Sie zog sich von ihm zurück, rückte dorthin, wo sie am weitesten von ihm entfernt war, hüllte sich in eine Decke, verschloss sich vor ihm und dem Zimmer, das mit einem sehr viel größer und kühler auf ihn wirkte. Dann schlang sie noch die Decke um sich, vergrub ihren Kopf darin. Ihr Rücken schüttelte sich, das konnte er genau sehen. Sie weinte.
Er schluckte und sah nun seinerseits auf das Bettlaken. Verständnislos waren seine Augen aufgerissen, weil er nicht mit solch einer Reaktion gerechnet hatte. Denn so... so, wie sie sich versteckte und weinte, konnte er wussten die Götter was getan haben, während er nicht mal mehr wusste, wer er war. In der Nacht.
'Heute Nacht...', wollte sie anfangen zu erzählen, brach aber auch schon wieder ab. Sie starrte an einen undefinierbaren Punkt irgendwo zwischen ihm und ihr und doch wieder nicht festlegbar und er wollte gerade noch einmal nachfragen, was heute Nacht war, da stand sie auf und flüchtete. Er konnte kaum verstehen, was vor sich ging, als er auch schon Mummius überraschten Aufschrei hörte.
Und als sie dann zu ihm reinkam, er mit freiem Oberkörper auf dem Bett saß und immer noch das Laken anstarrte, bekam er kaum mit, wie Mummia ihn anfuhr. Er war irgendwo anders, aber nicht hier. Nicht in diesem Raum, nicht auf diesem Bett. Dennoch aber gelanten die Worte der dicken Frau in seine Ohren und ließen den Kopf allmählich wieder anspringen.
Valeria. Er musste zu ihr. Wie in Trance erhob Max sich und schenkte Mummia keinen Blick. Alles schmerzte, als er sich suchend nach einer Tunika umsah, die er sich überziehen konnte. Mummia sah ihm dabei verdutzt zu und schüttelte immer noch den Kopf.
Der Schmerz machte Maximian wütend. Wieso lief mit einem Mal alles schief? Warum hatte er keine Erinnerungen mehr, weshalb war er gestürzt, weshalb hatte Valeria sich in ihn verliebt, warum war er darauf eingeangen und vor allem warum war Mummia so furchtbar laut, wo er mit mehr nichts als einem Leibschurz vor ihr stand?!
Da sah er zu ihr, streifte sie mit einem ziemlich missgelauntem Blick und erkannte in ihren Händen ein Stück Stoff, das sie ihm hinhielt.
'Suchst du die hier?'
Maximian nickte, nahm ihr die Tunika ab und machte sich daran, sie sich über zu ziehen. Es war die reinste Tortur. Er musste die Arme dafür über den Kopf heben, was die Haut am Rücken dehnte und wie tausend Nadelstiche wirkte, dann fühlte er den Stoff seinen Rücken hinunterrutschen. Er verzog schmerzhaft das Gesicht, ächzte verhalten und zog die Tunika dann langsam zurecht, während Mummia meckerte...
'Schämen solltest du dich! So geht man doch nicht mit seiner Frau um! Und nun mach, dass du zu ihr gehst... Armes Kind hatte ganz rotgeweinte Augen. Und denk ja nicht, dass du mir so davon kommst! Erzogen solltest du werden, dass du dieses Kind, das dich offensichtlich sehr liebt, verjagst... Manieren sind das!'
Er hatte sich gerade aufs Bett niedergelassen, um seine Sandalen zu schnüren. Mummias Redeschwall war mehr oder weniger an ihm vorbeigezogen, bis auf eines: Sie nannte Valeria seine Frau. Überraschen tat es ihn fast nicht...
Die Sandalen waren geschnürt und umständlich erhob der junge Decimus sich. Kaum später war er auf Mummias Höhe, die immer noch mit in die Seiten gestützten Armen in der Tür stand und den jungen Mann argwöhnische Blicke zuwarf. Er seufzte bei ihr angekommen, sah sie nicht direkt an.
"Sie ist nicht meine Frau."
Damit schob er Mummia, die offensichtlich vedutzt war und sich die Hand vor den Mund schlug, zur Seite und durchquerte das Haus, bis er nach draußen trat. Da stand Aurelius, warf Maximian einen sorgenvollen Blick zu.
'Die Frauen, Junge. Geht es dir denn so weit gut, dass du hier rumspazieren kannst? Ach, falls du deine Frau suchst, sie ist eben in den Stall gelaufen. Ich glaube... Kann es sein, dass sie weinte?'
Maximian nickte, während er Aurelius passierte. Wie ein alter Mann ging er langsam und ein wenig geduckt, während er mürrisch dreinblickte.
Bei der Stalltür angekommen atmete Max durch und wandte sich noch einmal zu Aurelius um, der ihm hinterhergesehen hatte und nun die Schultern hob, als wolle er fragen: Was ist? Geh rein.
Max nickte kaum merklich, wollte sich gerade zur Stalltür umwenden, als er nochmal innehielt und leise hervorstieß, sodass Aurelius ihn schwerlich gehört haben dürfte:
"Sie ist nicht meine Frau. Sie ist..."
Die Stimme versagte ihm und er öffnete endlich die Tür. Der Stall war dunkel, denn Holzdiele lag eng an Holzdiele, sodass es kaum Ritzen und Spalten gab, durch die die Sonne ihre Strahlen schicken konnte.
Er brauchte einen Moment, bis seine Augen sich an das schummrige Licht gewöhnt hatten, dann machte er ein paar Schritte. Er hörte sie nicht, aber sie musste ja hier sein.
Er seufzte und blieb stehen. Die Wut war gewichen, aber sein Rücken schmerzte unangenehm. Seine Augen suchten und fanden ein Fass, zu dem er hinüberging und sich anlehnte. Es tat gut, nicht allein stehen zu müssen. Und wenn er die Schultern hängen ließ, war es gleich noch besser.
Dann sammelte er all seinen Mut zusammen und hob den Kopf, um den Stall zu durchsuchen, in dem es vereinzelt wieherte oder scharrte.
"Valeria, ich... Lass uns darüber reden, ich bitte dich."