Beiträge von Lucius Decimus Maximian

    Eines Tages kam Maximian wieder einmal am Gästezimmer seiner Mutter vorbei. Gut gelaunt kloßfte er mehrmals gegen die Zimmertür. Er hatte sie schon eine Weile lang nicht mehr gesehen und wollte ihr ein Angebot machen.

    Maximian hatte sie anscheinend aufgeweckt, denn kaum später drehte sie sich zu ihm herum. Es war... es war Valeria. Er schluckte einmal und sah sie einen Moment lang an. In diesem Moment rasten wieder seine Gedanken. Herrje, was war nur passiert?


    Er kam zu keinem Ergebnis. Sein Kopf war beängstigend leer und noch dazu war er verwirrt. Hatte nicht Julia bei ihm gelegen? Nachts, als er aufgewacht war... Maximian blinzelte einmal und lächelte, weil Valeria ihn so anstrahlte.


    "So weit ich mich erinnern kann..."


    Er nickte und ließ dann wieder den Blick durch das Zimmer wandern. Maximian erkannte es einfach nicht wieder. Dann kehrte er wieder zurück zu der Frau, die in seinem Arm lag. Er musterte sie, fragte sich, was passiert war und seufzte dann in sich hinein, das sich so anhörte, als würde er sich wohlig strecken.


    "Und du? Hast du deine Augen überhaupt zu bekommen?"


    Es ging ihm offensichtlich schon viel besser. Und dass Valeria sich an ihn kuschelte... Nun, er verwirrte ihn sehr, aber für den Moment unterließ er jede Bewegung.

    Den Rest der Nacht konnte er durchschlafen. Sein Rücken fühlte sich wesentlich besser an, als wenn er immerzu auf ihm lag, und die Schmerzen im Arm hatte er isoliert.
    Als er erwachte, schob die Sonne ihre Fühler gerade über den Horizont und meldete somit einen weiteren schönen Sommertag an. Max schlug die Augen auf und sah einen Kopf vor sich. Einen Kopf mit blonden Haaren.


    Wieder musste er sich einige Fragen stellen. Wo war er? Wer war die Frau? Was war geschehen?


    Die, die er nicht gleich erkannte, lag immer noch auf seinem Arm. Anscheinend schlief sie auch noch recht tief, denn ihre Schultern hoben und senkten sich gleichmäßig. Sie trug ihr Gewand und als er an sich herunter sah, erkannte er, dass er wesentlich weniger trug als sie. Genau genommen fehlte seine Tunika.


    Er wurde noch ein bisschen verwirrter und ließ den Kopf dann zurück auf ein Kissen sinken. Langsam, denn er wusste, dass er auf der Seite des Kopfes eine Schramme hatte, die auch noch ordentlich brannte.
    Was war gewesen? Und wo befand er sich? Er strenkte seinen Kopf an, so gut es konnte, doch er kam einfach auf keinen grünen Zweig. Und so lag er noch eine Weile grübelnd und schloss auch hin und wieder mal die Augen.

    Es war mitten in der Nacht, als Maximian schweißgebadet und stöhnend erwachte. Als er Herr über seine Sinne wurde, war es, als würde er komplett aus Schmerzen bestehen. Von seinem Arm aus ging ein unerträgliches Ziehen und sein Rücken fühlte sich an, als habe man ihm mehrmals ein Nagelbrett daran hoch und runtergeschoben.
    Er wollte seinen gesunden Arm nehmen und damit den ledierten in eine menschlichere, vor allem aber schmerzlosere Lage bringen, als er merkte, dass der sich kein Stückchen weit bewegen ließ. Perplex wandte Max den Kopf dorthin und sah einen haarigen Hinterkopf an seiner Schulter liegen.
    Erstmal wurde seine Verwirrung nicht aufgehoben, denn das Zimmer, dass er spärlich erkennen konnte, erkannte er nicht wieder. Überhaupt konnte er nicht sagen, weshalb alles wie verrückt schmerzte.


    Er seufzte leise und kehrte wieder mit den Blicken zu der Frau neben ihm zurück. Dass er neben einer eingeschlafen war, musste ihm entfallen sein. Aber eigentlich konnte es nur Julia sein. Er schmunzelte, ja, es war Julia. Sie war eben noch in seinen Träumen gewesen, nun war sie hier.


