Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    "Ja, so habe ich den Praetor auch kennengelernt. Er erfüllt seine Aufgabe wirklich gut. Ich denke, das wird bei dir nicht anders sein."


    An meinem Tonfall war erkennbar, dass ich hier kein Kompliment machte, sondern schlichte Fakten von mir gegeben hatte.


    "Das sind gute Neuigkeiten für Rom. Und natürlich auch für dich, wobei ich mir die Leitung einer Baustelle auch recht spannend vorstelle. Vor allem bei einer so großen Baustelle. Die Theorie kenne ich natürlich, aber in der Praxis wäre das schon interessant. Nicht dauerhaft, aber einmal zum Abgleich von Theorie und Praxis. Die normale Arbeit eines Curator Aquarum ist vermutlich auch anspruchsvoll. Und eine verantwortungsvolle Position. Quiriten reagieren doch eher ungehalten, wenn ihre Wasserversorgung nicht funktioniert. Doch bisher kann zumindest ich mich nicht beschweren. Du machst also entweder etwas richtig oder zumindest nichts so gravierend falsch, dass ich es bemerken würde."


    Grinsend zuckte ich mit den Schultern.


    "Eigentlich ist es auch irrelevant, so lange mein Wasseranschluss funktioniert."

    "Danke der Nachfrage, Patrone. Die Geschäfte, wenn man es denn so nennen will, laufen gut. Oder sagen wir es so: Ich habe jetzt so ziemlich jedes verfügbare Mandat angenommen. So habe ich mir einen Namen gemacht. Und natürlich dadurch, dass ich die große Mehrheit meiner Fälle gewinne. Leider hat dadurch meine Arbeit an Kommentaren gelitten. Doch nun lasse ich es wieder etwas ruhiger angehen. Die größeren Fälle melden sich inzwischen bei mir. Außerdem glaube ich, dass der Praetor Urbanus ganz froh ist, mich nicht mehrmals täglich zu sehen."


    Ich grinste.


    "Gestern grüßte er mich bei meiner zweiten Verhandlung jedenfalls mit den Worten 'Oh nein, du schon wieder!' Allerdings lächelte er dabei. Übrigens soll ich dich vom Praetor grüßen. Er freut sich, das Amt an dich übergeben zu können."


    Damit hatte ich auch das erledigt. Wenn einen ein Prätor schon einmal um etwas bat, erfüllte man es natürlich auch.


    "Und natürlich habe ich noch den Fall, den ich für Titus Aurelius Romanus bearbeite. Aber auch dort ist es aktuell zumindest für mich etwas ruhiger geworden."


    So viel wollte ich eigentlich gar nicht reden.


    "Und wie sieht es bei dir aus, Patrone? Ich hoffe, dass du wenigstens ein wenig Ruhe vor dem Sturm hast, zwischen Wahlkampf und Amtsantritt."

    In letzter Zeit war ich stets recht kurz angebunden bei den Salutationes, da ich reich mit Mandanten gesegnet war. Falls man denn von "Segen" sprechen konnte. Viele Fälle waren ziemlich langweilig und die Mandanten zugleich sehr fordernd, man könnte auch sagen ziemlich impertinent, doch gehörte das zum Dasein eines Advocatus dazu. Zumindest war ich zunehmend gefragt, was ich einerseits auf meinen Kommentar, andererseits aber auch auf meine Erfolgsbilanz in der Basilica Ulpia zurückführte. Doch heute hatte ich mir den gesamten Tag frei gehalten. So mein Patron ein längeres Gespräch führen sollte, war ich also diesmal durchaus dazu bereit.


    Ich wartete geduldig in der Schlange, bis mich Ursus zu seinem Herrn vorließ.

    Ich stand auf und reichte beiden die Hand.


    "Gut, dann wäre dieses Geschäft rechtsgültig."


    Dann geleitete ich sie zur Porta und verabschiedete mich, wobei ich ihnen Fortunas Segen bei der Suche wünschte.

    Ich nickte und füllte die Münzen wieder in den Beutel zurück, den ich daraufhin den Männern reichte.


    "Dann wäre mein Teil des Geschäfts erledigt. Sobald ihr Informationen habt, solltet ihr diese unverzüglich mit mir teilen. Wenn ihr Galeo Curtius Collantinus gefunden habt, könnt ihr ihn jederzeit in dieses Haus bringen. Ich werde mich dann um die nötige Gastfreundschaft kümmern und meinen Mandanten informieren."


    Während ich noch einmal auf den Wein deutete, sprach ich.


