Beiträge von Tiberius Corvius Cadior

    Während des bunten Markttreibens trafen die für diesen Zweck eigens abgestellten Stadtangestellten bereits die Vorbereitungen für das geplante Opfer. Die dafür vorgesehenen Speisen, die Tiere und das Opferbesteck wurde herbeigeschafft. Man hielt sich jedoch noch im Hintergrund, denn die abgesprochene Zeit war noch nicht heran.


    Indess tummelten sich die Bürger auf der Festwiese, dem Markplatz und in den Gassen Mantuas.

    "Vale, Flavian. Ich muss auch bald nach Mantua zurück und ich kenne die Reise. Sie ist lang."


    Flavian war ein eher stiller Bürger. Ich kannte ihn ziemlich gut, war er doch mein Halbbruder. Bis vor kurzem gehörte er noch der Corvia an. Meine Blicke begleiteten ihn, als er die Taverna verließ, dann wandte ich mich erneut Metellus zu.


    "Du hast einen Bruder? Und was hat der für einen Betrieb?" ;)

    „Nun, dann bist du besser unterrichtet, als ich. Wer war denn so frei und hat Geld für Stimmen geboten?“


    Na, wenigstens war das nicht unrömisch. Ich ärgerte mich immer noch über diese Patrizierin, die ohne jeden Respekt gegen alte Sitten verstieß und wer, wenn nicht die Patrizier, sollte sonst auf das Weiterleben römischer Traditionen acht geben? Die Vertreter der Albata waren zahlenmäßig nicht gerade reichlich bestückt.

    "Danke, nein. Ich glaube mir ist schlecht. Das waren wohl ein paar Würstchen zuviel vorhin."


    Oder war mir von dem erneuten Thema schlecht geworden? Ich wusste es nicht. Wenn man es nur endlich abhaken könnte ...


    "Die Wahl? Ich habe sie nicht mehr so verfolgt, gebe ich zu. Dieses Mal ist alles anders. Auch fühle ich mich nicht so recht in der Lage, großartig mitzureden. Ich werde wohl alt. Was gibt es denn auf der Rostra an interessanten Dingen?"

    Ich setzte meinen Becher ab und dachte kurz nach. Mit ernster Miene blickte ich Metellus an.


    „Leider bin ich davon überzeugt, dass auch Götter Fehler machen können, zumindest sind sie mitunter unachtsam. Seht nur, welche Entwicklung sie die Aurelia haben nehmen lassen. Ich will nicht hoffen, dass weitere Unachtsamkeiten diese Familie treffen. Gläubigkeit hilft sicherlich, davon bin ich überzeugt, aber eine Garantie gibt es nicht, für keinen von uns.“


    Nachdenklich starrte ich in meinen Weinbecher. Wer wusste schon, was die Zukunft brachte?

    "Mantua und Rom trennen Welten. In Mantua legen die Menschen Wert auf Traditionen, in Rom geht viel Traditionelles zugunsten neumodischer Einflüsse unter.
    Was die Parade des Militärs angeht, da kann man sicher in Rom Vergleichbares planen. Von einer Opferung würde ich abraten. Was das Volk hier vor allem sucht, ist mit Vergnügungssucht zu erklären. Ein Wettspiel ist da wohl genau das richtige. Alles, was an ein Spektakel erinnert, ist hier angebracht.


    Selbstverständlich komme ich!"


    Inzwischen kamen die Becher und ich hob meinen an.


    "Trinken wir auf gute Beziehungen zu unserem Patron, seiner Familie und auch untereinander."

    "Hm, das würde die Vigiles bekannter machen. Um ehrlich zu sein, ist mir kaum aufgefallen, dass es sie überhaupt gibt. Sicher geht das vielen Bürgern so. Hast du denn schon ein paar Ideen?"


    Als der Wirt nahe unserem Tisch vorbeihastete, hielt ich ihn zurück.


    "Ich hätte gern noch drei Becher vom feinsten Wein des Hauses."

    Ich nickte zu Flavians Worten. Es gab nichts hinzuzufügen. Ich tauchte meine Finger in ein bereitstehendes Gefäß. Die Würstchen waren ein bissel fettig gewesen.


    "Wollen wir uns noch jeder einen Becher Wein genehmigen? Zum Anstoßen auf diese nette Gesprächsrunde. Ich gebe einen aus."

