Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Ich hörte mir die Antworten konzentriert an. Das hörte sich alles recht gut an. Doch etwas musste ich noch klären.


    "Wir Iunii sind ungewöhnlich. Vielleicht auch etwas verrückt. Aber da sage ich die sicher nichts Neues. Eine Frage hätte ich aber noch. Die Gens Aurelia zählt nicht zu deinen Gegnern, oder?"


    Hoffentlich würde ich jetzt keine schwere Entscheidung treffen müssen.

    "Ich danke dir für dein Angebot, Senator. Doch möchte ich, dass du noch etwas erfährst, bevor wir hier eine Entscheidung fällen. Mein Vater hatte keinen Patron. Er lehnte das immer ab, weil er es für unvereinbar mit seiner juristischen Tätigkeit hielt. Ich selbst sehe hierin keine Schwierigkeiten, würde aber als Klient insistieren, jene Geheimnisse, die mir meine Mandanten im Vertrauen auf meinen objektiven Rat und deren Vertretung als Advocatus offenbart haben, auch dir gegenüber geheim zu halten. Können wir uns darauf einigen?"


    Ich wusste natürlich, dass dieses eine Einschränkung der Möglichkeiten, wie ich als Klient meinen potenziellen Patron unterstützen könnte, sein würde. Doch war Vertrauen in meinem Beruf ein wertvolles Gut und ich hoffte, hier nicht im Widerspruch zur Ansicht des Annaeus zum Thema der persönlichen Integrität zu stehen.


    "Auch solltest du wissen, dass es mein Vater meiner Einschätzung nach durchaus in den Ordo Equester hätte schaffen können, wäre er nicht so eigenwillig gewesen. Für mich selbst steht, schon aus philosophischen Gründen, der Dienst am römischen Gemeinwesen im Vordergrund meines Schaffens. Sollte dies aber irgendwann mit einer Erhebung verbunden sein, wäre ich nicht abgeneigt. Denn in einem höheren Ordo kann man auch mehr bewirken. Doch wünsche ich nichts zu erhalten, was ich mir nicht verdient habe. Könntest du dir vorstellen, mir hierbei zu helfen? Einerseits, wenn es darum geht, irgendwann erhoben zu werden und andererseits, wenn es darum geht, mich zu bremsen oder zu korrigieren, wenn ich etwas anstrebe, was unrealistisch oder unangemessen ist?"


    Es war noch eine weitere Frage meinerseits im Raum.


    "Da ich die letzten zehn Jahre am Museion verbracht habe, mag es auch sein, dass ich mir ein paar Dinge angewöhnt habe, die zwar unter Philosophen recht gut funktionieren, nicht jedoch unter normalen Römern. Insofern mag es vorkommen, dass ich dich um einen Rat bitten mag, der eher dem eines Mentors als dem eines typischen Patrons entspricht. Hättest du damit ein Problem?"


    In Anbetracht der noch lebenden Verwandtschaft war das eine Frage, die für mich bedeutsam war. Die Zeit in Alexandria hatte mich schon ein wenig von Rom entfremdet.


    "Zum Schluss sei noch die wichtigste Frage gestellt: Wie könnte ich dich unterstützen, wenn ich dein Klient wäre?"

    Ich notierte mir geistig den Namen 'Lucius Annaeus Florus Minor', nicht ahnend, dass mir später ein Freund die gleiche Person als Patron empfehlen würde.


    "Gerne darfst du dich bedienen. Es wäre schade, wenn die Eier nur als Dekoration Verwendung finden würden." Dabei grinste ich und nahm mir selbst ein Ei. "Das beste daran ist die Soße, finde ich."


    Dann kam ich aber wieder zurück zum Thema.


    "Ich danke dir für deine Empfehlungen und natürlich auch schonmal im Voraus dafür, dass du mich nicht vergessen wirst, wenn sich ein Fall für mich ergeben würde. Wenn ich mich in irgend einer Form einmal erkenntlich zeigen kann, weißt du ja, wo du mich findest.


    Gibt es sonst noch Dinge, die ich wissen sollte? Ich habe gehört, dass es Schmierereien an Tempeln gab. Normalerweise gebe ich ja nichts auf Gerüchte, aber wenn ich schon einmal einen Prätorianer zu Gast habe..." Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern und nahm einen Schluck Wein.

    "Ich erkenne leider keine belastbare Evidenz deiner Vermutung eines Hinweises. Daher würde ich diese Diskussion gerne damit beschließen, dass wir hier keinen Konsens herstellen können und uns lediglich im Dissens einig sind."