    "Julia, Liebste.", flüsterte er.


    Aber wie konnte er jetzt die Schmerzen loswerden? Es gab nur einen Weg... Er kniff die Augen zusammen, zählte innerlich bis drei und drehte sich dann einfach auf die Seite. Sein Arm, der in der Schlinge lag, rutschte und die Hand traf auf das Laken. Ein dumpfer Schmerz, der bis ins Mark reichte. Verkrampft verweilte er einen Moment, bis er sich schließlich an den Schmerz gewöhnt hatte und öffnete die Augen dann wieder. Der Kopf der vor ihm liegenden Frau war nun so nahe, dass er seine Nase in ihr weiches Haar stecken konnte. Hm, es roch wunderbar.
    Wie gern er doch den ledierten Arm um sie gelegt hätte... Doch ihr Geruch reichte schon aus, um den Schmerz zu vertreiben. Es tat gut, dass sie bei ihm war. Auch wenn sie nicht wach war, so fühlte er sich doch sehr wohl. Immer noch schmunzelnd hob er seinen Kopf, sah ihren Hals herab über die Schulter und den Arm, den sie angewinkelt hielt. Ihr Gewand ließ an einer Stelle der Schulter eine Lücke. Maximian beugte sich vor, strich zätlich mit der Nasenspitze darüber und bettete schließlich kurzzeitig seine Lippen auf die warme, weiche Haut.
    Dann allmählich, er hatte nach wie vor Schweißperlen auf der Stirn, schlief er wieder ein.

    Sie dankte ihm. Maximian schmunzelte leicht, während ihr Gesicht noch einen Moment lang seinem ganz nahe war, sich dann aber veränderte und sich entfernte. Er wandte den Kopf nach ihr. Sie sah auf das Laken, wenn er es richtig deutete, und ergriff wieder seine Hand.


    Schlafen war ein Zauberwort. Wie gern er es wollte. Doch etwas hielt ihn noch auf. Er nickte matt, erwiderte aber vorerst nicht. Seine Augen konnte er noch mühsäkig offenhalten, während er noch einmal schluckte und nicht an Valeria vorbeisehen wollte.
    Was war mit ihr? Er spürte irgendetwas, das sie beschäftigte. Oder war er es letzendlich, der sich gar ein wenig fürchtete und es auf sie übertrug. Er legte den Kopf noch ein wenig seitlicher auf das Kissen.


    "Valeria?"


    Sie legte den Kopf leicht schräg und betrachtete ihn. Plötzlich war ihm ihre Hand nicht mehr genug und ehe seine Augen sich das letzte mal öffneten und wieder schließen, meinte er schon längst im Halbschlaf seine Stimme zu hören, die im Flüsterton noch einmal zu Valeria sprach.


    "Mir ist so kalt... Eine Decke... Leg' dich zu mir."

    Oh ja, dass Wasser tat dem Hals gut. Bei dem, was er ausgeschwitzt hatte und immer noch tat - hatte er Fieber? -, war es auch dringend nötig geworden. Er nahm ein paar kleine Schlücke, schluckte die mühevoll runter und stöhnte danach leise, als hätte er gerade in seinem Zustand einen Handstand absolviert.


    Dann strich sie ihm das Gesicht entlang, das Kinn hinab und auf die Brust hinunter. Er war sich nicht sicher, ob sie noch das Tuch in der Hand hielt und Dreck wegwischte, oder ob sie ihn tatsächlich streichelte. Und wenn sie es doch tat, dann fühlte er sich gegenwärtig nicht in der Lage, sich dagegen zu wehren. Nein, er wollte es jetzt auch gar nicht, denn es beruhigte ihn. Und er fühlte, dass es wichtig war, dass er nun zur Ruhe kam. Er brauchte seinen Schlaf, wollte nicht wieder so viel wirres Zeug träumen, wie vorhin auf dem Waldweg, auf den er gestürzt war. Valerias Berührungen halfen ihm spürbar dabei.
    Einzelheiten an die Zeit danach kamen ihm wieder in den Sinn. Er war eingeschlafen, nachdem Valeria bei ihm angekommen war. Sie hatte geweint und sie hatte sich zu ihm gebeugt, damit sie ihn besser sehen konnte. Dann hatte er die Augen geschlossen, war beinahe gänzlich abgetaucht, doch da war etwas... Er hatte etwas gespürt, konnte nur nicht genau sagen, was es gewesen war. Nur, dass es von Valeria gekommen sein musste, war ihm mehr als gut in Erinnerung geblieben.


