Das Getränk, was er mitgebracht hatte, war ihr unbekannt, es schmeckte seltsam bitter, aber sie trank es. Warum auch nicht, denn bisher gab es keinen Grund, Yún zu misstrauen. Allerdings gab es recht bald darauf ein ziemliches Gedränge an der Latrine, und Amytis fragte sich, ob es etwas mit eben diesem unbekannten und ungewohnten Getränk zu tun haben mochte.
Auch Amytis lauschte aufmerksam und nickte dann. Es klang sehr theoretisch für sie, und wenn sie ehrlich war bezweifelte sie, dass da etwas dran war, aber generell stimmte sie zu. Sich gut zu verhalten und Dinge in Ordnung zu bringen, nicht nur, weil man es musste, sondern weil man es für richtig hielt, war sicher nicht verkehrt. Ob ihr Herr die Welt schlechter machte, weil er Sporus und sie oftmals quälte? Oder war dies Teil einer Ordnung? Wie Yún darüber wohl denken würde? Er war ein interessanter Mann, das ließ sich nicht abstreiten, und er hatte viel von der Welt gesehen. Amytis war sich jetzt bereits sicher, dass sie sich nach dieser Zeit hier zurücksehnen würde, und sie nahm sich vor, diese für sie milde Strenge zu genießen und dankbar zu sein. Für Sporus und sie war das hier immerhin wie eine Auszeit.
Beiträge von Amytis
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Dass Yún sich wirklich bei ihr bedankte, passte zu seinem bisherigen Verhalten, und dennoch war es ungewohnt für Amytis, die schon lange nicht mehr erlebt hatte, dass jemand so mit ihr umging. Der Mann war anders als die Römer, und das komplette Gegenteil zu ihrem Herren, und sie war sich sicher, dass die Zeit bei ihm vielleicht anspruchsvoll, aber am Ende eine Gute werden würde. Sie würde sich anstrengen, alleine schon, um ihm zu zeigen, dass in ihr mehr steckte als ein einfaches Sklavenmädchen, welches Pinus sich als Spielzeug und Unterhaltung für seine Gäste gekauft hatte. Abgesehen davon war sie die Tochter eines āzād und ihre Eltern hatten ihr Dinge beigebracht, die sie an Fürstenhöfen hätte nutzen sollen und nicht am unteren Ende der sozialen Leiter. Es tat gut, so gefordert zu sein.
Wie gerne hätte sie ihm das gesagt, wie gerne wäre sie in seinen Besitz übergegangen, auch wenn sie natürlich ebensowenig wissen konnte, dass es bei Yún immer so und dauerhaft besser wäre. Dennoch war dies Gefühl wirklich ein starkes.
Sie verbeugte sich ebenfalls bei seinen Worten. "Ευχαριστώ, Júnschi." Das Griechische, ebenso wie deren Mythologie, wenn auch nicht in Einzelheiten, war ihr durchaus geläufig, gab es doch griechische Bürger in ihrer Heimatstadt, weshalb sie die Sprache noch vor dem Latein gelernt hatte, und über die Götterwelt der Griechen hatten man ihr ebenfalls etwas beigebracht. Auch wenn es nur darum ging, dass es konkurrierende Götter neben Ahura Mazda gab. Und da es nun einmal alles war, was sie tun konnte, brachte sie ihr Wissen wenigstens in diesem Wort ein. -
Amytis horchte auf und hob den Kopf sogar kurz, als Yún von ihrer Heimat sprach. Er war dort gewesen? Sie senkte den Kopf rasch wieder. "Es ist nur eine unbedeutende Stadt." Natürlich kannte er Dinavar nicht. "Margusch.", sagte sie dann etwas weicher als er, ohne dass ihr klar wurde, dass sie den Mann wohl kaum korrigieren zu hatte.
