

    Commentarius de Usucapiono

    Commentarius de Lege Annaea de matrimonio

    Nachdem ich nun für einige Zeit nur sporadisch und dann auch nur sehr wenig Zeit für die Salutatio hatte, war heute ein Tag, an dem ich mir eigens den gesamten Vormittag freigehalten hatte. Und um auch wirklich genug Zeit mitzubringen, war ich bereits beim ersten Sonnenlicht erschienen. Ursus hatte mich nur kurz warten lassen, bevor er mich zu meinem Patron vorließ. Mit einer Schriftrolle in einer Hand betrat ich den Raum. Dabei war mir meine gute Laune anzusehen.


    "Ich wünsche dir einen guten Morgen, Patrone. Wie geht es dir? Ich habe mir das Gesetz in Ruhe angesehen. Soweit ich erkennen konnte, gab es keine Änderungen. Ich gratuliere dir noch einmal, diesmal in Ruhe."

    Commentarius de Lege Annaea de matrimonio

    Auli Iunii Taciti



    I. Zweck des Gesetzes


    Die Lex Annaea de matrimonio passt die bestehenden Ehegesetze an die aktuelle Rechtspraxis an und schließt Regelungslücken der Lex Iulia et Papia.



    II. Kommentierung der einzelnen Paragraphen


    § 1 Geltungsbereich des Gesetzes


    (1) Dieses Gesetz gilt für alle römischen Bürger und solche Peregrini, die über das Conubium verfügen.


    (2) Die ausdrücklichen Regelungen der Lex Iulia et Papia beschränken dieses Gesetz.


    Das Gesetz gilt ausschließlich für Personen, denen nach römischem Recht gestattet ist, eine wirksame Ehe zu schließen. Dieses wird im ersten Absatz zweifelsfrei klar, da es für alle römischen Bürger und Peregrini mit Conubium gilt. Der Wortlaut des ersten Absatzes ist hierbei abschließend zu verstehen. Ausnahmen sind nicht vorgesehen und auch nicht erkennbar. Dies fügt sich auch in die Regelungen der Lex Iulia et Papia ein, ebenso wie in die hergebrachte Rechtsordnung, so dass auch aus dem allgemeinen Rechtsgebrauch keine Ausnahmen erkennbar sind.


    Außerdem wird das Gesetz in die bestehende Rechtsordnung widerspruchsfrei eingefügt, indem den ausdrücklichen Regelungen der Lex Iulia et Papia ein beschränkender Vorrang eingeräumt wird. Damit ist die Lex Annaea de matrimonio als der Lex Iulia et Papia nachrangiges Gesetz klar definiert. Es soll dem Lückenschluss dienen und nicht der Schaffung von Sachverhalten, die Divus Augustus klar und im Sinne des Mos Maiorum geregelt hat.



    § 2 Entstehen einer Ehe cum manu


    (1) Eine Ehe wird grundsätzlich sine manu geschlossen.


    (2) Eine Ehe cum manu bedarf der Zustimmung beider Ehepartner. Eine Ehe cum manu, die gegen diese Bestimmung behauptet wird, soll sine manu sein.


    (3) Die Entstehung einer Ehe cum manu durch Ersitzung wird ausgeschlossen. Das Trinoctium aus Tabula VI, Lex XII Tabularum, wird hiermit obsolet. Die Behauptung einer Ehe cum manu durch Ersitzung ist nichtig. Die Ehe soll in diesem Fall sine manu sein.


    Dieser Paragraph ist eine der Kernregelungen dieses Gesetzes. Zunächst wird der aktuellen herrschenden Meinung Gesetzesrang eingeräumt. Die herrschende Meinung ist es nämlich, dass eine Ehe sine manu geschlossen wird, so lange es keine andere Willensäußerung gibt. Durch das Wort „grundsätzlich“ wird deutlich, dass es sich bei der Ehe sine manu zwar um den Regelfall handelt, jedoch auch Ausnahmen möglich sind. Liegen keine Beweise für eine Ausnahme vor, ist jedoch vom Regelfall der Ehe sine manu auszugehen.


