"Für die Unterstützung werde ich sorgen wissen. Deine Wahl käme mir in einem Fall auch sehr gelegen. Meinst du, dass es dir nützen könnte, wenn ich vielleicht einen Mandanten von mir davon überzeugen könnte, eine Cena für dich auszurichten und ein paar Patrizier und andere hochgestellte Gäste einzuladen?"
Beiträge von Aulus Iunius Tacitus
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Ich hörte aufmerksam zu. Meine Frage wurde zu meiner Zufriedenheit beantwortet.
"Danke für die Antwort, Senator. Die Wasserversorgung ist etwas, das mich noch aus meinen früheren Studienjahren interessiert. Und erloschen ist das Interesse bis heute nicht. Vielleicht ergibt sich ja irgendwann ein Posten in der Wasserverwaltung für mich. Wenn ich mir einen Namen als Jurist gemacht habe vielleicht. Meine Bildung ist recht umfassend, was man nach zehn Jahren am Museion aber auch erwarten können sollte."
Das ich zu den besten Studenten gehörte, erwähnte ich nicht. Das würde Annaeus Florus Minor auch selbst herausfinden, wenn es ihn interessierte.
"Ich habe noch viele Fragen und wenig Antworten, doch schulde ich dir zunächst eine Antwort auf eine Frage, die bei meinem Besuch auch im Raum steht, ja von vornherein im Raum stand. Du hast bereits angeboten, mich als Klienten zu akzeptieren. Und nach unseren Gesprächen des heutigen Abends denke ich, dass du der richtige Patron für mich sein könntest. Sofern du deine Meinung nicht geändert hast, würde ich mich, geehrt fühlen, wenn ich mich zu deinen Klienten zählen dürfte."
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Welches Verbrechen er wohl begangen hatte? Ich würde ihn das irgendwann fragen, aber noch nicht jetzt. Andere Dinge interessierten mich mehr, zumal er ja ein zuverlässiger Sklave zu sein schien.
"Was mich an Sparta interessiert, ist vor allem die Gesellschaftsstruktur. Ich habe nie so richtig verstanden, in welche Klassen die Menschen in Sparta eingeteilt sind und welche Rechte und Pflichten damit einhergehen. Auch würde mich interessieren, wie wir Römer dort eingeordnet werden. In Alexandreia sind wir ja besipielsweise als Proxenoi den Polites gleichgestellt. Und die Gesetze Spartas interessieren mich ebenfalls. Sind sie schriftlich niedergelegt? Wer beschließt sie? Wer sitzt zu Gericht? Gibt es spezialisierte oder gewählte Richter?"
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"Wenn ich mich nicht irre, bist du für den Bau eines neuen Aquädukts verantwortlich. Das ist eine gute Sache, weil es das Leben vieler Römer verbessern wird. Allerdings gibt es eine Sache, die ich mich frage."
Ich ließ eine kurze rhetorische Pause.
"Nun ist es ja so, dass für jede Amphore Wasser, die in die Stadt hineinkommt, auch eine Amphore wieder heraus muss. Allerdings ist mir nichts bekannt geworden, dass die Kanalisation auch ausgebaut wird. Lediglich die Baustellen des Aquädukts sind in aller Munde. Daher würde mich interessieren, ob die Kapazität der Kanalisation vorab geprüft wurde. Oder soll das noch geschehen? Oder wurde es vergessen?"
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"Falls ich einen nützlichen Hinweis geben konnte, würde mich das freuen," sagte ich mit einem zufriedenen Lächeln.
"Was das Rechtsgutachten anbetrifft, so ging es dort vor allem darum, ob es besser wäre, § 3 in Verbindung mit § 5 Absatz 2 Decretum Christianorum anzuwenden, oder ob man Hochverrat im Sinne von § 64 Codex Iuridicialis oder § 65 desselben Gesetzes bemühen sollte. Hochverrat wäre aber recht schwer zu beweisen gewesen, während Missionstätigkeit und allgemeine Gesetzesverstöße, vor allem gegen religiöse Gesetze - in diesem Fall der Polis Alexandreia - durchaus beweisbar waren. Allerdings hätte dann das Iudicium Imperatoris urteilen müssen. Wir haben uns deshalb dazu entschieden, die Gesetze der Polis Alexandreia zu bemühen und die Störenfriede zu verbannen. Der Weg dürfte so in Rom nur schwer möglich sein. Allerdings gibt es hier die Möglichkeit der Klage vor dem Iudicium Imperatoris, die in Alexandreia unnötig kompliziert gewesen wäre und zu einer unangebrachten Verzögerung des Verfahrens geführt hätte."
