Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Nachdem ich noch die relevanten Gesetze zur Sicherheit noch einmal nachgeschlagen hatte, kam mir die Idee, dass der Prozess möglicherweise für meinen Verwandten Iunius Stilo interessant sein könnte. So ließ ich nach ihm schicken, um mit ihm zu besprechen, ob er mir assistieren wollte.

    "Der Halbsatz erscheint mir sinnvoll."


    Kurz überlegte ich, ob ich noch etwas hinzufügen wollte, doch fiel mir nichts ein.


    "Ich denke, dass ich dir dann viel Erfolg im Senat wünschen sollte, damit die Lex Annaea möglichst unverändert beschlossen wird."

    Auf Grund der Temperaturen hatte ich mich entschieden, im Peristylum meinen Studien nachzugehen. Da kam Araros und brachte mir eine Schriftrolle.


    "Domine, da waren gerade zwei Soldaten der Cohortes Urbanae. Sie haben diesen Brief gebracht und mir mitgeteilt, dass du diesen schnellstmöglich lesen solltest und, wenn möglich, das Mandat annehmen. Das würde ihrem Gefangenen und auch ihnen entgegen... sehr entgegen kommen."


    Er verneigte sich leicht, als er mir den Brief übergab. Ich nahm diesen an und las ihn durch. Der Kleidung beraubt, kopfüber aufgehängt, Gift verabreicht, gedroht, den Verdächtigen aufzuschneiden... und das alles durch den Vigintivir? Erhalt der Quittung verweigert... Vigintivir ein Günstling des Praetor Urbanus? Das konnte nur der Aemilier sein... stimmt, später stand da 'Aemilius Secundus'. Verhindern wollen, dass dem Verdächtigen ein Advocatus sehr Seite gestellt wird... Da war doch noch was... richtig, Sella Curulis des Praetor Urbanus. Ich las alles noch einmal durch. So etwas konnte doch nicht sein!


    Schließlich traf ich eine Entscheidung. Ich würde den Fall übernehmen. Aber ich würde zugleich versuchen, Schaden von Aemilius Secundus abzuwenden. Am besten besprach ich den Fall am nächsten Morgen mit meinem Patron.

    "Ich denke, dass mit dieser Formulierung genau das Gewollte ausgedrückt wird."


    Dabei nickte ich zustimmend, um das Gesagte zu unterstreichen.


    "Und ich kann deinen Unmut durchaus verstehen, dass es einer wohlhabenden Person leicht fallen dürfte, diese Strafe wegzustecken. Allerdings gibt es ja auch noch Absatz 4, der die Möglichkeit des Schadensersatzes vorsieht. Natürlich muss dazu ein Schaden entstanden sein. Dennoch ist diese Zivilrechtsklausel ein weiteres Instrument, das der Praetor zusätzlich zur Strafbemessung anwenden kann. Hierbei würde ich für eine weite Auslegung des Schadens eintreten, also nicht nur Sachschäden nach Paragraph 85 Absatz 3 Codex Iuridicialis, sondern auch Schäden im Sinne der Paragraphen 79, 81, 84 und 94 Codex Iuridicialis gewürdigt werden können. Was mich dazu bringt, dass auch der Codex Iuridicialis mal überarbeitet werden könnte."

    Araros öffnete die Tür und war erstaunt, zwei Urbaner zu sehen. Hoffentlich hatte sich der Herr Tacitus nicht bei einem Fall etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt und sich den Falschen zum Feind gemacht.


    "Wie kann ich dieses Haus die Cohortes Urbanae unterstützen?"

    "Wenn wir in der aktuellen Systematik der Gesetze bleiben wollen, sollte die Spanne entweder von 200 bis 600 Sesterzen oder von 500 bis 800 Sesterzen reichen. Letztere Spanne würde die Bedeutung der Ehe unterstreichen, könnte aber zugleich vom Senat als zu hart befunden werden. Eine Spanne von 200 bis 800 Sesterzen hätte den Vorteil, dass hier dem Gericht ein weiter Ermessensspielraum gewährt würde. Das würde die Person des Richters stärken, jedoch die aktuelle Systematik verlassen. Man könnte aber formulieren, dass die Strafe bei 200 bis 600 Sesterzen liegen soll, in besonders schweren Fällen aber auf 800 Sesterzen angehoben werden könnte. Dann müssten wir aber definieren, was ein besonders schwerer Fall wäre."