    Der zweite Absatz legt nun die Bedingung für die Ausnahme von der Ehe sine manu fest. Es bedarf einer eindeutigen Willenserklärung beider Ehepartner, um eine Ehe cum manu einzugehen. Hiermit sind sämtliche Eheformen cum manu gemeint, mithin auch die confarreatio. Es genügt auch nicht die Zustimmung lediglich eines Ehepartners, sondern es bedarf der Zustimmung beider Ehepartner. Dies ist leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, dass es sich bei einer Ehe im Kern um einen beidseitigen Vertrag handelt. Außerdem sollte bedacht werden, dass mit der Manzipation der Ehefrau an den Ehemann dieser zwangsläufig Pflichten übernimmt, die über die üblichen Pflichten eines Ehemanns in einer manusfreien Ehe hinausgehen. Diese Zusatzpflichten sollten nicht ohne Zustimmung dessen, der sie zu tragen hat, diesem aufgebürdet werden. Auch hier greift die Analogie zum allgemeinen Vertragswesen.


    Der zweite Satz des zweiten Absatzes erfüllt den Zweck einer Auffangklausel. Ohne diese Regelung könnte eine Ehe, die als cum manu behauptet wird, ohne es zu sein, nichtig werden. Dieses würde aber gegen den Sinn und Zweck der Lex Iulia et Papia verstoßen. Denn nach der Lex Iulia et Papia sollen erwachsene Römer im Regelfall verheiratet sein. Entsprechend wäre eine Nichtigkeit auf Grund einer möglicherweise falsch verstandenen Rechtsfolge der Ehe zu weit gehend. Statt dessen wird die Ehe im Kern erhalten, jedoch die Manus aufgehoben. Logisch bleibt dann eine Ehe sine manu bestehen.


    Der dritte Absatz hebt die Ersitzung, die gemäß Lex XII Tabularum formal weiterhin möglich wäre, auf. Dies entspricht der gelebten Rechtspraxis, die sich nun auch in den bestehenden Gesetzen wiederfindet. Dieses ist im Sinne der staatlichen Ordnung, da die Gesetze sich nicht der Lebensrealität der zivilisierten Bürger entziehen sollten. Auch wäre ein Bestehenlassen des Trinoctiums höchst widersprüchlich zum ersten Absatz, der ja gerade eine eindeutige Willensbekundung beider Ehepartner fordert. Entsprechend bedarf es dieser Regelung, um einen inneren Widerspruch dieses Gesetzes zu verhindern und die Integrität der Rechtsordnung zu erhalten. Die letzten beiden Sätze des dritten Absatzes folgen denklogisch dem zweiten Absatz.



    § 3 Rechte des Pater familias eines Ehepartners


    (1) Bei einer nicht funktionierenden Ehe steht es dem Pater Familias des benachteiligten Ehepartners zu, die Ehe aufzulösen. Hierzu muss die Patria Potestas über den benachteiligten Ehepartner auch nach der Eheschließung fortbestehen.


    (2) Eine funktionierende Ehe kann ausschließlich durch die Eheleute geschieden werden. Die Rechte der Patres Familias werden somit eingeschränkt. Weder dürfen sie die Ehe ohne Einwilligung der Ehepartner scheiden, noch dürfen sie einen Ehepartner ohne dessen Einwilligung aus dem ehelichen Haushalt entfernen.


    Der erste Absatz bestätigt im Grundsatz das Recht des Pater familias eines Ehepartners gemäß Mos Maiorum. Allerdings wird dieser Grundsatz wirksam eingeschränkt, indem Voraussetzungen für die Rechtsausübung legal definiert werden. Dies ist notwendig, weil es unter Juristen nicht unbedingt klar ist, welche Rechte der Pater familias hat und welche nicht. Einerseits ermöglicht die Lex Iulia et Papia es nämlich, eine Ehe auch gegen den Willen des Pater familias eines Ehepartners zu schließen, andererseits äußert sie sich nicht dazu, ob damit auch das Recht des Pater familias, die Ehe seines Kindes scheiden zu lassen, aufgehoben wurde. Bedenkt man aber, dass sich der Schutzzweck der Lex Iulia et Papia zuvorderst darauf bezieht, eine Ehe, die Nachkommen hervorbringen soll, zu schützen, mithin auch zu erzwingen, so ist doch klar, dass hiermit nur eine funktionierende Ehe gemeint sein kann. Entsprechend wäre es widersinnig, wenn der Pater familias eine funktionierende Ehe auflösen könnte. Andererseits hat die Lex Iulia et Papia die Rechte des Pater familias nach Mos Maiorum bezüglich seines Kindes nicht explizit aufgehoben, sobald das Kind verheiratet ist. Entsprechend muss es dem Pater familias möglich sein, sein Kind zu schützen und aus einer dysfunktionalen Ehe zu befreien.


