Beiträge von Lucius Decimus Maximian

    Sim-Off:

    Mir wurde von deinem pflichtbewussten Bruder bescheidgegeben - also gar kein Problem. ;)


    Gerade hatte Maximian sich äußern wollen, dass er wirklich stabil genug saß, als Julia seine Hände nahm und sie auf ihrem Bauch platzierte. Zuerst war er überrascht, doch dann spürte er ihre Hand auf seiner und darunter ihre Tunika. Sie wie sie die Hand einen Moment auf seiner ruhen ließ, ruhte sein Körper. Er bewegte sich kein bisschen, nur das Atmen schob ihn ein wenig vor und wieder zurück.
    Ihre Hand war wunderbar warm und ihre Haut weich. Er genoss das Gefühl und die herrlichen Empfindung, die von seiner Hand aus durch den ganzen Körper schwappten. Dazu gehört ein Schauer, der seinen Rücken hinabfloss. Sein Kopf war ihrem dazu ziemlich nahe, weshalb er den Gerich ihrer Haare nur so inhalierte. Es war ein gutes Gefühl.


    Doch dann war der Moment wie eine Seifenblase auch schon wieder zerplatzt. Julia entriss ihre Hand ihrem Liegeplatz und nahm die Zügel auf. Maximian musste schmunzeln und legte seine Daumen anders hin, dann schluckte er einmal und sprach schließlich ziemlich leise:


    "Ich... ich denke, so wird es gehen, ja."


    Dann musste Max doch nochmal über die Situation und ihren Witz schmunzeln.


    "Versuchen wir es einfach. Du spürst ja, ob ich noch da bin oder nicht... "


    Es war zu schön. Was er auch sagen wollte, alles würde nur ob der Situation witzig klingen. Das bedrohliche Ende dieser Odyssee hatte er unlängst nicht mehr im Blick. Alles was zählte, war nun hier und jetzt. Auf dem Rücken des Pferdes, das sie nun ein Stückchen weit tragen sollte.

    Zitat

    Original von Decima Valeria


    Hmm...vor wem muss ich mich denn nun alles in Acht nehmen? *lach*


    Na ganz klar vor dem Jüngsten! :D Ich besitze noch sowas wie Welpenschutz, sie unterschätzen mich allesamt und außerdem wollen eh alle ewig nur das Beste für mich, also... nich...? *grinst zu den Großcousins* ;)


    Schön, ein neues Gesicht in der Familie zu haben. Viel Spaß hier. :)

    Maximian war froh, dass nicht nur ihm die Füße allmählich wehtaten. Und er war erleichtert, dass Julia seinen Gastgeber nicht vergessen hatte. Er hätte es sonst sicherlich gerne getan...


    Und dann waren sie in dieser irrwitzigen Situation. Julia hatte sie erkannt und Maximian ebenfalls, als sie es aussprach. Er sah auf das Pferd, dann zu Julia, die sich behände auf den Rücken ihres Pferdes geschwungen hatte.
    Ob ihr wohl die gleichen gedanken durch den Kopf gingen, wie ihm gerade? Auch er war ein bisschen verlegen und kratzte sich kurz am Bauch, während er Julia betrachtete und sich dem Pferdchen näherte. Wenn er ehrlich war, dann... hätte ihnen auch schlimmeres passieren können. In sich hineingrinsend ergriff Max also ihre Hand und ließ sich auf den Rücken des Pferdes ziehen.
    Das war erstmal ein wenig ungewöhnlich. Er hatte das Gefühl, dass er beinahe auf dem Schweif des Tieres unter ihm saß und nach vorne rutschen müsste. Da jedoch saß Julia. Er zögerte einen Moment, dann rutschte er sich ein bisschen näher zu ihr. Wohin jetzt mit den Händen?
    Betrachtete man die Situation einmal genau, dann konnte man sich irgendwo denken, dass sie Max gefiel. Wenn, ja wenn er nicht immerzu daran denken müsste, dass Julia irgendwie vorsichtig gewesen war und auf Berührungen empfindlich reagiert hatte.
    Blieb ihm aber irgendeine andere Wahl, wenn er beim ersten Galoppsprung des Pferdes nicht unsanft am Boden landen wollte?