Sie biss sich auf die Lippen, als er ihre Eltern ansprach und fragte sich nur kurz, warum ihn das interessieren mochte. Pinus hatte danach nie gefragt, ihm war offensichtlich recht, dass die Tochter ihrer Eltern ansehnlich geraten war. "Nein, Júnschi. Sind sie nicht.", antwortete sie dann. -
Amytis war reichlich beschäftigt mit den Sklaven, aber auch sie merkte, dass ihre Konzentration nachließ. Ja, es mochte sein, dass der Herr auch an sich selbst hohe Ansprüche hatte, das hatte sie gesehen und war bemerkenswert, aber dennoch bedurfte auch seine kleine Vorführung sicher Übung, und ohne die ging es eben nicht. Aber auch Pausen waren wichtig, alleine schon, um sich danach wieder konzentrieren zu können.
"Was denkst du, Sporus?", fragte sie ihren Mitsklaven dann. Er hatte sich auch sehr gut geschlagen, fand sie, und seine Sorge war unbegründet, zumindest bisher. "Es ist ein wenig ... ungewohnt, aber kein Problem, oder?", formulierte sie dann ihre eigenen Gedanken.
Dann aber winkte der Herr sie heran, und natürlich stellte sie ihre Schüssel ab und stellte sich mit gesenktem Blick neben ihn. Sie war überrascht, nicht nur, dass er die Melodie erkannte, sondern vor allem, dass sie ihn auch interessierte. Sie zögerte kurz. "Ja, Junzi. Das ist richtig, meine Eltern sind... sie stammen aus Dinavar im Reich der Parther.", antworte sie, und es fühlte sich seltsam an, den Namen ihrer Heimat erstmal wieder auszusprechen. -
Amytis tat, wie ihr geheißen, mit einer Mischung aus Stolz und Nervosität. Immerhin, hier erkannte Jemand in Rom, dass sie mehr war als ein Stück Fleisch, und dieses Gefühl, welches sie schon fast vergessen hatte, verwirrte sie zusätzlich.
Während die Sklavenreihen sich verbeugte, schaute sie aufmerksam und besann sich dann ihrer Herkunft. Als junges Mädchen, bei ihren Eltern, hatte sie durchaus auch Untergebene kommandiert, wenn auch in anderem Rahmen, und das hier war letztlich nichts anderes.
"Ein wenig tiefer musst du.", sagte sie bei dem Einen. "Wenn du die Füße ein wenig auseinander stellst, ist es einfacher. - Nicht zu weit!", half sie bei einem Anderen nach. Auch hier ächzte man bereits leise, als der Hausherr fragte. Die zweite Reihe war ein wenig ungeordneter, aber noch stand man ja auch ganz am Anfang, nicht wahr? "Wenn man es noch einige Male übt, wird es besser aussehen, Junzi." Ganz offensichtlich waren zwei oder drei Kandidaten dabei, denen es wirklich schwer fiel, aber Amytis würde hier niemanden schlecht reden. -
Auch Amytis beobachtete die erneute Vorführung aufmerksam und nickte dann dem Mann zu. Natürlich ehrte es sie, dass er ihre Verbeugung lobte, aber dass sie direkt ein Vorbild sein sollte, machte sie nervös. Hoffentlich würde er ihr noch erklären, wie genau sie den Anderen behilflich sein sollte.
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Amytis war ehrlich irritiert, als der Mann offen zugab, dass er darüber nicht nachgedacht hatte. Ihr Herr wäre wohl eher wütend geworden, wenn man ihn auf einen Fehler hinwies, aber der Römer namens Yún schien sich sogar zu verneigen. Zwar hatte sie sich mittlerweile aufgerichtet, aber hielt den Blick immer noch gesenkt, dennoch musste sie wirklich mit sich kämpfen, um nicht zu ihm zu starren. Was ging hier nur vor? Dass es dann eine Weile ruhig war, ließ sicher nicht nur sie nur noch nervöser werden.
Dann erklärte er endlich, wie er sich das vorstellte, und die Lösung war zwar etwas umständlich, aber würde funktionieren, ohne dass man irgendwem mangelnden Respekt unterstellen könnte, während er gleichzeitig sicherstellen würde, dass man seine Lektionen verstanden hatte. Amytis fiel ein Stein vom Herzen. "Amytis, Iunschí." -
Es war für die leidgeplagten Sklaven des Aurelius Pinus eine angespannte Situation, egal wie sanft die Stimme des Mannes klang, den sie immer noch nicht angesehen hatte. Ein kleiner Fehler schien zu reichen, und man müsste zu ihrem Herrn zurückkehren und beichten, dass man versagt hatte. Sie wussten beide, dass sie darunter zu leiden hätten, daher war es wohl kein Wunder, dass sie besonders eifrig dabei waren.