    Die Rechtsprechung bestätigt diesen Argumentation, wie dies beispielsweise im Urteil im Prozess Gnaeus Betucius Lepta versus Sixtus Albinus Tullus erläutert wurde. Insofern hat der erste Absatz den Zweck, eine bestehende Gesetzeslücke im Sinne der Lex Iulia et Papia und dem Mos Maiorum zu schließen, was mit dieser Regelung auch zweifelsfrei gelingt. Der zweite Satz ist trivial, da logischerweise nur bei bestehender Patria Potestas diese auch eingesetzt werden kann, um eine dysfunktionale Ehe zu beenden.


    Der zweite Absatz klarifiziert die Konsequenzen aus dem ersten Absatz, wobei hier, wie auch in § 2 Absatz 2, der Willenserklärung beider Ehepartner eine zentrale Bedeutung zukommt. Denklogisch wird erneut die Analogie zum allgemeinen beidseitigen Vertrag geschlossen. So, wie bei einem beidseitigen Vertrag nicht ein Vertragspartner ohne das Einverständnis des anderen zurücktreten kann, so kann auch eine Ehe nur durch beiderseitige Zustimmung geschieden werden.


    Davon unbeschadet ist eine missbräuchlich geschlossene Ehe weiterhin nichtig, weil diese gesetzeswidrig ist.



    § 4 Gerichtlicher Rechtsschutz


    (1) Bei Verstößen gegen dieses Gesetz kann Klage vor dem Praetor Urbanus erhoben werden.


    (2) Bei Verstößen gegen § 2 hat der Praetor Urbanus auf eine Ehe sine manu zu erkennen. Sollte die Fortführung der Ehe vom benachteiligten Ehepartner auf Grund der Behauptung als untragbar vorgetragen werden, so kann der Praetor Urbanus die Ehe scheiden.


    (3) Bei Verstößen gegen § 3 hat der Praetor Urbanus die Ehe wiederherzustellen. Darüber hinaus hat der Praetor Urbanus gegen den strafbaren Pater Familias eine Geldstrafe von 200 bis 600 Sesterzen zu verhängen, welche dem privaten Vermögen des in der fraglichen Ehe stehenden Kindes zugesprochen wird.


    (4) Sollte einem Ehepartner durch einen Verstoß gegen dieses Gesetz ein Schaden entstanden sein, so kann der Praetor Urbanus zusätzlich zur Strafe aus Absatz 3 einen Schadensersatz bestimmen.


    (5) Dem Praetor Urbanus steht es frei, einen römischen Bürger zum Iudex zu ernennen, der an Stelle des Praetor Urbanus den Prozess über Verstöße gegen Ehegesetze, inklusive dieses Gesetzes, führt. Bürger, die sich eines Verstoßes gegen Ehegesetze, inklusive dieses Gesetzes, schuldig gemacht haben, sind als Iudex auszuschließen.


    Da es sich bei einer Ehe im Sinne der Lex Iulia et Papia um ein Rechtsinstitut römischer Bürger, sowie Peregriner mit Conubium, handelt, ist zwangsläufig der Praetor Urbanus zuständig. Am status quo ändert sich entsprechend nichts, was durch den ersten Absatz lediglich bekräftigt wird.


    Der zweite Absatz drückt im ersten Satz aus, was in § 2 geregelt wird. Der zweite Satz hingegen ermöglicht es dem Praetor, die Ehe bei einem Verstoß gegen § 2 zu scheiden, wenn eine Fortführung der Ehe für den benachteiligten Ehepartner auf Grund der Behauptung einer Manus untragbar wäre. Die Anforderungen an die Untragbarkeit sind hierbei streng auszulegen, um den Zweck der Lex Iulia et Papia zu erhalten. Entsprechend genügt es nicht, wenn sich der benachteiligte Ehepartner über die Anmaßung einer Manus ärgert, sondern es ist notwendig, dass die Ehe in solchen Maße zerrüttet ist, dass die Eheleute auch unter gewöhnlichen Umständen die Scheidung vollziehen würden, beispielsweise bei böswilliger Absicht des gegen Ehegesetze verstoßenden Ehepartners. Hier hat stets eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls durch den Praetor Urbanus stattzufinden. Dies drückt sich auch durch das Wort „kann“ aus, welches explizit nicht zwingend ist.


