Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Wie im Schreiben der Administration vermerkt, fand ich mich bei der Palastwache ein. Allerdings war ich nicht um die vierte Stunde, sondern bereits um die dritte Stunde vor Ort. Da ich davon ausging, dass man mich zur Sicherheit auf Waffen durchsuchen würde, wenngleich das Waffentragen innerhalb des Pomeriums ohnehin verboten war, und ich auch die Prozeduren beim Betreten des Palatins nicht kannte, schien mir ein zeitlicher Puffer nicht verkehrt. Gekleidet in eine schlichte weiße Tunika, allerdings aus feinem Leinen, meine Toga und ungefärbte Calcei aus Kalbsleder, traf ich mit dem iunischen Sklaven Begoas an der Palastwache ein. Sollte ich wirklich durchsucht werden, würde Begoas mir anschließend die Toga wieder ordentlich richten. Ich griff an meinen Gürtel und holte meine bronzene Reisesonnenuhr hervor und richtete aus, um die Zeit noch einmal zu kontrollieren. Natürlich war noch mehr als genügend Zeit, was ich mir so bestätigen konnte. Der Wind hier oben auf dem Palatin machte die heutige Hitze fast schon erträglich.


    Schließlich ging ich auf die Wache zu, bis mir der Prätorianer signalisierte, stehen zu bleiben.


    "Salve. Mein Name ist Aulus Iunius Tacitus. Mir wurde eine Audienz beim Imperator Caesar Augustus gewährt."


    Zu meiner eigenen Verwunderung war ich nervös. Das würde sich durch den Zeitpuffer hoffentlich legen.

    Ich nahm nur ungerne etwas an, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Andererseits konnte ich meinem Patron auch nichts aufdrängen. Manchmal muss man eben Geschenke annehmen und sich darüber freuen.


    "Danke sehr. Und auch danke sehr, dass du mein Patron bist. Es war eine der besten Entscheidungen, dich um dein Patronat zu bitten."


    Das musste ich einfach mal loswerden.

    "Danke. Der Fall ist für mich eher aus wissenschaftlicher Sicht wichtig, weniger aus finanzieller."


    Und es würde sicher nicht schaden, wenn der Kaiser meine juristische Finesse kennenlernen würde. Selbst, wenn er gegen meinen Mandanten entscheiden würde, könnte ich damit leben, so lange ich eine saubere, klare und gute Argumentation präsentieren könnte.


    "Kann ich mich in irgend einer Form erkenntlich zeigen?"

    Einen Patron mit Humor zu haben, war eindeutig etwas Gutes. Auf jeden Fall freute ich mich, dass ich so gut mit meinem Patron zurechtkam.


    "Tja, das war es für heute eigentlich schon fast von meiner Seite. Eine Frage bliebe mir noch: Kamst du schon dazu, den Augustus zu fragen, ob er mich bezüglich des Falls mit der entschädigungslos begradigten Straße empfängt? Wobei ich verstehen würde, wenn er Besseres zu tun hätte."

    "Wir haben der Welt Ordnung gebracht. Straßen sind Ordnung. Verwaltung ist Ordnung. Gesetze sind Ordnung. Aus der Ordnung entsteht Frieden. Aus Frieden entsteht Wohlstand. Und aus Wohlstand entsteht Zivilisation. Die Zivilisation ist es aber, die das Leben für alle verbessert. Die Barbaren wissen es oft nicht zu schätzen, bis sie bemerken, wie die Straßen ihr Leben vereinfachen und die Thermen ihre Gesundheit verbessern. Die Bibliotheken geben ihnen Wissen, die Theater Kultur und Unterhaltung. Die Straßen sind der Anfang, doch am Ende steht eine Verbesserung des Lebens."


    Das war meine Sicht auf die Errungenschaften des Imperiums. Für mich waren wir Römer auf einer Mission des Logos, um das Leben aller Menschen zu verbessern.

    Ich schmunzelte.


