Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    In den Trajansmärkten hatte ich mich auf die Suche nach einem Geschäft gemacht, in dem ich neue Statuetten für das Lararium der Domus Iunia zu finden hoffte. Immerhin fehlten dort meine persönlich favorisierten Gottheiten. Nach einiger Suche fand ich einen passenden Handwerksladen, der sogar recht außergewöhnliche Qualität anbot. Durch meine erfolgreich verhandelten Fälle konnte ich es mir leisten, diese Qualität zu kaufen. Natürlich hatte ich vereinbart, die Ware zur Domus Iunia am Abend liefern zu lassen. Schließlich wollte ich nicht mit wertvollem Kunstgut durch Rom laufen.


    Nach dem Verlassen des Ladens lief ich meinem Studienfreund Quintus Betucius Firmus über den Weg. Wir grüßten uns kurz, gingen dann aber weiter. Jedoch nur ein paar Schritte, bis ich einhielt. Firmus sah irgendwie besorgt aus. Also wendete ich, um ihn einzuholen. Das war aber gar nicht notwendig, denn auch er war stehengeblieben und sah in meine Richtung. Also ging ich auf ihn zu.


    "Firme, du siehst so aus, als würde dich etwas bedrücken," sprach ich sofort an, was mir aufgefallen war.


    "Irgendwie schon," antwortete er, "denn ich habe ein Problem. Vielleicht kannst du mir helfen?"


    "Nun denn, sprich."


    "Wo soll ich anfangen?" Firmus seufzte. "Also, mein ältester Bruder, Gnaeus, ist verheiratet. Aber seine Ehefrau ist nicht an ihn manzipiert oder emanzipiert worden. Und nun will ihr Vater sie an einen anderen verheiraten und sie aus der Ehe wieder entfernen."


    "Ja, du hast ein Problem," sagte ich nachdenklich.


    "Hör zu, mein Bruder und seine Frau sind glücklich verheiratet. Es wäre Unrecht, diese Ehe aus politischen Gründen zu zerstören!"


    Nachdenklich nickte ich.


    "Habt ihr Klage beim Praetor Urbanus eingereicht?"


    "Ja, natürlich!"


    "Vertritt dein Bruder sich selbst?"


    Das wäre eher schlecht, weil eine emotionale Vertretung des eigenen Falls meistens nachteilig war.


    "Nein, ich vertrete ihn. Aber ich wüsste nicht, ob und wie ich den Fall gewinnen kann." Er holte Luft. "Du hast doch den Kommentar zur Manzipation geschrieben. Gibt es da eine Lücke?"


    Ich dachte einen langen Moment nach.


    "Das ist eine schwierige Frage. Wann ist die Verhandlung?"


    "Der Praetor hat einen zweiten Tag angesetzt. Morgen. Kannst du das Ehepaar vertreten?"


    Nicht einmal ein Tag zur Vorbereitung. Das würde schwierig werden. Andererseits wollte ich meinem Freund helfen und man wuchs ja auch mit seinen Herausforderungen.


    "Wer ist der Gegner?"


    "Sixtus Albinus Tullus."


    Ein aufstrebender Politiker. Wollte ich den zum Feind haben? Anders gefragt, konnte er mir gefährlich werden? Doch selbst wenn, kümmerte es mich? Würde ich gewinnen, wäre das gut für meine Reputation als Jurist. Würde ich verlieren, hätte ich auch keinen mir feindlich gesinnten Politiker. Beides war in Ordnung. Also gab es nur noch eine wichtige Frage.


    "Was bekomme ich im Fall eines Sieges?"


    Firmus sah mich fragend an. Natürlich musste ihm klar sein, dass ich meine Zeit vor Gericht nicht ohne Gegenleistung verbrachte. Und es musste ihm auch klar sein, dass ich wusste, dass seine Gens nicht arm war.


    "Ein Aureus?"


    Ich sah Firmus emotionslos an und schwieg.


    "Na gut, zwei Aurei. Passt das?"


    Ich schwieg weiter.


    "Bei den Göttern! Tacitus, sag was!"


    "Nun gut. Du arbeitest doch auch als Advocatus. Was würdest du verlangen, wenn du einen Fall rettest, der schon verloren schien?"


    Nun schwieg Firmus, also sprach ich.


    "Bei einem Fremden wären zehn Aurei sicher realistisch, meinst du nicht, Firme? Doch wir sind keine Fremden. Auch wenn ich deinen Bruder nicht kenne, sind wir beide doch Freunde. Da kann man den Preis halbieren. Ich bin mir sicher, dass dein Bruder das ähnlich sehen würde. Oder nicht?"