    Wieder versuchte sie etwas zu sagen. Erst einmal antworte er nicht. Stattdessen befreite er nur seine Hand und hob die an, bis er Valeria an der Schulter berühren konnte. Er legte seine Hand dort ab, war er doch nicht imstande, sie allein zu halten.
    Seine dunklen Augen waren klein und er blinzelte langsam. Er sah das Funkeln in Valerias Augen und musste deshalb schlucken. Wieder blinzelte, diesmal noch langsamer und legte dann den Kopf nur ein kleines bisschen schräg, wonach er mit leiser Stimme und fragendem Blick sprach:


    "Was?"


    Dass er gesprochen hatte, hatte er kaum mehr mitbekommen. Seine Augen schlossen und öffneten sich immer schwerer, während er den Schlaf förmlich sehen konnte, wie er ihm mit offenen Armen entgegen kam.

    Als er eine Hand in seiner spürte und das feuchte Tuch, das ihm den Schmutz und das Blut von der Haut tupfte, wurde Maximian ein Stückchen weit in sein Wachsein zurückgeholt. Valeria war immer noch bei ihm, er war nicht allein unter "Fremden", im Raum war es leise und er entspannte sich allmählich wieder, denn all das vermittelte ihm das guttuende Gefühl von Wärme und Sicherheit.


    So wie er nicht mitbekommen hatte, dass ihm die verschmutzte Tunika geöffnet worden war, hatte er von Mummias Irrtum nichts bemerkt und auch nicht, dass Valeria sich über ihn beugte. Er hatte die Augen eine Weile lang zugehalten. Sie waren schwer wie Blei und alles ihn ihm sehnte sich danach, endlich einschlafen zu können.


    Und dann, als er noch einmal genug Kraft mobilisieren konnte, schwebte Valerias Gesicht über seinem. Und sie redete mit ihm. Die ersten Worte waren so weit entfernt, dass er sie nicht verstehen konnte und bei den restlichen Worten war er nicht sicher, ob Valeria sie tatsächlich gesagt hatte. Um ihre Gesichtsränder tanzten seltsamte Linien und er fürchtete, dass er gleich wieder dreifach sehen würde. Aber diese Täuschung blieb den Göttern sei Dank aus und träge blinzelte er Valeria an.


    Wieder war sein Hals trocken. Er wollte etwas sagen, ihr sein Bedauern kundtun, dass er den schönen Tag ruiniert hatte, öffnete auch den Mund ein wenig, aber es kam kein Ton über seine Lippen.

    Sie waren endlich angekommen! Maximians Kopf hing mehr als dass er noch auf dem Hals stand, als der Hof, den sie gegen Nachmittag noch in bester Laune verlassen hatte, immer näher kam.


    Und dann war auch schon Mummia da. Sie half Valeria, indem sie Maximian ihrerseits so gut es ging unterstützte. Sie hatte schnell begriffen, worum es ging und hatte nicht lange herumgezuckelt.


    Maximian nahm nur noch schemenhaft wahr, dass sie ihn ins Haus führten, wo Mummia der Sklavin Befehle zurief.


    "Sieh zu, dass du das Gästebett herrichtest. Und bring warmes Wasser, Öl und Tücher ins Gästezimmer. Ach, eine von Aurelius' Nachttuniken. Schnell, schnell!"


    Hinter der Sklavin her schleppten sie ihn ins Gästezimmer. Es war ein relativ kleiner Raum, in dem nur ein Doppelbett stand, zwei Korbsessel und ein Schemel neben einer kleinen, hölzernen Truhe. Notdürftig wurde eine kleine Fackel in eine Amphore als Halterung gesteckt, wodurch der Raum in schummrigen Licht zu glühen schien.
    Während sie Max zum Bett schleiften, hörte man immerzu Mummias Stimme.


    "Es musste ja etwas passieren... Er ist immer so ungestüm. Ach Kindchen, wenn er dich nicht gehabt hätte."


