Ich musste leicht schmunzeln, als Terpander kurz erwähnte, dass er seinen Schülern nicht die Grammatik der Koine nahe bringen konnte. Ich erinnerte mich noch lebhaft daran, wie erbärmlich meine Koine war, als ich in Alexandria ankam. Erst in den Diskussionen, wo auch gerne einmal mangelnde Grammatikkentnisse des Gegenübers als Angriffspunkt aufgenommen wurden, hatte sich meine Sprache wirklich verfeinert. Vielleicht hatte mir auch das Studium weiterer Sprachen ein wenig geholfen, mein Sprachgefühl zu verbessern.
Terpanders Fragen gefielen mir. Sie erinnerten mich an die Fragen und Diskussionen, die ich im Museion hatte. So dozierte ich, natürlich in Koine. "Ein jeder würde gerne seinen Weg bestimmen, doch ist es zwecklos, das zu versuchen. Denn wir sind nur sehr bedingt Herren unseres Weges. Auch der Stand sagt wenig aus. Es sind letztlich die Götter, doch anders, als wir uns das vielleicht denken. Der göttliche logos, wenn man so will, hat die Grundlagen gelegt. Die Natur ist, wie sie ist. Die Menschen sind, wie sie sind. Das ist die Basis der Eigenschaften, die dem logos entspringen. Doch alles interagiert mit allem, und so entsteht unser Weg. Am Ende fügt sich alles so, wie es die Götter wollten." Ich machte eine kurze rhetorische Pause. "Vielleicht nehmen wir ein anschauliches Beispiel. Das Wesen des Wassers ist es, flüssig zu sein und zu fließen. Das Wesen der Atome ist es, unteilbar zu sein und nach unten zu streben. Also müsste doch alles Wasser in den Senken sein, und okeanos genannt werden. Doch unter der Hitze der Sonne steigt das Wasser nach oben. Die Hitze zwingt es auf einen anderen Weg, als den, der seinem Wesen entspricht. Dann sammelt es sich in Wolken, Wasseratome verbinden sich zu Tropfen. Doch während das einzelne Atom leicht ist, ist der Tropfen deutlich schwerer. Es regnet. Der Tropfen fällt zu Boden. Dort verbindet er sich mit weiteren Tropfen zu einem Bach. Der Bach fließt nach unten, deshalb strebt er zum Meer. Aus Bächen werden Flüsse. Und schließlich landen sie im okeanos. Doch wenn sie nicht fließen könnten, dann würden sie nie den Weg zu ihrer Bestimmung finden. Es ist die Fähigkeit des Fließens, die sie ihren Weg zurücklegen lässt. Und auf ihrem Weg bringen sie Nutzen. Die Pflanzen erhalten Feuchtigkeit, die Schiffe Wege, die Menschen Freude. Dadurch, dass das Wasser seinen Weg fließt, stiftet es der Welt Nutzen. Wir sehen das Ergebnis. Doch hat jedes Ergebnis einen Grund, eine Ursache. Und jede Ursache ist das Ergebnis einer vorangegangenen Ursache. Folgt man dieser Kette von Ursachen konsequent weiter, bis es keine weitere Ursache mehr gibt, hat man den Ursprung gefunden. Dieser Ursprung ist der göttliche logos. Leider genügt unser Leben nicht, um einmal die ganze Kette zu analysieren. Doch können wir uns immerhin dem logos annähern, indem wir die Summe der wissenschaftlichen Erkenntnisse betrachten."
Die Nachrichten über meine Verwandtschaft machten mich nachdenklich. Die große Gens Iunia schien nicht mehr allzu groß zu sein. "Ich werde auf jeden Fall einen Brief nach Kappadokien schreiben und auch Sisenna Seius Stilo auf einen Wein hierher einladen. Es lohnt sich immer, die Familienbande zu stärken. Ich war viel zu lange fort und habe viel zu wenig mit meinen Verwandten korrespondiert. Vielleicht kann Seius Stilo mir auch Ratschläge geben, wer sich als Patron eignen würde."
Als Terpander meine Toga einräumen wollte, unterbrach ich ihn. "Halt, die Toga kann ins Bad. Sie sollte sauber sein und ich gedenke, sie bei meinem Weg durch Rom zu tragen."
"Das Bad soll übrigens nicht ausführlich ausfallen, sondern vor allem der Sammlung meiner Gedanken und der Reinigung meines Körpers dienen. Danach ein wenig Brot mit Olivenöl zur Stärkung und dann sollten wir uns Rom ansehen." Ich goss mir etwas Wasser in das Glas und gab nur einen kleinen Schluck Wein dazu. Nachdem ich einem Schluck getrunken hatte sagte ich "Posca zum Brot wäre nicht verkehrt."