Beiträge von Lucius Decimus Maximian

    Es wirkte unnatürlich, aber einen kurzen Moment lang flackerte in Maximians Gesicht Freude und Stolz auf, nachdem er erfahren hatte, dass er einen Sohn gehabt hat. Einen kurzen Moment nur. Danach quälte es ihn mehr als zuvor.


    Er nickte, strich sich die reiseknittrige Tunika etwas glatt und sah, auch wenn es schwer fiel, wieder auf.
    "Ich werde ein Gebet für ihn sprechen.", sprach er leise."Wenn du mir nun noch sagen könntest, wo Valeria sich aufhält...."

    Das wusste er, auch wenn er bei Apollonius eigentlich immer gern gelernt hatte, weil der alte Grieche es stets gewusst hatte, wie man die Neugier junger Menschen an sich binden konnte.
    Maximian grinste wieder und machte es sich bequem, die Arme hinterm Kopf verschränkt und die Beine übereinander gelegt.


    "Er hält sich in Grenzen. Mogontiacum ist groß, es gibt viel zu erkunden. Ich war mir vorhin die Überreste der Taverne ansehen und anschließend kurz auf dem Forum. Rate mal, was mir passiert ist!"


    Maximian drehte den Kopf, sodass er seinen Vater ansah und überlegte sich, wie er nun vorgehen sollte, um ihm einen möglichst großen Schrecken einzujagen.


    "Ich wurde von der Stadtwache festgehalten und vom Centurio Statorum Annaeus Scipio vernommen."

    Er hätte beinahe die Hand vorgestreckt, mit den Schultern gezuckt und den Kerzenstummel mit einem 'Hier, bitte, ich brauch deinen Abfall nicht' vor ihre Nase kullern lassen, aber dann hatte er sich gefragt, was genau sie damit gemeint hatte, dass er Licht ins Dunkel bringen würde, und einem Instinkt nach ganz schnell seine Hand um das Ding geschlossen.
    "Nein.", hatte er gesagt und sich insgeheim gedacht, dass er den Stummel auch später noch würde wegschmeißen können, wenn er ihm zu lästig wurde. Bestimmt hatte dieses Ding irgendeine Bedeutung für sie, die er nie verstehen würde.


    Ihre Antwort nahm er mit eher teilnahmsloser Miene auf, bis sie das Wort Liebe nannte. Maximian runzelte die Stirn und sah müde, entnervt und gleichgültig drein. Liebe. Er hatte an diesen Unfug mal geglaubt, aber um sich selbst gerecht zu werden, machte er sich nunmehr beinahe darüber lustig. Liebe gab es nicht, wenn sie nicht zusammenhalten konnte, was zusammen gehört und auf der anderen Seite zerstört, was einmal hoch und heilig gewesen war.


    Bevor er sich jedoch irgendwie dazu äußern konnte, warf sie eine Hand voll... Knochen? Konnten das wirklich Knochen sein, die sie da gerade in der Hand gehalten hatte? Nun denn, sie warf diese.... und sie sahen wirklich enorm nach Knochen aus.... sie warf die Knochen auf eine Art Karte und besah sich das entstandene, völlig zufällige Bild, indem sie sich eit vorn über beugte und Laute der Erkenntnis von sich gab. Oder des Zweifels?
    Maximian war zwar skeptisch, aber auch neugierig, sodass er sich zusehends ebenfalls über den Tisch faltete, eine Augenbraue erfüllt von Skepsis hochgezogen, die Zunge an die Oberlippe legte und zuerst auf die Karte, dann in Urgulanillas Gesicht sah.


    "Hm?", ahmte er mit fragendem Ton nach und schielte nochmal kurz auf die Karte herab, sich in dieser Nähe zum sogenannten Orakel ein wenig unwohl fühlend.

    ... und deren neuerliche Bekanntschaft auch in diesem Moment noch nicht schließen durfte :P, denn kaum nachdem Petronius Varus das Tablinium verlassen hatte und Meridius seinen Kopf wieder in die Lektüre hatte stecken wollen, kam Maximian am Tablinium vorbei, steckte kurz den Kopf auf der Suche nach wem herein, entdeckte seinen Vater und betrat den Raum mit einem:


    "Aaah, du bist also doch zuhause. Nachdem du nicht in deinem Officum warst, dachte ich, du wärest aus."