    Er sah also Julias zuerlichen Rücken direkt vor sich und zögerte noch einen Moment, dann räusperte er sich sehr leise und rutschte noch ein letztes Stückchen zu ihr heran, ehe er ihr die Hände auf den Stoff an ihren Hüften legte. Er zwang sich dazu alle Empfindungen auszusperren, klemmte seine Waden an den Leib des Pferdes und hielt dann still. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht zählte er bis 3, dann zuckte er einmal.


    "Gut... Ich bin dann so weit. Zeig mir, was deine Stute in sich hat. Ich hoffe, sie hat Erbarmen mit mir. Soetwas habe ich noch nie gemacht."


    Er war tatsächlich gespannt, wie er sich nun würde halten können. Immer noch wehrte er sich dagegen das Gefühl von Julias Hüfte unter seinen Händen wahrzunehmen, da kam ihm die Neugier auf diese alternative Art auf einem Pferde zu reiten äußerst gelegen. Er nahm ihren Durft war, der ihn an ein Feld voller Blumen erinnerte, aber auch das schob er eisern beiseite.

    Da hatte er nun den Salat. Weil er sich so missverständlich ausgedrückt hatte, musste Julia nun denken, dass es ihn nicht so sehr interessierte, was sie auf dem Herzen mit sich trug. Sie war offensichtlich ein klein wenig verlegen und sah sich gezwungen, aus der Situation wieder herauszukommen. Max seufzte wieder einmal in sich hinein und berührte Julia ganz kurz und sanft am Arm.


    "So war das nicht gemeint. Du belastest mich nicht, ganz im Gegenteil. Ich höre dir gerne zu und... würde dir gerne helfen. Ich meinte nur, dass du nicht glauben sollst mir irgendetwas über deine Vergangenheit erzählen zu müssen, nur weil ich dir etwas über meine erzählt habe. Aber ja, lass uns weitergehen. So kommen wir nie an."


    Maximian versuchte ein verqueres Schmunzeln, dann ging er wieder neben Julia her. Ihre Schritte vermischten sich mit dem Getrappel von Julias Pferd, das gutmütig neben ihr herlief. Maximian hatte das Gefühl, dass es ihn irgendwie mochte.
    Dann sah er sich kurz um und erkannte, dass der Schwarze schon außer Sichtweite geraten war. Maximian hoffte, dass das Tier vor Wölfen verschont blieb und auch kein zufälliger Passant seine Chance witterte an ein hübsches Pferd zu gelangen. Uh, Hungaricus...
    Die Sonne hatte sich weiterhin dem Horizont zugeneigt, der Abend kam unaufhaltsam. Die Stille durchschneidend sah Max zu Julia.


    "Sollten wir nicht schonmal ein Stückchen reiten? Schließlich müssen wir Skadi zwischendurch Verschnaufspausen gönnen und es wird bereits Abend."

    Als Julia damit begann ihn - oder sich? - darauf vorzubereiten, dass sie etwas über ihre Vergangenheit erzählen würde, hatte Maximian fast widersprechen wollen. Sie hatte ihm gesagt, dass sie eine schwere Vergangenheit hatte und er hatte mit seinen Worten nicht bezwecken wollen, dass sie nun erneut daran erinnert werden sollte. Woran auch immer. Anscheinend wollte sie es ihm aber erzählen... konnte er ihr da noch einfach so seine Ohren Versagen? Nein, das hätte er sich nicht erlauben können. Zum einen sollte sie erzählen, was sie loswerden wollte, damit es ihr vielleicht irgendwann besser gehen könnte. Zum anderen aber hatte er es irgendwie auch darauf angelegt - nicht gezielt, aber doch in seinen Worten mitschwingend - weshalb er nun keinen Rückzieher machen konnte. Und er wollte es auch nicht mehr.


