Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Nachdem ich am Vortag einen Studienfreund aus Alexandria, Quintus Betucius Firmus, getroffen hatte und mir dieser recht begeistert von seinem Patron berichtet hatte, entschloss ich mich, diesen Patron, einen gewissen Lucius Annaeus Florus Minor, kennenlernen zu wollen. Mein Vater hatte es stets abgelehnt einen Patron zu haben. Er sagte immer, dass ein guter Advocatus völlig unabhängig sein solle. Nur so könne man stets das Beste geben, ohne auf das Ansehen anderer Rücksicht nehmen zu müssen. Gut, der Ruf meines Vaters als Jurist hatte ihm da sicher Recht gegeben. Andererseits waren alle Freunde der Familie einhellig der Meinung, dass er es zum Eques hätte bringen können, hätte er nur einen Patron gehabt. Ich selbst war mir noch nicht sicher, ob ich wirklich einen Patron haben wollte und falls ja, ob es dieser sein solle. Doch lehnte ich einen Patron nicht prinzipiell ab. Vielmehr wollte ich zuerst die Person kennenlernen, die mein Studienfreund so sehr lobte, und dann entscheiden.


    Also war ich nun zusammen mit Quintus in der Schlange und wartete darauf, vorgelassen zu werden. Und da ich nicht mit leeren Händen erscheinen wollte, hatte ich eine eigens hierzu von mir angefertigte Kopie meines Kommentars zur Mancipatio dabei.

    Einen Kommentar verfassen war das eine, diesen bekannt machen war aber wiederum etwas gänzlich anderes. Und wo könnte man besser den Kommentar bekannt machen, als in der Sammlung der Bibliothek, auf die auch die Prätoren zugriffen. So nahm machte ich mich morgens mit einer von mir selbst angefertigten Abschrift meines Kommentars über die Mancipatio auf den Weg zur Bibliothek. Meiner Bitte, den Bibliothekar zu sprechen, entsprachen die Bibliothekssklaven natürlich nicht. Es kostete mich einige Diskussionen und ein paar Münzen, bis mir schließlich ein Termin verschafft wurde.


    Man führte mich in das Officium des Bibliothekars und schloss die Türe hinter mir. Vor mir saß an einem Tisch mit diversen Schriftrollen ein Mann mittleren Alters, der ins Lesen vertieft zu sein schien. Ich blieb also stehen und wartete geduldig und betrachtete den Raum. Es gab einige Regale mit Schriftrollen, dazu ein Schreibpult. Das Fenster gestattete den Blick in Richtung Forum Romanum, wenngleich dieser durch Gebäude versperrt war. Das Licht im Raum war angenehm und gut zum Lesen geeignet. An sich ein recht ansehnlicher Raum, auch wenn ich mehr erwartet hätte. Ich musste mir wieder einmal vergegenwärtigen, dass dies nicht das Museion war und dieser Mann nicht der Epistates. Nach einer gefühlten Ewigkeit blickte mich der Mann an.


    "Du hast dich wohl gefragt, wie lange ich dich warten lassen würde, Bürger?" fragte er. Dass ich Bürger war, konnte man an meiner Toga unschwer erkennen, also bedurfte dies keiner Bemerkung.


    "Ehrlich gesagt fragte ich mich eher, wie ich dich richtig anspreche. Epistates ist vermutlich falsch?"


    Der Mann sah mich einen Moment lang an. "In der Tat, dazu bist du etwas zu weit westlich unterwegs."


    "Das vermutete ich," erwiderte ich, "doch fehlt mir damit noch immer eine Anrede."


    "Rate doch, Bürger." Der Mann lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah mich fragend an.


    Ich überlegte ob seines Akzents, eine griechische Anrede zu wählen. "Philologos ist vermutlich niemals falsch bei einem Mann der Bücher."


    Er grinste. "Du hast mich überrascht. Interessant. Die meisten Römer versuchen es mit Magister. Aber Philologos gefällt mir. Wie ist dein Name?"


    "Aulus Iunius Tacitus," antwortete ich.


    Er nickte. "Timon."


    "Also ein Grieche," bemerkte ich, "Ist das nicht schon beinahe zu stereotyp?"


    "Meinst du, ja? Was treibt dich zu mir?"


    In dem Mann war nur schwer zu lesen. Amüsierte es ihn? Hatte ich ihn vielleicht verärgert? "Ich habe einen juristischen Kommentar verfasst und würde ihn gerne der Bibliothek zur Verfügung stellen."


    Timon lachte leise. "Wer ist denn hier der größere Stereotyp? Der gebildete Römer, der sich mit Jura beschäftigt, oder der griechische Bibliothekar?"


    "Das könnte man glatt zum Gegenstand einer philosophischen Diskussion machen. Doch bin ich nicht deshalb hierher gekommen."


    "Ganz der Römer," sprach Timon. Während er mir direkt in die Augen sah, sprach er weiter. "Und warum glaubst du, dass dein Kommentar irgendwen interessiert?"


    Ich hielt seinem Blick stand und sah ihm genauso in die Augen, wie er mir. "Weil ich hervorragend ausgebildet bin und eine Lücke fülle. Denn einen vergleichbaren Kommentar sah ich noch nicht."


    Timon deutete auf die Schriftrolle in meiner Hand. "Ist das der Kommentar?"


    "Ja." Ich legte die Schriftrolle auf den Tisch.


    Er entrollte sie etwas. "Mancipatio, soso. Viel römischer geht es nicht. Wer hat dich ausgebildet?"


    "Der Philosophos Alexios und die anderen Priester des Apollon und der Musen am Museion in Alexandreia," antwortete ich stolz.


    Timon zog eine Augenbraue hoch. "Alexios? Etwas älter als ich, ungefähr so groß," er hielt die rechte Hand etwa so hoch wie mein Kinn, "grüne Augen, langer Bart, erzählt nach etwas Wein von Attika. Dieser Alexios?"


    Ich bemerkte, dass ich meine Selbstbeherrschung kurz verlor und ziemlich verdutzt aussehen musste. "Äh, ja."


    "Mit seinen Vorträgen über Platon ging er mir wirklich auf die Nerven. Doch er hat einen scharfen Verstand. Du kennst ihn?"


    "Ich war sein Schüler und forschte jahrelang mit ihm."


    "Verstehe." Timon nickte. "Wenn du gut genug warst, um sein Schüler zu sein, will ich mir deinen Kommentar durchlesen."


    "Danke, ich..."