    "Ja, ich habe es geschrieben."


    Meine Antwort war völlig emotionslos, schließlich war es ja eine Tatsache. Inzwischen machte ich mir nicht einmal allzu viel daraus, dass meine Bücher bekannt waren. Bücher zu schreiben war für mich ein normaler Teil meiner Arbeit.


    "Ganz so beeindruckend ist es übrigens nicht. Zumindest nicht, wenn man meine Ausbildung bedenkt. Da ist es eher erwartbar."


    Möglicherweise hatte ich gerade die Ausbildung am Museion in Alexandria auf ein etwas zu hohes Podest gehoben, jedoch war es genau das Podest, welches mein Lehrmeister Alexios stets bei seinen Schülern einforderte, wenngleich nur wenige ihm jemals gerecht wurden.


    "Dann bin ich mal gespannt, was du erworben hast. Komm, wir gönnen uns erst einmal eine Erfrischung."


    So ging ich ein paar Geschäfte weiter zu einem Weinhändler. Die Preise waren eher im oberen Segment und der Händler schien etwas enttäuscht zu sein, als ich für mich Posca bestellte. Doch würde ich später sicher auch eine Amphore Wein in die Domus Iunia bestellen.

    Ich signalisierte meinem Patron, dass ich einen Moment des Nachdenkens benötigte und ging die Paragraphen in meinem Kopf durch.


    "Für eine Nötigung bedürfte es meiner Meinung nach einer Bedrohung. Die konnte ich aber beispielsweise im Prozess, den ich neulich gewann, nicht sehen. Deshalb würde ich eine Analogie zu Paragraph 81 verwerfen, weil diese nicht immer gegeben scheint. Die Paragraphen 109 und 111 scheinen schon eher als Parallele geeignet, sagt doch der Rechtsbrecher aus, dass eine Ehe nichtig sei, obgleich keine objektiven Gründe hierfür vorliegen. Jedoch sehe ich auch hier bestenfalls eine teilweise anwendbare Analogie. Für die Bemessung der Strafe scheinen mir die beiden letztgenannten Paragraphen allerdings geeignet, da es sich um Sachverhalte handelt, die zumindest einer ähnlichen Kategorie zugeordnet werden. Die Systematik der Gesetze wäre damit erhalten."


    Ich trank einen Schluck Wasser.


    "Schwieriger ist die Frage, ob die Paragraphen im aktuellen Gesetz zitiert werden sollten. Einerseits wäre so leichter zu erkennen, welche Erwägungen beim Strafmaß getroffen wurden, jedoch sehe ich andererseits das Problem, dass hierdurch der Fokus zu sehr vom Eherecht auf das allgemeine Strafrecht verschoben würde. Deshalb halte ich es für sinnvoller, der Lex Annaea ihren engen Bezug zur Lex Iulia et Papia zu belassen und den Bezug zum Codex Iuridicialis als nicht zu eng erscheinen zu lassen, so dass ich auf eine Zitierung verzichten würde."

    "Nun, das liegt im Auge des Betrachters. Es ist mein neuestes Buch. Ich stelle immer ein paar Exemplare aus, wenn ich ein Buch verfasse. Ein Exemplar für mich, ein Exemplar für das Museion in Alexandreia, sowie zwei Exemplare für die Bibliotheca Annaea de Iurisprudentia hier auf dem Forum. In eine eigene Auflage gehe ich nie, sondern überlasse es den Buchhändlern, Kopien anzufertigen und zu verkaufen. Das Einzige, was mir wichtig ist, ist dass alles exakt wiedergegeben wird und mein Name richtig geschrieben ist. Das ist bei diesem Exemplar zweifelsfrei der Fall. Und es erstaunt mich, dass es so schnell den Weg in eine Buchhandlung gefunden hat."


    Anscheinend hatte ich mir inzwischen einen hinreichend guten Namen gemacht, damit sich meine Bücher verkaufen ließen. Das war durchaus ein gutes Zeichen.


    "Du wirst meine Bücher natürlich niemals kaufen müssen. Es genügt, wenn du bei mir eine Kopie anfragst."