    Also hörte er sich an, was Julia berichtete, während sie dastand, unbeweglich und versteift wie eine Statue. Der erste Teil ihrer "Geschichte" war durchaus nicht schwer zu ertragen - allemal vielleicht der bittere Unterton, der sich nach und nach in Julias Stimme mischte. Man konnte Heimweh an diesen Ort, das Dorf in Germanien, von dem Julia erzählte, in ihrer Stimme mitklingen hören und so wie sie es beschrieb, musste dieser Ort wirklich wunderschön gewesen sein.
    Der junge Plebejer ertappte sich dabei, wie er sich zu Julias Worten ein Bild ausmalte. Er sah ein Dorf in Germanien, er sah ein kleines Mädchen, ihre Brüder und ihre Eltern.
    Doch das Bild verfinsterte sich selbst für Maximian, als Julia auf den Streit zwischen den beiden Sippen zu sprechen kam und schließlich von dem Überfall berichtete. Mit den Worten, die das Schicksal ihres Vaters beschrieben, verschwand das Bild vor Maximians Augen gänzlich, denn er erkannte, dass Julia begonnen hatte am ganzen Körper zu zittern.
    Dann folgten nur noch Satzfetzen, zerstückelte Teile Julias Erinnerungen, gedruckst unter Aufbringung sämtlicher Kräfte. Maximian schluckte und fühlte sich gar nicht gut in seiner Haut. Das hatte er nicht gewollt. Betreten und nicht wissend, was er nun tun sollte, senkte der junge Mann kurz den Kopf und als er ihn wieder hob, hatte Julia gerade mit dem Schicksal ihres Bruders geendet. Eine einsame Träne rann über ihre Wange und immer noch schien sie den Blick unbeirrt auf Maximian zu richten; dass sie an ihm vorbeisah, konnte er wegen des Gegenlichtes nicht erkennen.


    Sich selber einen unsensiblen Narren scheltend, seufzte Maximian leise und trat mit langsamen Schritten zu Julia. Dort erst erkannte er, dass der jungen Frau eine Träne über die Wange rollte. Zögernd hob er eine Hand und wischte die Träne mit dem Daumen beiseite. Seine Hand ruhte noch einen Moment, so kurz wie ein Augenschlag, neben ihrem Gesicht, dann sank sie herab. Ein zwei Tippelschritte ging er zurück, dann sah er sie mit zerknirschter Miene an.


    "Das... Das wollte ich nicht. Du bist mir nicht schuldig... aus deiner Vergangenheit zu erzählen."


    Er senkte kurz den Blick, dann hob er ihn wieder - und er war immer noch so bedröppelt wie vorher. Arme Julia. Was sie erlitten hatte, musste einem Alptraum gleichkommen. Es war nur allzu offensichtlich, wie sehr es sie schmerzte. Maximian wollte schon nicht mehr wissen, was man ihr angetan hat. Nicht, wenn es bedeutete, dass sie erneut darunter litt. Dann war er wohl der letzte, der es hören sollte. Einer ihrer Brüder könnte sie sicherlich trösten, weil er eventuell besser nachempfand, was sie durchgemacht hatte.
    Wieder seufzte er leise. Er wusste immer noch nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Julia tat ihm leid, so viel stand einmal fest.

    Maximian konnte die vielen Fragen, die aus Julia herausquollen, nicht, wie er gerne gewollt hätte, beantworten. Noch weniger durfte sie aber von sich erwarten, dass sie sich diese Fragen alle allein beantworten musste. Das konnte kein Mensch, denn um zu wissen, wer man war, brauchte man Menschen um sich herum. Man musste mit ihnen lachen und mit ihnen weinen, um über sich zu erfahren, und dass das ein eher langwieriger Prozess war, stand außer Frage.
    Aber... konnte es denn wirklich sein, dass ein Mensch sich selber nicht kannte? Vielleicht war man unsicher und unzufrieden mit sich und konnte häufig nicht nachvollziehen, warum man etwas oder wie man es tat. Aber war es wirklich möglich, dass man nichts über sich wusste? Nein, das glaubte Maximian nicht. Er hielt es eher für wahrscheinlich, dass man einfach nicht gelernt hatte, in sich hineinzuhören und sich als Menschen zu betrachten. Vielleicht hatte man jahrelang unter psychischem Druck gelebt und gelitten, was einem das auch nahezu unmöglich gemacht hatte. Wurde einem Jahre gestohlen, egal auf welche Weise, dann musste es hinterher unweigerlich so sein, als würde man aus einem Koma erwachen. Aber dass man sich nicht kannte, konnte man so dann nicht sagen. Man hatte es vielleicht vergessen, was einen ausmachte. Verdrängt, verborgen gehalten, um sich zu schützen. Aber es war alles da.


    Er wandte den Kopf zu Julia und sah sie einen Moment lang schweigend und eindringlich an. Auch verlangsamte er seinen Schritt, bis er schließlich stehenblieb.
    Er überlegte gar nicht erst, was er im Begriff war ihr zu sagen. Er musste es sagen, vielleicht half es. Vielleicht würde Julia eines Tages daran denken und wieder zu sich finden können. Allein das war Grund genug.