    Er signalisierte mir, zu schweigen. "Aber ich kann nichts versprechen. Wenn ich deinen Kommentar für gut genug befinde, wird er den Weg in die Sammlung finden. Wenn nicht, werde ich ihn dir zurückschicken."


    Ich nickte. "Selbstverständlich, Philologos."


    Mit einem Winken zeigte er mir, dass ich gehen konnte. Dies tat ich auch unverzüglich.


    Nachdem ich die Bibliothek verlassen hatte, atmete ich erstmal tief durch. Mein Kommentar war zwar nicht angenommen, aber auch nicht abgelehnt. Der Bibliothekar würde ihn prüfen. Mehr konnte ich nicht erwarten. Ich ging in Richtung der Trajansmärkte, um eine Kleinigkeit zu essen. Immerhin, sollte mein Kommentar angenommen werden, bekäme ich den nächsten leichter unter.

    Am Abend des Vortages hatte ich das Gespräch mit meinem Mandanten hinter mich gebracht. Der Fall war noch lange nicht abgeschlossen und würde sicher noch schwierig werden. Doch für heute hatte ich es mir verdient, meinen Kommentar endlich ausformulieren zu können. Also nahm ich mir eine unbeschriebene Schriftrolle und fing an zu schreiben.


    Commentarius de Mancipatione

    Auli Iunii Taciti



    I. Ursprung


    Die Mancipatio ist tradiertes Recht. Vermutlich entstammt die Mancipatio den Rechtsbräuchen der Königszeit. Möglicherweise geht sie sogar auf Romulus höchstselbst zurück, was aber ihre Bedeutung weder aufwerten, noch sonst in irgend einer Art beeinflussen soll.



    II. Zweck


    Die Mancipatio dient grundsätzlich der Übertragung von quiritischem Eigentum an Sachen oder Herrschaftsrechten. Hiervon sind aber nicht sämtliche Sachen oder Herrschaftsrechte erfasst, sondern lediglich solche, die als Res mancipi hierzu geeignet sind.



    III. Res mancipi


    Res mancipi sind solche Sachen und Herrschaftsrechte, die zur römischen Königszeit von besonders hohem Wert waren und nicht aus dem quiritischen Eigentum an Fremde gelangen sollten. Jedoch handelt es sich auch heute noch um Sachen von hohem Wert, wobei der heutige Wert in Geld aber nicht das entscheidende Kriterium ist, sondern der Wert nach Mos Maiorum.


    Übliche Res mancipi sind Grundstücke auf italischem Boden, ebenso Häuser auf italischem Boden und Dienstbarkeiten an Landgrundstücken, nicht jedoch an Stadtgrundstücken. Grundstücke, die der Grundsteuer unterliegen oder für die andere Abgaben, wie eine Pacht, zu entrichten sind, gehören nicht zu den Res mancipi und sind daher Res nec mancipi und können nicht manzipiert werden.


    Auch Sklaven sind, unabhängig von ihrem Wert, als Res mancipi anzusehen.


    Ferner gelten Zug- und Lasttiere als Res mancipi, beispielsweise Rinder, Pferde oder Esel. Fraglich erscheint in der fachlichen Diskussion, ob diese Tiere ab Geburt oder erst ab Zähmung Res mancipi sind.


    Für die Eigenschaft einer Res mancipi ab Geburt spricht, dass es dabei nicht auf die Einsatzfähigkeit der Res mancipi ankäme, sondern auf die Möglichkeit des Einsatzes. Sie wäre mithin eben gerade nicht durch die unmittelbare Nutzbarkeit gekennzeichnet, sondern lediglich durch die potenzielle Nutzbarkeit. Hier bietet sich auch der Vergleich mit Grundstücken oder Sklaven an. Denn ein Grundstück auf italischem Boden ist unstreitig stets Res mancipi, unabhängig davon, ob es bewirtschaftet wird oder nicht. Auch ein Sklave ist stets Res mancipi, ohne dass es dabei darauf ankommt, welche Fähigkeiten dieser besitzt. Warum sollte dann ein Tier nur dann Res mancipi sein, wenn es gezähmt ist? Auch erscheint fraglich, ab wann die Aktion der Zähmung vollendet ist.


    Gegen die Eigenschaft als Res mancipi spricht die grundsätzliche Freiheit eines wilden Tiers. Ist ein Tier wild, so ist es eben nicht zu Diensten und kann auch nicht zu Diensten gezwungen werden, sondern bedarf zunächst der Zähmung.


    Die besseren Argumente scheinen mir aber für eine Definition eines Tiers als Res mancipi ab Geburt zu sprechen, da der Wert, wie bei einem Grundstück, eher in der Sache an sich als in deren Ertrag abwerfender Verwendungsmöglichkeit zu stehen.


    Eine besondere Form einer Res mancipi stellt die Patria Postestas dar, die allerdings durch andere Rituale übertragen wird, als das Ritual zur Übertragung von Sachen. Zur Patria Potestas sei auf die Commentarii de Pubertate et Tutela Manii Tiberii Duri, Sectio I, verwiesen.



    IV. Rechtsgrundlage


    Die Mancipatio wurde uns durch den Mos Maiorum überliefert. Ihre Rechtsgültigkeit wird aus Tabula VI, Lex XII Tabularum bestätigt. Eine Aufhebung per Gesetz, Edikt, Dekret oder anderem Rechtsakt fand nicht statt, so dass die Wirksamkeit weiterhin gegeben ist.



    V. Voraussetzungen


    Voraussetzung einer Mancipatio ist das römische Bürgerrecht desjenigen, der eine Res mancipi verkauft oder übertragen will, und desjenigen, der die Res mancipi empfängt. Darüber hinaus sind mindestens sechs weitere römische Bürger erforderlich, sowie eine kupferne Waage und ein Kupferstück. Alle römischen Bürger, die an der Mancipatio beteiligt sind, müssen mündig sein, also ihre Pubertas erreicht haben. Zur Pubertas seien die Commentarii de Pubertate et Tutela Manii Tiberii Duri, Sectio V, empfohlen.