    Zweifelsohne galten diese Worte Valeria. Doch Max konnte schon nicht mehr sagen, unter welchem Arm ihn Valeria stützte. Sie brachten ihn zum Bett und ließen ihn darauf sinken. Kraftlos blieb er nahezu unbeweglich liegen, also legten sie seine Beine zurecht und sorgten dafür, dass der ledierte Arm gut gebettet war.
    Maximians Augen hatten wieder angefangen zu flattern. Er wollte sie offen halten, doch war die Müdigkeit so groß, dass er sich wehrlos ihr gegenüber widerfand.


    Wo war Valeria? Alles drehte sich. Seitdem er gestürzt war, hatte sie ihn nicht mehr losgelassen. Er wollte ihre Hand halten, damit er sich gewiss sein konnte, dass er wieder aufwachen würde.

    Maximian hatte das Angebot einer Rast zwar widerwillig aber doch noch dankend angenommen. Matt ließ er sich von Valeria gestützt dem Boden entgegensinken. Seine Beine schmerzten, fühlte es sich doch so an, als hätte sie Berge von Marmor tragen müssen. Sein Kopf hatte unter jedem Schritt innerlich gebebt und die Hölle heraufbeschworen, je länger sie gelaufen ware. Er sah erschöpft aus, hatte unzählige winzige Schweißperlen auf der Stirn und konnte schließlich kaum mehr die Augen offen halten.


    Doch er wollte und er musste - es nützte alles nichts. Valeria hielt ihm ein Stück vom Käse hin, doch selbst den lehnte er müde dankend ab. Sein Magen würde sich drehen, so wie die Welt sich drehte und auf rückwärtsgegessenen Käse hatte er nun wirklich keine Lust.
    Er sprach kaum, um Kräfte zu sparen, während sie da saßen. Der Weg musste noch weit sein, dabei wog jetzt schon jedes seiner Glieder mehr, als jemals hätte allein tragen können.


    Was wäre geschehen, wenn Valeria nicht bei ihm gewesen wäre, wenn die Schlange im Unterholz Nigidius erschreckt hätte und Maximian hier draußen gestürzt wäre, ohne dass noch jemand bei ihm war?
    Nicht auszumalen... Und vor allem unnötige Energieverschwendung, mahnte Max sich und nickte Valeria mit einer erneuten Glanzleistung an gesammelter Kraft zu.


    "Lass und weitergehen, so kommen wir nie ans Ziel."


    Valeria half ihm wieder auf und wieder liefen sie eine ganze Weile. Doch schon bald wurde Maximian sehr langsam. Seine Hände waren ebenso bleich wie sein Gesicht, das von kalten Perlen des Schweißes benetzt war. Sein Atem ging schwer und der Kopf schaukelte bald hin und her.
    Und er wusste, wenn er sich jetzt Ruhe gönnte, würde er einschlafen. Die Dunkelheit würde sie dann überfallen und sie müssten in der Schwärze der Nacht ihren Weg suchen.


    Valeria war bei ihm. Er verließ sich auf sie, zehrte an ihren Kräften und war ihr so dankbar, ohne es jetzt wissen zu können. Ihretwegen musste er jetzt durchhalten. Ihretwegen setzte er weiterhin Fuß vor Fuß, auch wenn das bloße Grad allmählich wie der größte Widerstand wirkte, wenn es gegen seine Sandalen stieß.

    Man, war der Kopf weit von der Erde entfernt, stand man auf seinen zwei Beinen. Es schwindelte ihm ungeheuerlich, als hätte er seit mehreren Tagen nicht mehr wirklich gegessen und nur wenig getrunken.
    Freilich hatte er sich helfen lassen - allein hätte er auch auch kaum vom Boden hoch geschafft. Die Schwerkraft wirkte wesentlich anziehender als normalweise, hatte Max das Gefühl.
    Wackelig hielt er sich auf den Beinen. Seine Augenbrauen waren immer noch düster in die Augen gezogen, seine Gesichtsfarbe war eher bleich denn irgendetwas anderes. Er nickte.


    "Ja, ich denke schon."