    Absatz 3 Satz 1 sorgt dafür, dass die Ehe wiederherzustellen ist, sollte entweder eine Patria potestas nicht vorliegen, so dass der Vater eines der Ehepartner die Ehe mangels potestas nicht auflösen konnte, oder die Ehe entgegen § 3 Absatz 2 aufgelöst wurde. Hinzu kommt im zweiten Satz aber eine Strafvorschrift, um dem seine potestas missbrauchenden Pater familias sein Fehlverhalten spüren zu lassen. Hierbei ist die Verhängung einer Strafe zwingend, wird doch eindeutig geschrieben „hat […] eine Geldstrafe […] zu verhängen“, was eine zwingende Formulierung ist. Die Höhe der Strafe liegt allerdings im Ermessen der Praetor Urbanus, wobei er sich im gesetzlich festgelegten Rahmen bewegen muss. Das Ermessen soll aber nach herrschender Meinung zu Ermessensentscheidungen alle Umstände des Einzelfalls angemessen würdigen. Neben dem strafenden Zweck soll mit dem dritten Absatz auch eine angemessene Sühne gegenüber dem Kind des rechtsmissbräuchlich handelnden Pater familias geleistet werden. Daher fällt die Strafe an das Kind. Durch Strafe und Sühne ist der Familienfrieden vor den Göttern wiederhergestellt.


    Da ein Verstoß gegen dieses Gesetz auch zu einer, in der Regel finanziellen, Schädigung eines oder beider Ehepartner führen kann, greift Absatz 4 korrigierend ein. Nach dem üblichen Prinzip, dass der Verursacher eines Schadens diesen zu ersetzen hat, ermöglicht es dieser Absatz dem Praetor Urbanus, einen angemessenen Schadensersatz zu bestimmen. Dass dieser bei Verstößen gegen § 2 oder § 3 dieses Gesetzes zu zahlen ist, ist unstreitig und bedarf keiner näheren Erläuterung. Wichtiger ist hierbei, dass eine Aufrechnung gegen die Strafzahlung aus dem dritten Absatz nicht vorgesehen ist. Man könnte hier nun vermuten, dass dies zu einem doppelten Schadensersatz führen könnte. Dies ist zu verneinen, da man andernfalls zwei unabhängige Sachverhalte miteinander vermengen würde. Der erste Sachverhalt ist die Sühne, der andere der Ersatz eines real entstandenen Schadens. Entsprechend ist es logisch, dass der Schadensersatz unabhängig von einer Strafe zu entrichten ist.


    Final sei der fünfte Absatz kommentiert. In Absatz 5 Satz 1 wird dem Praetor Urbanus die Möglichkeit eingeräumt, bei Eheprozessen einen römischen Bürger zum Iudex zu ernennen, der über den Fall entscheidet. Dem Wortlaut nach genügt das römische Bürgerrecht, um zum Iudex ernannt zu werden. Zweck dieser Regel ist es, den Praetor Urbanus zu entlasten. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Bürger hierfür in Frage kommt. Vielmehr sollen nur solche Bürger ausgewählt werden, die über hohes Ansehen und hohe Integrität verfügen. Dieses steht nicht explizit in diesem Gesetz, ist aber aus Analogie zu § 9 Codex Iuridicialis zu schließen, wobei die strengen Anforderungen bei Strafprozessen insofern aufgeweicht werden können, dass es nicht der Zugehörigkeit zum Ordo Senatorius, Ordo Equester oder Ordo Decurionum bedarf, um Iudex in einem Eheprozess zu sein. Allerdings sollte die Integrität eines Iudex umso genauer geprüft werden, desto niedriger sein Ordo ist. Der zweite Satz erschließt sich sofort aus der zuvor begründeten Integritätsforderung. Es wäre absurd, einen Bürger zum Iudex zu ernennen, der es mit der Einhaltung der Ehegesetze selbst nicht allzu genau genommen hat.

    "Nun, ich mache meinen Satz neben der Komplexität der Aufgabe vom Mandanten abhängig. Je mehr sich dieser leisten kann und je komplizierter die Aufgabe, umso höher die Entlohnung."