    Ich lächelte freundlich.


    "Und wie sieht es bei dir aus? Hast du etwas Interessantes gefunden?"

    Von meiner Seite sprach nichts dagegen.


    "Ja, natürlich können wir das. Und ich würde auch noch zum Weinhändler gehen wollen. Der hat auch einen Ausschank und ich bin langsam durstig. Das Wetter ist doch recht warm und die Toga trägt nicht unbedingt zur Kühlung bei, meinst du nicht?"


    So sehr ich meine Toga mit Stolz trug, zeichnete sie mich doch als Römer aus, so wenig änderte das daran, dass die Toga ein recht unpraktisches Kleidungsstück war.


    So gingen wir zum Buchhändler, der mich kannte und direkt neueste juristische Fachliteratur anbot. Jedoch war keines der Werke für mich interessant. Statt dessen erblickte ich mein Buch 'Commentarius de Bona Fide, Mala Fide et Dolo Malo'. Es sprach nichts dagegen, dass das Buch kopiert wurde, immerhin war es dafür in der Bibliothek und Urheberrechtsschutz existierte nicht. Mich erstaunte vielmehr, dass es scheinbar interessant genug war, bereits seinen Weg in eine Buchhandlung gefunden zu haben. Ich nahm das Exemplar und las es durch. Nicht, dass sich bei der Kopie ein Fehler eingeschlichen hätte. Aber es war eins zu eins kopiert. Zufrieden nickte ich und legte es wieder in die Auslage.

    Ich überlegte, welches Strafmaß sinnvoll sein könnte und sich in die aktuelle Rechtsordnung einfügen würde.


    "Dann würde ich mich bei der Strafzahlung am Paragraphen 93... Moment... nein, 94 Codex Iuridicialis orientieren. Fraglich ist, ob wir uns an Absatz 1 oder Absatz 2 orientieren wollen. Die Patria potestas könnte man als Befugnis nach Paragraph 94 Absatz 2 ansehen. Dann wären wir bei einem Strafmaß von 400 bis 800 Sesterzen, andernfalls bei 200 bis 600 Sesterzen. Man könnte sich aber auch am Wert der Ehe orientieren und hierzu eine Bemessung an der Dos vornehmen. Das würde dann aber ziemlich kompliziert, so dass ich im Interesse der Einfachheit und Klarheit eine fixierte Spanne festlegen würde. Persönlich tendiere ich zu 200 bis 600 Sesterzen."

    Mit dieser oder einer ähnlichen Frage hatte ich gerechnet. Doch selbst wenn nicht, konnte ich den Zusammenhang erklären. Oder genauer: Meine Gedankengänge.


    "Ich muss hier, glaube ich, etwas ausholen. Die Erbschaft ist traditionell eng mit der Patria potestas verbunden. Wie du weißt, sind die Erben, die bis zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers unter dessen Patria potestas standen, vor denen bevorzugt, die nicht unter der Patria potestas standen. Umgekehrt ist es so, dass das Vermögen der unter Patria potestas Stehenden bei deren Tod unmittelbar an den Inhaber der Patria potestas übergeht. Wenn nun ein Pater familias sein Kind in Verstoß gegen den dritten Paragraphen aus gegen dessen Willen aus dessen Ehe entfernen will, so könnte es die Beziehung zerrütten. Wir kennen bereits Fälle im Erbrecht, die einen Ausschluss des Erbes bei zerrütteter Beziehung zwischen Erblasser und Erbe zulassen. Diese Würdigung einer völligen Zerrüttung will ich mit diesem Teil dem Praetor ermöglichen, da er ansonsten keine Handhabe hätte. Insofern ist es meiner Meinung nach kein absolutes Novum, sondern die logische Folgerung aus zwei verknüpften Sachverhalten des Familienrechts. Gedacht ist es vor allem für Böswilligkeit der Agnaten. Wenn das Kind aber zugleich nicht böswillig ist, sondern treu in seiner Ehe zu verbleiben wünscht, sollte eine gleichartige Konsequenz für das Kind ausgeschlossen werden. Ein andere Lösungsmöglichkeit wäre die Aufhebung der Patria potestas. Dies wäre aber meiner Meinung nach eine extreme Strafe und ein absolutes Novum."