    Moment. Wer war die, die hinter Valeria auf einmal auftauchte? Und die andere da? Hatten sich zufällig zwei Spaziergängerinnen hierher verirrt? In ein Waldstück, weit abgelegen vom nächsten Ort oder einer Straße? Kaum möglich.
    Er musste sich täuschen. Dann ging Valeria auch schon los und er versuchte ihr hinterher zu sehen, was nicht ganz einfach war, denn schließlich verschwand sie in drei verschiedene Richtungen.
    Max hob seine gesunde Hand und hielt sie sich vor die Augen. Sein Rücken schmerzte unheimlich, der Kopf fühlte sich an, wie als wäre er aus Brei. Ohne, dass er es bemerkt hatte, taumelte er einmal nach vorn und links, konnte sich aber irgendwie vor dem Umkippen fangen.


    Zurück zu Mummia und Aurelius. Der Weg war weit, das wusste Maximian noch, und allein die Vorstellung ließ die Knie weich werden. Nein, solch einen Sturz hatte er noch nie gehabt.
    Er nahm die Hand vom Kopf und versuchte zu gehen, um sich die Stelle noch einmal genauer anzusehen und Valeria entgegen zu kommen. Aber seine Schritte waren klein und wackelig, dass es kaum etwas bringen durfte.

    Bis in den kleinen Zeh reichte der Schmerz, den die Bewegung seines Armes verursachte. Und auch wenn Valeria sich beeilte und den Arm schnell in die Schlinge gelegt hatte, war es Maximian, als würde er wieder ohnmächtig werden müssen. Es wurde ihm schwarz vor Augen und jeglicher Bezug zur Realität schien vom Schmerz durchtrennt zu werden, bis es vorbei war und er Valerias Stimme dicht an seinem Ohr hörte und fühlte, dass er gehalten wurde. Noch eine Weile lang puckerte der Arm schmerzhaft, dann legte er sich dieses beißende Gefühl beinahe gänzlich. Maximian atmete tief ein und aus und wollte gar nicht die Augen öffnen.


    Dann ließ er den Kopf ein Stückchen sinken und seufzte. Das war geschafft. Und auch wenn es ihm nun danach war, sich wieder hinzulegen und die Augen zu schließen, zwang er sich Aufbruchsstimmung zu heucheln und nickte, während Valeria sich von ihm entfernte.


    "Erinnere mich das nächste Mal daran, dass wir unsere Pferde aneinanderketten."


    Seine Stimme war alles andere als kräftig. Sie zitterte leicht und er wirkte weiterhin ziemlich matt. Es zehrte so vieles an seinen Kräften. Das Pochen im Kopf war angeschwollen, den Arm konnte er auch bei jeder noch so kleinen Bewegung unangenehm schmerzend wahrnehmen.
    Immerhin, die Beine funktionierten, und ehe Valeria noch etwas einwenden konnte, zog Maximian den gesunden Arm aus seiner stützenden Position, lehnte sich leicht und stöhend zur Seite und versuchte sich so beinahe vor Entkräftung zitternd ohne Hilfe aufzurichten.

    Valeria setzte sich neben ihn und sah ihn einfach nur an. Dann legte sie ihm ihr Tuch um den Hals und ließ ihre Hand auf seiner Brust ruhen. Eine Berührung, die ihm unverhofft gut tat, denn er wusste, was nun auf ihn zukommen würde. Er setzte seine andere Hand, mit der er sich am Waldboden abstützte, nocheinmal sicher nach, blinzelte Valeria, die sich vor seinen Augen hin und her zu biegen schien, noch einmal zu und nickte dann mit einem missglückten, schiefen Grinsen, während sein linker Arm an seiner Seite herabhing, als würde er gar nicht zu ihm gehören.


    "Ist gut."


    Er sah ihren besorgten Blick und versuchte sich darauf zu konzentrieren, dass er seinen Schmerz unter Kontrolle behielt, würde Valeria nun seinen Arm in die Schlinge legen.