    VI. Formen der Mancipatio


    Für die Mancipatio von Sachen bedarf es desjenigen, der verkauft oder übertragen will, und desjenigen, der empfängt. Außerdem haben noch fünf Zeugen anwesend zu sein, sowie ein weiterer Bürger, welcher die kupferne Waage hält. Damit sind die zuvor benannten sechs weiteren römischen Bürger vollständig. Derjenige, der erwirbt, fasst die Sache an und spricht die Formel HUNC EGO REM EX IURE QUIRITUM MEUM ESSE AIO ISQUE MIHI EMPTUS ESTO HOC AERE AENEAQUE LIBRA. Daraufhin schlägt er mit einem Kupferstück an die Waage und übergibt exakt dieses Kupferstück an denjenigen, der verkauft.


    In früheren Zeiten, bevor die uns bekannten Münzen geprägt wurden, schien es so gewesen zu sein, dass in Kupfer bezahlt wurde und die vereinbarte Menge Kupfer abgewogen wurde, bevor diese, als finaler Akt der Manzipation, dem Verkäufer übergeben wurde. Heutzutage erfolgt die Bezahlung getrennt vom Vorgang der Bezahlung und das Kupferstück soll die erfolgreiche Zahlung belegen.


    Im Gegensatz zu beweglichen Sachen ist eine Anwesenheit am Grundstück oder Haus nicht erforderlich, um dieses zu manzipieren. Sehr wohl ist es aber notwendig, dass alle Beteiligten wissen, welches Grundstück oder Haus gemeint ist, da andernfalls eine Bezeugung nicht gelingen kann oder die Manzipation durch Irrtum angefochten werden kann. Auch muss ein Teil dieser spezifischen Res mancipi vorhanden sein, um so eine Verbindung zum Gegenstand zu haben. Die Spruchformel ist identisch zu der für eine bewegliche Sache.


    Rechte an beweglichen Sachen, Grundstücken und Häusern werden genauso übertragen wie die Res mancipi, an der Rechte gewährt werden. Streng genommen wird nun aber nicht das Eigentum, sondern lediglich das Nutzungsrecht an der Res mancipi übertragen, so dass der Erwerber der Rechte diese nutzen kann als wäre sie seine eigene.


    Das Eigentum an einem Sklaven wird übertragen, indem der Käufer die Formel HUNC EGO HOMINEM EX IURE QUIRITUM MEUM ESSE AIO ISQUE MIHI EMPTUS ESTO HOC AERE AENEAQUE LIBRA spricht und damit den Kauf besiegelt. Ansonsten ist das Ritual dem Kauf einer anderen beweglichen Sache gleich.


    Im Familienrecht ist eine Mancipatio stets so zu sehen, dass ein Mitglied der Familie, welches unter Patria Potestas steht, in die Patria Potestas eines anderen Pater Familias übergeben wird. Hier wird, ähnlich einem Sklaven, die Formel HUNC EGO HOMINEM EX IURE QUIRITUM MEUM ESSE AIO ISQUE MIHI EMPTUS ESTO HOC AERE AENEAQUE LIBRA gesprochen und damit der Kauf besiegelt.


    Es ist hierbei aber zu unterscheiden, um welche Art des Rechtsgeschäfts es sich handelt. Übergibt ein Pater Familias seine Tochter an einen römischen Bürger, welcher diese heiraten soll, so handelt es sich um eine Coemptio. Das bedeutet, dass die Ehefrau aus der Patria Potestas, in der sie sich durch Geburt befand, an ihren künftigen Ehemann manzipiert wird. Ihr Vater verliert somit seine Patria Potestas. Wird die Ehefrau nicht manzipiert und auch nicht emanzipiert, so könnte der Vater sie jederzeit aus ihrer Ehe zurück in sein Haus holen und dadurch die Ehe auflösen. Sollte eine Frau sui iuris sein, so kann sie ebenfalls eine Coemptio eingehen. In diesem Fall müsste sie sich selbst manzipieren. Die rechtlichen Wirkungen der Ehe sind aber grundsätzlich unabhängig von einer eventuellen Mancipatio zu sehen.


    Auch die eigenen Nachkommen können durch Mancipatio der Potestas eines anderen Bürgers unterstellt werden. Dies geschieht beispielsweise, um die Arbeitskraft der Nachkommen zu verleihen. Üblicherweise werden diese dann nach Ablauf eines vereinbarten Zeitraums zurück manzipiert. Hier ist aber Vorsicht geboten. Wenn ein Vater seinen Sohn dreimal manzipiert hat, so ist der Sohn aus Tabula IV, Lex XII Tabularum emanzipiert. Für Töchter gilt diese Einschränkung nicht.



    VII. Wirkung der Mancipatio


    Die Mancipatio bewirkt eine Übertragung des Eigentums an der Res mancipi vom Veräußerer an den Erwerber. Durch die hohe Zahl an Zeugen ist die Mancipatio nur schwer anfechtbar. Der Versuch einer Mancipatio einer Res nec mancipi ist wirkungslos.


    Im Falle der Übertragung von Rechten findet lediglich eine Übertragung des Besitzes beziehungsweise der Nutzungen des Eigentums statt.


    Die Mancipatio gibt einem Verkäufer keinen Anspruch auf Zahlung eines Kaufpreises mit Ausnahme des Kupferstücks, sondern lediglich dem Erwerber einen Anspruch auf Übertragung der Res mancipi. Allerdings ist die Vereinbarung über die Zahlung des Kaufpreises ebenso ein Rechtsgeschäft, welches zu erfüllen ist, wenngleich aus einem anderen Rechtsgrund. Da aber eine Mancipatio üblicherweise erst nach der Bezahlung durchgeführt wird, sollte dies in der Praxis unproblematisch sein.


    Von einer Mancipatio vor der Zahlung des Kaufpreises ist abzuraten, so lange hier keine ebenso belastbare Actio stattgefunden hat, beispielsweise ein schriftlicher Vertrag, eine Bezeugung vor dem Praetor Urbanus oder eine Vereinbarung vor mindestens fünf Quirites als Zeugen.


    Auch wenn kein Kaufpreis vereinbart wurde, ist die Mancipatio stets ein Kaufgeschäft, weil zumindest ein Stück Kupfer als Gegenleistung gegeben wird.


    Um es aber ganz unmissverständlich zu sagen: Die Mancipatio überträgt lediglich Eigentum oder Nutzungsrechte am Eigentum gegen den Wert eines Kupferstücks. Von ihrer Art her ist sie eine Behauptung des Käufers, welcher der Verkäufer nicht widerspricht.



    VIII. Andere Formen des Eigentumserwerbs


    Neben der Mancipatio gibt es noch andere Formen des Erwerbs von Eigentum.