    Maximian setzte sich ungefragt und machte die Entdeckung, dass sein Vater wohl hatte lesen wollen.


    "Du suchst doch nicht etwa einen Zeitvertreib?", fragte er und grinste dabei. Wann immer er Meridius bislang angetroffen hatte, hatte Meridius in irgendeiner Arbeit gesteckt.
    "Na ein Glück, dass ich gerade nichts zu tun habe. Dann musst du dich nicht dem Müßiggang hingeben und ich bleibe ebenfalls von ihm verschont. Was soll's, dann muss der Brief an Lucilla eben warten."


    Er war sicher seines Vaters Retter in einer der Stunden seiner größten Not. :D

    Maximian verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust. Freilich kannte er seinen Platz. Also... so gut wie. Grob. Irgendwie. Als wüsste sie das nicht schon längst, setzte er eine Miene auf, die gar ein wenig beleidigt wirkte. Und dann hielt sie ihm plötzlich einen Stummel einer heruntergebrannten Kerze vor die Nase. Maximian sah von ihr zu dem Ding und wieder zurück. Ganz offensichtlich war es, dass die Zahnräder in seinem Kopf arbeiteten und der Zeiger der Wahrnehmung seines Gegenübers sich der geistigen Verwirrtheit näherte.


    Maximian besah sich den Stummel einen Moment, wie sie ihn mit ihren verfärbten Fingern hielt. Dann räusperte er sich, löste einen Arm und nahm ihn sich. Er hielt ihn vor sich, musterte ihn nochmals und sah dann, die Hand mit dem Stummel immer noch erhoben, daran vorbei ins Gesicht Urgulanilla, die ihn vollkommen ernst beobachtete.


    "Der Stummel einer Kerze....?", vergewisserte er sich. Konnte ja sein, dass er irgendetwas falsch verstand oder irgendetwas übersah. dann räsuperte er sich zum Wiederholten male, runzelte die Stirn und ließ das wertlose Ding in seiner Hand sinken.
    Er sollte fragen. Was sollte er fragen? Er war hierher gekommen und hatte nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass man einem Orakel ja eigentlich Fragen stellte. Was für Fragen? Er hatte ja welche gestellt, aber sie hatte sie meist nur mit Gegenfragen beantwortet, wobei diese Gegenfragen ja meist Antwort genug waren. Er sah auf den Stummel in seiner Hand und dann wieder auf.


    "Ich weiß nicht, was ich fragen könnte. Ich meine... die Dinge sind klar genug, so wie sie geschehen." Da dachte er wohl an Valeria. "Was meintest du mit dem Platz einer blonden Frau? Sie hat ihn doch jetzt gefunden. Oder nicht?"
    Das 'Oder nicht?' sprach er nicht so aus, als hätte er da irgendeine Hoffnung übrig behalten. Es klang vielmehr ein wenig verachtend und auch verärgert. Nein, er wusste absolut nicht, was er jetzt gerade noch hier verlor.

    Was hatte er nur all die Jahre verpasst. So häufig, wie Meridius ihm durchs Haar wuschelte, hätte er in seiner Obhut von Anfang an vielleicht unter Haarmangel gelitten... :D Er seufzte spielerisch in sein ach so schweres Schicksal ergeben und drückte das dunkelblonde Haar platt, als Meridius sich nochmal an seine Mutter (nicht die von Meridius) wandte. Er ging dann schonmal vor.

    Immer noch war es seltsam mit Mutter und Vater zusammen soetwas zu feiern, wie sie es heute im Kreise der Familie taten. Maximian sperrte daher Gedanken an Vergangene komplett aus, sondern freute sich über die Fügungen, die seine Familie doch noch zusammengeführt hatten.
    Maximian war gespannt, welche Schlösser Portunes dieses Jahr für alle von ihnen öffnen würde.

    Ihren Worten folgte er schweigsam und sie beharrlich ansehend. Hin und wieder wäre ihm beinahe eine Augenbraue in die Höhe gerutscht und ein anderes mal hätte er sich gern gar ein wenig angewiedert weit nach hinten gelehnt, wenn sie allzu lebhaft erzählte und den Tisch mit den vielen Fläschchen, Schälchen, Messern und Tüchern scheinbar nicht Grenze zwischen ihnen betrachtete.