    Sonst würden wir uns hier noch ewig im Kreis drehen.


    "Ich hoffe aber, dass wir uns darin einig sind, dass hier eine Lücke im Gesetz vorliegt, die leicht zu vermeiden gewesen wäre. Das einfache Wort 'ununterbrochen' hätte Klarheit geschaffen. Man hätte also nur schreiben müssen, dass nach einem Jahr ununterbrochenen, unangefochtenen Besitzes eine Sache in das Eigentum des Besitzers übergehe. Schon wäre die Sache klar geregelt. Besteht hierin Konsens?"

    "Babylonisch braucht man, um die Schriften zur Mathematik und Astronomie in der Sprache zu lesen. Übersetzungen verlieren immer etwas von ihrem Inhalt." Das war auch der einzige Grund, warum ich diese Sprache gelernt hatte.


    Den Wein würde ich ihn natürlich nicht allein tragen lassen, sondern einen Sklaven den Transport erledigen lassen.


    "Kappadokien müsste ich mir dann nochmal überlegen. Rom ist natürlich auch nicht schlecht, und mein Name würde hier auch schneller von den richtigen Personen gehört werden. Was mich zu deiner Frage bringt. Du kannst mir sicher mehr als einen Rat geben, aber das Wichtigste zuerst: Welche Personen würden einen brauchbaren Patron abgeben? Und von welchen sollte ich mich in dieser Hinsicht besser fernhalten?


    Und vielleicht noch diese Frage: Ihr habt doch sicher immer ein paar Gefangene in den Castra. Wenn es da mal zu einem öffentlichen Prozess kommen sollte, würde ich gerne eine Seite vertreten. Entweder als Unterstützung bei der Vorbereitung der Anklage, oder als Advocatus der Verteidigung. Vielleicht kannst du mich diesbezüglich vermitteln oder informieren?"


    Vielleicht war ich mit der Frage zu direkt gewesen. Vielleicht würde ich mich dort auch Aufmerksamkeit auf mich ziehen, die ich lieber nicht haben wollte. Ich hoffte einfach, dass mir Seius Stilo abraten würde, wenn er das für eine dumme Idee halten würde.

    "Dem widerspreche ich. Denn manchmal hat man schlichtweg vergessen, einen Sachverhalt zu regeln. Oder man hielt ihn zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung für so offenkundig, dass eine Regelung unnötig erschien. Später geriet dies jedoch in Vergessenheit. In solchen Fällen liegt dann eine Lücke vor. Jedoch keine geplante, sondern eine planwidrige Lücke. Hier erscheint es geboten, durch Analogie die Lücke zu schließen.


    Betrachten wir noch einmal den Fall einer Usucapio einer Sache, beispielsweise eines Sklaven. Angenommen, die Analogie wäre nicht anwendbar und der Zeitraum von einem Jahr könne beliebig unterbrochen werden. Dann könnte ich mir ja einen Sklaven für einen oder zwei Tage ausleihen, ihn dann zurückgeben und kurz vor Ablauf des Jahres erneut ausleihen, um so einen Gesamtzeitraum der Ausleihe ab dem ersten Tag bis zum letzten Tag, inklusive der Unterbrechung, von einem Jahr zu vervollständigen. Da nun nachweislich ein Zeitraum von einem Jahr ab dem ersten Ausleihen bis zum letzten Ausleihen vergangen wäre, müsste demnach der Sklave durch Usucapio in mein Eigentum übergegangen sein. Du wirst mir aber zustimmen, dass dieses Ergebnis widersinnig wäre.


    Mehr Sinn macht es, wenn eine längere Unterbrechung die Usucapio hindert. Fraglich ist dann, was eine längere Unterbrechung ist. Andererseits sollte eine nur sehr kurze Unterbrechung nicht zum Verlust der Usucapio führen. Denn auch das wäre eine zumindest fragliches Ergebnis. Aber was ist sehr kurz? Hier sollte man nun fragen, ob es schon eine Regelung zur Usucapio gibt, die eine entsprechende Frage beantwortet. Und die gibt es in der Tat, nur zu einer anderen Fallkonstellation, nämlich der Ehe. Fraglich ist daher, ob das einen ähnlichen Rechtsmechanismus darstellt. Wir haben zwei Fälle einer Usucapio. Beide Fälle beinhalten Res mancipi. Bei beiden Fällen ist die Rechtsfolge eine Übertragung, jedoch einmal eines Herrschaftsrechts und einmal eines Eigentums. Der Fall des Herrschaftsrechts ist geregelt. Warum sollte der Fall des Eigentums anders geregelt sein?