    "Ja, das Leben kann seltsam sein. Es kann aber auch grauenhaft sein, wiederum erfreulich und belebend. All das kann dazu führen, dass man sich verschließt. Vor anderen, vor sich - um sich zu schützen oder die anderen. Man schläft nur noch, isst und wandert umher, ziellos und allein, und sucht nach jeder Menge Antworten. Aber du kannst nicht von dir erwarten, dass du sie alle findest. Vielleicht ein paar von ihnen, aber gewiss nicht alle."


    Max machte an dieser Stelle eine kleine Pause und sah Julia mit zusammengekniffenen Augen an. So wie sie dastanden, schien ihm die Sonne direkt in die Augen, sodass er beinahe nur ihren Umriss wahrnehmen konnte. Was sie wohl dachte? Vielleicht glaubte sie, dass sie es mit einem Spinner zu tun hatte und lachte insgeheim über ihn. Oder aber sie wollte nicht hören, was er sagte, und er erkannte es nicht. Nun hatte er aber schon angefangen, also würde er weitermachen. Er machte einen Schritt auf sie zu - doch besser sehen konnte er sie dadurch nicht. Aber er ging trotzdem nicht weiter.


    "Wie viel Zeit haben wir jetzt miteinander verbracht. Eine Stunde, vielleicht zwei? Und ich sage dir, allein die ersten Augenblicke haben mir sehr viel über dich erzählt, ohne dass du es bemerkt hast. Und jetzt, nach 2 Stunden, habe ich ein Bild von dir, das diese ersten Eindrücke bestätigte. Du bist nicht nur eine Person, der ich zufällig unterwegs begegnet bin. Du bist ein freundlicher Mensch, einer, der gerne lacht und mit der Natur verbunden ist, die keine Fragen stellt, auf die du Antworten suchen musst. Du liebst deine Brüder, auch wenn du dich manchmal versuchst von ihnen loszusagen, um deinen Wünschen nachzugehen. Du bist feinfühlig, nicht nur den Menschen gegenüber, und besitzt einen klareren Verstand, als mancher Senator. Auch weißt du mit schwierigen Situationen umzuegehen, bist hilfsbereit und... Ich könnte noch mehr aufzählen. Was ich damit aber sagen will, ist, dass manche Antworten vielleicht direkt vor deiner Nase stehen und du sie nur annehmen brauchst."


    Immer noch konnte Maximian das Gesicht der jungen Frau nicht erkennen, sie wahrscheinlich aber seines. Er sah sie aufrichtig an, keinesfalls feindselig oder berechnend.
    Nun hatte er also seine Karten ziemlich offen dargelegt. Wie sehr er hoffte, dass er sich damit nicht zu weit vorgewagt hatte. Und als er noch aufrichtig und vorsichtig zugleich in Iulias Gesicht sah, das er nicht erkennen konnte, wurde ihm mit einem Mal klar, dass er sie bereits in sein Herz geschlossen hatte. Mehr noch als das...

    Leise vernahm er Julias Worte, als wären sie gar nicht für ihn bestimmt gewesen - nur so vor sich hergeredet. Aber er hatte sie verstanden, war die Natur doch ruhiger, als das Ohr es von den Städten, in denen es sich sonst Tag ein und Tag aus zurechtfinden musste, kannte.


    Aber stimmte es? Waren wir selbst Spiegel unserer Vergangenheit? Oh ja, es stimme so sicher wie Maximian immer noch der Junge vom Land war. Das war zwar seit einigen Wochen schon Vergangenheit, doch wäre er heute hier gewesen, wenn er in einer Stadt geboren wäre und nie ein anderes Leben als das eines Stadtbewohners geführt hatte? Nein, sehr wahrscheinlich nicht. Denn dann hätte er sicherlich nicht erkannt, was die Natur alles herzugeben bereit war, weil er gar keine Augen für sie gehabt hätte.
    Er war also der Spiegel seiner Vergangenheit - merkwürdig, wenn man sich das vorstellte. Wenn man also den Schlüssel besaß, zu diesem verborgenen oder auch sichtbaren Spiegel, dann müsste man durchaus etwas ändern können - so wie sich auch die Natur veränderte oder Kinder aufwuchsen.