    "Möchtet ihr noch Wein?"

    Ich nahm einen Schluck. Kurz darauf kam ein weiterer Sklave mit einem Beutel herein. Er stellte diesen klimpernd auf den Tisch, der mir am nächsten stand.


    "Danke, du kannst dich entfernen."


    Der Sklave nickte kurz und ging, während der Sklave, der für die Bewirtung zuständig war, selbstverständlich blieb.


    Ich ging zu dem Tisch und stellte meinen Glasbecher ab. Den Beutel entleerte ich auf den Tisch, wobei sich etliche goldene Münzen ergossen. Konzentriert ordnete ich diese zu Stapeln zu je zehn Aurei. Ich hatte genau sechs Stapel vor mir und machte einen Schritt zurück, wobei ich auf den Tisch deutete.


    "Möchtet ihr zur Sicherheit noch einmal nachzählen? Auch wenn ich mich noch nie verzählt habe, bin ich doch auch nicht unfehlbar."


    Natürlich verzählte ich mich nicht, aber so konnte ich ihnen die Möglichkeit geben, selbst nachzuzählen, ohne dass es als Misstrauen erschien.

    Ein Sklave brachte ein bronzenes Tablett mit zwei gläsernen Karaffen, einer mit Wein und einer mit Wasser, sowie drei Glasbechern, herein und stellte es auf einem Tisch ab. Dann brachte er jedem der Anwesenden einen Becher und goss Wein und Wasser ein. Ich hatte mich für einen sehr guten Rotwein entschieden.


    Ich hob meinen Becher ein wenig an.


    "Auf eine erfolgreiche Suche."

    Ich nahm den Becher entgegen und betrachtete den darin befindlichen Aufguss. Der Geruch war auf jeden Fall nicht abstoßend. Allerdings entschied ich, es noch etwas abkühlen zu lassen.


    "Nun, leider haben uns unsere Vorfahren nicht den Gefallen getan, uns ihre Gedanken zur Mancipatio zu überliefern. Allerdings frage ich mich, da sie älter als die Zwölf Tafeln zu sein scheint, ob unsere Vorfahren damals überhaupt schon etwas schriftlich festgehalten hatten. Denn auch die Schrift muss zuerst einmal entwickelt werden. Wie bei jeder Entwicklung, bedarf es dazu der Notwendigkeit, des Nutzens, oder der Zeit und Gelegenheit. Wobei wir dann bei der Spekulation wären, was die Altvorderen wann gemacht haben. Und die ist ohne schriftliche Aufzeichnungen noch unsicherer als die Spekulation, was sie gemeint haben."


    Ich grinste kurz und nahm ich einen Schluck Tschai. Das Gebräu war bitter, aber doch irgendwie lecker. Faszinierend.


    "Abseits aller Spekulation kann ich natürlich froh sein, dass unsere Vorfahren uns ihre Gedanken zur Mancipatio nicht hinterlassen haben. Sonst hätte ich keinen Kommentar dazu schreiben können."

    Ich nahm ebenfalls Platz.


    "So lange wir auf den Wein warten, können wir die Zeit sinnvoll nutzen. Euch fehlt noch eine Beschreibung der gesuchten Person. Der Mann heißt Galeo Curtius Collantinus. Er ist mittelgroß, mit kurzem weißen Haar und einem ebenso weißen Bart. Wenngleich er aus Massilia stammt, spricht er mit Sicherheit keinen lokalen Dialekt."


    Dessen war ich mir auf Grund Coiras Lateinkenntnissen sicher.


    "Ihr könntet nun zu Recht einwenden, dass diese Beschreibung auf ziemlich viele ältere Römer zutrifft. Doch zwei Dinge, die zu einer deutlichen Einschränkung des Personenkreises führen sollten. Er trägt ein Amulett in Form eines Radkreuzes. Das sollte nur auf sehr wenige Bürger zutreffen. Und er sucht selbst jemanden. Seine Tochter. Obwohl er sicher vorsichtig ist und sie als seine Schülerin bezeichnen wird. Sie ist eine junge Frau, eher klein, mit blauen Augen und braunen Haaren."


    Bevor hier wieder seltsame Vermutungen aufkamen, sprach ich weiter.


    "Keine Sorge, sie ist in Sicherheit und es geht ihr gut. Mein Mandant beschützt sie, so gut er kann."