    "Einem jungen Mann stehen ein paar Abenteuer zu, meinst du nicht? Noch bin ich unterhalb des Alters, in dem ich zur Heirat verpflichtet wäre. Das sollte ich nutzen. Und wer weiß, vielleicht finde ich ja eine gute Partie in Germanien? Die Germaninnen sollen ja recht hübsch sein, und die Töchter aus den Ehen von Römern und Germaninnen sind hoffentlich nicht nur hübsch, sondern auch gebildet und wohlerzogen."


    Dass ich es hier nicht ganz ernst meinte, ließ sich deutlich heraushören.

    "Das wird es sicher, wenngleich es auch das bisher umfassendste Werk von mir sein wird. Ich hoffe, dass ich mich damit nicht übernehme."


    Und dann hatte ich noch etwas auf dem Herzen.


    "Ich hätte da noch eine ganz andere Frage. Da ich inzwischen zu einem recht ansehnlichen Vermögen gekommen bin, habe ich mir überlegt, dass ich der Gesellschaft vielleicht etwas zurückgeben und einer Factio beitreten könnte. Ganz abgesehen davon könnte es recht nützlich sein, um Kontakte zu knüpfen und wohlhabende Mandanten zu gewinnen. Du bist doch in der Albata, oder? Kannst du mir helfen, der Factio beizutreten?"


    Sim-Off:

    Vielleicht kann man die Wagenrennen etwas wiederbeleben?

    "Naja, an und für sich war es dein Gesetz, Patrone. Ich hatte es nur in einen ersten Entwurf gegossen. Die Idee ist deine. Es würde mich allerdings freuen, wenn ich einen bescheidenen Beitrag zu einem erfolgreich eingeführten Gesetz geleistet haben würde."


    Und natürlich würde ich einen Kommentar verfassen, der so nur von jemandem geschrieben werden konnte, der die Diskussionen, die zum fertigen Entwurf führten, selbst geführt hatte. So würde ich mir Stück für Stück einen Namen als Jurist machen.


    "Wenn ich wetten wollte, würde ich vermuten, dass 'War aber immer so' auf jeden Fall von irgend einem Senator als Einwand kommen wird. Abgesehen davon halte ich eventuell noch Einwände bezüglich der Strafen für möglich."

    "Was ist wohl ein passender Wert? Für einen Patrizier, eine Menge. Für einen Peregrinus, sicher weniger als für einen Patrizier. Der Wert der Münze, Kyriakos, ist es nicht, um den es geht. Es geht um die Geste. Die Geste, dass man bereit ist, etwas von dem, was man sonst verloren hätte, mit demjenigen zu teilen, der es gerettet hat."


    Ich war wohl doch noch immer zu sehr Philosoph.


    "Doch habe ich deine Frage damit noch nicht beantwortet. Ja, der Wert ist angemessen. Der Aureus gereicht dir zur Ehre und auch mir. Es ist ein Honorarium im besten Sinne."


    Ich streckte die rechte Hand zum Handschlag aus.


    "Normalerweise sagt man auf Wiedersehen, doch hoffe ich, dass dieses nicht vor einem Richter sein wird. Solltest du aber wieder in Schwierigkeiten geraten, kannst du meine Dienste gerne wieder anfragen."


    Natürlich hoffte ich darauf, dass diese Situation nicht eintreten würde.

    "Nun, ich habe mir gedacht, dass ich wieder ein wenig zu meinen Wurzeln als Philosoph zurückkehren sollte. Deshalb möchte ich über den gerechten Staat und seine Gesetze schreiben. Als grobe Vorstellung schwebt mir vor, zunächst die Res Publica in ihrer idealtypischen klassischen Form zu beschreiben und anschließend darzulegen, wie sie zwar für einen kleineren Staat noch ideal und gerecht war, jedoch mit dem Wachstum des Imperiums ineffizient und dadurch ungerecht wurde. Im nächsten Schritt würde ich dann darlegen wollen, wie die Institution des Princeps Civitatis die Fehler der Res Publica korrigiert und den gerechten Staat wiederherstellt. Natürlich alles aus idealtypischer Sicht betrachtet. Im dritten Teil will ich zeigen, dass ein gerechter Staat automatisch gerechte Gesetze hervorbringt. Das beinhaltet auch die simple Tatsache, dass Gesetze zu einem Staat passen müssen. Darauf basierend will ich unser Rechtssystem aus theoretischer Sicht beleuchten. Am Ende könnte man dann die praktische Verwirklichung betrachten."