"Iunschi," begann sie und der leichte Singsang ihrer Stimme, das Erbe ihrer Herkunft, stolperte ein wenig über die ungewohnten Laute. Amytis ärgerte sich, doch sie biss nur kurz die Lippen aufeinander, bevor sie fortfuhr. "Wie dürfen wir zeigen, dass wir etwas verstanden haben, wenn ihr fragt?" Als sie es aussprach, erschien es ihr bereits als eine dumme Frage, denn natürlich würde er Schweigen einfach als Zustimmung werten. Nun hatte sie aber wohl seine Aufmerksamkeit, und wusste nicht, ob das so eine gute Sache war. -
Amytis hatte sich gleich instinktiv in die vordere Reihe eingegliedert. Ihr kleiner Wuchs bedingte das wohl, und die Erziehung, die sie seit ihrer Kindheit genossen hatte, gab ihr die nötige Sicherheit. Als der Maiordomus die Verbeugung vorführte, folgte sie der Bewegung mit bedachter Ruhe, hielt den Rücken straff und die Hände korrekt gefaltet. Sie bemerkte, wie einige neben ihr schwankten, während ihre eigene Bewegung durchaus gleichmäßig und sicher blieb.
Als der Hausherr den Raum betrat, wurde es spannend, denn sie wollte ihren eigenen Herrn sicher nicht verärgern und diese Sache hier gut machen. Sie hielt sich an die Anweisung und erhob sich, auch wenn die Haltung durchaus ungewohnt und schwer wurde, erst auf das Kommando hin. Als die beiden Sklaven, die den Blick gehoben hatten, hinausgeschickt wurden, regte sich eine leichte, aber dennoch spürbare Unruhe in der Gruppe. Amytis aber blieb weiterhin regungslos. Ihre Erziehung hatte ihr beigebracht, dass Disziplin wichtig war, und dass Strenge nur das Beste hervorbringen sollte. Das kam ihr nun zugute. Wer Ruhe bewahrte, gewann Respekt. Sie fühlte keinen Stolz, nur eine nüchterne Gewissheit, dass sie tat, was von ihr verlangt war.
Serica. Schon in der Heimat hatte sie Geschichten davon gehört, von den Händlern aus fernen Ländern, die Seide brachten, und den langen Wegen voller Gefahren. Es schien ihr fast unwirklich, einem Mann gegenüberzustehen, der tatsächlich von dort kam oder dort gewesen war. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Ihr Blick blieb gesenkt, die Hände ruhten korrekt aufeinander. Sie hörte seine Worte aufmerksam, prägte sich die Begriffe ein: Yúnshǐ, Yúnzǐ. Die Melodie der fremden Sprache war ihr fremd, aber sie nahm sie mit stiller Konzentration auf.
Nachdem Yún die Regeln erklärt hatte, blieb für einen Moment Stille. Viele schienen nicht zu wissen, ob Zustimmung schweigend oder mit einem Wort zu geben war. Amytis aber wollte keine Unsicherheit riskieren. Sie faltete die Hände vor dem Bauch und verbeugte sich, wie es zuvor gelehrt worden war. Der Blick blieb gesenkt und sie wartete ab.
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Die beiden folgten dem Mann und stellten sich zu den Anderen. "Siehst du? Gäbe es das bei ihm?", flüsterte sie zu Sporus, als sie die Gruppe und das Wasser betrachtete. Ihr Herr war doch deutlich strenger, zumindest diesem Eindruck nach.
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Da Sporus ohnehin zurückgezogen hatte, übernahm Amytis einfach das Ruder. "Ja, so ist es. Das ist Sporus, ich bin Amytis, unser Herr heißt Aulus Aurelius Pinus.", sagte sie pflichtbewusst und wartete, nun doch auch nervös, ab.