    Ist diese Regelungslücke geplant? Es gibt keinen Hinweis darauf, dass man Eigentum explizit herausnehmen wollte. Es gibt aber auch keinen Hinweis, dass man es hinein nehmen wollte. Es wird lediglich festgehalten dass in der Regel nach einem Jahr Res mancipi durch Usucapio in das Eigentum des Besitzers übergehen. Es wird nicht erwähnt, dass diese Frist unterbrochen werden dürfe. Es wird aber auch nicht erwähnt, dass sie nicht unterbrochen werden dürfe. Eines von beiden muss aber der Fall sein, da sich beide Varianten gegenseitig ausschließen. Für eine Res mancipi steht aber eine Regelung fest, nämlich in Form des Trinoctiums. Warum steht also diese Regelung explizit im Gesetz? Vielleicht war es für die anderen Fälle nicht nötig, das zu regeln, weil es nur bei der Ehe entsprechende Fälle gab. Oder es musste für die Ehe noch einmal besonders betont werden, weil es in anderen Fällen bereits klar war, bei der Ehe jedoch nicht.


    Es bleiben zwei Möglichkeiten. Entweder man entscheidet sich, zu raten, ob die Usucapio von Eigentum unterbrochen werden kann. Dann müsste man für ein ausgewogenes Urteil eine Münze werfen. Das widerspricht aber dem Gedanken, dass Recht klare Regeln schafft. Oder man geht davon aus, dass eine Gesetzesanalogie zur ähnlichsten Causa gegeben ist. Dann ist aber auch die Unterbrechung einer Usucapio von Eigentum in einer dem Trinoctium ähnlichen Weise zu behandeln, um Klarheit aus dem Gesetz zu ziehen."


    Ich überlegte mir, ob ich nicht einen Kommentar zur Usucapio verfassen sollte. Die Gedanken waren zu gut, um sie nicht einem breiteren Publikum zu eröffnen. Natürlich waren diese Gedanken stark philosophisch geprägt. Aber das musste ja nicht schädlich sein. Ich könnte es aber auch als Streitschrift verfassen. Das Potenzial war jedenfalls da.

    Ich hörte aufmerksam zu. Anscheinend war hier eine Unklarheit in meinem Kommentar. Daher sah ich mich gezwungen, etwas klarzustellen.


    "Leider muss ich dir bezüglich der Deutung meines Kommentars widersprechen. Du beziehst dich auf Sectio VIII, Absätze IV bis VI. Hier postuliere ich keine Gleichstellung einer Ehefrau mit einer Sache. Das Grundproblem wird in Absatz IV geschildert. Dort erwähne ich, dass sich die Usucapio einer Sache nur durch ununterbrochenen Besitz über den ganzen Zeitraum der Frist verwirklichen lässt. Das steht so aber in keinem Gesetz explizit geschrieben. Wie komme ich also darauf, dass es eines ununterbrochenen Besitzes bedarf? Indem ich eine Gesetzesanalogie zwischen Usucapio der Herrschaftsrechte, also Patria Potestas bzw. Manus, mit der Usucapio von Eigentum herstelle. Ich setze sie aber nicht gleich. Vielmehr wähle ich sie auf Grund der zuvor dargestellten Wesensähnlichkeit der Mancipatio von Eigentum und der Mancipatio von Herrschaftsrechten. Für Herrschaftsrechte gibt es aber die explizite Regelung des Trinoctiums. Wenn man nun davon ausgeht, dass die Usucapio von Herrschaftsrechten durch das Trinoctium gehindert ist, so kann man auch folgern, dass die Usucapio von Eigentum durch eine gleichwertige Unterbrechung gehindert ist. Da Nächte hierbei weniger Sinn machen als Tage, folgere ich, dass eine Unterbrechung der Frist von drei Tagen, nicht Nächten, bedingungsfeindlich für eine Usucapio von Eigentum ist. Das liegt daran, dass im Eigentumsrecht stets die Tage relevant sind und nicht die Nächte. Der Unterschied zwischen Ähnlichkeit und Gleichheit ist dabei von besonderer Bedeutung. Ähnlich ist insbesondere die Art der Übertragung und die Tatsache, dass beides Res mancipi sind, wenngleich unterschiedliche. Man sollte diese Res mancipi auch nicht gleichsetzen, weil ein Herrschaftsrecht eben gerade kein Eigentum ist. Die Tatsache, dass du dieses anders verstanden hast, als ich es gemeint habe, zeigt mir allerdings, dass ich mich klarer hätte ausdrücken sollen. Ich werde diese Erkenntnis in meinem nächsten Kommentar zu nutzen versuchen. Unklarheiten gehen meiner Meinung nach stets zu Lasten des Verfassers."