    Firmus dachte nach und nickte schließlich.


    "Ja. Dann sehen wir uns morgen früh zur ersten Stunde in der Basilica Ulpia?"


    "Zweite Stunde. Ich werde noch mit deinem Bruder und seiner Frau sprechen müssen."


    Firmus stimmte zu und wir verabschiedeten uns. Da hatte ich mir nun einen Abend voller Arbeit eingebrockt. Natürlich wusste ich auch nicht, ob ich den Fall gewinnen konnte. Aber fünf Aurei waren ein guter Grund, mir alle erdenkliche Mühe zu geben. Das und meine Freundschaft zu Firmus. So machte ich mich auf den Weg nach Hause. Es würde wohl ein langer Abend in der Bibliothek der Domus Iunia werden.

    Mehr konnte ich nicht erwarten.


    "Lass es mich wissen, wenn du mit mir hierüber diskutieren möchtest. Ich werde in den nächsten Tagen auch meine Skizzen zur Ehe, bzw. zu den verschiedenen Arten der Ehe, fertigstellen und dir dann ebenfalls überreichen. Da ich täglich zur Salutatio erscheine, lässt sich das auch recht unkompliziert handhaben."


    Von meiner Seite war für heute nichts mehr hinzuzufügen, doch falls mein Patron noch etwas ansprechen wollte, konnte er das nun machen. Oder mich für heute entlassen.

    "Salve, Patrone. Ganz fertig bin ich noch nicht, aber ich habe den ersten Teil fertig. Wobei fertig nicht ganz richtig ist. Ich habe etwas zur Patria Potestas und Manus skizziert. So kannst du dir schon einmal meine Gedanken ansehen, damit wir hierüber diskutieren können. Natürlich ist die Ausarbeitung noch nicht so, wie ich sie für einen Kommentar verwenden würde, aber hinreichend für eine Diskussion."


    Ich reichte meinem Patron die beiden Wachstafeln.


    Zweifelsfrei ist jeder römische Bürger mit Conubium ausgestattet. Wenn dem so ist, so ist auch die Geschäftsfähigkeit voll gegeben. Denn es würde wenig Sinn ergeben, zwar so weitreichende Rechte wie die ius conubii zu gewähren, jedoch die ius commercii, welche doch unzweifelhaft zum Unterhalt der Familie notwendig ist, gleichzeitig zu verneinen.


    Welche Rechte gewährt dann die Patria Potestas?


    Primo: Ein Recht der alleinigen Verwaltung des Familienvermögens.


    Secundo: Das Recht, Personen unter seiner Manus zu manzipieren.


    Was bedeutet das?


    Ad primum: Das Familienvermögen wird durch den Pater Familias verwaltet. Er allein führt das Hausbuch und er allein kann Anteile am Familienvermögen veräußern. Es handelt sich sozusagen um eine Sicherungsposition. Geschäfte sind somit allgemein auch für Personen unter der Patria Potestas möglich, jedoch auf solche Geschäfte beschränkt, die für das Familienvermögen vorteilhaft sind. Auf jeden Fall wird bei einem nachteiligen Geschäft, welchem der Pater Familias nicht zugestimmt hat, kein Verlust von Familienvermögen folgen können. Vielmehr wird die Person unter Patria Potestas, welche ohne Zustimmung gehandelt hat, alleine die Verantwortung übernehmen müssen. Ein Recht, Geschäfte zu untersagen, entsteht hieraus also nicht. Vielmehr wird lediglich die Intercessio des Pater Familias mit dem durch ihn exklusiv vertretenen Familienvermögen ausgeschlossen, wenn er einem Geschäft nicht zugestimmt hat.

    Ad secundam: Das Manzipationsrecht liegt allein beim Pater Familias. Jedoch bedeutet das nicht, dass er römische Bürger unter seiner Manus in die Sklaverei verkaufen kann. Dies ist unmöglich, weil römische Bürger auf diese Art ihr Bürgerrecht verlieren würden. Das ist, schon im Sinne der Rekrutierung in den Staatsdienst, besonders in den Legionen, abzulehnen. Vielmehr kann lediglich die Manus manzipiert werden, ohne dass hierbei die Bürgerrechte der manzipierten Person beeinträchtigt werden können.