Ich hoffte, dass ich mich halbwegs verständlich ausgedrückt hatte. Die Materie war relativ komplex. In Rom wäre es einfacher, zumal hier keine Gesetze einer anderen Polis galten.
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Ich hörte mir die Fragen aufmerksam an. Bevor ich antwortete, nahm ich einen Schluck Wein.
"Keine Sorge, ich empfinde es nicht als Verhör. Ich teile mein Wissen gerne mit dir. Vielleicht hilft es ja." Ich hätte jedem Prätorianer diese Fragen beantwortet. Das sah ich als Bürgerpflicht an. "Wir waren schon ein paar Mal nah an einer Eskalation, aber soweit ich das weiß, haben die Judäer der Stadtwache rechtzeitig Hinweise geben können. Oder es waren andere Splittergruppen der Christianer. Da bin ich mir nicht sicher. Auf jeden Fall stehen die Christianer in Alexandreia unter Beobachtung. Das gelingt meistens ganz gut, weil sie sich als Christianer zu erkennen geben. Sobald die Stadtwache nur den geringsten Verdacht hat, dass sich eine Splittergruppe radikalisiert, wird sofort eingegriffen und die Gruppe verhört. Wenn sich der Verdacht erhärtet, werden sie aus der Polis verbannt. Ich habe einmal an einem Rechtsgutachten zur Verbannung mitgeschrieben."
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Ich nickte. Und machte mir eine mentale Notiz, alle Hebel in Bewegung zu setzen, Annaeus Florus Minor zur Wahl zum Prätor zu verhelfen.
"Dürfte ich eine Frage zu etwas gänzlich anderem stellen?"
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"Ähnliche Probleme?"
Ich lachte.
"Lass es mich so ausdrücken. In Alexandreia gibt es eine recht große Gemeinde der Judäer. Die haben einen recht seltsamen Glauben mit einem eklatanten Mangel an Göttern. Die haben nämlich nur einen. Dazu kommen dann noch Christianer. Aber es gibt nicht DIE Christianer. Nein, es gibt einige, die sich den Judäern zurechnen und andere, die sich von denen abgespalten haben. Und nochmal andere, und alle streiten sich untereinander und mit den Judäern und manchmal auch mit den vernünftigeren Menschen. Manche von diesen Christianern lehnen sogar Bildung ab. Ich habe sie von unauffällig bis radikal erlebt. Glücklicherweise haben Stadtwache und Legion die Polis gut genug unter Kontrolle, damit keine von diesen Christianergruppen Ärger macht. Übrigens haben Christianer auch einen eklatanten Mangel an Göttern. Die einen glauben nur an einen, wie die Judäer. Die anderen glauben, dass es in Wirklichkeit drei seien. Oder drei, die aber nur einer sind oder so einen Blödsinn. Wenn du mich fragst, sollte man sie alle auf eine Insel sperren und durch Experten untersuchen lassen. Man könnte sicher viel über Krankheiten des Geistes lernen."
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Ich grinste kurz.
"Dann wäre ein wenig patrizische Unterstützung in deinem Wahlkampf sicher nicht falsch. Möglicherweise kann ich da etwas organisieren."
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Ich hörte mir die Antworten konzentriert an. Das hörte sich alles recht gut an. Doch etwas musste ich noch klären.
"Wir Iunii sind ungewöhnlich. Vielleicht auch etwas verrückt. Aber da sage ich die sicher nichts Neues. Eine Frage hätte ich aber noch. Die Gens Aurelia zählt nicht zu deinen Gegnern, oder?"
Hoffentlich würde ich jetzt keine schwere Entscheidung treffen müssen.