    Nach dieser Darlegung meiner Pläne wollte ich spezifizieren, wie mein Patron dort hinein passte.


    "Dich würde ich sehr gerne zum Korrektur lesen gewinnen. Deine Meinung ist wohldurchdacht und bisher habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Diskussion mit dir meine Werke verbessert. Noch besser wäre es natürlich, wenn du zumindest im letzten Teil als Mitautor wirken könntest. Du kennst die praktische Verwirklichung der Gesetze als Praetor. Zugleich kennst du den Staat aus der Sicht eines Senators. Dieses Wissen kann ich nicht mitbringen, doch würde es sicher das Werk bereichern. Was meinst du?"

    "Ich hoffe, dass das nicht nötig sein wird."


    Das war von mir ernst gemeint. Immerhin wurden Klienten nicht leichtfertig entlassen.


    "Wenn du gestattest, würde ich gerne das Thema wechseln. Ich denke nämlich gerade über ein neues Buch nach, welches ich zu verfassen gedenke und würde gerne deine Meinung dazu hören. Und dich vielleicht auch als Korrekturleser oder Mitautor gewinnen wollen."

    "Ich würde sagen, dass 'Problem' eine recht nette Beschreibung ist. Realistisch gesehen könnte es ihn ins Verderben reißen. Das Urteil des Praetor Peregrinus war meines Erachtens eine ernstzunehmende Warnung. Ob Aemilius diese verstanden hat, vermag ich aber nicht zu sagen. Vielleicht kannst du auf ihn einwirken? Er ist noch jung, vielleicht bedarf es nur ein wenig der Führung."


    Grob vermutet, war der Aemilier in etwa in meinem Alter. Das musste aber nichts bedeuten. Vielleicht wurde meine Persönlichkeit anders geformt. Immerhin hatten mir weder mein Vater noch meine Lehrer am Museion jemals einen Fehltritt durchgehen lassen. Das war bei AEmilius womöglich anders verlaufen.


    "Natürlich müsste man auch in Betracht ziehen, dass es einfach seine Natur ist, sich über Gesetze und Regeln hinweg zu setzen. Dann dürfte es schwer werden, ihn noch in die richtige Richtung zu formen. Ehrlicherweise muss ich aber auch sagen, dass ich mein diesbezügliches Wissen nur aus Büchern habe und mich irren kann."

    Mir war natürlich klar, dass die Praetoren miteinander reden würden und mein Patron auch andere Quellen hatte. Doch erfreute mich die Höflichkeit der Nachfrage und letztlich war, neben eigener Höflichkeit, auch diese eher spezielle Verhandlung ein Grund für den heutigen Besuch.


    "Nun, man könnte sagen, dass ich den Fall für meinen Mandanten gewonnen habe."


    Ich hob meinen Zeigefinger, wie ich es mir am Museion angewöhnt hatte, wenn ich eine eigene Aussage dozierend korrigierte.


    "Doch wenn man es realistisch betrachtet, so habe nicht ich gewonnen, sondern Aemilius Secundus hat verloren. Anders ausgedrückt: Er hat sich in eine Situation gebracht, in der er nicht mehr gewinnen konnte. Und ich schwöre bei Minerva und Iustitia, dass ich ihn weder dorthin gedrängt noch in irgend einer Form dazu provoziert habe. Vielmehr versuchte ich noch, ihm eine Brücke zu bauen... naja, vielleicht eher ein Rettungsseil zuzuwerfen. Doch es war vergebens. Und so gab es nicht nur einen Freispruch meines Mandanten, sondern auch noch Schadensersatz."