    Die Emanzipation erfolgt unmittelbar aus der Manzipation. Denn die Manzipation an einen Anderen ist zugleich die Emanzipation vom Pater Familias. Hierbei kann auch die Freiheit von Manus das Ergebnis sein, beispielsweise wenn ein Sohn dreimal manzipiert wird. Dies wird heutzutage häufig als Hilfskonstrukt verwendet, um eine Emanzpiation des Sohnes zu ermöglichen. Hier sollte nachgebessert werden und ein Emanzipationsrecht durch bezeugten Ausspruch des Pater Familias gewährt werden.


    Als weitere Nachbesserung sollte festgelegt werden, dass eine Tochter, die eine Ehe eingeht, sofort und unwiderruflich emanzipiert wird und bei Beendigung der Ehe nicht wieder in die Patria Potestas ihres Vaters zurückkehrt. Das sorgt auch dafür, dass auch ohne Manzipation der Vater seiner Tochter nicht wieder gegen ihren Willen aus der Ehe herauslösen kann.


    Auch sollte das Erbrecht angepasst werden. Momentan erben jene Agnaten, die bis zum Tod des Pater Familias unter dessen Patria Potestas waren. Man sollte hier zwingend modernisieren und allein auf die natürliche Verwandtschaft abstellen. Die Adoption sollte eine natürliche Verwandtschaft herstellen. Das bedeutet selbstverständlich auch, dass die verheiratete Tochter von zwei Seiten erben kann, nämlich einerseits vom Ehemann und andererseits vom eigenen Vater. Das so ererbte Vermögen sollte unbedingt der Ehefrau zugeschlagen werden, ähnlich der Dos.


    Selbstverständlich sollte eine Unterstellung unter die Manus bzw. Patria Potestas möglich sein, wenn eine Person das wünscht. Voraussetzung hierfür muss die natürlich Verwandtschaft oder die Ehe sein.

    Ich übergab den Beutel dem iunischen Ianitor Araros.


    "Meine Erbschaft ist zurückgekehrt. Verwahre sie wieder wie üblich und trage es in mein persönlichen Haushaltsbuch ein."


    Nachzählen war nicht notwendig. Allerdings wusste ich, dass Araros nachzählen würde. Denn er stand auch dafür gerade.

    "Du machst mir eine Menge Arbeit, Patrone."


    Dabei lächelte ich aber, woran man erkennen konnte, dass ich es nicht ganz ernst meinte.


    "Dafür werde ich dir viel Arbeit in der Basilica Ulpia machen. Quid pro Quo."


    Mein Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen.


    "Allerdings mache ich jedem Praetor viel Arbeit. Es ist also nichts Persönliches."


    Nun lachte ich.

    "Danke für den Hinweis, Patrone. Den Kommentar zur Patria Potestas und Manus würde ich zumindest grob skizzieren wollen, allerdings mit kritischen Anmerkungen meinerseits. So kannst du dir auch meine Kritik am Status Quo ansehen und diese eventuell mit einarbeiten, sofern wir nicht ohnehin der gleichen Meinung sind."


    Das würde mir einerseits Arbeit ersparen und andererseits auch erlauben, dass beide Kommentare sich ergänzen würden und es keine Diskrepanzen gäbe.

    Ich zog eine Augenbraue hoch.


    "Dein Gesetz werde ich dann aber nicht schonen. Und du kennst mich, ich bin geradeheraus und wenig diplomatisch."


    Natürlich würde er das wissen und natürlich hatte ich mich auch deshalb gefragt, da war ich mir sicher. Ich wollte nur zur Sicherheit noch diese Mahnung aussprechen. Vielleicht war ich ja doch ein wenig diplomatisch?


    "Davon abgesehen habe ich vor einen neuen Kommentar zu verfassen. Commentarius de Patria Potestate Manuque. Mit etwas Glück stelle ich den noch vor deinem Amtsantritt fertig. Allerdings würde ich gerade diesen Kommentar vor der Veröffentlichung auch gerne mit dir diskutieren. Die Ehe cum manus und das Trinoctium habe ich in meinem aktuellen Kommentar zur Usucapio bereits erwähnt, wenngleich die Ehe dort nicht im Fokus steht. Ich hätte dir eine Kopie mitgebracht, allerdings ist der Kommentar erst heute Nacht fertiggestellt worden und ich muss erst noch Kopien anfertigen. Und eine Forderung hätte ich dann doch: Ich werde zur Lex Annaea de cunubio einen Kommentar verfassen und würde dich dann dazu bitten, ein Vorwort zu verfassen. Das würde den Kommentar deutlich aufwerten."

    Das war nun eine überraschende Anfrage. Immerhin einen Punkt konnte ich schon direkt beantworten.