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"Ich danke dir für dein Angebot, Senator. Doch möchte ich, dass du noch etwas erfährst, bevor wir hier eine Entscheidung fällen. Mein Vater hatte keinen Patron. Er lehnte das immer ab, weil er es für unvereinbar mit seiner juristischen Tätigkeit hielt. Ich selbst sehe hierin keine Schwierigkeiten, würde aber als Klient insistieren, jene Geheimnisse, die mir meine Mandanten im Vertrauen auf meinen objektiven Rat und deren Vertretung als Advocatus offenbart haben, auch dir gegenüber geheim zu halten. Können wir uns darauf einigen?"
Ich wusste natürlich, dass dieses eine Einschränkung der Möglichkeiten, wie ich als Klient meinen potenziellen Patron unterstützen könnte, sein würde. Doch war Vertrauen in meinem Beruf ein wertvolles Gut und ich hoffte, hier nicht im Widerspruch zur Ansicht des Annaeus zum Thema der persönlichen Integrität zu stehen.
"Auch solltest du wissen, dass es mein Vater meiner Einschätzung nach durchaus in den Ordo Equester hätte schaffen können, wäre er nicht so eigenwillig gewesen. Für mich selbst steht, schon aus philosophischen Gründen, der Dienst am römischen Gemeinwesen im Vordergrund meines Schaffens. Sollte dies aber irgendwann mit einer Erhebung verbunden sein, wäre ich nicht abgeneigt. Denn in einem höheren Ordo kann man auch mehr bewirken. Doch wünsche ich nichts zu erhalten, was ich mir nicht verdient habe. Könntest du dir vorstellen, mir hierbei zu helfen? Einerseits, wenn es darum geht, irgendwann erhoben zu werden und andererseits, wenn es darum geht, mich zu bremsen oder zu korrigieren, wenn ich etwas anstrebe, was unrealistisch oder unangemessen ist?"
Es war noch eine weitere Frage meinerseits im Raum.
"Da ich die letzten zehn Jahre am Museion verbracht habe, mag es auch sein, dass ich mir ein paar Dinge angewöhnt habe, die zwar unter Philosophen recht gut funktionieren, nicht jedoch unter normalen Römern. Insofern mag es vorkommen, dass ich dich um einen Rat bitten mag, der eher dem eines Mentors als dem eines typischen Patrons entspricht. Hättest du damit ein Problem?"
In Anbetracht der noch lebenden Verwandtschaft war das eine Frage, die für mich bedeutsam war. Die Zeit in Alexandria hatte mich schon ein wenig von Rom entfremdet.
"Zum Schluss sei noch die wichtigste Frage gestellt: Wie könnte ich dich unterstützen, wenn ich dein Klient wäre?"
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Ich notierte mir geistig den Namen 'Lucius Annaeus Florus Minor', nicht ahnend, dass mir später ein Freund die gleiche Person als Patron empfehlen würde.
"Gerne darfst du dich bedienen. Es wäre schade, wenn die Eier nur als Dekoration Verwendung finden würden." Dabei grinste ich und nahm mir selbst ein Ei. "Das beste daran ist die Soße, finde ich."
Dann kam ich aber wieder zurück zum Thema.
"Ich danke dir für deine Empfehlungen und natürlich auch schonmal im Voraus dafür, dass du mich nicht vergessen wirst, wenn sich ein Fall für mich ergeben würde. Wenn ich mich in irgend einer Form einmal erkenntlich zeigen kann, weißt du ja, wo du mich findest.
Gibt es sonst noch Dinge, die ich wissen sollte? Ich habe gehört, dass es Schmierereien an Tempeln gab. Normalerweise gebe ich ja nichts auf Gerüchte, aber wenn ich schon einmal einen Prätorianer zu Gast habe..." Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern und nahm einen Schluck Wein.
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"Ich erkenne leider keine belastbare Evidenz deiner Vermutung eines Hinweises. Daher würde ich diese Diskussion gerne damit beschließen, dass wir hier keinen Konsens herstellen können und uns lediglich im Dissens einig sind."
Sonst würden wir uns hier noch ewig im Kreis drehen.