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Frisch gewaschen und frisiert und in einer ordentlichen Tunika machten die beiden Sklaven tatsächlich fast etwas her, wobei sie natürlich auf den Straßen nicht wirklich beachtetet wurden. An der Porta angekommen, zögerte Amytis' Begleitung plötzlich, was sie verwunderte. Was dachte er sich denn bloß? Würde sein Zögern etwas ändern? Wohl kaum. Sie hatten einen Auftrag, und nun nicht einmal diesen Mut aufzubringen und die Pflicht nicht zu erfüllen würde wohl nichts ändern. Sie sah den ihr immer noch unbekannten Mann neben sich an.
"Meinst du etwa, es wird schlimmer als bei unserem Herrn?", fragte sie bitter. Dann schüttelte sie aber den Kopf. "Wir haben keine Wahl und wenn wir zögern wird man uns höchstens schlimmer bestrafen." Sie zuckte mit den Schultern, so war der Lauf der Welt, bei den Römern, aber ebenso in ihrer Heimat. Sporus und sie standen eben leider am falschen Ende der Rangordnung.
"Also komm.", sagte sie entschlossen, trat an die Tür und klopfte an. -
Amytis wartete schweigend und mit zu Boden gesenktem Blick. Weder hatte sie Lust, sich mit dem anderen Mann zu unterhalten, noch wollte sie ihren Herrn verärgern und einfach gehen, während er fort war. Natürlich tat ihr der andere Sklave jetzt schon leid, doch sie hätte ihn kaum wegschicken können, ohne das Misstrauen von Pinus zu erregen.
Also wartete sie, bis der Hausherr wieder da war, bis sie fragte:
"Soll ich mich dann um den Einkauf kümmern, Herr?" Dazu war sie, dank ihrer weiteren Pflichten, bisher nicht gekommen. -
Amytis kehrte zurück. "Ein Sklave namens Sporus ist vor der Tür. Er sagt, er sucht seinen Herrn und kennt euch, weshalb er hier unterkommen möchte." Es klang verrückt, aber war die Wahrheit.
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Herrin? So hatte sie in Rom bislang noch niemand genannt, und gerade fühlte sie sich auch nicht wirklich wie eine. Aber der Mann sprach weiter, und Amytis wollte ihm zurufen, dass er, wenn er nicht wusste, wohin er wollte, bei allen Göttern doch bitte nicht ausgerechnet an diese Tür klopfen sollte. Aber nun war er ja hier.
Sie zögerte kurz, doch letztlich konnte sie nichts ausrichten, weder für sich und schon gar nicht für diesen armen Tropf. "Er wohnt immer noch hier. Mein Herr, Aulus Aurelius Pinus, meine ich.", stellte sie klar.
"Ich werde ihn holen, warte hier.", sagte sie und schloss die Tür wieder. -
Es dauerte nicht sehr lange, da öffnete sich die Porta und Amytis, mit ein wenig unordentlicher Frisur zu leicht geröteten Wangen, steckte ihr hübsches Näschen heraus. "Ja?"
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Sanft oder nicht, Amytis ertrug es schweigend und innerlich abwesend. Der Mann nahm sich, was er wollte und war damit letztlich offensichtlich zufrieden. Dass er sie danach noch im Arm hielt, mochte ihm freundlich erscheinen, doch obwohl Amytis es als Unterschied zu der üblichen Behandlung wahrnahm, fühlte sie sich, wie so oft, einzig elend. Dennoch starrte sie ohne sonderlich viel Regung nur geradeaus, bis die Worte ihres Herrn eine willkommene Ausrede war, sich von dem Mann zu lösen und rasch ihre Tunika überzustreifen.
"Ja, Herr.", sagte sie, seine Rüge ignorierend, da sie ja kaum eine Wahl gehabt hatte, und neben Einkauf und dem Öffnen der Porta auch noch hier alle Hände voll zu tun hatte. Womöglich brauchte ihr Herr mehr als einen Sklaven?
Amytis nickte dem Gast zu und entschwand gen Porta. -
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