    Irgendwie spendete dieser Gedanke und damit Julias Worte ungemein Trost, auch wenn man dafür wirklich zwischen den Zeilen ihres Gesagten gründeln musste. Doch das beide stark im Denken waren, hatte sich während ihrer knapp einstündigen Begegnung ja bereits herauskristallisiert.
    Ein Wort jedoch störte ihn. Dieses "Anpassen".


    "Hmhm... Man sollte sich so verhalten, wie man sich selber gerne sieht. Das klingt schwierig und ist es bestimmt auch. Ich... habe es noch nie versucht. Aber wenn ich es tun würde, wüsste ich, dass ich nicht alleine bin. Dass es bestimmt ein paar Menschen gibt, die mir dabei unter die Arme greifen würden."


    Der Unterton, der während diesen Worten mitschwang, hatte eine ganz bestimmte Bedeutung. Er hatte natürlich nicht vergessen, dass Julia gesagt hatte, sie hätte eine schwierige Kindheit gehabt. Für ihn hatte es sich beinahe so angehört, als würde sie vor etwas davonrennen. Vielleicht hielt sie sich auch häufig selbst den Spiegel vor und sah etwas, das sie nicht sehen wollte. Vielleicht versuchte sie sich anzupassen, ihre Vergangenheit zu verdrängen. Dabei sah Maximian eine Gefahr für ihre Persönlichkeit, ihre Seele.
    Die Bedeutung des Untertones war also Vertrauen, das er ihr spenden wollte. Außerdem versuchte er sich vorsichtig vorzutasten, um das, was seiner neue Freundin immerzu wieder einen Schatten auf das Gesicht trieb, zu verstehen.
    So hatte er auch, als er geendet war, seinem Kopf erstmals von dem Punkt in der Ferne losreißen können und zurück zu Julia wandern lassen. Er sah nicht ernst oder gar traurig drein - seine Züge umspielte sogar ein ansatzweise erkennbares Lächeln.


    Verrückt, wenn man sich das überlegte. Gerade eben hatte er noch seiner Freundin Viola nachgetrauert, was ihn in den letzten Wochen doch reichlich häufig für mehrere Stunden wenn nicht gar ganze Tage gefesselt gehalten hatte, und nun konnte er fast schon wieder Lächeln und die Gedanken an Viola waren wie weggewischt.
    Um ehrlich zu sein verwirrte es den jungen Mann ein wenig. Woran hatte es nun genau gelegen? An den Worten, die Julia gesagt hatte oder nur schon daran, dass sie bei ihm war, als er das erste Mal überhaupt den Tod der ihm nahestehenden Person ausgesprochen hatte?

    Maximian lauschte Julia, wie sie erzählte, was sie sonst noch so trieb. Offensichtlich war sie ein wohl eher ruhiger Mensch, der vor allem Stille um sich herum brauchte, wenige Menschen. Da genoss sie lieber das Zusammensein mit einem Tier, ihrem Pferd. Weil es nicht redete? Weil sie ihm blindlinks vertrauen konnte? Weil sie nichts zu befürchten hatte?
    Ihm war auch aufgefallen, dass die Strecke, die er zurückgelegt hatte, eine sehr unbefahrene oder -berittene war. Aber genau so hatte er sich das auch vorgestellt, eben ohne andauernd entgegenkommende Menschen, die einen nur wieder aus den Gedanken rissen. Hungaricus hatte sie ihm empfohlen, die Strecke... Wenn der wüsste.
    Als sie geendet hatte zu berichten, sah er sie an und lächelte. Seine Stirn lag aber in lustigen Falten.


    "Ein Haus ist wohl wirklich kein Platz für dich. Jedenfalls nicht auf Dauer."


    Dann erinnerte er sich an die letzten Tage vor seiner und Mercators Abreise nach Rom. Er fühlte wieder die Magenschmerzen in sich aufkommen, die Angst, den Raum zu betreten, in dem Viola aufgebahrt war und die Einsamkeit, wenn er abends allein in seinem Cubiculum gelegen hatte und resümierte, dass wieder ein Tag verstrichen war, an dem er nicht zusammen mit der jungen Frau gelacht hatte.
    Und die Magenschmerzen wurden doller, weil er bei diesen Gedanken beinahe den Atem angehalten hatte. Als er es nun merkte, seufzte er und fixierte einen Punkt irgendwo weit vor ihm im Walde.


    "Mein Beweggrund dafür war einfach die Neugier. Schon immer wollte ich Rom einmal besuchen, so viel hörte man selbst im Dorf, wo ich gelebt habe, davon. Dann bekam mein Großonkel vom Kaiser einen Brief, dass er zum Ritter geschlagen werden solle."