"Ich hoffe aber, dass wir uns darin einig sind, dass hier eine Lücke im Gesetz vorliegt, die leicht zu vermeiden gewesen wäre. Das einfache Wort 'ununterbrochen' hätte Klarheit geschaffen. Man hätte also nur schreiben müssen, dass nach einem Jahr ununterbrochenen, unangefochtenen Besitzes eine Sache in das Eigentum des Besitzers übergehe. Schon wäre die Sache klar geregelt. Besteht hierin Konsens?"
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"Babylonisch braucht man, um die Schriften zur Mathematik und Astronomie in der Sprache zu lesen. Übersetzungen verlieren immer etwas von ihrem Inhalt." Das war auch der einzige Grund, warum ich diese Sprache gelernt hatte.
Den Wein würde ich ihn natürlich nicht allein tragen lassen, sondern einen Sklaven den Transport erledigen lassen.
"Kappadokien müsste ich mir dann nochmal überlegen. Rom ist natürlich auch nicht schlecht, und mein Name würde hier auch schneller von den richtigen Personen gehört werden. Was mich zu deiner Frage bringt. Du kannst mir sicher mehr als einen Rat geben, aber das Wichtigste zuerst: Welche Personen würden einen brauchbaren Patron abgeben? Und von welchen sollte ich mich in dieser Hinsicht besser fernhalten?
Und vielleicht noch diese Frage: Ihr habt doch sicher immer ein paar Gefangene in den Castra. Wenn es da mal zu einem öffentlichen Prozess kommen sollte, würde ich gerne eine Seite vertreten. Entweder als Unterstützung bei der Vorbereitung der Anklage, oder als Advocatus der Verteidigung. Vielleicht kannst du mich diesbezüglich vermitteln oder informieren?"
Vielleicht war ich mit der Frage zu direkt gewesen. Vielleicht würde ich mich dort auch Aufmerksamkeit auf mich ziehen, die ich lieber nicht haben wollte. Ich hoffte einfach, dass mir Seius Stilo abraten würde, wenn er das für eine dumme Idee halten würde.
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"Dem widerspreche ich. Denn manchmal hat man schlichtweg vergessen, einen Sachverhalt zu regeln. Oder man hielt ihn zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung für so offenkundig, dass eine Regelung unnötig erschien. Später geriet dies jedoch in Vergessenheit. In solchen Fällen liegt dann eine Lücke vor. Jedoch keine geplante, sondern eine planwidrige Lücke. Hier erscheint es geboten, durch Analogie die Lücke zu schließen.
Betrachten wir noch einmal den Fall einer Usucapio einer Sache, beispielsweise eines Sklaven. Angenommen, die Analogie wäre nicht anwendbar und der Zeitraum von einem Jahr könne beliebig unterbrochen werden. Dann könnte ich mir ja einen Sklaven für einen oder zwei Tage ausleihen, ihn dann zurückgeben und kurz vor Ablauf des Jahres erneut ausleihen, um so einen Gesamtzeitraum der Ausleihe ab dem ersten Tag bis zum letzten Tag, inklusive der Unterbrechung, von einem Jahr zu vervollständigen. Da nun nachweislich ein Zeitraum von einem Jahr ab dem ersten Ausleihen bis zum letzten Ausleihen vergangen wäre, müsste demnach der Sklave durch Usucapio in mein Eigentum übergegangen sein. Du wirst mir aber zustimmen, dass dieses Ergebnis widersinnig wäre.
Mehr Sinn macht es, wenn eine längere Unterbrechung die Usucapio hindert. Fraglich ist dann, was eine längere Unterbrechung ist. Andererseits sollte eine nur sehr kurze Unterbrechung nicht zum Verlust der Usucapio führen. Denn auch das wäre eine zumindest fragliches Ergebnis. Aber was ist sehr kurz? Hier sollte man nun fragen, ob es schon eine Regelung zur Usucapio gibt, die eine entsprechende Frage beantwortet. Und die gibt es in der Tat, nur zu einer anderen Fallkonstellation, nämlich der Ehe. Fraglich ist daher, ob das einen ähnlichen Rechtsmechanismus darstellt. Wir haben zwei Fälle einer Usucapio. Beide Fälle beinhalten Res mancipi. Bei beiden Fällen ist die Rechtsfolge eine Übertragung, jedoch einmal eines Herrschaftsrechts und einmal eines Eigentums. Der Fall des Herrschaftsrechts ist geregelt. Warum sollte der Fall des Eigentums anders geregelt sein?