    Eine Res nec mancipi kann durch Traditio, also durch einfache Übergabe an den Käufer oder sonstigen Erwerber in dessen Eigentum übergehen. Hier genügt es also, dass der Erwerber die Sache erhält. Bei einem Kauf muss im Gegenzug der Kaufpreis an den Verkäufer bezahlt werden.


    Auch eine Res mancipi kann durch Traditio in das Eigentum des Erwerbers übergehen. Allerdings ist der Erwerb mit der Übergabe noch nicht vervollständigt. Der Erwerber hat die Res mancipi auch für eine bestimmte Zeit in seinem Besitz zu halten, mithin also zu ersitzen. Nach Tabula VI, Lex XII Tabularum, geht eine beliebige Sache, also auch eine Res mancipi, nach einem Jahr durch Usucapio in das Eigentum des Besitzers über. Bei einem Grundstück beträgt aus der gleichen Rechtsquelle der Zeitraum zwei Jahre.


    Selbstverständlich hat der Besitz während dieser Zeit ununterbrochen verwirklicht zu sein. Auch sorgt eine erfolgreiche Anfechtung, die das Eigentum einem anderen zuerkennt, zu einem Mangel der Übertragung, so dass auch in diesem Fall kein Eigentum durch den Erwerber erlangt wird.


    Wenngleich für diesen Kommentar nicht relevant, so sei doch an dieser Stelle auf die Ehe ex usum hingewiesen. Auch hier wird nach einem Jahr des ununterbrochenen Zusammenlebens der Eheleute die Frau der Patria Potestas ihres Ehemanns unterstellt. Dies geht aus Tabula VI, Lex XII Tabularum hervor. Allerdings wird dieses heute nicht mehr so streng gehandhabt.


    Interessant erscheint aber die Bestimmung aus Tabula VI, Lex XII Tabularum, dass bei einer Unterbrechung des Zusammenlebens der Eheleute für drei Nächte vor Ablauf der einjährigen Frist zu einer wirksamen Unterbrechung führt. Hieraus lässt sich in Analogie folgern, dass die Unterbrechung der Frist zum Erwerb des Eigentums an einer Sache durch Usucapio nicht drei Tage erreichen darf. Das heißt, dass derjenige Erwerber, der den Besitz der Sache für mindestens drei Tage verliert, kein Eigentum durch Usucapio erwerben kann. Sollte die Sache wieder in den Besitz des Erwerbers gelangen, so beginnt die Frist erneut von Beginn an zu laufen.


    Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass aus Tabula V, Lex XII Tabularum, eine Usucapio am Eigentum einer Res mancipi einer Frau, die unter Tutela ihrer Agnaten steht, grundsätzlich unwirksam ist. Wird die Res mancipi durch die Frau unter Mitwirkung ihres Tutors übergeben, so ist die Übertragung wirksam. Die Tutela ist in Sectio II der Commentarii de Pubertate et Tutela Manii Tiberii Duri ausführlich beschrieben.


    Gelingt es nicht, die erforderlichen Zeugen für eine wirksame Mancipatio zu beschaffen, so gibt es auch die Möglichkeit, die Res mancipi vor dem Praetor Urbanus zu durch Cessio in Iure zu erwerben. Hierzu wird unter Anwesenheit der beweglichen Sache oder eines Teils des Grundstücks oder Hauses durch den Erwerber die Formel HUNC EGO HOMINEM EX IURE QUIRITUM MEUM ESSE AIO gesprochen. Daraufhin fragt der Praetor denjenigen, der verkaufen oder übertragen will, ob dieser eine gegenteilige Behauptung aufstellen will. Verneint oder schweigt dieser, so geht die Res mancipi in durch Spruch des Praetors aus Tabula I, Lex XII Tabularum, in das Eigentum des Erwerbers über.


    Da eine solche Verhandlung stets Gerichtskosten verursacht, ist die Mancipatio zu bevorzugen. Zeugen kosten schließlich kein Geld.

    Streng genommen besteht auch die Möglichkeit, dass vor dem Praetor Peregrinus eine Übertragung einer Res mancipi an einen Peregrinus stattfinden kann. Denn es ist nicht definiert, welcher Praetor sprechen soll.


    Es sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass eine in Iure Cessio heutzutage nicht mehr des exakten Wortlauts bedarf, sondern lediglich ein Vortrag gleichen Inhalts zu leisten ist. Natürlich schadet es nicht, den Vortrag im Wortlaut der traditionellen Formel zu halten, jedoch ist es, im Gegensatz zu früheren Zeiten, nicht mehr schädlich, wenn man sich verspricht, so lange der Inhalt klar ist.



    IX. Anfechtung der Mancipatio


    Die Anfechtung einer Mancipatio gelingt prinzipiell genauso, wie bei anderen Rechtsgeschäften zur Übertragung von Eigentum, nämlich durch Klage.


    Die ursprüngliche Form der Klage sieht dabei so aus, dass Kläger und Beklagter sich mit einem Stab vor dem Praetor einfinden. Daraufhin spricht der Kläger, der ja das Eigentum für sich behauptet, die Worte HUNC EGO HOMINEM/REM EX IURE QUIRITIUM MEUM ESSE AIO. Diesen Wortlaut kennen wir auch schon von der Mancipatio und von der Cessio in Iure. Allerdings endet die Ansprache hiermit nicht beendet, sondern wird mit den Worten SECUNDUM SUAM CAUSAM SICUT DIXI, ECCE TIBI, VINDICTAM IMPOSUI fortgeführt, während nach dem ECCE TIBI der Stab an die Person oder den Gegenstand angelegt wird. Man nennt dieses Ritual die Vindicatio.


    Sollte der Beklagte an seinem Anspruch festhalten, so führt er mit exakt den gleichen Worten das exakt gleiche Ritual aus, welches auf Grund seines einen Gegenanspruch erklärenden Charakter Contravindicatio nennt. Nun hat man also zwei gleich lautende Ansprüche, und der Praetor erhält das Wort und befiehlt MITTITE AMBO HOMINEM/REM, woraufhin beide, Kläger und Beklagter, sich von der Person oder Sache entfernen. Daraufhin fragt der Kläger den Beklagten POSTULO, ANNE DICAS, QUA EX CAUSA VINDICAVERIS, woraufhin der Beklagte antwortet IUS FECI, SICUT VINDICTAM IMPOSUI. Hier ist nun der letzte Punkt erreicht, in dem ein kostenpflichtiges Verfahren vor dem Praetor noch abgewendet werden kann, indem der Kläger seine Klage zurückzieht.