    "Wessen Namen ein Gesetz trägt, ist mir grundsätzlich reichlich egal. Wobei ich natürlich stolz wäre, wenn ein Gesetz den Namen meines Patrons trägt."


    Dabei lächelt ich, da ich es durchaus ehrlich meinte. Die eigentliche Frage war da schon schwieriger. Ich hatte noch nie an einem Gesetz mitgearbeitet. Erst recht nicht an einem so bedeutenden Gesetz. So etwas war völlig anders als die wissenschaftliche Arbeit an einem Kommentar. Entsprechend brauchte ich einen Moment des Nachdenkens.


    "Was die Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung des Gesetzes anbetrifft... Nun, ich habe so etwas noch nie gemacht. Das wird sicher keine allzu leichte Aufgabe und sicher auch Zeit kosten. Ich fühle mich geehrt und stehe natürlich gerne zur Verfügung. Ich bin mir nur nicht sicher, ob der Rat eines unverheirateten Zweiundzwanzigjährigen allzu nützlich bei einem Ehegesetz ist."


    Vielleicht sollte ich meine eigene Person nicht ganz so objektiv analysieren und das auch noch offen kommunizieren?


    "Selbstredend bringe ich den notwendigen wissenschaftlichen Hintergrund mit, nur mangelt es an der praktischen Lebenserfahrung als Ehemann. Ob dies ein Vorteil oder ein Nachteil ist, vermag ich nicht zu sagen. Möglicherweise erlaubt es mir einen neutraleren Blick auf die Sachlage. Und um Missverständnisse zu vermeiden: Ich würde diese Chance gerne ergreifen, doch möchte ich auch ehrlich zu dir sein und habe dir deshalb die objektiven Schwächen meiner Person in dieser Materie genannt. Ich überlasse es deshalb dir, ob du meine Mitarbeit für hilfreich erachtest."


    Das wäre jetzt natürlich ganz toll, wenn meine Ehrlichkeit mir diese Chance verbaut hätte. Das war ganz sicher der Einfluss des Apollo, der eine der Gottheiten war, denen ich mich nahe fühlte. Der war ja auch zu keiner Lüge fähig und sprach stets die Wahrheit. Vielleicht war es ja auch mein Pflichtgefühl, meinen Patron optimal beraten wissen zu wollen. Das wäre dann der Einfluss meines Vaters.

    Zwangsläufig musste ich in das Lachen einstimmen. Mein Patron lag absolut richtig.


    "Verlieren macht niemals Spaß, auch nicht, wenn man bezahlt wird. Doch zu deiner Frage, Patrone. Ich bedarf momentan keiner Unterstützung und wollte einfach einmal mit etwas mehr Zeit als in den letzten Tagen vorbei kommen. Das heißt, dass ich mir heute einen Tag frei genommen habe. Vielleicht kann ich aber etwas für dich tun?"

    Araros betrachtete die beiden Leibwächter und den Beutel kurz. Dann holte er einen anderen Sklaven, der mich benachrichtigte. Ich ging gemessenen Schrittes zur Porta. Ich grüßte die beiden kurz und nahm den Beutel entgegen.


    "Bitte richtet dem edlen Titus Aurelius Romanus meinen Dank für die schnelle Beantwortung meiner Anfrage aus. Ich weiß das sehr zu schätzen. Benötigt ihr eine Quittung?"


    Ich verzichtete auf das Nachzählen. Das war meines Erachtens nicht notwendig.

    Commentarius de Usucapione

    Auli Iunii Taciti



    I. Rechtsgrundlage


    Die Usucapio wird in Tabula VI, Lex XII Tabularum, grundsätzlich geregelt und in Tabula VIII, Lex XII Tabularum eingeschränkt.



    II. Zweck


    Die Usucapio dient dazu, eine Ungewissheit des Eigentums an einer Sache nicht unnötig lange oder sogar dauerhaft bestehen zu lassen. Anders ausgedrückt geht es darum, Rechtssicherheit bezüglich des Eigentums an einer Sache herzustellen.



    III. Voraussetzungen


    Voraussetzung einer Usucapio ist zunächst die wirksame Übertragung einer Sache, mithin also der unangefochtene und unbeschränkte Besitz der Sache.


    Die Art der Sache ist nicht eingeschränkt. Es kann sich hierbei also sowohl um eine körperliche, als auch eine unkörperliche Sache, sowohl um eine bewegliche, als auch eine unbewegliche Sache und sowohl um eine Res mancipi, als auch um eine Res nec mancipi handeln. Sachen, die sich in göttlichem oder öffentlichem Eigentum befinden, können hingegen nicht ersessen werden.