    Er nickte und wartete darauf, dass sie ihn unterstützte, dann versuchte er sie größtmöglich mit dem gesunden Arm zu unterstützen, indem er sich damit vom Boden abstieß. Waren das Schmerzen! Er kniff die Augen zusammen und biss die Kiefer aufeinander, sodass er auch ja keinen Ton von sich geben konnte. Ein Glück, dass Valeria ihn nicht sehen konnte. Wohlmöglich hötte sie ihn wieder zurückgedrückt und er hätte nach Tarraco robben müssen.
    Schließlich saß er auch. Zwar schräg, aber er saß. Er hatte immer noch die Lider aufeinandergepresst, denn er spürte, dass ihm ganz und gar schwindelig wurde. Und tatsächlich: Als er jetzt die Augen öffnete, drehte die Welt sich. Sogleich schloss er die Augen wieder, genoss aber einen Moment noch die Ahnlehnung an Valeria, die ihn immer noch stützte.


    "Es geht, danke."


    Er hielt sich mehr oder weniger gut aufrecht in seiner Sitzposition und winkelte nun auch wieder ein Bein an. Zumindest das klappte ohne dass er Hilfe brauchte. Dann öffnete er auch wieder die Augen, doch immer noch vollzogen Bäume, Boden und Himmel einen schwindelerregenden Tanz. Was soll's, dachte der junge Decimus sich. Er hatte Schmerzen, er wusste nicht, wie Valeria ihn hier wegschaffen könnte und es drehte sich ihm alles. Passte doch alles wunderbar.

    Maximian wandte seinen Kopf dem Arm zu, der immer noch recht unfreundlich dalag. Es sah wirklich nicht gut aus. Die Finger bewegen. Ja, das sollte er als erstes versuchen. Nun gut.
    Er nahm all seinen Mut zusammen, fixierte seine Hand und hielt sogar die Luft an, während er versuchte, seine Finger zu regen. Aber außer mfürchterlichen Schmerzen regte sich da nicht viel. Immerhin, der Zeigefinger zuckte kurz, was jedoch nicht ausreichte, um den Schmerz niederzukämpfen.
    Maximian wandte den Kopf wieder Valeria zu und fing erst dann wieder an zu atmen. Wenn er nur nicht gelegen hätte, dann hätte immernoch die zweite Hand helfen können. So aber war er auf Valeria angewiesen. Er schüttelte leicht den Kopf und versuchte den Schmerz herunter zu schlucken.


    "Er ist scheinbar wirklich gebrochen."


    Dann beobachtete er, wie die junge Decima sich ihr Schultertuch abnahm und es halb über ihren Schoß breitete. Er hatt keinen blassen Schimmer, was das nun sollte, ließ sie aber machen.
    Sie sagte ihm, dass er nicht lange geschlafen hatte. Das war gut. Immerhin hatte sie die ganze Zeit bei ihm sitzen müssen und das auf dem Boden. Gut, er war warm, aber keine Frau saß gerne auf dem Waldboden.


    Sie wendete ihren Kopf ab. Suchte sie die Pferde? War das da gerade ein Schnaufen eines der Tiere gewesen? Oder machte sie sich Gedanken, wie sie allein es schaffen sollte ihn nach Tarraco zu bringen?
    Mit einem Mal fühlte Maximian sich sehr schlecht. Die arme Valeria musste sich ziemlich hilflos fühlen - schließlich würden sie weit und breit keine Hilfe finden und ob er sich auf einem Pferd würde halten können, war die nächste Frage. Den Kuss hatte er nach wie vor vergessen, genauso wie er jegliche Orientierung los war und nicht einmal mehr genau sagen konnte, ob sie nur ausgeritten waren oder ob sie tatsächlich bei Aurelius und Mummia gerastet hatten.


    Er hob den Kopf wieder an, nicht ohne erneut das Ziehen von einer Schädelseite zur anderen Schädelseite zu vernehmen. Er ignorierte es so gut er konnte und kniff nur angestrengt die Augenbrauen zusammen, als würde er direkt in die Sonne sehen.
    Er machte sich Sorgen. Valeria war eine zarte Frau und er wollte keine allzu große Last für sie sein. Da er aber nicht wusste, wo sie sich befanden und wie spät es war, fürchtete er, dass es auf nichts anderes hinauslaufen würde.


    "Wie weit sind wir schätzungsweise von Tarraco entfernt?"