    Natürlich gab es auch andere logische Lösungen, so dass ich nicht zwingend an dieser Klausel festhalten wollte.


    "Das Erbe kann natürlich erst sehr spät oder sogar gar nicht greifen. Daher könnte man auch andere Sanktionen wählen, beispielsweise eine festgelegte finanzielle Strafe. Ich würde das Vergehen nur nicht völlig sanktionsfrei belassen wollen."

    "Das Buch soll sehr interessant sein. Tatsächlich kam ich auch noch nicht dazu, es zu beschaffen oder zu lesen. Wenn du mich fragst, haben die Iudäer ihr Schicksal selbst verantwortet, weil sie einem einzigen Gott die Verantwortung des ganzen Pantheons aufgebürdet haben. Der Gott der Iudäer musste folglich überfordert sein und konnte ihnen nicht beistehen. Und selbst, wenn er ihnen Beistand leisten gekonnt hätte. Was sollte er wohl ausrichten, allein gegen Iuppiter, Mars, Minerva, Apollo, Quirinus und all die anderen Götter, die mit uns sind?"


    Nach dieser rhetorischen Frage ließ ich meinem Vetter noch einen Moment, bevor wir den Raum verließen und durch den Garten auch das Forum Pacis verließen. Von dort wendete ich mich nach links, in Richtung Forum Romanum.

    Vom Forum Pacis kommend, erreichten wir das Forum Romanum und standen vor der Basilica Aemilia. Stolz erhoben sich zwei Stockwerke mit je 16 Bögen zwischen marmornen Säulen.


    "Dies ist die Basilika, die vor drei Jahrhunderten von den Censores Marcus Aemilius Lepidus und Marcus Fulvius Nobilior errichtet wurde. Sie wurde stets durch die patrizische Gens Aemilia renoviert. Deshalb benennt man sie inzwischen nur noch nach ihnen. Oder aber deshalb, weil sie im Jahr 739 abgebrannt war und durch Marcus Aemilius Paullus bis zum Jahr 751 wieder aufgebaut wurde. In ihr befinden sich einige Geschäfte. Wie du dir bei der Lage denken kannst, bekommst du hier recht gute Ware. Und wie du dir bei der Architektur denken kannst, handelt es sich um das dritte der drei schönsten Gebäude."


    Während ich sprach, gingen Menschen ein und aus. Es war ein dichtes Gedränge von edlen Damen und Herren, ihren Sklaven und anderen, die hier Waren begutachteten oder kauften. Arme Menschen schien es hier nicht zu geben.

    "Korrekt, wenngleich ich noch auf ein paar Details hinweisen möchte. Absatz 1 Satz 2 verstärkt noch einmal die Tatsache, dass die Patria potestas des Pater familias auch nach der Eheschließung weiterhin besteht. Bei einer Ehe sine manu sollte dem zwar oft so sein und ohne Patria potestas wäre man auch nicht Pater familias, jedoch soll durch diesen Satz der Vermutung vorgebeugt werden, dass auch ein ehemaliger Pater familias noch irgend ein Einspruchsrecht hätte. Absatz 2 Satz 3 Alternative 2 soll auch der ungerechtfertigten Entfernung eines Ehepartners aus dem ehelichen Haushalt vorbeugen, so wie es im von dir erwähnten Fall geschehen war."


    Nach diesen Ausführungen besprach ich den letzten Teil.


    "Paragraph 4 Absatz 1 sollte für sich sprechen. Da wir hier ausschließlich über nach Ius Civile wirksame Ehen, also Ehen zwischen römischen Bürgern oder solchen mit Conubium sprechen, ist der Praetor Urbanus die zwangsläufige Instanz. In Absatz 2, den ich, wie auch die folgenden Absätze, falsch nummeriert habe, wird zunächst die Regel des zweiten Paragraphen wiederholt, bevor im zweiten Satz eine Härtefallregelung eingeführt wird. Sollte der Ehepartner nämlich böswillig eine Ehe cum manu behauptet haben, so könnte das Eheverhältnis hierdurch so zerrüttet worden sein, dass die Ehe nicht mehr funktioniert und eine Fortführung folglich untragbar würde. Beide Absätze erscheinen mir angemessen zu sein."


    Ich wartete ab, ob mein Patron es genauso sah.