Ist diese Regelungslücke geplant? Es gibt keinen Hinweis darauf, dass man Eigentum explizit herausnehmen wollte. Es gibt aber auch keinen Hinweis, dass man es hinein nehmen wollte. Es wird lediglich festgehalten dass in der Regel nach einem Jahr Res mancipi durch Usucapio in das Eigentum des Besitzers übergehen. Es wird nicht erwähnt, dass diese Frist unterbrochen werden dürfe. Es wird aber auch nicht erwähnt, dass sie nicht unterbrochen werden dürfe. Eines von beiden muss aber der Fall sein, da sich beide Varianten gegenseitig ausschließen. Für eine Res mancipi steht aber eine Regelung fest, nämlich in Form des Trinoctiums. Warum steht also diese Regelung explizit im Gesetz? Vielleicht war es für die anderen Fälle nicht nötig, das zu regeln, weil es nur bei der Ehe entsprechende Fälle gab. Oder es musste für die Ehe noch einmal besonders betont werden, weil es in anderen Fällen bereits klar war, bei der Ehe jedoch nicht.
Es bleiben zwei Möglichkeiten. Entweder man entscheidet sich, zu raten, ob die Usucapio von Eigentum unterbrochen werden kann. Dann müsste man für ein ausgewogenes Urteil eine Münze werfen. Das widerspricht aber dem Gedanken, dass Recht klare Regeln schafft. Oder man geht davon aus, dass eine Gesetzesanalogie zur ähnlichsten Causa gegeben ist. Dann ist aber auch die Unterbrechung einer Usucapio von Eigentum in einer dem Trinoctium ähnlichen Weise zu behandeln, um Klarheit aus dem Gesetz zu ziehen."
Ich überlegte mir, ob ich nicht einen Kommentar zur Usucapio verfassen sollte. Die Gedanken waren zu gut, um sie nicht einem breiteren Publikum zu eröffnen. Natürlich waren diese Gedanken stark philosophisch geprägt. Aber das musste ja nicht schädlich sein. Ich könnte es aber auch als Streitschrift verfassen. Das Potenzial war jedenfalls da.
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Ich hörte aufmerksam zu. Anscheinend war hier eine Unklarheit in meinem Kommentar. Daher sah ich mich gezwungen, etwas klarzustellen.
"Leider muss ich dir bezüglich der Deutung meines Kommentars widersprechen. Du beziehst dich auf Sectio VIII, Absätze IV bis VI. Hier postuliere ich keine Gleichstellung einer Ehefrau mit einer Sache. Das Grundproblem wird in Absatz IV geschildert. Dort erwähne ich, dass sich die Usucapio einer Sache nur durch ununterbrochenen Besitz über den ganzen Zeitraum der Frist verwirklichen lässt. Das steht so aber in keinem Gesetz explizit geschrieben. Wie komme ich also darauf, dass es eines ununterbrochenen Besitzes bedarf? Indem ich eine Gesetzesanalogie zwischen Usucapio der Herrschaftsrechte, also Patria Potestas bzw. Manus, mit der Usucapio von Eigentum herstelle. Ich setze sie aber nicht gleich. Vielmehr wähle ich sie auf Grund der zuvor dargestellten Wesensähnlichkeit der Mancipatio von Eigentum und der Mancipatio von Herrschaftsrechten. Für Herrschaftsrechte gibt es aber die explizite Regelung des Trinoctiums. Wenn man nun davon ausgeht, dass die Usucapio von Herrschaftsrechten durch das Trinoctium gehindert ist, so kann man auch folgern, dass die Usucapio von Eigentum durch eine gleichwertige Unterbrechung gehindert ist. Da Nächte hierbei weniger Sinn machen als Tage, folgere ich, dass eine Unterbrechung der Frist von drei Tagen, nicht Nächten, bedingungsfeindlich für eine Usucapio von Eigentum ist. Das liegt daran, dass im Eigentumsrecht stets die Tage relevant sind und nicht die Nächte. Der Unterschied zwischen Ähnlichkeit und Gleichheit ist dabei von besonderer Bedeutung. Ähnlich ist insbesondere die Art der Übertragung und die Tatsache, dass beides Res mancipi sind, wenngleich unterschiedliche. Man sollte diese Res mancipi auch nicht gleichsetzen, weil ein Herrschaftsrecht eben gerade kein Eigentum ist. Die Tatsache, dass du dieses anders verstanden hast, als ich es gemeint habe, zeigt mir allerdings, dass ich mich klarer hätte ausdrücken sollen. Ich werde diese Erkenntnis in meinem nächsten Kommentar zu nutzen versuchen. Unklarheiten gehen meiner Meinung nach stets zu Lasten des Verfassers."