    Maximian träumte lauter wirres Zeug. Er sah sich mit Kindern in Valentia auf einem Feldweg spielen oder wie Viola ihm eine Ladung Schnee ins Gesicht pfefferte. Auch sah er Meridius, wie er ihn zur Begrüßung in den Arm und Martinus, der ihm Anweisungen gab, während Maximian stolz seine Anweisungen ausführte. Und dann sah er Gesichter von jüngsten Ereignissen, irgendwie alle miteinander verworren. Margarita aus Rom, die mit ihm redete, aber auch Mummia, die gänzlich aus Käse bestand. Und als er gerade Valerias Gesicht vor Augen hatte, ein fürsorgliches, warmes Gesicht, schlug er seine Lieder auf. Da war sie.


    Einen Moment lang schien sie noch gedankenverloren geradezu durch ihn hindurchzusehen, doch dann schien sie aus ihren Tagträumen gerissen. Er zeigte ein Lächeln, spürte, dass sie über seinen Handrücken strich und konnte nicht anders, als sich einen Moment lang pudelwohl zu fühlen.


    "Guten Morgen."


    Dass er sich damit ziemlich in der Tageszeit und auch sonst geirrt hatte, fiel ihm nicht auf denn sogleich versuchte er sich aufzurichten. Es misslang kläglich. Immerhin hatte er den Kopf anheben können und festgestellt, dass er noch genauso wie vorher dalag. Außer, dass sein Bein, das vorhin noch angewinkelt gestanden hatte, nun wieder lag.
    Und wie er so den Kopf aufrecht erhielt, ging ein Stechen von einer Schläfe zur anderen. Nicht gut, dabei würde er so oder so aufstehen müssen.
    Den Kopf noch einmal sinkend lassen, sah er hinauf zu Valeria.


    "Habe ich lange geschlafen?"

    Maximian hielt die Augen geschlossen. Wahrscheinlich hätte er nun sowieso nicht mehr die Kraft gehabt sie zu öffnen. Er hörte ihr zu, was vorgefallen war und nach und nach kamen auch die Bilder zurück. Da das jedoch wieder nochmal erschöpfend auf ihn wirkte, versuchte er die Bilder nicht erst hervorzurufen.
    Allmählich verschwamm Valerias Stimme. Er fühlte ihr warme Hand und wusste, dass sie nicht von seiner Seite weichen würde. Ja, er fühlte sich geborgen und war sich sicher, dass nichts mehr passieren würde.


    Schließlich war ihre Stimme nur noch ganz weit entfernt. Die Schmerzen im Arm und im Rücken ließen nach und die Gedanken verflogen. Er sah noch einmal Julia vor seinem inneren Auge, dann schlief er ein.

    Er konnte nicht sagen, ob das Bein gebrochen war. Es tat nur höllisch weh, wenn er sich nun bewegte. Vielleicht war es auch einfach der Rücken, der den Aufschlag weniger gut überstanden hatte. Mit viel Kraft schaffte Maximian es dann schließlich auch, das erste Bein anzuwinkeln.
    Als er dann wieder die Augen öffnete, waren sie matt. Er war unendlich müde und hätte seine Lider gerne für ein paar Momente geschlossen. Er suchte Valerias Blick, was ihm irgendwie schwer fiel, dann stöhnte er entkräftet und erwiderte mit rauer Stimme:


    "Die Beine sind in Ordnung. Der Arm..."


    Maximian versuchte den Kopf zu drehen, aber da waren Valerias Hände, die ihn festhielten. Er versuchte den Teil des Körpers, der vor dem Sturz noch wie sein Arm reagiert hatte, zu heben, erzielte dadurch aber nur einen stechenden Schmerz.
    Wieder musste er die Augen zusammenkneifen und ließ sie nun auch zu. Er wusste ja nun, dass Valeria bei ihm war. Wenn er sie schloss, würde sie dadurch nicht verschwinden. Und dennoch spürte er immer noch den Griff der Kälte, der nachließ, aber in seinem Kopf noch mehr als gegenwärtig war.
    Ging es ihr gut? Er hatte nicht viel von ihr sehen können. Ihren Kopf, um genau zu sein, und der sah unversehrt aus. Seine Hand, die vorhin an ihrer Wange geruht hatte, hatte sie ihm wieder auf die Brust gelegt. Er suchte ihre Hand, wollte sich absichern, dass er nicht wieder davondriftete.


    "Wie geht es dir? Und... was ist passiert?"