    Schließlich allerdings nickte er verstehend und war augenblicklich erleichtert, obwohl er zu keiner Zeit wirklich angenommen hatte, dass etwas Böses habe ihm anhaften können. Alberne Spukgeschichten, letztendlich hätte er nur geglaubt, was andere ihn glauben lassen wollten.
    Diesmal rutschte tatsächlich skeptisch eine Augenbraue nach oben, weil er da doch tatsächlich gedanklich ihre Worte wiederverwendet hatte.


    "So ist das also.", gab er seine Einsicht zu erkennen und nickte. Und dann sagte sie ihm, dass sie ihn daher kannte, da er zu ihr kommen wollte. Und, dass er herausfinden wollte, wo sein Platz im Geschehen (im Leben? in der Welt?) war. Das hätte er vielleicht mit einem verwunderten Nicken angenommen, aber als sie eine blonde Frau ins Spiel brachte, verdunkelte sich augenblicklich sein Blick. Ihre triumpfhierende Haltung ekelte ihn an, also senkte er den Blick auf den Tisch. Für ihn war es schlimm, dass sie so viel über ihn wusste - insbesondere über Valeria wusste. Er wollte sich nicht wie ein offenes Buch vorkommen, in dem jeder nach seinem Belieben schmökern konnte.


    "Das is Unsinn. Ich kenne diese Plätze. Ich bin wegen der Alten gekommen und nur deshalb. Mein Vater würde mich einen leichtgläubigen Trottel schimpfen, würde er wissen, dass ich dem Gerede alter Weiber folge." Er schwieg einen Moment, dann sah er wieder auf. Irgendwie interessierte ihn, was sie sonst noch alles zu wissen glaubte, selbst wenn ihm das gegenwärtige Thema mehr missfiel als alle anderen.
    "Also gut: Wo ist mein Platz im... im Geschehen? Und was meinst du genau mit einer blonden Frau?"

    Da sie wusste, von was er sprach, erwiderte Maximian nichts. Er beobachtete sie schweigsam, versuchte den Sinn und Zweck hinter jeder ihrer Bewegungen zu entdecken und runzelte die Stirn dabei ratlos.
    Er war sich sicher, dass sein Aufpasser sich am Türrahmen festhielt und zusammenzuckte, als sie so schrill kicherte. Ein Windhauch flog herein und brachte die vielen von der Decke hängenden Gegenstände dazu, sich in seichter Bewegung zu wiegen. Es klirrte, raschelte und knarrte.


    Seine Blicke hatten diese Bewegungen flüchtig eingefangen, dann sah er zurück zu der.... was auch immer, die ihn wieder breit angrinste. Was sein Begehr war? Maximian blinzelte irritiert und seufzte dann.


    "Ich hatte erwartet, du würdest mir das sagen können. Schließlich bist du doch ein Orakel, oder nennst dich zumindest so, nicht?" Ganz offensichtlich wusste er mit ihr nichts anzufangen. Hatte sie ihn vielleicht bespitzeln lassen?
    Maximian legte eine Hand auf den Tisch und tippte mit dem Zeigefinger auf die hölzerne Unterlage.
    "Ich möchte wissen, woher du meinen Namen kennst, warum diese Frau sich vor mir zu Tode erschreckte, weshalb sie mich Rabenmann nannte. Und ich möchte erfahren, wieso ausgerechnet ich zu dieser zweifelhaften Ehre gekommen bin, überhaupt darein geraten zu sein."


    Was auch immer "darein" hier bedeuten wollte. Vielleicht konnte sie es ihm ja sagen.

    Nein, war er nichts. Er kannte seinen Namen doch sehr gut. Wie hatte sie das gemeint? Maximian kniff die Augenbrauen ein wenig zusammen, dann folgte er ihrem Angebot und setzte sich auf jenen seltsamen Stuhl, der zu seiner Seite stand. Er war nicht wirklich bequem und da er befürchtete, dass er sich irgendwo aufspießte, sah er unter und neben sich, ehe er seine Arme auf die Lehnen legte, weil sie sich dem gerade anboten.
    Dann räusperte er sich und musterte Urgulanilla eingehend. Sie wusste scheinbar schon, weshalb er sie aufgesucht hatte. Interessant. Vollkommen durchgedreht!


    "Bist du Urgulanilla? Ein Orakel?"


    Maximian neigte den Kopf ein wenig, sodass er sie nun aus leicht zusammengekniffenen Augen prüfend und gleichermaßen skeptisch ansah.