    Ich betrat die Bibliothek mit den beiden Kreuzweg-Brüdern und räumte ein paar Schriftrollen weg, so dass jeder einen freien Sitzplatz hatte. Natürlich war die Toga etwas unpraktisch für solche Tätigkeiten, aber das kümmerte mich wenig. Kurz zog ich meine Toga wieder zurecht und deutete auf die freien Stühle.


    "Bitte, setzt euch. Es wird noch etwas Wein gebracht. Man soll ja nicht behaupten, dass ich meine Geschäftspartner nicht angemessen bewirte. Das Geld wird auch abgezählt und gebracht werden."

    "Ja, der bin ich."


    Ich lächelte stolz. Der Name meines Gesprächspartners kam mir bekannt vor und ich schloss kurz die Augen, um mich zu konzentrieren. Dann fiel es mir ein.


    "Und du bist nicht rein zufällig der Tiberius Valerius Flaccus, der die wirklich hervorragend verständlich geschriebene Einführung in das römische Recht verfasst hat?"

    Das Wort kannte ich nicht, also versuchte ich, den Wortklang einzuordnen.


    "Tschai? Nie gehört. Ist das ein indisches Wort?"


    Auf die Frage, ob man mich gesehen hatte, überlegte ich kurz. Ganz unbekannt kam mir das Gesicht zwar nicht vor, doch verband ich auch keine mir bekannte Person mit dem Fremden.


    "Nun, ich kann mich auch nicht entsinnen, dir jemals vorgestellt worden zu sein. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit durchaus gegeben, dass du mich schon einmal gesehen hast. Am wahrscheinlichsten in der Basilica Ulpia, da ich gerade dabei bin, mir einen Namen als Advocatus zu machen. Aulus Iunius Tacitus."


    Ich streckte höflich lächelnd meine Hand aus.

    Ich hatte den Tag fast komplett in der Basilica Ulpia verbracht. Drei Prozesse an einem Tag, zwei gewonnen, einen verloren. Keine schlechte Bilanz, aber auch keine perfekte Bilanz. Die erfolgreich vertretenen Mandanten hatten mir ein recht gutes Honorar gewährt. Nun wollte ich mich ausnahmsweise nicht den Rest des Tages mit dem Studium juristischer Fachliteratur oder dem Verfassen derselben beschäftigen. Mein Studienfreund aus Alexandria, Quintus Betucius Firmus, hatte mir irgendwann einmal diese Taberna empfohlen. Vom Ambiente her fühlte ich mich fast wieder wie in Alexandria. Außer, dass ich hier, so wie es sich für einen Advocatus, der gerade vom Gericht kam, gehörte, die Toga trug, während ich in Ägypten fast immer auf meine Toga verzichtete.


    Da ich niemanden kannte, ging ich erst einmal zum Wirt und bestellte einen Becher attischen Wein. Während ich wartete, sah ich in den Becher des müde aussehenden Gastes neben mir. So etwas hatte ich noch nicht gesehen.


    "Salve, ich möchte nicht stören, aber was trinkst du da?"

    Ich rechnete kurz im Kopf, welches Angebot ich unterbreiten würde. Ich hatte sechs Repräsentanten gezählt, also ging ich davon aus, dass es sechs Bruderschaften gab. Weiterhin nahm ich an, dass vielleicht 10-15 Männer je Bruderschaft Augen und Ohren offenhalten würden. Bei einem Denar je Person kam ich auf 90 Denare täglich, was drei Aurei und 15 Denare waren.


    "Nun, dann werde ich das Angebot doch einmal konkretisieren. Grob abgeschätzt wäre ich bei 3 Aurei und 15 Denaren täglich, in Summe für alle Bruderschaften. Nun sind mein Mandant und ich großzügig, weshalb ich jeder Bruderschaft einen Aureus pro Tag bieten kann. Das wären dann 6 Aurei je Tag. Um unnötigen Aufwand zu vermeiden, schlage ich vor, eine zehntägige Suche zu bezahlen. Das bedeutet, dass alle Bruderschaften gemeinsam und in Summe 60 Aurei, also 1500 Denare, erhalten, um bis zu zehn Tage lang Augen und Ohren offen zu halten. Findet ihr den Gesuchten schneller, habt ihr einen guten Schnitt gemacht. Die 60 Aurei gehören euch, selbst wenn ihr bereits morgen erfolgreich seid. Außerdem gibt es noch 3 Aurei als Bonus für die Bruderschaft, die den Gesuchten findet. Sind das akzeptable Konditionen?"