    Nach diesen einleitenden Worten musste ich wohl Zahlen nennen. Natürlich konnte sich ein Eques mehr leisten, als ein gewöhnlicher Plebejer. Vor allem, wenn der Eques für den Kaiser arbeitete. Möglicherweise war sogar der Kaiser der eigentliche Mandant.


    "Andererseits reizt mich diese Aufgabe. Bedenke ich die Komplexität der Aufgabe, so halte ich in Summe 20 Aurei für angemessen, zuzüglich dem genannten Bonus, falls der Kaiser das Edikt annimmt. Und noch einen Gefallen. Eine Diploma als Empfehlungsschreiben nach dem Abschluss dieser Aufgabe."


    2000 Sesterzen fix, dazu möglicherweise 500 weitere Sesterzen und ein Empfehlungsschreiben. Das wäre durchaus angemessen.


    "Haben wir einen Vertrag?"


    Ich streckte die Hand aus. Germanicus musste nur noch einschlagen.

    Ich dachte über die Frage nach, während ich meine letzten Bissen herunterschluckte.


    "Nun, ich gehe davon aus, dass jeder, der einmal am Museion studierte, unter dem Schutz Apollos steht. Allerdings steh ich auch Iustitia nahe. Doch würde ich keine von beiden Gottheiten als Schutzgott ansehen. Denn keine andere Gottheit steht mir so nahe, wie Minerva. Sie hat mich überreich gesegnet. Und sie hat mich stets davor bewahrt, Dummheiten zu begehen. Ganz im Gegenteil sie führt mich und motiviert mich, stets weiter zu denken, als andere."


    Dass eine Minerva auch eine Kämpferin war, erwähnte nicht. Das erschien mir nicht relevant.


    "Und wie sieht es bei dir aus?"

    "Nun, werte Fusca, was deine ursprüngliche Frage anbetrifft: Niemand der hier Anwesenden wird für eine Magistratur antreten. Das liegt daran, dass niemand die formalen Voraussetzungen erfüllt."


    Meine Antwort war völlig emotionslos. Es war eine klare, juristische Aussage. Es war eben manchmal so simpel. Wer nicht das Glück hatte, in den Ordo Senatorius geboren zu werden, konnte nicht kandidieren. Hätte man mich gefragt, ob ich mich von meinen Fähigkeiten her für geeignet halten würde, so wäre die Antwort eine andere gewesen. Meine philosophische Ausbildung machte mich meiner Meinung nach weitaus geeigneter, als die Hälfte der patrizischen Senatoren zusammen. Aber das war eben nicht die Frage. Das Thema war für mich entsprechend abgehakt.


    Anders sah es bei der Stadtführung aus, die mein Vetter ins Gespräch brachte. Ich erwiderte Fuscas Blick und lächelte. Der Akzent, den sie nun hatte, gefiel mir. Vielleicht war doch etwas mehr Griechenland in ihr haften geblieben, als zunächst erschien? Kurz dachte ich darüber nach, auf Attisch zu antworten, jedoch entschied ich mich dagegen und blieb bei Latein.


    "Was die Straßen Roms anbetrifft, so könnte ich es sicher einrichten, dich einmal durch diese zu führen. Vorausgesetzt natürlich, dass dein Bruder nichts dagegen hat."


    Ich sah Seius Stilo an, wobei mein Blick weniger fragend als fordernd war.

    Nachdem Terpander die Bibliothek verlassen hatten, nahm ich mir eine Wachstafel, um zumindest den ersten Entwurf einer Struktur festzuhalten. Schließlich wollte ich mich auch so dazu zwingen, mit dem Verfassen des Buches zu beginnen.