    "Ja, man sollte dieses Artefakt, oder sollte ich besser sagen diese zulässige, aber ungerechte Möglichkeit eines Vaters, die Verwirklichung des Willens der Ehepartner zu verhindern, beseitigen. Wenn doch nur jemand ein entsprechendes Gesetz in den Senat einbringen könnte."


    Ich sah dem Senator kurz direkt in die Augen.


    "Inwiefern eine Frau, die sui iuris ist, durch Usucapio in manzipiert werden kann, ist eine interessante Frage. Hier sollten wir durch ständige Rechtsübung die alten Bestimmungen der Lex XII Tabularum überwunden haben. Andererseits gilt weiterhin Tabula VI der Lex XII Tabularum. Dort steht geschrieben, dass eine Frau, die nicht unter die manus ihres Ehemanns kommen will, die Ehe vor Ablauf eines Jahres für drei Tage zu unterbrechen hat. Diese Bestimmung ist bedingungsfeindlich bezüglich einer vorherigen Mancipatio der Frau. Das bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob diese emanzipiert ist oder nicht. Rein logisch geraten wir nun in einen Widerspruch zwischen dem Verständnis des Mos Maiorum zur Entstehungszeit der Zwölf Tafeln und unserem heutigen Verständnis des Mos Maiorum. Rechtsphilosophisch kommen wir damit zu der Frage, ob Gesetze statisch oder dynamisch auszulegen sind. Oder anders ausgedrückt, ob Gesetze lebendig sind und sich deshalb mit der Entwicklung der Gesellschaft ändern können. Hier ist bislang kein Konsens unter uns Juristen erreicht. Wenn man Rechtssicherheit erreichen möchte und das heutige Verständnis einer Ehe als Willenserklärung zweier freier Menschen, die auch nach dem Wirksamwerden nicht zu einem Verlust der rechtlichen Freiheiten der Frau führen soll, stets gewährleisten möchte, so würde ich auch hier zu einem Gesetz raten. Es würde ein sehr simpler Gesetzestext genügen, beispielsweise 'War die Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung sui iuris, so bleibt sie dies auch nach diesem Zeitpunkt.' oder 'Eine Unterstellung einer Frau unter die manus des Ehemanns findet durch Eheschließung grundsätzlich nicht statt, es sei denn, die Frau ist unter Zeugen manzipiert worden oder hat sich selbst manzipiert.' um nur zwei Beispiele zu nennen. Der Unterschied zwischen beiden Formulierungen ist der, dass bei der ersten Variante nur der Fall einer Frau sui iuris behandelt wird und folglich alle anderen nach den hergebrachten Regeln, mithin auch passiv, der manus des Ehemanns unterstellt werden, während bei der zweiten Variante eine Frau nur dann der manus des Ehemanns unterstellt wird, wenn dieses aktiv geschieht. Persönlich würde ich die zweite Variante bevorzugen, weil sie dem heutigen Gesellschaftskonsens eher entspricht. Was meinst du dazu?"

    "Eine gute Frage," sagte ich, ohne nachzulesen. Ich hatte meinen Kommentar noch vollständig im Kopf.