    Natürlich war das eine enorme Summe, allerdings ging ich davon aus, dass mein Mandant diese Summe problemlos in ein bis zwei Wochen wieder erwirtschaften würde. Der Reichtum der Patrizier war allgemein bekannt. Ich hoffte, dass wir uns hier nicht in unnötigem Geschacher verlieren würden, sondern schnell zu einem Abschluss kämen. Ich war mir auch relativ sicher, dass die Kreuzweg-Bruderschaft solche Summen nur selten angeboten bekamen.

    Ein Sklave der Iunier brachte einen Brief.


    "Salve. Mein Herr Aulus Iunius Tacitus möchte diesen Brief nach Mogontiacum, Germanien, versenden."


    Dann legte er den Brief und den Betrag für die Beförderung etwas unsicher auf den Tisch.


    Ad

    Sisenna Iunius Scato

    Domus Iunia

    Mogontiacum

    Provincia Germania Superior


    De

    Aulus Iunius Tacitus

    Domus Iunia

    Roma


    Salve, Cousin Scato,


    ich hätte wahrscheinlich schon eher schreiben sollen, doch wurde ich nach meiner Ankunft in Roma unmittelbar okkupiert.


    Jedoch sollte ich zunächst mit den relevanten Informationen anfangen. Wir hatten ja eher spärlich Kontakt, so dass ich davon ausgehe, dass dir von meinen nahen Verwandten nicht mitgeteilt wurde, dass ich meine Studien in Alexandria beendet habe. Zehn Jahre sollten auch genügen. Deshalb hatte ich mich auf den Weg zurück nach Rom gemacht. Entsprechend habe ich mich im Domus Iunia in Roma einquartiert. Ich denke, dass du damit kein Problem hast.


    Kaum in Roma angekommen, hat mich ein Mandant meines Vaters kontaktiert. Er suchte einen Juristen für einen zugegebenermaßen recht komplizierten Fall. Ich denke, dass ich einer Lösung recht nahe bin, allerdings werde ich dich nicht mit Details langweilen. Auch wenn mein letzter Brief aus Alexandria an dich ein paar Jahre her ist, weißt du, dass ich nie gedacht hätte, einmal in die Fußstapfen meines Vaters als Jurist zu treten. Nun bin ich genau das geworden. Und, wie es scheint, bin ich darin ziemlich gut. Das zeigt nicht nur mein aktuelles Mandat, sondern auch die Tatsache, dass mein erster verfasster Kommentar direkt in die Bibliothek der Basilica Ulpia aufgenommen wurde. Damit hätte ich nicht gerechnet, aber es ist auf jeden Fall ein guter Start einer Karriere als Jurist in Roma.


    Im Gegensatz zu meinem Vater habe ich mir auch einen Patron gesucht und mit dem Senator Lucius Annaeus Florus Minor eine meines Erachtens sehr gute Wahl getroffen. Er wurde erst kürzlich zum Praetor gewählt, was meiner Juristenkarriere sicher auch nutzen wird.


    Meine Mutter scheint mit meiner Schwester nach Germania Inferior unterwegs zu sein, wo Matidia ihren Verlobten in Colonia Claudia Ara Agrippinensium heiraten wird. Vielleicht sind sie ja durch Mogontiacum gereist und du hast sie getroffen. Falls sie noch da sind, grüße beide bitte recht herzlich von mir.


    Du solltest jetzt, was mich betrifft, auf dem neuesten Stand sein. Ich hoffe, dass es dir gut geht und dein Dienst nicht allzu hart ist. Was macht überhaupt ein Prätorianer in Germania Superior? Wobei ich nicht weiß, ob du mir das überhaupt mitteilen darfst. Falls nicht, ignoriere diese Frage.


    Vale bene


    Aulus Iunius Tacitus

    "Es freut mich, dass ihr den Auftrag annehmt. Wollen wir zuerst das Finanzielle regeln? Da ich eure Preise nicht kenne und auch nur wenig Freude am raten habe, werde ich ganz geradeheraus sein. Was kostet ein Tag?"


    Ich hatte zwar freie Hand bei der Bezahlung und Aurelius Romanus hatte klar gemacht, dass Geld keine Rolle spielte. Dennoch musste ich ja nicht mehr ausgeben, als nötig war.


    "Bedenkt bitte, dass ich zwar durchaus großzügig bin, aber die Summe auch gegenüber der Person, die ich in dem Fall vertrete, rechtfertigen muss. Wobei ich diese selbstverständlich bereits darauf hingewiesen habe, dass wir hier sicher über eine größere Summe sprechen. Also seid bitte realistisch, wobei euch ein guter Lohn für eure Mühen durchaus gegönnt sein soll."