    De Civitate et Legibus

    Volumen I: Theoria Civitatis

    Volumen II: De Re Publica Antiqua et Re Publica Restituta

    Volumen III: Theoria et Doctrina Legum


    Damit konnte man doch schon einmal etwas anfangen. Die Struktur erschien hinreichend logisch. Zunächst würde ich mich der Staatstheorie widmen. Damit würde ich die Grundlage beim Leser schaffen, um zu erkennen, welche "reinen" Staatsformen existierten und wie sie erkennbar wären. Im zweiten Band würde ich dann die "alte" römische Republik näher untersuchen und im Sinne der Staatstheorie einordnen. Dabei würde ich auch ihre Schwächen offenlegen, die schließlich zu ihrem Untergang führten. Ebenfalls in diesem Buch würde ich die Res Publica Restituta, also unsere aktuelle Staatsform, untersuchen und zeigen, dass es sich hierbei um die optimale Staatsform handelt. Und final würde ich mich den Gesetzen widmen. Hierbei würde ich zunächst die Theorie der Gesetze aufzeigen und belegen, dass ein gerechter Staat auch zu einer gerechten Rechtsordnung führen muss. Zugleich würde ich die Grenzen der Gesetze aufzeigen und eine allgemeine Rechtslehre definieren. Damit sollte es den Lesern gelingen, eine möglichst gute Kenntnis der Staats- und Rechtstheorie zu erhalten. Denn spätestens bei einer zweckmäßigen Auslegung der Gesetze würde dieser philosophische gute Dienste leisten.


    Das alles schien mir eine gute Idee zu sein. Die Schwierigkeit lag nun nur noch darin, das alles mit Inhalt zu füllen. Es würde sicher viel Zeit in Anspruch nehmen. Vielleicht zu viel? Hatte ich Zweifel an meiner Fähigkeit, ein solches Werk zu verfassen? Und war es nicht etwas zu früh, jetzt schon an mir zu zweifeln?


    Zu viele Fragen, zu viele Zweifel. Einfach machen, sagte mein Lehrer Alexios immer. Das war am Museion stets ein guter Rat gewesen. Warum sollte der Rat hier und jetzt an Qualität eingebüßt haben. Und doch, im Moment war mein Verstand leer. Ich würde mir in den nächsten Tagen vertiefte Gedanken zum ersten Band machen und mich erst dann ans Schreiben setzen. Es war schließlich nicht mein erstes Werk. Ich wusste also prinzipiell, wie es geht.


    So ging ich zu den Regalen und nahm mir das erste Buch der Politika des Aristoteles. Noch auf dem Weg zur Kline begann ich es zu lesen...

    "Für die finale Version benötige ich Pergament und Tinte höchster Qualität. Die Stangen zum Aufrollen sind, denke ich, am besten aus Olivenholz mit verzierten Enden. Für die Notizen genügen günstige Materialien, Hauptsache, man kann darauf schreiben. Allerdings bevorzuge ich Papyrus. Irgendwie habe ich mich am Museion daran gewöhnt, Entwürfe auf alte Papyrusreste zu schreiben. Wachstafeln dienen nur der Sammlung von Stichwörtern."


    Ich hoffte, dass damit alle Fragen geklärt waren.

    So ganz konnte ich nicht mit der Aussage Fuscas, sie sei eine Seia, etwas anfangen, wenngleich ich mir natürlich etwas zusammenreimen konnte, basierend auf dem Ruf, den die Gens Seia hatte, und wie ich Seius Stilo bislang kennenlernen durfte. Und die kleineren Anzüglichkeiten in ihren Bemerkungen hatte ich durchaus zur Kenntnis genommen. Auf jeden Fall war Fusca selbstbewusst und zweifelsfrei gesellschaftlich sehr vorzeigbar. Und sie hatte ein schönes Lachen.


    Ob Stilo seinen Beitrag zur Ergreifung der radikalen Christen übertrieb oder nicht, konnte ich nicht beurteilen. Die Urbaner hatte er dann vielleicht doch etwas sehr deutlich in seiner Bemerkung ausgelassen, doch nahm ich ihm das nicht übel. Erstens hatte ich keine besondere Beziehung zu den Urbanern und zweitens waren keine anwesend. Stilo hingegen war Prätorianer und so war es durchaus angemessen, dass er sein Verdienst hier darstellte, selbst wenn er es größer darstellte, als es vielleicht war.


    Ich hob meinen Becher und lächelte.


    "Auf die Effizienz der Cohortes Praetoriae in der Bekämpfung von Staatsfeinden! Und ganz besonders auf den anwesenden Praetorianer!"


    Nach einem guten Schluck war mein Becher nun auch leer und ich ließ mir nachfüllen, natürlich wieder gut mit Wasser verdünnt.


    Sim-Off:

    Sind Familienfeiern (ich subsumiere die Cena mal darunter) nicht immer etwas chaotisch? ;) Das passt ganz gut mit dem leichten Chaos bei den Antworten.