    Ja, jetzt konnte er sie richtig erkennen. Es war Valeria und sie lächelte, während er spürte, wie sie ihm immer wieder übers Gesicht und die Haare strich. Aber sie sah sehr besorgt aus, hatte Tränen in den Augen und Bahnen auf ihren Wangen zeugten davon, dass sie geweint hatte.


    Ihr Hand hatte sich auf seine gelegt und hielt sie fest. Er fühlte sich so sicher in diesem Moment und weit entfernt von einer Ohmacht und der eisigen Dunkelheit. Er blinzelte gerade, als Valeria ihren Kopf senkte. Er fühlte nur noch, wie sich ihre Lippen kurz berührten, dann hob sie ihren Kopf schon wieder.


    War es nur eine zufällige Berührung gewesen? Der am Boden liegende Mann war zu müde, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Es hatte ihm zumindest gut getan, was immer es auch gewesen war. Valeria war da, er war nicht allein. Das war alles, das in diesem Moment überhaupt noch von Bedeutung war.


    Dann sprach sie. Wie gut es tat, ihre Stimme zu hören. Er schluckte abermals, um die Kehle zu befeuchten und zog abermals die Augenbrauen zusammen, als er versuchte sein linkes Bein aufzustellen. Er keuchte, als er dann sprach.


    "Das... musst du gerade... sagen."


    Er verzog schmerzvoll das Gesicht. Was war nur gewesen? Er sah noch Valeria neben sich, Alfidias Kopf, ein Zucken. Dann waren seine Erinnerungen verschwunden. Nichts. Ein Loch im Gedächtnis.

    Als er die Augen aufgeschlagen hatte, wurden sie vom Licht geflutet. Außerdem war Julia bei ihm. Aber sie sah anders aus. War es nicht Julia? Doch, es musste Julia gewesen sein. Sie schien zu weinen, so wie er sie gesehen hatte, als noch alles dunkel gewesen war. Nun konnte er an ihren Augen vorbei den blauen Himmel sehen, der wie ein Dach über ihm schwebte. Und er war so weit weg...


    Er schloss die Augen wieder und versuchte sich auf seinen Körper zu konzentrieren. Wo tat es weh? Der Schmerz, der sofort wieder über ihn hereinschwappte, war nicht klar zu deuten. Er schien ein wahres Meer aus Schmerzen zu sein und konnte nicht einmal bis in die Endglieder fühlen.
    Erschöpft schlug er seine Augen langsam wieder auf. Wieder fühlte er sich wie geblendet, konnte das über ihm schwebende Gesicht kaum richtig erkennen. Er merkte nur, dass sein Kopf sich leicht angehoben hatte und sie ihm berhigend über das Gesicht fuhr.


    Es war wirklich beruhigend. Auch seine Augen gewöhnten sich zusehends an die Helligkeit, die hier, fernab der Dunkelheit, vorherrschte. Seine dunklen Augen flogen träge die Gesichtszüge des Gesichts ab, das zu ihm hinab sah. Dann schluckte er. Es war nicht Julia, die bei ihm war. Es war Valeria.


    Verwirrung. Was war passiert? Warum war Valeria bei ihm? Und warum im Namen der Götter konnte er sich nicht bewegen und war so dermaßen von Schmerzen ergriffen?
    Er wollte etwas sagen, räusperte sich. Sein Hals war trocken. Er versuchte den Kopf noch einmal zu bewegen, ihn aufzurichten, schaffte es aber auch diesmal nicht und ließ sich wieder in Valerias Hände sinken.
    Mühsälig suchte er seine Kräfte zusammen, um ihr zu antworten. Da begriff er, dass sie gesund war. Ihr war nichts geschehen, auch wenn er nicht sagen konnte, was ihr hätte geschehen können. Es war alles weg, bis auf Erleichterung, dass alles gut zu sein schien. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen.


    "Valeria, du..."


    Seine Stimme stockte. Es kostete ihn unheimlich viel Kraft zu sprechen. Er fragte sich warum, fand keinen Grund dafür. Kaum merklich kniff er die Augenbrauen zusammen, während er den Arm, den er auf seinem Bauch spürte, allmählich heben konnte. Irgendwann berührte er Valeria. Er konnte nicht sagen wo, aber er spürte es.