    … und ich zwinkerte zurück. Deandra hatte mir sehr wohl von dem ersten Treffen erzählt und Tatsache: dieses Treffen gestaltete sich ein klitzekleines bisschen anders. :D


    „Ja, erzähl von dir, Flavian.“


    Ich dankte Metellus für die Oliven und nahm mir gleich mal eine Handvoll. :] Die nächste Runde an Essen oder Trinken würde wieder auf mich gehen. ;)

    Interessant, was der Flavian da erzählte. Er hatte gleich die gesamte Gens als Klient der Aurelier aufnehmen lassen? Hatte ich das richtig verstanden? Gerade fragte ich mich, ob es eine Beschränkung für Klienten gab. Am Ende mussten die Aurelier nur für den Unterhalt ihrer Klienten arbeiten.


    "Aber natürlich kannst du dich zu uns setzen. Ich biete dir sogar von diesen köstlichen Würstchen an."


    Ein spitzbübisches Grinsen wanderte zu Metellus. Er schien von dem ersten Teller doch nicht satt geworden zu sein. ;)


    "Wisst ihr, was mir gerade auffällt? Jeder von uns hat eine vollkommen andere Geschichte, wodurch er Klient bei den Aurelier geworden ist, aber eines haben wir gemein - wir gehören witziger Weise derselben Factio an. Ich denke mal, das ist nicht zufällig. Die Aurelier selbst sind sehr konservativ eingestellt.
    Ich bin als ehemaliger Sklave Klient geworden, wodurch eigentlich ihr?"

    Spitzbübisch grinste ich, während ich – ganz in den Verzehr der Würste vertieft – ab und an zu Metellus blickte. Ich war auf den Geschmack gekommen. Die Nachbestellung kam mir entgegen. Und ein weiteres Würstchen wanderte auf meinen Teller.


    „Hm, sind die Ränge bei den Vigiles nicht vorgeschrieben?“, fragte ich mit vollem Mund. „Ich glaube ja nicht, dass du dort die freie Auswahl hast.“


    Ich schluckte runter.


    „Mmmmh, lecker. Willst du auch noch was?“, fragte ich grinsend, während meine Hand bereits den Würstchenteller fasste, um ihn zu mir zu ziehen.


    „Kann ich mir denken, dass sie Wein verschenkt. Sie selbst trinkt nämlich keinen.“

    Während der Händler weiterhin seine Waren feilbot und auf Interessierte für die Versteigerung wartete, tummelten sich derweil unzählige Bürger und Besucher der Stadt in den Straßen und Gassen. Der Markplatz war gut gefüllt, man konnte nur in kleinen Schritten vorwärts kommen.
    An vielen Ecken standen Musikanten, Darsteller boten Tanz- oder kleine Theatervorstellungen an. Die Helfer der Stadtverwaltung hatten bislang wenig zu tun. Niemand randalierte, keiner war in irgendeiner Form ausfällig. Die meisten genossen die seltene Möglichkeit, sich vom Alltag abzulenken.


    Viele Soldaten der hier stationierten Legion trafen sich mit ihren Liebsten und so sah man unzählige Paare, die soweit es die guten Sitten zuließen, ihre Zuneigung mehr oder weniger offen zeigten. Augen sprachen ihre eigene Sprache und nicht nur bei den vielen inoffiziellen Soldatenpaaren. Auch unter den angereisten Gästen konnte man leicht gerötete Wangen und auffallend lang geführte Unterhaltungen beobachten.


    Die Vorbereitungen für das angekündigte Opfer hatten indes noch Zeit.

    Einerseits gespannt auf Flavians Antwort wartete ich ebenso auf Metellus' Erklärung, welche Ämter er bereits im Auge hatte. Gespannt blickte in hin und her, während ich mir nun doch eines der letzten Würstchen angelte.
    Genussvoll verzehrte ich die schlanken Dinger und spülte sie mit etwas Wein herunter.


    "Sich zu bilden, ist immer ein löbliches Vorhaben...", begann ich das Gespräch erneut auf Metellus' Pläne zu bringen.

    "Curio, du kannst versichert sein, Deandra ärgert sich schwarz darüber, dass sie nicht hier sein kann. Sicher hätte sie vor allem zu deinen Worten Beifall gespendet.


    Eine Schande, dass diese Frau als eine Flavia nicht weiß, was sich gehört. Null Ahnung von Traditionen oder ist es Null Respekt gegenüber den Werten ihrer eigenen Ahnen?"

    „… und wenn du schon so lachst, würde ich gerne diesen Gedanken mit dir teilen.“
    Seeehr gespannt sah ich Metellus an. Der allerdings redete gleich weiter. :D Ich kam gar nicht hinterher.


    „Stopp, mein Freund. Nicht so schnell. Ich kann ja nicht auf alles gleichzeitig antworten.“ ;)
    Eine äußerst unterhaltsame Runde. Die Redebeiträge wurden immer länger. Da waren wohl zwei auf einer Wellenlänge.