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"Ja, man sollte dieses Artefakt, oder sollte ich besser sagen diese zulässige, aber ungerechte Möglichkeit eines Vaters, die Verwirklichung des Willens der Ehepartner zu verhindern, beseitigen. Wenn doch nur jemand ein entsprechendes Gesetz in den Senat einbringen könnte."
Ich sah dem Senator kurz direkt in die Augen.
"Inwiefern eine Frau, die sui iuris ist, durch Usucapio in manzipiert werden kann, ist eine interessante Frage. Hier sollten wir durch ständige Rechtsübung die alten Bestimmungen der Lex XII Tabularum überwunden haben. Andererseits gilt weiterhin Tabula VI der Lex XII Tabularum. Dort steht geschrieben, dass eine Frau, die nicht unter die manus ihres Ehemanns kommen will, die Ehe vor Ablauf eines Jahres für drei Tage zu unterbrechen hat. Diese Bestimmung ist bedingungsfeindlich bezüglich einer vorherigen Mancipatio der Frau. Das bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob diese emanzipiert ist oder nicht. Rein logisch geraten wir nun in einen Widerspruch zwischen dem Verständnis des Mos Maiorum zur Entstehungszeit der Zwölf Tafeln und unserem heutigen Verständnis des Mos Maiorum. Rechtsphilosophisch kommen wir damit zu der Frage, ob Gesetze statisch oder dynamisch auszulegen sind. Oder anders ausgedrückt, ob Gesetze lebendig sind und sich deshalb mit der Entwicklung der Gesellschaft ändern können. Hier ist bislang kein Konsens unter uns Juristen erreicht. Wenn man Rechtssicherheit erreichen möchte und das heutige Verständnis einer Ehe als Willenserklärung zweier freier Menschen, die auch nach dem Wirksamwerden nicht zu einem Verlust der rechtlichen Freiheiten der Frau führen soll, stets gewährleisten möchte, so würde ich auch hier zu einem Gesetz raten. Es würde ein sehr simpler Gesetzestext genügen, beispielsweise 'War die Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung sui iuris, so bleibt sie dies auch nach diesem Zeitpunkt.' oder 'Eine Unterstellung einer Frau unter die manus des Ehemanns findet durch Eheschließung grundsätzlich nicht statt, es sei denn, die Frau ist unter Zeugen manzipiert worden oder hat sich selbst manzipiert.' um nur zwei Beispiele zu nennen. Der Unterschied zwischen beiden Formulierungen ist der, dass bei der ersten Variante nur der Fall einer Frau sui iuris behandelt wird und folglich alle anderen nach den hergebrachten Regeln, mithin auch passiv, der manus des Ehemanns unterstellt werden, während bei der zweiten Variante eine Frau nur dann der manus des Ehemanns unterstellt wird, wenn dieses aktiv geschieht. Persönlich würde ich die zweite Variante bevorzugen, weil sie dem heutigen Gesellschaftskonsens eher entspricht. Was meinst du dazu?"
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"Eine gute Frage," sagte ich, ohne nachzulesen. Ich hatte meinen Kommentar noch vollständig im Kopf.
