Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Ich hoffe auch das die Reha mir gut tut und vor allem, das die da einsehen das fast 40 Jahre in der Pflege reicht und ich vorzeitig in Rente gehen kann.

    Du hast meinen allergrößten Respekt. Schon, weil ich selbst überhaupt nicht als Pflegekraft geeignet bin. Ich frage mich immer, wie man das schafft. Ich drücke Dir die Daumen, dass die Reha erfolgreich ist. Und dass es mit der vorzeitigen Rente klappt.

    Auch ich hatte den Hund zu spät bemerkt und sah die Toga davonlaufen, während ich regungslos angesehen hatte, wie der Mann die Wäschehaufen sortierte. "Deine Logik ist einwandfrei," beschied ich ihm.


    Als die Toga zurückgebracht wurde, warf ich einen Blick darauf. Die sah nicht so aus, als könne man sie noch für offizielle Anlässe verwenden. Das würde der Jugendlichen sicher Ärger einbringen.


    "Ich weiß ja nicht, was der Eigentümer der Toga sagen wird, wenn er die sieht. Aber ich gehe nicht davon aus, dass man die so zurückgeben kann. Ich gehe auch nicht davon aus, dass man die so flicken kann, dass es nicht auffällt. Solltest du deshalb jemanden benötigen, der eine Aussage zum Geschehen macht, so stehe ich zur Verfügung. Der Tatbestand einer Sachbeschädigung ist meines Erachtens nicht erfüllt, ebenso wenig ein Anspruch auf Ersatz des Schadens, aber bei Letzterem mag ich mich irren."


    Zumindest nach den Gesetzen, mit denen ich mich am Museion zwecks der philosophischen Grundlagen der Gesetze, will sagen den Prinzipien von deren Auslegung aus philosophischen Gesichtspunkten, beschäftigte, wäre meine Aussage korrekt. Vielleicht sollte ich zur Sicherheit die aktuell in Rom geltenden Gesetze lesen. Das wäre generell sicher nicht verkehrt.

    Ich war auf einem Spaziergang unterwegs, um meine Heimatstadt nach der langen Abwesenheit wieder besser kennenzulernen. Diesmal ohne den Sklaven Terpander. Irgendwie würde ich schon nach Hause finden, davon war ich überzeugt. Über meiner Tunika hatte ich die Toga angelegt, weil ich eventuell auch einen Abstecher in einen Tempel machen wollte.


    Auf dem Forum Boarium angekommen beobachtete ich, wie eine Jugendliche Hunde verscheuchte, die anscheinend die Säcke mit Wäsche beschädigt hatten. Die Wäsche war nun auf dem Boden verteilt. Sie sah verzweifelt aus, also beschloss ich, zu helfen. "Ich würde es mit Logik versuchen."

    Die Aussage zu Seius Stilo bestätigte mich in meinem Entschluss, diesen zeitnah einzuladen. Auch wenn ich selbst es bevorzugte, möglichst wenig Wein zu trinken.


    Die Nachfrage zur Philosophie beantwortete ich so, wie mein aktueller Stand der Erkenntnis es zuließ. "So, wie ich es sehe, sind unsere Gedanken nur eine Folge dieses Flusses. Vielleicht vermögen wir, sie ein wenig in Richtung des einen oder anderen Ufers zu lenken, doch letztlich werden wir mit dem Fluss weitergetrieben."


    Die Aussagen zu meiner Gens schockierten mich, auch wenn ich es mir nicht anmerken ließ. Die Frage zu meiner Vorstellung von meinem künftigen Privatleben konnte ich dafür sehr leicht beantworten. "So es in meiner Macht liegt, werde ich eine standesgemäße Ehefrau haben, bevorzugt hübsch und gebildet, und mit ihr Kinder zeugen. Später werde ich meine Kinder in Philosophie unterweisen und mich daran erfreuen, wenn sie es mir gleich tun und am Museion lernen. Und ich werde weiterhin forschen und Bücher schreiben. Vielleicht auch zusammen mit meinen Kindern."


    Terpanders Fragen zum Bad quittierte ich mit einem zufriedenen Lächeln. "Ich sehe, du verstehst mich, Terpander."

    Momentan lese ich - wenn auch nur hin und wieder ein paar Seiten - Post Captain von Patrick O'Brian. Ich muss ja schließlich wissen, wie die Karriere von Jack Aubrey weitergeht. Master and Commander hat mir gefallen, deshalb werde ich die Serie komplett lesen.