    "Wenn ja, dann wirst du eine alte Frau gekannt haben, auf die ich traf. Sie erkannte mich ganz offensichtlich. Und sie schien mich zu fürchten. Ich habe so ein Gefühl, dass du mir sagen kannst, was es mit ihrer Angst vor mir auf sich hat."

    Maximian ließ den Blick über all diese seltsamen, teils ekelerregenden, teils seltsamen Dinge, die jedoch eins alle gemein hatten: Sie wirkten abstoßend und zugleich schürten sie Neugier. Mehr Neugier, als man sich eingestehen würde. Und doch verursachte der Duft von vielerlei Dingen ein zartes Gefühl von Behaglichkeit, weshalb Maximian wohl einfach in das Haus trat. Sein Begleiter tat es ihm nach und haderte einen Moment, ob er die Tür hinter ihnen schließen sollte. Mit einem Blick auf die Nymphe entschied er jedoch, sie offen zu lassen, damit ein Fluchtweg immer offenstand.


    Sich umsehend war Maximian zu ihrem Tisch gegangen. Etwa zwei Meter stand er nun davor, neben ihm baumelte ein milchiges Glas gefüllt mit grobkörnigem Sand. Sein Blick wanderte zu der Fremden, die es nicht unterließ ihn mit verfärbten Zähnen anzugrinsen.


    "Woher kennst du meinen Namen?", fragte er sie und setzte sich noch nicht, denn noch war er zu argwöhnisch, was hier vor sich ging.

    Maximian ging vor. Er sah sich neugierig um, lauschte vorsichtig auf jedes Geräusch, das der Wald mit seinen vielen zwielichtigen Einwohnern verursachte, und zögerte nur kurz, als ein Haus, kaum viel mehr als ein Holzverschlag, in Sicht geriet. Der nächste Schritt, den er tat, fühlte er sich einsinken, mit einem schmatzenden Geräusch zog er Fuß und Schuh weiter.
    Sein Begleiter legte ihm eine eiskalte Hand auf die Schulter und ihn hielt ihn daran zurück. Er gab sich große Mühe sein Unbehagen zu unterdrücken und versuchte seinen Schützling mit milder Autorität von der Umkehr zu überzeugen, aber Maximian schüttelte nur amüsiert die Stirn runzelnd den Kopf und wischte seine Hand fort.


    "Wenn du gut auf mich aufpasst, dann kehren wir um, so schnell es geht. Einverstanden, Angsthase? Was soll denn ein altes Weib schon anstellen, hä? Dich mit einem Stock verprügeln? Dir eine girfitgen Tee einflößen?"
    Maximian hatte albern gelacht und war dann weiter gegangen. In der Tat spürte er keine Furcht, zu groß war die Neugierde. Endlich hatte er mal wieder etwas, das seinen Geist und seine Sinne komplett ausfüllte.


    Sie gingen weiter, bis sie schließlich direkt vor dem Häuschen standen, das auf Pfeilern stand. Maximian sah sich mit scharfsinnigem Blick um und gerade, als er den ersten Schritt auf die erste Stufe tun wollte, erklang ein Knarzen und die Tür des Hauses öffnete sich. Zuerst Dunkelheit, dann schwaches Licht gaben den Blick frei auf eine... eine Frau?, deren Augen wie schwarze Löcher waren und deren Mund schwarze Farbe verunzierte.
    Maximian konnte nicht anders, als den Kopf ein wenig schief zu legen und die Gestalt skeptisch zu mustern. Dann plötzlich schlug sie die Augen auf (es waren also keine Löcher, die sich in ihren Schädel gefressen hatten!) und sprach mit einer Stimme zu ihm, die von schneidender Weiblichkeit war und seinen Namen in die Länge zog, sodass man annehmen konnte, sie würde einen im nächsten Moment verschlucken. Da erschrak Maximian und bog sich ein wenig zurück, während der tapfere "Aufpasser" hinter seinem Rücken vernehmlich schluckte.


    Dann war die Frau? in ihrem Haus verschwunden. Die offenstehende Tür wirkte wie das Maul eines gigantischen Fisches - so gar nicht einladend. Da er nun aber mal hier war, so lange gelaufen war, wollte Maximian nicht einfach wieder umkehren. Was es damit auf sich hatte, dass sie seinen Namen wusste, wollte er auch gern wissen. Er glaubte kaum, dass eine Amsel ihr seinen vollständigen Namen gezwitschert hatte, um seine Ankunft anzukündigen.