    Macht er dies nicht, so fordert er den Beklagten mit den Worten QUANDO TU INIURIA VINDICAVISTI, D AERIS SACRAMENTO TE PROVOCO heraus. Diese Provocatio dient dem Zweck, die Übernahme der Prozessgebühr, dem Sacramentum, vom Beklagten zu sichern. Bei Gegenständen, auch Sklaven, deren Wert M As übersteigt, wird ein Sakramentum von D As gefordert. Bei Gegenständen, deren Wert darunter liegt, beträgt das Sacramentum lediglich L As. Der Wortlaut ist dann entsprechend abzuändern. Der Beklagte antwortet daraufhin ET EGO TE D AERIS SACRAMENTO PROVOCO, wodurch auch das Sacramentum des Klägers gesichert ist. Der Verlierer des Prozesses verliert sein Sacramentum zu Gunsten der Staatskasse, während der Gewinner sein Sacramentum zurückerhalt. Danach obliegt es dem Praetor, Recht zu sprechen und den Fall zu entscheiden. Auf Grund der Hinterlegung eines Sacramentum für einen typischerweise Sachenrechtlichen Prozess nennt man diesen Prozess Legis Actio Sacramento in Rem.


    Sollte es bei dem Prozess um die Freiheit eines Menschen gehen, wie man dies bei der Anfechtung der Legitimität einer Versklavung durchführen würde, so beträgt das Sacramentum nur L As. Hierdurch soll eine gerechtfertigte Anfechtung des Sklavenstatus und die entsprechend rechtlich gebotene Freiheit der Person nicht unnötig erschwert werden.


    Von besonderer Bedeutung sind bei dieser Form des Prozesses die genauen Worte der oben genannten Spruchformeln. Es sollte auch erwähnt werden, dass diese Form der Prozessführung zwar niemals abgeschafft wurde, aber schon seit einiger Zeit unüblich geworden ist. Sie wurde im Allgemeinen durch die Edikte der Praetoren ersetzt, welche die Form der Prozessführung vereinfacht und dadurch zugänglicher und flexibler gestaltet haben.


    Deshalb sprechen auch gute Gründe dafür, die Prozessführung über eine Res mancipi nach den jeweils aktuell üblichen Regeln des Formularprozesses durchzuführen, wie sie durch die Praetores definiert sind. Einerseits, weil es der Vereinfachung des Rechtsverkehrs dienlich ist, andererseits, weil das Imperium der Praetores eben genau diese Befugnis enthält und man sonst deren Auctoritas ernsthaft in Frage stellen würde. Auch die verständliche Einrede, dass durch den der Mancipatio, der Cessio in Iure und der Legis Actio Sacramento in Rem gemeinsamen Eröffnungssatz einem durch frühere Gesetze festgelegten Spruchformelprozess der Vorzug zu geben sei, ist zu verneinen, da einerseits neueres Recht älteres Recht verdrängt und andererseits die Auctoritas, die den Praetores durch deren Imperium gegeben ist, als wichtiger einzuschätzen ist, zumal die Effizienz des Prozesses hiervon nicht beeinträchtigt wird. Statt dessen wird durch das aktuell übliche Verfahren mit der hiermit einhergehenden Vereinfachung sogar ein höheres Maß an Gerechtigkeit erreicht, was im Sinne der Götter und der Ordnung des Logos ist.

    Final soll noch erläutert werden, ob eine Klage vor den Aediles gemäß Lex Mercatus möglich ist. Für eine solche Klage spricht, dass es sich auch hier um vertragsrechtliche Streitigkeiten handelt. Allerdings ist die Mancipatio ein Spezialfall des Vertragsschlusses und Res mancipi sind Spezialfälle der Sachen oder Herrschaftsrechte. Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass Spezialgesetze die allgemeineren Gesetze verdrängen, wäre somit eine Klagemöglichkeit vor den Aediles zu verneinen. Auch der Wortlaut der Praeambel der Lex Mercatus spricht dafür, diese Möglichkeit zu verneinen. Schließlich sagt die Lex Mercatus, dass Klagen vor den Aediles erhoben werden können, jedoch nicht, dass sie vor den Aediles erhoben werden müssen. Da es sich somit um eine dispositive Vorschrift handelt, ist bei Res mancipi einzig eine Klage vor den Praetores erlaubt.



    X. Bewertung der Mancipatio


    Die Mancipatio mag zwar altes Rechts sein, jedoch besitzt sie weiterhin Gültigkeit. Inzwischen werden aber die anderen Formen der Übertragung auch von quiritischem Eigentum an Res mancipi üblicherweise angewendet, so dass die Mancipatio nur noch selten verwendet wird.


    Insbesondere die Traditio hat sich etabliert, wobei streng genommen noch die Frist der Usucapio abzulaufen hat, bevor die Übertragung vollständig rechtswirksam ist.


    Um eine Traditio einer Res mancipi besser abzusichern, empfehle ich die Ausstellung einer Vertragsurkunde, in der eine möglichst genaue Beschreibung des Gegenstands oder der Person und das Datum der Übertragung, sowie das Datum des Vertragsschlusses festgehalten werden. Im Falle einer Preisvereinbarung sollte auch diese, zusammen mit dem Zeitpunkt der Zahlung, in die Urkunde aufgenommen werden. Dieses erachte ich als sinnvoll, weil Res mancipi stets von hohem Wert sind.


    Die Anwesenheit von Zeugen ist ebenfalls grundsätzlich empfehlenswert. Gerade durch die zahlreichen Zeugen einer Mancipatio erhält diese auch im heutigen Rechtsverkehr noch immer eine Daseinsberechtung, wobei alternativ eine Cessio in Iure in Frage kommt, so man denn die Gerichtsgebühren bezahlen möchte.


    Abschließend lässt sich damit festhalten, dass die Mancipatio zwar grundsätzlich keine Übung des Rechtsverkehrs mehr ist, jedoch durch ihre besonders hohe Beweisfunktion noch immer eine Daseinsberechtigung, insbesondere für sehr wertvolle Sachen, besitzt.


    Auch im Rahmen der Coemptio als Form der Ehe besitzt die Mancipatio noch immer Bedeutung, wodurch sie vor allem in diesem Bereich weiterhin verbleibt, sofern eine entsprechende Ehe gefordert wird.