"Die Ehe erwähne ich explizit in Sectio VI, Absatz VII, in Form der Coemptio, sowie in Sectio VIII, Absätze V und VI in Form der Usucaptio und in Sectio X, Absatz VI. Hierbei handelt es sich, wie von dir richtig erkannt, ausschließlich um Formen der Ehe cum manu. Wie du ebenfalls richtig behauptest, ist die Ehe cum manu heutzutage zunehmend unüblich, während die Ehe sine manu die Norm darstellt. Irrig ist meines Erachtens aber die Annahme, dass die Mancipatio bei einer Ehe sine manu vollkommen unnötig sei. Hier ist zu beachten, dass ohne Emancipatio die Ehefrau streng genommen noch immer in der Patria Potestas ihres Pater Familias verbleibt. Entsprechend könnte dann auch der Pater Familias seine Tochter jederzeit zurückholen und neu verheiraten, so er es denn wünscht. Denn der diesbezügliche Mos Maiorum wurde durch die Lex XII Tabularum grundsätzlich bestätigt und bis heute nicht wirksam aufgehoben. Auch die Lex Iulia et Papia gibt, bei allen Erleichterungen einer Eheschließung, grundsätzlich nicht die Patria Potestas des Pater Familias auf. Sie erzwingt vielmehr in bestimmten Fällen eine Einwilligung zur Ehe. Ein Widerruf wird jedoch nicht wirksam ausgeschlossen, was auch daran liegt, dass der Zweck der Lex Iulia et Papia nicht in einer bestimmten Ehe liegt, sondern lediglich darin, dass überhaupt irgend eine Ehe zu schließen ist. Es ist hier, wie im Kommentar erwähnt, zwischen den rechtlichen Wirkungen der Ehe und der Übergabe der Herrschaftsrechte, also der Patria Potestas, in Form der Mancipatio oder auf andere Art zu unterscheiden. Aber ich schweife ab."Ich nahm einen Schluck verdünnten Wein, was mir die Gelegenheit gab, meine Gedanken zu sortieren.
"Eine Mancipatio oder Fiktion einer Mancipatio durch Usucaptio kann also weiterhin sinnvoll sein, selbst wenn die Ehefrau nicht in die Potestas des Ehemanns übergeht, um sie von ihrem Vater zu emanzipieren. Sui iuris kann sie dann auch durch eine Cessio ihres Ehemanns werden. Diese Cessio kann ebenfalls legal fingiert werden, indem aus konkludenten Verhalten des Ehemanns auf dessen Emanzipationswillen geschlossen werden kann. Als Folge dieser Gedanken meinerseits, die nicht zwingend geteilt werden müssen, ist die Mancipatio meiner Meinung nach auch bei einer Ehe sine manu nicht völlig unnötig. Jedoch habe ich diese Gedanken nicht im Kommentar geäußert, weil dieser vor allem die Grundlagen der Mancipatio aufzeigen sollte und Ehegesetze sehr viel spezieller zu betrachten sind. Um eine Verwirrung des Lesers zu vermeiden, verzichtete ich. In einem Kommentar zum Eherecht, welchen ich irgendwann zu verfassen gedenke, werde ich diese Fragestellungen aber genauer erörtern. Konnte ich deine Frage beantworten?"
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"Aber selbstverständlich erlaube ich die Frage. Alles Andere wäre doch widersinnig, oder nicht?"
Ich war gespannt, was der Senator fragen würde.
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"Ich danke für das Lob, Senator. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob die Materie wirklich so komplex ist. Es ist schließlich mein erster Kommentar, deshalb wagte ich mich nicht an ein schwierigeres Thema. Mir fiel lediglich auf, dass es noch keinen umfassenden Kommentar zur Mancipatio gab, deshalb nahm ich mich dessen an."
Nun gut, das schwierigere Thema war wohl eher das Eherecht, vor allem wenn es sich um die Ehevorschriften für patrizische Senatoren handelte. Dort waren ja gleich zwei Spezialgesetze verwirklicht.
"Außerdem erschien es mir ein guter Einstiegskommentar zu sein, um darauf aufbauend Gesetze zur Ehe, zum Sachenrecht, zum Erbrecht und zur Emancipatio zu verfassen, sobald ich hierzu die Zeit finde."