    Eine kleine Lücke ließ er, die der Lücke in seinem Herzen zu ähneln schien, ehe er weitersprach. Auch wenn es schmerzte, wusste er, dass er Julia vertrauen konnte. Er hatte nur noch kein Wort darüber verloren, seitdem er Viola damals dort in der Casa Decima hatte liegen sehen, deshalb war das nun nicht wirklich leicht. Abermals seufzte er schwer.


    "Kurz zuvor war jemand gestorben - eine Person, die mir nahestand. Es schien, als wäre meiner Familie diese Gelegenheit zurecht gekommen, denn sie schickten mich mit nach Rom, bevor ich am Trauermarsch teilnehmen konnte. Naja, ich habe mich aber auch auf Rom gefreut, so ist das nicht. Auf das Orakel unter anderem. Aber auch auf die Märkte, den Circus..."


    Tjaaaa... Damit hatte er einen Teil der Wahrheit preisgegeben, aber so geschickt, dass man nicht unbedingt daraus schließen konnte, wer der oder die Gestorbene war. Er wollte nicht gefragt werden, wer es war. Er hatte ihren Namen so lange nicht mehr ausgesprochen und wollte es auch nicht tun, denn er fürchtete, dass der Schmerz dann aus ihm herausbrechen würde.

    Maximian schmunzelte über Julias Entgegnungen und schritt an ihrer Seite langsam voran. Also machten sie sich auf den Weg nach Rom - und er war weit, aber er würde wohl schnell vergehen. Sowas passierte immer genau dann, wenn man eine schöne Zeit hatte; die Zeit raste und ehe man sich versah, war sie vorüber. Aber nun blieb erstmal Zeit zum Genießen - und sie waren ja wirklich noch weit von Rom entfernt.


    "Na dann mal los."


    Irgendwie schien das Schmunzeln auf seinem Gesicht zu einer Art Daueranstrengung für die darunterliegenden Muskeln. Aber es tat herrlich gut, weshalb der junge Mann nur noch einen flüchtigen Blick auf das schwarze Pferd war, das munter vor sich hergraste.
    So liefen sie eine Weile schweigsam nebeneinander her und ließen das Waldstück, an dem sie sich begegnet waren, langsam aber sich hinter sich. Er lief schlendert, hatte einem Strauch ein paar Blätter abgerissen und spielte damit nun herum.


    "Was magst du denn noch so, außer auszureiten und dabei gerissene Holzköpfe mit ihren unachtsamen Reitern zu treffen?"


    Auch hierbei schmunzelte er wieder. Ob es auf seinem Gesicht festgewachsen sein würde, wenn sie Rom erreicht hatten?

    Maximian hörte sich die Geschichte der Stute an und nickte dann, als er wieder bei Julia angekommen war. Dass ihr Pferd ausgesprochen schick war, hatte er schon vorher festgestellt. Er warf einen abwertenden Blick zu "seinem" Schwarzen und räusperte sich.


    "Das ist sie. Und intelligenter als der Holzkopf dort."


    Dabei musste er wieder grinsen. Holzkopf passte wirklich vorzüglich zu dem Tier, das seinem Reiter davongelaufen war und ihm somit ordentlich Äger bescherte. Aber nicht nur Ärger, was wiederum das Gute an der Sache war.


    "Na gut, wenn du es mit mir aushälst, dann würde ich mich freuen über deine Begleitung."


    Er lächelte und schüttelte dabei leicht den Kopf, während er vorsichtig die Stüte am Hals tätschelte. Sie hatte ein wunderbar weiches Fell, das angenehm zu berühren war.


    "Eigentlich habe ich vor all den Menschen davonlaufen wollen, als ich mir den Holzkopf schnappte. Und jetzt kann ich es mir schon nicht mehr vorstellen den Weg alleine zurückzulegen. Vor allem nicht allein zu Fuß."


    Er wandte den Kopf zu Julia und lachte dabei leise und zwinkerte. Nein, er mochte ihre Anwesenheit gerne und freute sich wie gesagt über die Zeit, die er mit ihr verbrachte. So hatte er die Gelegenheit das sonderbare Mädchen besser kennenzulernen, was ihn unheimlich reizte. Sie war anders, sie war... sie war nicht so aufgedreht wie die jungen Frauen, denen er bislang immer begegnet war. Nur Viola mochte da noch eine Ausnahme machen. Max seufzte bei dem Gedanken an Viola - dass sie auch immer wiederkehren mussten und ging ein paar Schritte.