    Darüber hinaus ist die Sache für eine bestimmte Frist zu besitzen. Das Laufen der Frist ist bedingungsfeindlich für eine Usucapio, was bedeutet, dass eine Ersitzung erst mit Ablauf der Frist wirksam wird. Für bewegliche Sachen beträgt die Frist gemäß Tabula VI, Lex XII Tabularum ein Jahr, für unbewegliche Sachen zwei Jahre. Die Sache muss während dieser Frist grundsätzlich ununterbrochen im Besitz desjenigen sein, der die Sache ersitzt.


    Interessant ist die Regelung aus Tabula VI, Lex XII Tabularum, die eine Frau in einer Ehe ad usum nicht in die Manus ihres Mannes kommen lassen will, wenn die Ehe jährlich um drei Nächte unterbrochen wird. Während dieser Zeit hat sie vom Haus ihres Mannes abwesend zu sein. Die Unterbrechung hat ununterbrochen zu erfolgen und dieses Trinoctium hat vor Ablauf eines Jahres stattzufinden, da andernfalls Usucapio eintritt. Zu beachten ist, dass der Ehemann hierbei in diesem Fall von Usucapio kein Eigentum an der Ehefrau erhält, sondern lediglich die Manus als Herrschaftsrecht ersessen würde. Insofern wirkt das Trinoctium einer der Mancipatio der Manus über die Frau wirkungsgleichen Usucapio entgegen. Bei einer kürzeren Unterbrechung der Frist läuft diese weiter.


    Fraglich erscheint in diesem Kontext, ob es ein dem Trinoctium entsprechendes Rechtsinstitut für andere Sachen, beispielsweise einen Sklaven oder ein Grundstück, gibt. Dahinter steht auch die Frage, ob das Trinoctium die Übertragung einer im allgemeinen Sachenrecht zur Zeit des Beschlusses der Lex XII Tabularum geltenden allgemeinen Regelung auch auf die Manus-Ehe ist, oder ob es sich um eine Ausnahme ausschließlich für die Ehe handelt. Klar ist, dass die Ehe eine spezielle Institution ist, die nicht wie eine normale Sache, auch nicht wie eine normale Res mancipi, behandelt werden sollte. Dieses lässt aber sowohl die Übertragung eines allgemeinen Sachverhalts auf die Ehe, als auch um eine Spezialregelung ausschließlich für die Ehe als Folgerung zu.


    Für eine Regelung ausschließlich für die Ehe würde sprechen, dass eine Frau grundsätzlich geschäftsfähig ist und, insbesondere, wenn sie sui iuris ist, sich gegen einen Vertrag, der sie in die Manus stellt, entscheiden kann. Wäre die Frau gewillt, sich in die Manus des Ehemanns zu begeben, könnte sie sich dafür entscheiden, sich selbst an diesen zu manzipieren und so eine Coemptio-Ehe einzugehen. Entscheidet sie sich dagegen, so wäre dennoch die gesetzliche Regelung der Usucapio und ihre mögliche Anwendung auf die Manus, zu beachten. Durch das Trinoctium würde sich so der Wille der Frau, sich nicht zu manzipieren, erhalten bleiben. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Notwendigkeit des Trinoctiums schon länger im allgemeinen Rechtsgebrauch verneint wird, weil die Manus nach inzwischen allgemeinem Rechtsempfinden nicht ersessen werden kann. Dieser Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung spiegelt sich aber zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Kommentars nicht in den geltenden Gesetzen wider.


    Gegen eine Regelung ausschließlich für die Ehe spricht, dass die Forderung des andauernden Besitzes nicht immer gewährleistet werden kann. So könnte beispielsweise eine Sache innerhalb der Frist kurz verliehen werden. Aus der Sicht desjenigen, der die Sache ersitzt, wäre dies eine Verwendung wie sein Eigentum, während es sich bei objektiver Betrachtung um eine Unterbrechung der Frist handeln würde. Da aber der Ersitzende faktisch in die Rolle des Eigentümers eintritt, wäre eine wirksame Unterbrechung der Frist bereits bei kurzfristigem Verlust des Besitzes dem Zweck der Beendigung der Unsicherheit bezüglich des Eigentums, mithin der Herstellung von Rechtssicherheit durch Usucapio, abträglich. Insofern könnet auch ein dem Trinoctium entsprechendes Institut vorhanden sein, welches eine analoge kurzfristige Unterbrechung der Frist von weniger als drei Tagen gestatten würde.