    Ich musste leicht schmunzeln, als Terpander kurz erwähnte, dass er seinen Schülern nicht die Grammatik der Koine nahe bringen konnte. Ich erinnerte mich noch lebhaft daran, wie erbärmlich meine Koine war, als ich in Alexandria ankam. Erst in den Diskussionen, wo auch gerne einmal mangelnde Grammatikkentnisse des Gegenübers als Angriffspunkt aufgenommen wurden, hatte sich meine Sprache wirklich verfeinert. Vielleicht hatte mir auch das Studium weiterer Sprachen ein wenig geholfen, mein Sprachgefühl zu verbessern.


    Terpanders Fragen gefielen mir. Sie erinnerten mich an die Fragen und Diskussionen, die ich im Museion hatte. So dozierte ich, natürlich in Koine. "Ein jeder würde gerne seinen Weg bestimmen, doch ist es zwecklos, das zu versuchen. Denn wir sind nur sehr bedingt Herren unseres Weges. Auch der Stand sagt wenig aus. Es sind letztlich die Götter, doch anders, als wir uns das vielleicht denken. Der göttliche logos, wenn man so will, hat die Grundlagen gelegt. Die Natur ist, wie sie ist. Die Menschen sind, wie sie sind. Das ist die Basis der Eigenschaften, die dem logos entspringen. Doch alles interagiert mit allem, und so entsteht unser Weg. Am Ende fügt sich alles so, wie es die Götter wollten." Ich machte eine kurze rhetorische Pause. "Vielleicht nehmen wir ein anschauliches Beispiel. Das Wesen des Wassers ist es, flüssig zu sein und zu fließen. Das Wesen der Atome ist es, unteilbar zu sein und nach unten zu streben. Also müsste doch alles Wasser in den Senken sein, und okeanos genannt werden. Doch unter der Hitze der Sonne steigt das Wasser nach oben. Die Hitze zwingt es auf einen anderen Weg, als den, der seinem Wesen entspricht. Dann sammelt es sich in Wolken, Wasseratome verbinden sich zu Tropfen. Doch während das einzelne Atom leicht ist, ist der Tropfen deutlich schwerer. Es regnet. Der Tropfen fällt zu Boden. Dort verbindet er sich mit weiteren Tropfen zu einem Bach. Der Bach fließt nach unten, deshalb strebt er zum Meer. Aus Bächen werden Flüsse. Und schließlich landen sie im okeanos. Doch wenn sie nicht fließen könnten, dann würden sie nie den Weg zu ihrer Bestimmung finden. Es ist die Fähigkeit des Fließens, die sie ihren Weg zurücklegen lässt. Und auf ihrem Weg bringen sie Nutzen. Die Pflanzen erhalten Feuchtigkeit, die Schiffe Wege, die Menschen Freude. Dadurch, dass das Wasser seinen Weg fließt, stiftet es der Welt Nutzen. Wir sehen das Ergebnis. Doch hat jedes Ergebnis einen Grund, eine Ursache. Und jede Ursache ist das Ergebnis einer vorangegangenen Ursache. Folgt man dieser Kette von Ursachen konsequent weiter, bis es keine weitere Ursache mehr gibt, hat man den Ursprung gefunden. Dieser Ursprung ist der göttliche logos. Leider genügt unser Leben nicht, um einmal die ganze Kette zu analysieren. Doch können wir uns immerhin dem logos annähern, indem wir die Summe der wissenschaftlichen Erkenntnisse betrachten."


    Die Nachrichten über meine Verwandtschaft machten mich nachdenklich. Die große Gens Iunia schien nicht mehr allzu groß zu sein. "Ich werde auf jeden Fall einen Brief nach Kappadokien schreiben und auch Sisenna Seius Stilo auf einen Wein hierher einladen. Es lohnt sich immer, die Familienbande zu stärken. Ich war viel zu lange fort und habe viel zu wenig mit meinen Verwandten korrespondiert. Vielleicht kann Seius Stilo mir auch Ratschläge geben, wer sich als Patron eignen würde."


    Als Terpander meine Toga einräumen wollte, unterbrach ich ihn. "Halt, die Toga kann ins Bad. Sie sollte sauber sein und ich gedenke, sie bei meinem Weg durch Rom zu tragen."


    "Das Bad soll übrigens nicht ausführlich ausfallen, sondern vor allem der Sammlung meiner Gedanken und der Reinigung meines Körpers dienen. Danach ein wenig Brot mit Olivenöl zur Stärkung und dann sollten wir uns Rom ansehen." Ich goss mir etwas Wasser in das Glas und gab nur einen kleinen Schluck Wein dazu. Nachdem ich einem Schluck getrunken hatte sagte ich "Posca zum Brot wäre nicht verkehrt."