    "Na dann. Wollen wir?"

    Maximian beobachtete mit ahnungsvoller Miene und sah dann auch promt kommen, was er befürchtet hatte. Das schwarze Tier ließ sich von der einfallsreichen Pferdekennerin nicht täuschen und suchte das Weite, das nun, da kein anderes Pferd mehr stoppen konnte, ziemlich weit war. Nein, das Pferd zu kriegen was unmöglich - er würde jedes Spiel vorher erkennen und rechtzeitig die Flucht antreten.
    Der junge Decimus seufzte und schüttelte dann den Kopf, während er den Blick wieder auf Julia ruhen ließ.


    "Warum tut es dir leid? Es war meine Unachtsamkeit... Ach, was soll's. Gekriegt hätten wir ihn so oder so nicht."


    Maximian machte eine wegwerfende Bewegung in Richtung des immer noch laufenden schwarzen Pferdes, dann trat er langsam und miut ausgestreckter Hand auf das Pferdchen von Julia zu, das genüsslich das Gras aus ihrer Hand fraß.
    Es war bestimmt ein kräftiges Tier, das sie beide aushalten würde, doch erstmal konnten sie ja noch ein Stückchen laufen. Dabei wusste er nicht einmal genau, ob er verlangen konnte, dass Julia ihm half. Er tat nebensächlich, als er unauffällig nachhakte.


    "Den müssen wir wohl hier lassen... Auch wenn es seinem Besitzer nicht gefallen wird. Aber vielleicht sind es nur ein paar Stunden, die er hier sein wird. Wenn es sein muss, reite ich mit seinem Besitzer wieder hierher, um ihn zu holen. Es ist ein gutes Stückchen bis nach Rom... Ich will dir nicht zur Last fallen - den Weg könnte ich auch gehen."


    Aus dem Augenwinkel sah Max die junge Frau fragend an, dann ging er einmal um das Pferd herum und besah es sich scheinbar ziemlich genau. Das tat er auch, wobei er aber auch hin und wieder zu Julia schielte.
    Und in diesem Moment, als er auf der anderen Seite des Pferdes angelangt war, fing er sich an zu freuen auf die Zeit, die sie so beide noch zusammen miteinander verbringen würden. Insgeheim wäre er später dem Schwarzen sogar zu Dank verpflichtet gewesen...

    Ja, was sollten sie dann tun? Maximian sah einmal in die Richtung, aus der er gekommen war und verzog ungläubig das Gesicht. Also wenn er den ganzen Weg, den er zuvor geritten war, zu Fuß gehen musste, dann wünschte er sich festes Schuhwerk und gute Pflege in Rom. Er würde bis zum Abend noch nicht angekommen sein, zumal er bis hierher in hohem Tempo geritten war. Und der Wunschtraum von einer fürsorglichen Behandlung in Rom konnte er sich wohl auch komplett abschminken... Ihn würden viel mehr Vorwürfe erwarten, eine Standpauke von Hungaricus, eine von Mercator... Von allen möglichen Leuten.


    So zog der Junge Mann nur seine Schultern kurz hoch und blickte, nicht minder über das Schlamassel amüsiert, zu Julia.


    "Einen Versuch ist es wert, meine ich. Eine Verfolgung wäre aussichtslos und vom Herumstehen kommt er auch nicht zurück. Ich fürchte, wir haben gar keine andere Wahl als dein Kunststück auszuprobieren."


    Mit reichtlich skeptischer Miene fügte er noch hinzu, während er sich innerlich immer wieder und wieder einen unachtsamen Narren schalt:


    "Vielleicht klappt es ja doch und er trottet deiner Stute hinterher. Schlimmer als es ohnehin schon ist, kann es eh nicht kommen."


    Er machte sich auch erstmal gar keine Gedanken darüber, was sie machen konnten, wenn der Schwarze dem Pfeifen nicht Folge leisten würde. Dafür musste er zu viel an die Konsequenzen seiner Unachtsamkeit denken... Nein, noch hatte er nicht den Gedankenblitz gehabt, dass Julia ihm ja noch mit ihrer Stute aushelfen könnte.