    „Jup, Betrug und Treulosigkeit.“ Ich nickte „Verrat an einem Waffenbruder - nennt man so was unter Soldaten nicht Kameradenschwein?“


    Fragend blickte ich den Vigilus an. Er musste so was wissen.


    „Was willst du aber auch von einem verlangen, der offen gegen die Pflege der römischen Religion spricht? Von jemandem, der keinen blassen Schimmer von den Tugenden unserer Ahnen hat? Der nicht einmal weiß, was einen Patrizier ausmacht? Metellus, da sind wir beide edler und adliger in unserer Gesinnung, als dieser dahergelaufene Bastard. Und darauf trinke ich jetzt einen.“


    Genüsslich hob ich den Becher. Nie schmeckte der Wein so gut, wie gerade jetzt.


    „Aber wechseln wir das Thema. Ich denke schon, dass dich die Aurelier großzügig unterstützen werden, wenn es um deine Schule geht. Du hast vorhin erwähnt, du denkst an ein Amt?“


    Plötzlich trat jemand an unseren Tisch heran. Ich kannte natürlich Flavian.
    „Ein Factiokollege, Metellus. Salve, Flavian. Was führt dich nach Rom? Selten, dass man dich hier sieht.“

    „Hey, ich gratuliere dir zu der hervorragenden Leistung. Deandra wird stolz auf dich sein! Wusstest du, dass sie alle Diploma und anderen Auszeichnungen der Familie in einem Archiv auf das genaueste führt? Mal sehen, ob sie auch die Auszeichnungen der Klienten dort mit rein nimmt.
    Und wusstest du …“


    Ein Lachanfall schüttelte mich zunächst.


    „… wusstest du, dass dieser Commodus zweimal durch das Militärexamen gerauscht ist, welches der Pater der Gens, Aurelius Sophus, als einziger Absolvent mit voller Punktzahl abgelegt hat? Du hättest mal Deandras Gesicht gesehen sollen. Bei dem einen war sie voller Stolz, bei dem anderen voll diebischer Schadenfreude. Ach, und im Vertrauen … Sophus und Deandra haben sich in einer stillen Minute beide darüber köstlich amüsiert.
    Böse Zungen könnten sogar behaupten, dass die Commodus-Aurelier geistig minderbemittelt sind. Dieser Parvus zum Beispiel, der ist doch tatsächlich zweimal durch den billigen CRV durchgefallen.“


    Diese Angelegenheit war wirklich zu lustig. Grund zur Schadenfreude hatte ich genug. Commodus hatte nie seine Abneigung gegenüber mir verleugnet und ich nicht meine Verachtung ihm gegenüber. Ich räusperte mich.


    „Nun ja, manche könnten der Meinung sein, dass die Uraurelier ja auch großzügig über die Schwächen der „Verwandtschaft“ hinweg sehen könnten, doch sie können es nicht. Commodus hat die Gens zerstört, das Vertrauen des Pater gentis ausgenutzt und ihn betrogen. Mit Verachtung wird er deswegen auf Ewigkeit gestraft werden.“


    Mit Nachdruck setzte ich meinen Weinbecher ab. Entschlossenheit zeigte mein Gesicht.


    „Aber wechseln wir das Thema. Deandra und Germanien. Ich weiß auch nicht, was sie dort so lange treibt. Sie wollte schon längst zurück sein. Es wird doch nichts passiert sein?“


    Nachdenklich grübelte ich vor mich hin. Sie war nur in Begleitung eines germanischen Sklaven.


    „Bestimmt unterstützt sie dich bei der Berappung der Gebühren, die sie Schola erhebt. Weißt du bereits, in welche Richtung du dich weiterbilden willst?"

    „Tja, zwar ist der Familiensitz der Annaer in Mantua, aber Florus selbst ist höchst selten dort. Ein Dienen unter dem eigenen Vater stelle ich mir auch etwas, hm - nun, ich will sagen - schwierig vor.“


    Ich grinste. Also das könnte ich mir beileibe nicht für mich selbst vorstellen. Davon mal abgesehen, dass mein Vater ja längst verstorben war.


    „Was die Güte der einzelnen Einheiten betrifft, habe ich eine andere Auffassung. Die Ränge in den Stadteinheiten sind sicher leichter zu erringen als andere. Man kann dort schnell aufsteigen. Was die Legionen betrifft, die kannst du keinesfalls über einen Kamm scheren. Da gibt es ein Gefälle, was selbst mir als militärisch Inaktivem auffällt. Das ist ein Thema, was in den Villen der Aurelier ziemlich häufig gefallen ist. Zumindest als ich noch dort gelebt habe. Kein Wunder, der Pater ist Praefectus in der Legion.“