    Ich las mir alles noch einmal durch. Zufrieden beschloss ich, noch zwei weitere Abschriften anzufertigen. Eine würde hier vor Ort in der Bibliotheca der Domus Iunia verbleiben. Die zweite war für das Museion in Alexandria bestimmt.


    Sim-Off:

    Literatur: 1) Gaius, Institutiones, herausgegeben und übersetzt von Ulrich Manthe, 2. Aufl., Sonderausgabe 2015, WBG (Übersetzungen/Deutungen der Originalen Textfragmente durch mich weichen teilweise von der Übersetzung durch Manthe ab). 2) Das Zwölftafelgesetz, Texte, Übersetzungen und Erläuterungen von Rudolf Düll, 1995, Artemis & Winkler.

    "Hoffen wir, dass deine Gens passende Klienten hat. Ansonsten könnten wir uns auch nach anderen Gentes umsehen, die vielleicht gegen ein Donativum bereit wären, ihre Familiengeschichte nach verschollenen Töchtern zu durchsuchen."


    Das würde natürlich die Risiken erhöhen, andererseits aber auch die Chancen, vor einem Praetor zu obsiegen. Doch diese Entscheidung wollte ich lieber meinem Mandanten überlassen. Letztlich würde es ihn härter treffen als mich.


    "Falls hier keine Fragen mehr offen sind, würde ich mich gerne entfernen und das weitere Vorgehen vorbereiten. Insbesondere den Anfechtungsprozess, der zwangsläufig notwendig sein wird."

    Am nächsten Tag beschäftigte ich mich weiter mit der Arbeit an meinem Kommentar. Zunächst nahm ich mir eine leere Wachstafel, um die Frage nach den Res mancipi zu beantworten.


    III. Res mancipi

    Sollen nicht aus quiritischem Eigentum an Fremde gelangen.

    Hoher Wert in Geld. Auch nach Mos Maiorum.

    Immobilien auf italischem Boden.

    Landgrundstücke ja.

    Stadtgrundstücke nein.

    Sklaven.

    Zug- und Lasttiere.

    Tiere ab Zähmung oder ab Geburt?

    Geht es um grundsätzliche oder unmittelbare Einsetzbarkeit?

    Vergleich mit Sklaven: Ab Geburt.

    Grundstück: Auch ohne Bestellung.

    Folge: Ab Geburt. Prüfen!

    Patria Potestas als Herrschaftsrecht.


    Das sollte sich doch recht gut ausformulieren lassen.


    Anschließend nahm sah ich mir meine weiteren Tafeln an.


    VI. Formen

    Mancipatio von Sachen

    Mancipatio von Sklaven

    Mancipatio von Familienmitgliedern

    Coemptio

    Risiko: Tabula IV, Lex XII Tabularum


    Die war in Ordnung, das sollte sich gut erläutern lassen. Die nächsten Tafeln.


    VII. Wirkung

    Übertragung von Eigentum

    Durch hohe Zahl von Zeugen nur schwer anfechtbar

    Kein Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus Mancipatio

    Ausnahme: Das Kupferstück


    VIII. Andere Formen des Eigentumserwerbs

    Traditio, eventuell erst durch Usucapio endgültig

    Analogie zu Trinoctium bei Usucapio?

    Res mancipi von Frauen unter Tutela?

    In Iure Cessio


    IX. Anfechtung

    Legis Actio Sacramento in Rem

    Formularprozess gemäß prätorischem Edikt

    Klage vor Praetor oder vor Aedilis?


    Praetor oder Aedilis? Das war eine gute Frage. Nach Lex Mercatus konnten Klagen vor dem Aedilis eingereicht werden. Moment Mal, da stand "konnten", nicht "mussten". Also gab es eine Wahlfreiheit. Oder doch nicht? Res mancipi waren eine Untermenge der Sachen und Herrschaftsrechte. Also spezielle Sachen. Entsprechend wären die Bestimmungen zu Res mancipi spezialgesetzlich. Das würde dann auch auf die Wahlfreiheit zwischen Praetor und Aedilis Auswirkungen haben. Manzipierbare Sachen wären dann vor dem Praetor zu verhandeln. Da würde ich noch einmal nachdenken müssen.

    Da ich mir nicht sicher war, ob meine Fähigkeiten als Jurist in meinem - ersten - Fall hier in Rom vor Gericht angemessen gewürdigt werden würden, hielt ich es für sinnvoll, mir einen Namen zu machen, bevor die Sache möglicherweise vor dem Praetor landen würde. Am besten ging das meiner Meinung nach durch das Verfassen eines Kommentars. Glücklicherweise hatte ich bereits am Museion Notizen verfasst und mir dabei ein typisch römisches, wenngleich etwas antiquiertes Rechtsinstitut ausgesucht. Vorteilhaft war, dass das nötige Wissen dabei vollständig in meinem Gedächtnis war, so dass ich nichts nachschlagen musste. Dennoch entschied ich mich, in der kleinen Bibliothek der Domus Iunia zu schreiben. Schon aus Tradition, denn immerhin hatte ich bislang alle wissenschaftlichen Werke in einer Bibliothek verfasst.


    Ich sah mir die Wachstafeln mit meinen Notizen an.


    Kommentar zur Mancipatio


    Gliederung:


    I. Was ist der Ursprung der Mancipatio?

    II. Welchem Zweck dient sie?

    III. Worauf wird sie angewendet? Welche Sachen sind manzipierbar?

    IV. Gibt es eine Rechtsgrundlage? Gesetze, die sie definieren oder erlauben?

    V. Welche Voraussetzungen müssen beachtet werden?

    VI. Gibt es verschiedene Formen der Mancipatio? Wie sehen die aus? Durchführung?

    VII. Welche Rechtsfolgen treten ein? Was ist die Wirkung?

    VIII. Wie kann noch Eigentum erworben werden?

    IX. Ist die Mancipatio anfechtbar? Wenn ja, wie?

    X. Wie ist die Mancipatio im heutigen Rechtsverkehr zu bewerten?


    Die bereits vorhandenen Ausarbeitungen und Notizen zu den Punkten brachten mich immerhin etwas weiter, doch musste ich sie mir noch einmal ansehen.


    I. Ursprung

    Tradiertes Recht, noch aus der Königszeit. Vielleicht von Romulus selbst? Ist das wichtig?


    II. Zweck

    Übertragung von Eigentum quiritischem Eigentum.

    Eigentum an Sachen oder Herrschaftsrechten, die Res mancipi sind.