    Ich zuckte mit den Schultern.


    "Nicht, dass ich mich hier beschweren möchte, doch das Urteil hatte mich überrascht. Noch mehr allerdings hat mich die völlige Unkenntnis der Gesetze seitens des Viginitivirs Aemilius Secundus überrascht. Zumal ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Patrizier keine entsprechende Bildung erhält."


    Eigentlich wollte ich das erst später erwähnen, doch ließ es mir keine Ruhe. Der Vigintivir war ein Klient meines Patrons und ich musste Schaden von meinem Patron abwenden, auch wenn der Schaden durch einen anderen Klienten zu entstehen drohte.

    Ich nickte meinem Mandanten zu. Er hatte seine Worte gut gewählt.


    Um Aemilius machte ich mir gewisse Sorgen. So verächtlich, wie er lächelte, und zugleich mit so viel Zorn in den Augen, war ich mir nicht sicher, ob sein Hochmut ihm nicht irgendwann zum Verhängnis werden würde. Sollte dem so sein und man würde mich fragen, so würde ich auch Aemilius Secundus vor Gericht vertreten. Im Moment war das aber nicht nötig und ich hoffte, dass es so bleiben würde.


    Dann richtete ich meine Gedanken wieder auf das Hier und Jetzt und wandte mich an Kyriakos, während sich der Bereich vor der Sella curulis leerte.


    "Ich denke, dass ich eine recht brauchbare Leistung abgeliefert habe. Da wir kein Honorar im Voraus vereinbart haben, werde ich das jetzt mit einer einfachen Frage nachholen: Was ist dir dieser Sieg wert?"


    Dabei lächelte ich höflich.

    Am nächsten Tag erschien ich wieder zur Salutatio. Den Prozess hatte nach meiner Auffassung nicht ich gewonnen, sondern Aemilius Secundus verloren. Natürlich konnte ich meine juristische Expertise zeigen, doch ging das Urteil über das hinaus, was ich zu erreichen gesucht hatte. So stand ich in der Schlange der Klienten, wenn auch recht weit vorne, und wartete, bis ich aufgerufen wurde.

    Das Urteil überraschte mich. Dass es keine Hauptverhandlung geben würde, war mir während der Anhörung bereits klar geworden. Dass meinem Mandanten Schadensersatz zugesprochen werden würde, hatte ich allerdings nicht erwartet. Ebenso wenig hatte ich damit gerechnet, dass der Praetor Peregrinus den Aemilier dermaßen scharf angehen würde. Von meiner Überraschung ließ ich mir aber nichts anmerken. Ich zeigte überhaupt keine Emotionen. So wandte ich mich zunächst an meinen Mandanten.


    "Kyraiakos, du wirst nicht triumphieren, verstanden. Wir werden diejenigen sein, die durch würdevolles Verhalten Eindruck machen. Allerdings solltest du dem Praetor für sein Urteil danken."


    Natürlich hätte auch ich den Dank meines Mandanten aussprechen können, aber so konnte ich Rom zeigen, dass mein Mandant zivilisiert war und im Zweifel für sich selbst sprechen konnte. Außerdem würde dieser Vortritt meines Mandanten letztlich auch meinem Ruf nützen.


    Eigentlich war da auch noch ein Impuls in mir, ein Wort der Fürsprache für Aemilius Secundus an den Preator zu richten. Jedoch erschien es mir unangebracht, so dass ich schwieg. Der Praetor hatte gesprochen. Es war nicht an mir, seinen Spruch zu korrigieren. Meine Aufgabe war die Verteidigung meines Mandanten, und die war erfolgreich. Dem Kläger zu helfen war nicht meine Aufgabe und wäre letztlich schädlich für meine Reputation, würde es doch mit ziemlicher Sicherheit als Anmaßung gewertet.