    Dieses gibt der Wortlaut der Lex XII Tabularum allerdings nicht her. Auch ist zu bedenken, dass der Ersitzende bereits durch die Möglichkeit der Usucapio privilegiert ist. Denn diese ermöglicht ja gerade, dass Sachen durch Besitz in das Eigentum einer Person übergehen, wenn dieser Besitz länger als die Frist anhält. Hier auch noch weitere Erleichterungen des Fristerfordernisses anzunehmen, erschiene als unverhältnismäßige Bevorzugung des Ersitzenden, die so auch nicht dem Zweck der Usucapio entspricht. Denn Zweck der Usucapio ist vorrangig die Herstellung von Rechtssicherheit bezüglich des Eigentums, nicht jedoch die Verschaffung von Eigentum.


    Daher ist auch eine kurzfristige Unterbrechung der Frist bedingungsfeindlich für eine Usucapio.


    Die Dauer der Frist für die Usucapio beträgt grundsätzlich ein Jahr, für unbewegliche Sachen, zwei Jahre. Die Tabula VI, Lex XII Tabularum, nennt zwar explizit nur das Grundstück als unbewegliche Sache. Da im überlieferten Rechtsgebrauch aber nicht zwischen Grundstück, Haus und Landgut unterschieden wird und Immobilien allgemein unter den Begriff des Grundstücks im Sinne der Lex XII Tabularum subsumiert werden, erscheint eine Erweiterung auf unbewegliche Sachen jedweder Art geboten.


    Zu den unbeweglichen Sachen zählen auch Rechte an unbeweglichen Sachen. Dies lässt sich dadurch begründen, dass Rechte als vom Eigentum abgeleitete Sachen zu sehen sind. Ein Auseinanderfallen der Fristen für die Ersitzung der Sache und der davon abgeleiteten Rechte erscheint in diesem Kontext widersinnig.


    Von herausragender Bedeutung ist, dass der Erwerb der Sache, also die Übertragung des Besitzes, gutgläubig zu erfolgen hat. Musste der Erwerber von bösem Glauben sein, beispielsweise weil der Veräußerer ein bekannter Hehler ist oder bekannt ist, dass die Sache der Person, die sie veräußert, nicht gehört und diese Person auch keine Vollmacht zur Veräußerung vorweisen kann, so kann unabhängig von der Frist keine Usucapio erfolgen.


    Ganz eindeutig wird in Tabula VIII, Lex XII Tabularum, die Usucapio von Diebesgut abgelehnt. Das gilt auch dann, wenn man das Diebesgut gutgläubig erworben hat. Analog ist auch die Usucapio von Raubgut und sonstigen gewaltsam erworbenen Sachen zu sehen.


    Ferner kann auch eine ohne Absicht der Eigentumsübertragung zum Besitz überlassene Sache nicht ersessen werden. Beispiele hierfür sind die Vermietung oder der Verleih einer Sache. Im Zweifelsfall gilt der schriftliche oder bezeugte mündliche Vertrag als Beweis.



    IV. Wirkung der Usucapio


    Die Usucapio verschafft dem gutgläubigen Erwerber einer Sache nach Ablauf von einem Jahr, im Fall von unbeweglichen Sachen von zwei Jahren, das Eigentum an der während dieser Frist dauerhaft in seinem Besitz befindlichen Sache.


    Meine Meinung zur Wirkung einer Usucapio im Fall einer Ehe ad usum ist, dass diese dem allgemeinen Rechtsempfinden widerstrebt und deshalb abzulehnen ist.



    V. Anfechtung der Usucapio


    Die Usucapio kann grundsätzlich nur innerhalb der Frist angefochten werden. Die Laufzeiten der Fristen sind so festgelegt, dass der rechtmäßige Eigentümer ermittelt werden kann und genügend Zeit hat, sein Eigentum zu beanspruchen.


    Der rechtmäßige Eigentümer kann die Sache vom Besitzer zurückfordern. Dieses kann er sowohl privat gegenüber dem Besitzer, als auch vor den zuständigen Gerichten.


    Grundsätzlich sind die Praetores zuständig, wobei eine Res nec mancipi gemäß Lex Mercatus auch vor den Aediles eingefordert werden kann.


    Zunächst wird davon ausgegangen, dass derjenige, der die Sache ununterbrochen besessen hat, auch der Eigentümer ist. Entsprechend hat derjenige, der das Eigentum beansprucht, einen Beweis für seine Eigenschaft als Eigentümer vorzulegen. Gelingt ihm dieses nicht innerhalb der Frist, so geht die Sache nach Ablauf der Frist in das Eigentum des Besitzers über.