    Maximian atmete tief durch und erklomm Stufe für Stufe das Haus. Es war, als würde das Holz unter jedem seiner Schritte nachgeben und als er mit der Hand die Tür noch ein wenig weiter aufschob, lief es Maximian eisig den Rücken herunter.

    Maximian nickte. Es war irgendwie ein seltsames Gefühl, diese Tote jetzt hier einfach liegen zu lassen, aber erfahren konnte er von ihr ohnehin nichts weiter. Außerdem konnte er so vielleicht selber etwas in Erfahrung bringen.


    "Hab Dank, Centurio Statorum Annaeus und ja, sicherlich wird mein Vater mit mir sprechen. Vale."


    Und damit ging Maximian, nicht ohne noch einmal einen Blick auf die Alte zu werden. Täuschte er sich oder folgte ihr toter Blick seinen Schritten? Er wandte sich lieber wieder herum und verließ das Forum.

    Maximian fuhr sich kurz über die Schläfe und versuchte sich das Wirre Gerede der Alten wieder ins Gedächtnis zu rufen. Was hatte sie gesagt, was nicht? Und was hatte er verstanden, was überhört, was vergessen?


    "Von einem Rabenmann, der kommen und ihr den Tod bringen würde...", sprach Maximian ihre Worte und nickte nachdenklich dazu. "Sie hat so viel gesagt und ich so ungenau zugehört... ich dachte ja nicht, dass sie im nächsten Moment tot umkippen würde."


    Unbeholfen kratzte sich der Jüngling am Hinterkopf. Er nickte, als der Centurio davon sprach, dass er sich sogleich auf die Suche begeben würde. Maximian sah sich kurz noch einmal nach der Toten um.


    "Hmmm. Könnte man mich informieren, sollte man etwas über dieses Orakel oder sonst etwas herausfinden?"

    "Doch, einen Namen hat sie genannt. Urgulanilla. Ja, so nannte sie das Orakel. Einen Ort oder was es damit auf sich hat, sagte sie nicht. Nur, dass sie, ich nehme an diese Urgulanilla, Recht gehabt hat."


    Maximian zog in einer völlig ratlosen Geste einen Mundwinkel und beide Augenbrauen hoch.


    "Es würde mich nicht täuschen, wenn das nur irgendein germanischer... Unfug wäre. Ich habe von solch einem Orakel noch nicht gehört."

    Geleitet von den wirren Worten der alten Frau, die er auf dem Forum Mogontum umgestoßen und die darauf einen Herzkasper erlitten hatte, war Maximian in beschützender Begleitung einem stillen Ruf gefolgt und hatte sich in einen dichten und von Nebelschwaden verhangenen Wald verirrt.
    Sein "Aufpasser" hatte ihn murmelnd davon in Kenntnis gesetzt, dass das ein heiliger Hain war, wie die Germanen einen ihn heiiligen Wald nannten, in denen ihre Götter Wunder und Zauber taten. Er war nicht näher darauf eingegangen, hatte die Warnungen des Älteren, es würden seltsame Dinge an diesem Ort vor sich gehen, missachtet und sich immer tiefer hinein in den Wald getragen.


    Er war mal mehr rechts und mal mehr links gegangen, dann eine Weile lang geradeaus. Sein Orientierungssinn würde ihn schon wieder auf dem richtigen Wege hinausführen, dachte er, und versuchte sich einige seltene Lichtungen genau einzuprägen oder zählte die Schritte, die er tat.
    Sein Mut und seine Neugier waren beinahe zur Gänze geschrumpft, nachdem er eine halbe Ewigkeit einfach herumgeirrt war und nichts gefunden hatte. Mit hängenden Schultern blieb er stehen. Hatte er sich also nicht getäuscht. Diese Alte hatte nur dummes, wirres Zeug geredet und er hatte sich einen Bäden aufbinden lassen.


    Maximian seufzte nicht sonderlich erfreut über seine Naivität, stemmte die Arme in die Seiten und sah sich um. Er stand mitten im Nichts, umringt von Bäumen, die dem anderen mehr glichen als Zwillinge das konnten. Sein Aufpasser hielt ihm untersetzte Vorträge, dass er es ja gleich gesagt habe und sie nun den Salat hätten, dass er nämlich nicht mehr sagen könne, wie sie nun wieder zurückfinden konnten, usw usf.