    III. Was sind Res mancipi?


    IV. Rechtsgrundlage

    Mos Maiorum

    Bestätigung aus Tabula VI, Lex XII Tabularum

    Aufhebung durch spätere Gesetze?


    Mist, den Punkt hatte ich vergessen. Also doch noch einmal einen Blick in die bestehenden Gesetze werfen, vor allem die Lex Mercatus. Ich stand auf und durchsuchte die Sammlung juristischer Literatur. Wie es aussah, waren alle Gesetze, Edikte, Dekrete und sonstigen Rechtssetzungsakte zum Handelsrecht vorhanden. Ich las sie mir in Ruhe durch. Nach einiger Zeit konnte ich zufrieden feststellen, dass die Mancipatio niemals aufgehoben wurde. Ich nahm die Tafel zur Hand und formulierte direkt aus.


    IV. Rechtsgrundlage

    Mos Maiorum

    Bestätigung aus Tabula VI, Lex XII Tabularum

    Aufhebung durch spätere Gesetze?

    Die Mancipatio wurde uns durch den Mos Maiorum überliefert. Ihre Rechtsgültigkeit wird aus Tabula VI, Lex XII Tabularum bestätigt. Eine Aufhebung per Gesetz, Edikt, Dekret oder anderem Rechtsakt fand nicht statt, so dass die Wirksamkeit weiterhin gegeben ist.


    Dann sah ich mir die nächste Tafel an und entschied, die Notizen auch hier direkt auf einer neuen, unbeschriebenen Tafel auszuformulieren.


    V. Voraussetzungen

    Voraussetzung einer Mancipatio ist das römische Bürgerrecht desjenigen, der eine Res mancipi verkauft oder übertragen will, und desjenigen, der die Res mancipi empfängt. Darüber hinaus sind mindestens sechs weitere römische Bürger erforderlich, sowie eine kupferne Waage und ein Kupferstück. Alle römischen Bürger, die an der Mancipatio beteiligt sind, müssen mündig sein, also ihre Pubertas erreicht haben. Zur Pubertas seien die Commentarii de Pubertate et Tutela Manii Tiberii Duri, Sectio V, empfohlen.


    Die Commentarii des Manius Tiberius Durus hatte ich glücklicherweise bereits in Alexandria zur Hand gehabt. Wie hatte es der Epistates gesagt? Wenn man etwas in der Bibliothek des Museion nicht findet, dann existiert es vermutlich auch nicht oder noch nicht. Ich grinste und legte mein Stilum beiseite. es waren schon einige Stunden vergangen, und ich wollte auch noch Zeit für die Bearbeitung meines Falls verwenden.

    Ich wiederholte die Worte der Sklavin mehrmals in meinem Geiste, bis ich schließlich antwortete.


    "Nun, sehen wir also die Fakten. Du wurdest frei geboren. Dein Dorf wurde angegriffen. Bei dem Angriff wurdest Du versklavt. Ob der Angriff berechtigt war oder nicht ist eine diffizile Sache. Wurde er vom Legatus Augusti pro Praetore befohlen, so müssen wir drei Dinge bedenken.


    Primo, der Legatus Augusti hat sehr weitreichende Befugnisse. Er könnte somit bereits aus geringen Gründen einen Angriff befehlen.


    Secundo, wir müssten ihn vor dem Praetor Peregrinus verklagen. Zu dieser Klage müsste er persönlich in Rom erscheinen. Da es sich bei Britannia aber um eine Grenzprovinz handelt, kann er jederzeit anführen, dass seine Anwesenheit vor Ort erforderlich sei. Entsprechend lang kann sich das hinziehen.


    Tertio, muss man schon über erheblichen Einfluss verfügen, um Legatus Augusti pro Praetore zu werden." Ich wendete mich an meinen Mandanten. "Das, Aurelie Romane, führt dazu, dass er deine Pläne für eine Karriere, ganz gleich welche, ohne Schwierigkeiten zunichtemachen kann. Das ist vermutlich nicht in deinem Interesse."


    Ich ging ein paar Schritte im Raum umher, während ich weitere Optionen betrachtete. Schließlich blieb ich so stehen, dass ich beide sehen konnte.


    "Doch auch, wenn der Angriff nicht von ganz oben befohlen wurde, sondern eigenständig von einer Einheit durchgeführt wurde, sehe ich einige Schwierigkeiten.


    Primo, wären die Soldaten am Standort ihrer Einheit vor einem Tribunal ihrer Einheit zu verklagen. Da mag die Klage zwar berechtigt sein, jedoch wage ich zu bezweifeln, dass wir dort Recht bekommen würden.


    Secundo, könnte man sich direkt an den Legatus Augusti pro Praetore wenden. Doch auch dort würde ich kein Urteil in unserem Sinne erwarten. Denn der Legatus wird sich ganz sicher nicht gegen seine Truppen wenden, vor allem nicht in einer Grenzprovinz.


    Tertio, wäre es deiner Karriere auch nicht sonderlich förderlich, wenn du unsere Truppen verklagen würdest, Aurelie."


    Es gab aber noch eine Möglichkeit. Doch die war, streng genommen, nicht legal. Würde man es so durchführen, dass niemand zu Schaden kam, sollte das aber funktionieren.


    "Nehmen wir aber einmal an, dass du," ich sah die Sklavin an, "als Römerin geboren seist und durch unglückliche Umstände zu diesem Stamm in Caledonia geraten seist. Nehmen wir weiterhin an, dass dein römischer Vater oder zumindest römische Anverwandte noch leben würden und die erkennen würden. Und es noch mindestens fünf römische Bürger gäbe, die diesen Sachverhalt bezeugen würden. Dann wäre deine Versklavung ein Irrtum. Du wärst als römische Bürgerin geboren worden und hättest deshalb nicht ohne Gerichtsprozess versklavt werden dürfen. Könntest du dir vorstellen, dass es so gewesen sei? Könntest du dir vielleicht auch vorstellen, dass du dich an deine Verwandten und deinen römischen Namen erinnern könntest? Und könntest du dir ferner vorstellen, dass du zu verstört warst, um diese Informationen den Soldaten mitzuteilen?"


    Dann wandte ich mich an meinen Mandanten.