    "Ich danke dir, der Raum hat alles, was notwendig ist." Ich sprach Koine - akzentfreies Koine - mit Terpander, da er ja selbst gesagt hatte, dass er Griechisch unterrichtet hatte. "Doch noch einmal zurück zu unserem Gespräch im Atrium. Was ich mit einem ethischen Lebenswandel meinte, hast du gefragt. Ich will es dir gerne beantworten. Ein jeder von uns dient. Das Schicksal, wenn man es denn so nennen will, hat jedem von uns einen Weg zugewiesen. Keinen Platz, sondern einen Weg, denn ein Platz wäre statisch. Wir sollten diesen Weg gehen, ohne uns zu beklagen. Und wir sollten unsere Pflicht tun. Immer. Emotionen sollten wir für uns behalten, unsere animalische Seite im Zaum halten und uns der reinen Logik zuwenden. Doch vor allem sollten wir all unser Tun in den Dienst der Zivilisation stellen. Deshalb bin ich auch zurückgekehrt. Ich habe viel Wissen gesammelt, nun sollte ich es in den Dienst der Zivilisation stellen und anwenden. Auch wenn ich für mein Leben gerne in Alexandria weiterstudiert hätte. Dort zu bleiben, wäre selbstsüchtig gewesen. Hier, in meiner Heimat, sollte ich mein Wissen einbringen. Wo auch immer es am meisten Nutzen bringt. Die Armee wäre der falsche Ort, denn ich bin ein schlechter Kämpfer. Meine Waffe ist mein Verstand. Also werde ich versuchen, mein Wissen zivil einzubringen. Ob es als Zuarbeiter im Hintergrund ist oder als Beamter in der Öffentlichkeit, ist dabei gleich. Ich strebe nicht nach Ruhm, sondern danach, nützlich zu sein."


    Da fiel mir noch etwas ein. "Da wir gerade bei nützlicher Lebensweise sind. Iunius Scato ist noch bei den Cohortes Urbanae, richtig? Weilt er in Rom? Oder weilt überhaupt ein Iunier in Rom? Ich habe bisher nur Sklaven in diesem Domus gesehen? Ist jemand verheiratet und hat Kinder?" Natürlich konnte meine Verwandtschaft auch einfach gerade unterwegs sein und später nach Hause kommen. Doch schien es mir schon sehr ungewöhnlich, dass hier nur Sklaven zu sehen waren.

    "Ich werde die Bücher in der Bibliothek unterbringen." Das erschien mir am sinnvollsten zu sein. "Und ein Bad wäre sicher nicht verkehrt. Du kannst die Bücher in die Bibliothek bringen lassen, während ich bade. Einsortieren werde ich sie selber."


    "Nun zu deiner Frage. Alexios ist Platoniker durch und durch. Ich persönlich erachte Platons Ideen grundsätzlich für sinnvoll, auf jeden Fall logisch, halte aber eine Synthese mit den Lehren Zenons von Kithion und Chrysippos von Soloi für besser geeignet, um einen ethisch einwandfreien Lebenswandel zu führen. In der Philosophie der Natur lehne ich die Lehren des Empedokles ab und stehe eher Demokritos nahe. Die Weiterentwicklungen der atomistischen Lehre durch Epikouros unterstütze ich, doch lehne ich seine Ethik ab. Zwar stimme ich in der Ablehnung der Ethik des Epikouros mit Alexios überein, doch ist mein Lehrer ein Anhänger der Lehre von den vier Elementen, welche ich ablehne. Berechtigt, wie ich meine. Wir stimmen aber darin überein, dass die Mathematik des Eukleides von Alexandria wegweisend und in ihrer Klarheit der Definitionen von sehr großem Nutzen ist. Unsere Uneinigkeit in einigen Themengebieten wurde von Alexios immer sehr geschätzt. Ein Philosoph soll eigenständig denken, pflegte er immer zu sagen. Wer nur seinem Lehrer nachplappere, sei der Bezeichnung als Philosoph unwürdig. Diese Meinung trifft auf meine vollste Zustimmung."


    Ich sah ihn an. "Du beschäftigst dich auch mit Philosophie, Terpander?"

    "Ehrlicherweise wünsche ich es mir etwas ruhiger. Ich befasse mich weiterhin mit Philosophie, da hilft manchmal etwas Ruhe." Ich dachte kurz nach, ob ich mitgeteilt hatte, wo ich die letzten zehn Jahre verbracht hatte, konnte dies aber für mich verneinen. Diese Information erschien mir bedeutsam als Argument für die ruhigere Unterkunft, so dass ich sie mitteilte. "Ich habe meine Abwesenheit in Alexandreia am Museion verbracht. Zunächst als Schüler, später als Gehilfe eines Philosophen. Der gute Alexios hatte mir sehr große Freiheiten bei meinen Studien gelassen."


    Ich deutete auf den Sack mit meinen Habseligkeiten. "Wichtiger noch als ein Platz für mich ist aber ein Platz für meine Bücher. Das hat Priorität."