    "Die Ehe erwähne ich explizit in Sectio VI, Absatz VII, in Form der Coemptio, sowie in Sectio VIII, Absätze V und VI in Form der Usucaptio und in Sectio X, Absatz VI. Hierbei handelt es sich, wie von dir richtig erkannt, ausschließlich um Formen der Ehe cum manu. Wie du ebenfalls richtig behauptest, ist die Ehe cum manu heutzutage zunehmend unüblich, während die Ehe sine manu die Norm darstellt. Irrig ist meines Erachtens aber die Annahme, dass die Mancipatio bei einer Ehe sine manu vollkommen unnötig sei. Hier ist zu beachten, dass ohne Emancipatio die Ehefrau streng genommen noch immer in der Patria Potestas ihres Pater Familias verbleibt. Entsprechend könnte dann auch der Pater Familias seine Tochter jederzeit zurückholen und neu verheiraten, so er es denn wünscht. Denn der diesbezügliche Mos Maiorum wurde durch die Lex XII Tabularum grundsätzlich bestätigt und bis heute nicht wirksam aufgehoben. Auch die Lex Iulia et Papia gibt, bei allen Erleichterungen einer Eheschließung, grundsätzlich nicht die Patria Potestas des Pater Familias auf. Sie erzwingt vielmehr in bestimmten Fällen eine Einwilligung zur Ehe. Ein Widerruf wird jedoch nicht wirksam ausgeschlossen, was auch daran liegt, dass der Zweck der Lex Iulia et Papia nicht in einer bestimmten Ehe liegt, sondern lediglich darin, dass überhaupt irgend eine Ehe zu schließen ist. Es ist hier, wie im Kommentar erwähnt, zwischen den rechtlichen Wirkungen der Ehe und der Übergabe der Herrschaftsrechte, also der Patria Potestas, in Form der Mancipatio oder auf andere Art zu unterscheiden. Aber ich schweife ab."


    Ich nahm einen Schluck verdünnten Wein, was mir die Gelegenheit gab, meine Gedanken zu sortieren.


    "Eine Mancipatio oder Fiktion einer Mancipatio durch Usucaptio kann also weiterhin sinnvoll sein, selbst wenn die Ehefrau nicht in die Potestas des Ehemanns übergeht, um sie von ihrem Vater zu emanzipieren. Sui iuris kann sie dann auch durch eine Cessio ihres Ehemanns werden. Diese Cessio kann ebenfalls legal fingiert werden, indem aus konkludenten Verhalten des Ehemanns auf dessen Emanzipationswillen geschlossen werden kann. Als Folge dieser Gedanken meinerseits, die nicht zwingend geteilt werden müssen, ist die Mancipatio meiner Meinung nach auch bei einer Ehe sine manu nicht völlig unnötig. Jedoch habe ich diese Gedanken nicht im Kommentar geäußert, weil dieser vor allem die Grundlagen der Mancipatio aufzeigen sollte und Ehegesetze sehr viel spezieller zu betrachten sind. Um eine Verwirrung des Lesers zu vermeiden, verzichtete ich. In einem Kommentar zum Eherecht, welchen ich irgendwann zu verfassen gedenke, werde ich diese Fragestellungen aber genauer erörtern. Konnte ich deine Frage beantworten?"

    "Ich danke für das Lob, Senator. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob die Materie wirklich so komplex ist. Es ist schließlich mein erster Kommentar, deshalb wagte ich mich nicht an ein schwierigeres Thema. Mir fiel lediglich auf, dass es noch keinen umfassenden Kommentar zur Mancipatio gab, deshalb nahm ich mich dessen an."


    Nun gut, das schwierigere Thema war wohl eher das Eherecht, vor allem wenn es sich um die Ehevorschriften für patrizische Senatoren handelte. Dort waren ja gleich zwei Spezialgesetze verwirklicht.


    "Außerdem erschien es mir ein guter Einstiegskommentar zu sein, um darauf aufbauend Gesetze zur Ehe, zum Sachenrecht, zum Erbrecht und zur Emancipatio zu verfassen, sobald ich hierzu die Zeit finde."

    "Nun, dein Vater hat dir ein deutlich größeres Vermächtnis hinterlassen als meiner mir hinterließ. Und, ehrlicherweise, bin ich ein wenig neidisch, dass dein Weg so klar vorgezeichnet ist. Meiner ist es nicht. Doch vertraue ich da ganz auf die Götter, dass mir mein Weg irgendwann offenbar wird. Minerva hat sich mir gegenüber bisher stets großzügig gezeigt."


    Ich nahm einen Schluck verdünnten Wein. Das war ein ziemlich guter Tropfen.


    "Komplizierte Gedanken sind nicht immer schädlich. Man muss sie nur so ordnen, dass die Adressaten sie verstehen. Gegenüber Juristen magst du kompliziert sprechen, das sollte unschädlich sein. Gegenüber Philosophen ist dies auch nur höchst selten schädlich, wenngleich man dir deine Komplexität als unnötig vorwerfen mag. Das Volk hingegen mag es eher einfach. So lange alles klar und logisch aufgebaut ist, genügt es aber für fast jedes halbwegs gebildete Publikum."