    Soll eine Anfechtung nach dem Ende der Frist erfolgen, so hat derjenige, der sich auf eine erfolgreiche Usucapio beruft, zu belegen, dass er die Sache zu Beginn und Ende der Frist besessen hat und der Erwerb gutgläubig erfolgte. Ein Beweis des ununterbrochenen Besitzes ist in der Regel nicht möglich, da in diesem Fall für jeden Augenblick des Besitzes ein Zeuge vorhanden sein müsste. Um hier nicht die Regelung der Usucapio ad absurdum zu führen, ist der Beweis des ununterbrochenen Besitzes abzulehnen.


    Derjenige, der den Erwerb durch Usucapio anfechten will, hat entweder zu belegen, dass die Frist unterbrochen wurde, so dass diese noch nicht vollständig abgelaufen ist, oder zu beweisen, dass der Erwerb der Sache nicht gutgläubig erfolgt sein kann. Auch der Beweis, dass die Sache gestohlen, geraubt oder sonstwie gewaltsam entwendet wurde, hebt die Usucapio auf.


    Im Fall einer Anfechtung einer Usucapio in Verbindung mit einer die Usucapio verhindernden Straftat, beispielsweise Diebstahl, empfiehlt sich die Verhandlung vor dem gleichen Gericht. Dies ist durch den rechtmäßigen Eigentümer oder eine durch ihn bevollmächtigte Person vor dem Praetor zu beantragen.



    VI. Bewertung der Usucapio


    Die Usucapio ist ein geeignetes Instrument, um Rechtssicherheit in Eigentumsfragen herzustellen.


    Ein besonderer Nutzen zeigt sich, wenn quiritisches Recht und prätorisches Recht auseinanderfallen, beispielsweise beim Erwerb einer Res mancipi durch Traditio. Nach prätorischem Recht wird in diesem Fall das Eigentum durch Übergabe übertragen, während es nach quiritischem Recht der Mancipatio bedarf. Verzichtet man dennoch auf die Mancipatio, wie es inzwischen usus ist, so ist nach Ablauf der Frist der Usucapio das Eigentum auch erfolgreich nach quiritischem Recht übertragen.


    Ein anderer Fall wäre ein ungeklärtes Erbe, beispielsweise mangels bekannter Erben. In diesem Fall ist auch dann das Eigentum erfolgreich übertragen worden, wenn die Frist der Usucapio abgelaufen ist und zwar auch dann, wenn sich danach doch noch Erben finden sollten.


    In beiden Fällen zeigt sich, dass durch Usucapio eine Rechtssicherheit hergestellt wird, die andernfalls auf unbestimmte Zeit nicht gewährleistet werden könnte. Ohne diese Rechtssicherheit wäre die Nutzung des Eigentums faktisch unmöglich, da stets mit einer Entziehung des Eigentums gerechnet werden müsste. Das ist aber nicht im Interesse der Gesellschaft, da Eigentum in der Regel einen Nutzen in Form von Waren oder anderen Nutzungen erbringen soll. Vor allem würden Investitionen in das Eigentum ohne Usucapio auf unbestimmte Zeit verhindert.


    Sim-Off:

    Literatur: 1) Gaius, Institutiones, herausgegeben und übersetzt von Ulrich Manthe, 2. Aufl., Sonderausgabe 2015, WBG (Übersetzungen/Deutungen der Originalen Textfragmente durch mich weichen teilweise von der Übersetzung durch Manthe ab). 2) Das Zwölftafelgesetz, Texte, Übersetzungen und Erläuterungen von Rudolf Düll, 1995, Artemis & Winkler.

    Es gab immer noch eine offene Frage, zu der ich mir noch keine Meinung gebildet hatte: War eine Analogie zum Trinoctium bei der Usucapio zulässig? Was sprach dafür, dass es eine Regelung ausschließlich für die Ehe war?