    Rom konnte ich mir später ansehen. Höchste Priorität hatten die Bücher. Sie machten auch den größeren Teil meines Gepäcks aus. Alle 13 Bücher der Elemente des Euklid, dazu noch Schriften von Demokrit und Archimedes. Und, beinahe noch wichtiger, meiner Notizen. Ganz unten im Gepäck waren meine Toga, zwei Tuniken und ein paar Calcei.

    "Ja, das kannst du wahrscheinlich," antwortete ich mit einem höflichen Lächeln, "Ich bin Aulus Iunius Tacitus." Ich blickte auf sein Gepäck. "Wie es aussieht, haben wir beide eine Reise hinter uns. Ich nehme allerdings an, dass dein letzter Aufenthalt hier weniger als zehn Jahre zurückliegt. Ich benötige eine Unterkunft für mich und meine Bücher. Und jemanden, der mir Rom zeigt. Die Stadt hat sich verändert und meine Erinnerung an die Straßen und Wege ist nicht optimal."

    Nach der Porta Portuensis hatte ich mich am Tiber gehalten, bis ich auf die nächste Tiberbrücke traf. Diese führte mich auf das Forum Boarium. Von dort hatte ich mich nach Norden gewendet, mit dem Capitolium zu meiner Rechten und dem Theatrum Marcelli zu meiner Linken. Schließlich hatte ich die Via Flaminia erreicht, der ich bis zum Domus Iunia gefolgt war. Je näher ich dem Ort meiner Kindheit kam, umso mehr erkannte ich die Gegend wieder. Obwohl sich auch einiges geändert hatte. Oder hatte ich es nur anders in Erinnerung, verzerrt durch die kindliche Wahrnehmung und verschwommen durch das Verblassen der Erinnerungen mit der Zeit? Ich wusste es nicht mit Gewissheit zu sagen, doch war ich nun vor einer Porta, die mir nur allzu bekannt war.


    Ich stellte den Sack mit meinem Gepäck ab und klopfe gegen die Tür.

    Ich nickte kurz und sprach, während ich den Sack wieder verschnürte. "Danke, Miles. Möge dein Dienst angenehm sein. Vale bene."


    Ich ging in die Öffnung des Stadttores und hielt kurz inne. 'Dazwischen', dachte ich mir. Noch ein Schritt, und ich wäre in Rom. Und so ging ich weiter, hinein in die Stadt. Wo war nochmal der Collis Quirinalis? Richtig, am anderen Ende der Stadt. Also am besten erstmal zum Capitolium.

    "Salve, Miles. Mein Name ist Aulus Iunius Tacitus." Normalerweise hätte ich jetzt hinzugefügt, dass ich römischer Bürger sei, aber das war hier nicht mehr nötig. In Rom sollte sein Name Hinweis genug auf das Bürgerrecht sein. "Ich kehre zurück von einer langen Reise und freue mich darauf, meine Verwandten wiederzusehen." Ich hoffte, dass die Frage der Wache damit hinreichend beantwortet wurde. Falls nicht, würde er sicher nachfragen.


    Ich öffnete meinen Gepäcksack. Es lagen etliche Schriftrollen obenauf. "Die Bücher habe ich in Alexandria erworben. Du findest hier alle dreizehn Bände der Stoicheia des Euklid, außerdem noch meine Notizen. Weiter unten findest du noch meine Schreibutensilien, Kleidung und ein paar Calcei als Reiseersatz, falls nötig. Soll ich den Sack ausräumen, damit du alles in Augenschein nehmen kannst?" Meine Frage war ehrlich gemeint. Ich wusste um die Bedeutung des Wachdienstes und war gerne bereit, den Dienst der Wache möglichst reibungslos zu gestalten.

    Die Rückreise von Alexandria war unbequemer, als ich es für die Hinreise in Erinnerung hatte. Das ständige Schwanken des Schiffs war wirklich nichts, woran ich Freude finden konnte. Doch nun war ich am Ziel. Nach zehn Jahren des Studiums war ich wieder zu Hause. Endlich wieder in Rom! Gut, streng genommen war ich vor Rom. Ganz genau genommen vielleicht zwischen "vor" und "in" Rom? Ich übte meinen Verstand. Wenn eine Stadtmauer als Grenze zu definieren war, dann war man in der Mauer dazwischen. Noch war ich aber vor der Mauer, also doch noch vor Rom. In Rom wäre ich hinter der Mauer. Dazwischen wäre ich nur im Durchgang des Stadttores. Ich lächelte zufrieden. Das war das Ergebnis.


    Als ich an der Reihe war, wartete ich darauf, dass die Stadtwache das Wort an mich richtete und stellte den Sack mit meinem Gepäck ab.