    "Oh, Minerva sei Dank!" erwiderte ich mit ehrlicher Dankbarkeit auf die Aufforderung, die Floskeln beiseite zu schieben. "Ich habe das nie allzu lange durchgehalten."


    Ich lehnte mich vor und betrachtete die Gläser einen Moment genauer. "Interessant. Der Färbung nach tippe ich auf Sizilien oder westlich von Alexandreia."


    Natürlich war das nicht der Sinn eines Glases, über seine Beschaffenheit zu sinnieren. Zumindest nicht hier und jetzt. Während ich sehr wenig Wein in mein Glas füllte und diesen mit viel Wasser verdünnte, erklärte ich mich. "Eigentlich studierte ich Philosophie, und für die längere Zeit meines Studiums die Philosophie der Natur. Dabei lernte ich, dass man aus der Farbe des Glases auf seine Herkunft schließen kann. Daher meine Neugierde. Erst später kamen meine Interessen zur Theorie der Staaten und Gesellschaft und dadurch zu den Gesetzen. Falls du mich fragst, war das durchaus vorteilhaft."


    Ich nahm meinen Becher und setzte mich wieder aufrecht hin.


    "Mein Vater hingegen sah das gänzlich anders. Allerdings hatte er auch keine Gelegenheit, mich als Juristen zu erleben. Vielleicht hast du von ihm gehört. Lucius Iunius Varus. Er hatte einen recht guten Ruf als Jurist."


    Dass er vor allem immer wieder die Gens Aurelia vertrat, erwähnte ich nicht. Wenn sein Name wirklich so bekannt war, wie meine Verwandten behauptet hatten, würde das der Senator ohnehin wissen. Am Museion kannte man ihn jedenfalls nicht. Vielleicht lag es ja daran, dass er nie ein Buch verfasst hatte.

    "Ich danke dir für deine Einladung, Senator," antwortete ich höflich und warf kurz einen Blick auf den Sessel, bevor ich mich darin niederließ. Hierbei gab ich mir Mühe, meine Toga nicht allzu sehr aus der Form zu bringen oder zu verknittern.


    "Du hast ein schönes Haus, sowohl architektonisch, als auch von der Einrichtung her. Bereits der Türklopfer ist eine hervorragende Handwerksarbeit, und auch diese Möbel sind zweifelsohne echte Handwerkskunst."


    Das leichte Gespräch, die hohe Kunst der zivilisierten und doch nur wenige Erkenntnisse generierenden Austauschs. Tatsächlich war das nie meine Stärke gewesen. Viel lieber war ich in der harten, aber auf den Erkenntnisgewinn gerichteten Diskussion. Geradeheraus, ohne unnötige Floskeln. Aber die Welt war nicht so, wie in einem Kolloquium am Museion. Die Welt war durchsetzt von Floskeln und oberflächlichen Nettigkeiten. Bedauerlicherweise machte das sogar Sinn. Denn wie sonst sollte man die Grenze kennen, die besser nicht überschritten würde? Nicht jeder Mensch war fähig, schonungslose Kritik zu ertragen. Und nicht jeder nahm es sportlich, in einer Diskussion in die Ecke gedrängt zu werden. Damit also niemand sein Gesicht verlor oder eine Diskussion eskalierte, war eben diese zivilisierte Form des leichten Gesprächs erfunden worden. So konnte man sich kennenlernen, ohne gleich in eine erbitterte Diskussion zu verfallen.


    Meine Gedanken ließ ich mir nicht anmerken, sondern ließ meinen Blick mit einem kaum sichtbaren Lächeln durch den Raum schweifen.

    So, wie es zwei Tage zuvor besprochen wurde, war ich der Einladung des Senators Lucius Annaeus Florus Minor gefolgt und fand mich nun erneut vor der Porta ein. Ich war in eine weiße Tunika, eine Toga in der natürlichen Farbe der Wolle, sowie meine besten Calcei gekleidet. Meine Haare waren ordentlichst hergerichtet und mein Bart sauber gestutzt. Zur Verteidigung eines Mandanten vor Gericht hätte ich mich vermutlich ebenso herausgeputzt.


    Die Porta war nun natürlich verschlossen, so dass ich den Klopfer, der die Form eines Pferdekopfes hatte, ergriff. Ich betrachtete kurz die hervorragende Handwerksarbeit, bevor ich sie zum Klopfen verwendete. Dann trat ich einen Schritt zurück.