    Der junge Decimus aber legte den Kopf in den Nacken und sah einen Moment lang in einen gräulichen Nebelhimmel und als er den Blick wieder hinabsenkte, sah er etwas am Rande einer Lichtung. Etwas, das kein Baum war. Nein, es war etwas anderes.
    Neuen Mut schöpfend ging Maximian dorthin und war überrascht, als er eine Art Schild vorfand, auf dem ein maroder Fetzen Pergament steckte. Rasch überflog er die Zeilen, die darauf verfasst waren, dann sah er sich prüfend um und tat einen Schritt hinter das Schild. Dann noch einen und wieder einen.

    "Ja.", antwortete Maximian und nickte, ehe er die Stirn ein wenig runzelte. Er mochte es, auf diese Frage zu antworten, denn er bekam diese Frage häufiger gestellt. "Ich bin sein Sohn."


    Dann holte er tief Luft und sah sehr nachdenklich drein, versuchte aber immer mal wieder einen unauffälligen Blick auf die Tafel und die Mitschriften des Centurio zu werfen.
    "Nein, begegnet bin ich ihr noch nicht, das wüsste ich sicherlich. Es war auch keine Absicht, dass ich sie anrempelte und sie daraufhin fiel, höchstens ein unglücklicher Zufall. Ich war in Gedanken versunken.... und als ich mich umsah, schwafelte sie sogleich nur noch diesen Schwachsinn."

    Nein, würde er nicht, das wusste Maximian sicherlich. Aber er hätte wahrscheinlich nicht anders reagiert, wenn Mattiacus oder sonst jemand aus der Familie es ihm zuerst gesagt hätte. Nun hörte er es zum zweiten Mal und allmählich musste er verstehen.


    Ehe er sich versah, saß Maximian wieder im Korbsessel und sah beinahe verstört in die Leere. Dann riss er sich so gut es ging zusammen und sah auf seinen Schoß hinab, schluckte einen dicken Kloß herunter. Da saß er nun und er wusste gar nicht mehr, wo im Leben er stand.


    "Weißt du, was es.... hätten wir einen Sohn oder eine Tochter bekommen?", fragte er aus dem Nichts heraus. Er dachte nicht darüber nach, dass es doch nichts brachte, wenn er das nun erfuhr, aber in diesem Moment war es ihm das Wichtigste, das er noch wissen wollte. Mal abgesehen von der Frage, was er nun tun sollte. Das wusste er nicht, nicht mehr.

    Nickend blieb Maximian stehen, wo er war. Zum einen wegen der Anweisung des Soldaten, zum anderen, weil er immer wieder die Alte anstarren musste. Sie hatte für ihn in Rätseln gesprochen und noch wusste er nicht, was er mit all dem wirren Geplapper anfangen sollte.


    Dann stellte sich ihm ein Annaeus Scipio vor und Maximian nickte ihm zu.


    "Salve, Centurio Statorum Annaeus. Ich bin froh, dass die Wachen so schnell zur Stelle waren. Mein Name ist Decimus Maximian, ich...", begann er und deutete auf den Leichnam, der ihn unentwegt anzustarren schien. "Ich ging über das Forum und stieß mit ihr zusammen. Dann geriet sie außer sich, ergriff mich beim Handgelenk und schimpfte und meckerte.... Sie sprach unentwegt von einem Orakel, von einem Wald und einem Rabenmann. Dann plötzlich fiel sie rücklings um, griff sich ans Herz und... Sie muss eine Irre gewesen sein"


    Maximian hob die Schultern und sah verwirrt drein.

    Maximian blinzelte starr die Frau an, die das Zetern nicht bleiben ließ. Da endlich erreichten die ersten Soldaten den Schauplatz und Maximian wollte ihnen gerade antworten, da war plötzlich Stille. Durch die Menge ging ein Raunen, nur die Frau, die blieb reglos liegen.
    Der junge Mann trat ein, zwei Schritte zurück von ihr, als wäre sie ein gefährliches Raubtier und antwortete dann dem Soldaten, nachdem er den Kopf voller Unglauben geschüttelt hatte.


    "Emm... diese Frau... sie redete wirres Zeug, nachdem ich sie... versehentlich umgestoßen hatte. Sie redete sich in Rage, hielt mich fest.... wie besessen..." Er schluckte und beugte sich ein wenig über sie. "Ist sie tot?"