    Für eine Regelung nur für die Ehe:


    - Eine Ehefrau ist grundsätzlich geschäftsfähig

    - Sie kann ihren eigenen Willen artikulieren

    - Ist die Frau sui iuris, kann sie sich selbst manzipieren

    - Ohne Selbst-Mancipatio sollte keine Manus gegen ihren Willen eintreten

    - Trinoctium schützt vor Manus gegen den Willen der Frau

    - Wortlaut Tab VI L XII Tab


    Für eine allgemeine Regelung:


    - Ersitzender verwaltet Besitz wie Eigentum

    - Kurzfristiger Verleih sollte Eigentum nicht aufheben

    - Zerstörung der Rechtssicherheit


    Gegen allgemeine Regelung:


    - Ersitzender ist bereits privilegiert

    - Usucapio dient nicht vorrangig dem Erwerb von Eigentum

    - Erleichterung des Fristerfordernisses wären unverhältnismäßige Bevorzugung


    Ich sah mir meine niedergeschriebenen Gedanken eine Weile an. Ja, daraus ließ sich eine Meinung ableiten. Eine, die sachlich fundiert war und nicht einem inneren Gefühl folgte.


    So setzte ich mich an eine leere Schriftrolle und schrieb fast die ganz Nacht hindurch.

    Ad Titum Aurelium Romanum

    Villa Aurelia

    Roma


    Ab Aulo Iunio Tacito

    Domus Iunia

    Roma


    Geschätzter Titus Aurelius Romanus,


    Ich erlaube mir, Dir Auslagen in Höhe von LX Aurei in Rechnung zu stellen. Diese habe ich ausgegeben, um wie mit Dir besprochen eine Suche nach Galeo Curtius Collantinus in Auftrag zu geben. Die Suche erstreckt sich über einen Zeitraum von zehn Tagen auf das gesamte Gebiet der Stadt Rom.


    Ferner habe ich im Erfolgsfall III Aurei als Bonus vereinbart. Diese stelle ich noch nicht in Rechnung, da die Grundlage hierfür noch nicht vorliegt.


    Ich gehe nach unserem Gespräch davon aus, dass mein Vorgehen in Deinem Sinn war und bitte Dich, den genannten Betrag zum Domus Iunia überbringen zu lassen.


    Ich hoffe, dass die Götter uns bei unserer Suche gewogen sind.


    Aulus Iunius Tacitus

    Nachdem ich die Kreuzweg-Brüder verabschiedet hatte, zitierte ich Begoas zu mir.


    "Domine?" fragte er, als er die Bibliothek betrat.


    "Begoas, du wirst einen Brief zur Villa Aurelia bringen," sprach ich, während ich schrieb.


    "Ja, Domine."


    "Du weißt, wo die Villa Aurelia ist?"


    "Ja, Domine."


    "Gut."


    Ich schrieb den kurzen Brief zu Ende, faltete und siegelte und ihn und gab ihn Begoas.


    "Diesen Brief. Sofort."


    "Zur Villa Aurelia?"


    "Habe ich doch gesagt. Also los, der kommt nicht von selbst ans Ziel zur Villa Aurelia. Na los, Abmarsch!"


    Die erneute Erwähnung des Ziels war eine Vorsichtsmaßnahme von mir. Schließlich wollte ich auf Nummer sicher gehen, dass der Sklave mich verstanden hatte. Er verließ die Bibliothek eilenden Schrittes, während ich mir eine Wachstafel nahm, um Notizen zu meinem nächsten Kommentar zu machen.

    Ich rieb mir nachdenklich den Bart.


    "Ich frage mich, auf welcher Seite ich lieber stehen würde. Lukrativer wäre es sicher, Privatleute zu vertreten. In solchen Fällen würde ich aber ein Honorar ohne Bedingungen vereinbaren, und das schriftlich. So etwas macht man ja nicht auf Erfolgsbasis. Andererseits wäre es sicher auch reizvoll, im Sinne der Res Publica an der Abwehr solcher Klagen mitzuwirken. Dem entgegen würde aber der Alltag in der Administratio stehen. Da ist das Dasein eines freien Juristen deutlich vielseitiger. Das behaupte ich zumindest mangels besserem Wissen und auf Grund von Hörensagen."

    "Und was können die Juristen in der kaiserlichen Administratio bewirken, wenn die Leute die Büros einrennen? Wären da nicht die Cohortes Urbanae die bessere Truppe?"


    Ich überlegte mir gerade, wie ich wütenden, nicht ganz einflusslosen Personen gegenübertreten würde, deren Wasseranschluss gerade trocken gefallen war. Mit Gesetzen drohen war da sicher nicht hilfreich und würde die Leute wahrscheinlich nur noch wütender machen.

    "Die Priorisierung macht sicherlich Sinn. Als letztes geht den öffentlichen Brunnen das Wasser aus, nehme ich an?"


    Alles Andere würde den öffentlichen Frieden riskieren.


    "Das Thema Wasser ist gar nicht mal uninteressant, wenngleich ich als Jurist dort eher falsch aufgehoben wäre. Aber interessant ist es."