    "Und du, Aurelie, könntest du dir vorstellen, dass es Klienten deiner Gens sein könnten, die ihre Tochter vermissen? Vielleicht, weil sie mit Verwandten auf einer Reise in Britannien waren und bei einem Überfall von einem einheimischen Stamm entführt wurde? Oder vielleicht war sie mit ihren Verwandten verunglückt und man dachte, alle seien dabei ums Leben gekommen, doch sie hatte überlebt und wurde von einem lokalen Stamm versorgt und aufgenommen, weil niemand die nächsten Verwandten dieser Fremden kannte? Vielleicht sind es ja auch keine Klienten von dir, sondern Klienten eines Freundes? Könntest du dir das vorstellen?"

    Ich sah mich um und erblickte eine Sklavin. Ob es die erwähnte Sklavin war, konnte ich nicht sagen. Sie war hübsch, das musste man ihr lassen. Hoffentlich war sie auch intelligent und gebildet. Das würde ich aber bald herausfinden, denn ich sprach sie einfach an.


    "Ist das so? Wenn ja, wo wurdest du geboren? Wie bist du versklavt worden?"

    Gaius hat in seinem 2. Buch Manzipiumssachen definiert: Grundstücke auf italischem Boden, Sklaven, Dienstbarkeiten an Landgrundstücken und Vieh, das zum Ziehen oder Tragen genutzt werden kann. Allerdings wird wohl in der hier bespielten Zeit der Kauf mit folgender "Ersitzung" das üblichere Rechtsgeschäft gewesen sein. Will sagen, man hat gekauft, und der Verkäufer hat es nicht angefochten.


    Wichtiger ist aber die Manzipation im familiären Umfeld, vgl. Patria Potestas. Hierzu hat Gaius in seinem ersten Buch ausführlich Stellung genommen. Dort wird dann auch die Emanzipation entsprechend dargelegt, sozusagen als inverse Manzipation. Die Ehefrau wurde manzipiert, ebenso Kinder bei der Adoption. Die Emanzipation wäre somit als inverse Manzipation zu verstehen.


    Wir haben das Zwölftafelgesetz und die augusteischen Ehegesetze als überliefertes Recht im IR wirksam, so dass bei den familiären Formen der Manzipation kein Handlungsbdarf besteht. Obwohl als natürlich nett wäre, hier noch etwas mehr Background zu geben. Vielleicht schreibe ich Sim-On ein paar Kommentare zu den entsprechenden Gesetzen. Das würde die Sache vielleicht uns allen etwas näher bringen (mir selbst inklusive, weil es doch einer gewissen Recherche bedarf).

    Ich nickte und richtete kurz meine Toga. Meinen Vortrag würde ich im Stehen halten, so wie ich es am Museion gelernt hatte.


    "Sehr gerne. Es sind mehrere Gesetze zu betrachten, die ineinander greifen. Beginnen möchte ich mit den Ehegesetzen für Patrizier.


    Nach der Lex Duodecim Tabularum, Tabula XI, Articulus I, war es Patriziern nur erlaubt, untereinander zu heiraten. Bereits eine rechtsgültige Ehe zwischen Patriziern und Plebejern war nicht erlaubt. Diese Einschränkung wurde aber nach nur wenigen Jahren durch die Lex Canuleia aufgehoben, welche heute noch gültig ist. Diese erlaubt die Ehe zwischen Patriziern und Plebejern. Von Libertini und Peregrini wird in diesem Gesetz jedoch nicht gesprochen, und es ist fraglich, ob eine entsprechende teleologische Extension statthaft wäre. Dies lässt sich daraus ableiten, dass Patrizier zum Beginn der Res Publica alleine im Besitz des vollen Bürgerrechts waren und vor diesem Hintergrund auch die Einschränkung zu betrachten ist. Die Lex Canuleia ist somit Ausfluss der Gewährung des vollen Bürgerrechts an die plebejischen Quirites, wodurch das volle Bürgerrecht die zwingende Einschränkung ist.


    Patrizier können ausschließlich mit römischen Bürgern eine rechtswirksame Ehe eingehen."


    Ich machte eine kurze Pause, einerseits, um meine Gedanken zu sammeln und andererseits, um das Gesagte bei meinem Mandanten sacken zu lassen.


    "Nun möchte ich mit den besonderen Gesetzen fortfahren, die für Senatoren gelten. Zwar gehörst du meines Wissens noch nicht dem Ordo Senatorius an, doch gehe ich davon aus, dass du dir eine senatorische Karriere nicht zu verbauen gedenkst.


    Die Lex Iulia et Papia untersagt die Heirat eines Senators mit einer Freigelassenen. Dies ist damit zu erklären, dass der Senat die Vertretung der freien Römer ist. Eine Adoption würde das Problem der Freilassung nicht lösen. Denn nach anerkannter fachlicher Meinung unter uns Juristen ist ein freier Mensch entweder ein Freigeborener, oder ein Freigelassener. Ein Freigelassener ist aber jemand, der einmal aus rechtswirksamer Sklaverei freigelassen wurde. Entsprechend löscht die Freilassung eine eventuelle freie Geburt aus. Hier hilft auch keine nachfolgende Adoption.


    Um hier einen Ansatzpunkt zu haben, wäre es wichtig zu wissen, ob deine Sklavin frei geboren wurde. Denn wenn sie als Sklavin geboren wurde, können wir beim besten Willen nichts machen. Im Fall einer freien Geburt könnte man eventuell die Rechtmäßigkeit der Versklavung anfechten. Dazu benötige ich aber die Kenntnis aller Umstände der Versklavung."


    Nun war ich gespannt auf die Antwort meines Mandanten.

    Der Sklave führte mich in die Bibliothek. Die war auf jeden Fall größer als die Bibliothek in der Domus Iunia. Vielleicht sollte ich als Honorar zugang zu dieser Bibliothek erbitten? Das wäre ja mal etwas anderes als schnödes Geld.


    "Salve, Aurelie Romane, ich habe meine Recherchen beendet." Ich ließ eine kleine Pause, bevor ich weitersprach. "Leider nicht ganz mit dem Ergebnis, das ich zu finden hoffen wagte. Doch andererseits auch nicht ganz ohne Ideen. Soll ich ausführlich berichten, oder genügt dir eine Zusammenfassung?"


    Ich wartete geduldig, ob er lieber die Lang- oder die Kurzfassung hören wollte.

    Ich sah dem Sklaven direkt in die Augen, in vollem Bewusstsein, welche Wirkung das üblicherweise entfaltete.


    "Der Advocatus Aulus Iunius Tacitus wünscht seinen Mandanten Titus Aurelius Romanus zu sprechen. Die Angelegenheit hat Bedeutung und ich denke, dass mein Mandant keine Verzögerung wünscht."