    Maximian hörte das Lachen neben sich und sah gleichzeitig dazu, wie der Schwarze lief und lief und sich schließlich zu Julias Pferd gesellte. Den würde er nie einholen, dachte Maximian und verschränkte mit gequältem Blick die Hände im Nacken. Sowas konnte auch nur ihm passieren. Das war wie mit der Horde Kinder, die er einmal hatte beaufsichtigen sollen. Alles lief gut, bis eins der kleinen frechen Wiesel ein tolles Spiel entdeckt hatte - ich lauf weg und gucke dann, wie der dumme Onkel sich anstellt - und alle anderen Kinder es ihm nachäfften. Er seufzte und wandte sich mit seinem zerknirschten Blick Julia zu, die äußerst amüsiert wirkte. Naja, wenn man mal vergaß, dass das nicht sein kostbares Pferd war, sondern Hungaricus kostbares Pferd und dass dieser sich das so sicherlich nicht vorgestellt hatte... Erfreut würde er wohl auch eher weniger sein, wenn Max ohne den großen Vierbeiner heimkehrte.


    Ja, ließ man das alles außen vor und drückte dann noch mehr als ein Auge zu, dann konnte man der Situation wirklich etwas unglücklich witziges abringen.


    So lachte auch Maximian los, während Julia ihm kess die Aussichten, die ihn erwarten würden, wenn er das Pferd nicht erwischte, darlegte. Erst war sein Lachen leiser Natur, als würde sein Körper von einem leichten aber lautlosen Erdbeben erschüttert, aber schließlich wuchs es zaghaft an, bis es richtiggehend herzhaft erfrischend war.
    Mit einem Schnaufen ließ er die Arme vom Nacken gleiten, nachdem er sich den frust aus den Gliedern gelacht hatte, und lief wieder zurück zu Julia, die vorher noch ein ganzes Stückchen entfernt gestanden hatte, weil er dem Schwarzen ja hinterhergelaufen war.


    "Na gut, soll er seinen Spaß haben... Ich gönne es ihm."


    Er zog eine widersprüchliche Grimasse, dann stellte er sich an Julias Seite und sah ebenfalls zu den Pferden, die sich immernoch sehr vorsichtig beschnupperten. Dann stemmte er die Hände in die Hüften und sah Julia bedauernd aber doch irgendwie schelmisch an.


    "Ich fürchte, aus dem gemeinsamen Reiten wird so schnell nichts. Dabei hätte es mich sehr interessiert, welches der beiden Pferde schneller ist."


    Auch er zwinkerte nun. Es war doch echt zum Mäuse melken - aber immerhin hatte sich so die Stimmung wieder wie von alleine gebessert und die beiden konnten sogar zusammen lachen. Maximian fiel auf, dass Julia ein sehr schönes Lachen hatte - ein Lachen, das er gerne häufiger hören würde, so angenehm und zum Mitmachen anregend wie es war.

    Auch wenn er das Wasser in ihren Augen nicht gesehen hatte, so konnte Maximian sich vorstellen, dass Julia versuchte ihre Tränen vor ihm zu verbergen. Er senkte kurz den Kopf, sah betreten zu Boden, denn er hätte ihr gerne geholfen - worauf sie jedoch gar nicht mehr einging. Als er den Schopf wieder hob, sah er mit seltsamer Miene drein. Nicht wta feindselig oder belustigt, nein... eher das Gegenteil.
    Wahrscheinlich brauchte es einfach Zeit, dann würde er ihr vielleicht doch helfen können. Unbewusst aber entschlossen, nahm es sich der junge Mann fest vor, Julia Trost zu spenden, wenn die Zeit gekommen war - und diesen Punkt würde sie bestimmen, wenn sie ihn denn überhaupt bestimmen wollte.
    Schließlich erwiderte er ihr Lächeln. Er lächelte milde und aufmunternd, sprach jedoch mit viel ruhigerer Stimme.


    "Wenn du denkst, dass es ihm gut geht, ist es gewiss so. Bei manchen Menschen kann man das spüren."


    Natürlich hatte er bemerkt, dass ihr das Thema nun eher unangenehm geworden war. Er würde also nicht weiter nachhaken und sich an seinen im Unterbewusstsein beschlossenen Plan halten, wenn sie ihn lassen würde.
    Plötzlich stand sie auf und fragte ihn, ob sie nicht zusammen ein Stück reiten könnten. Zustimmung wurde auf seinen Gesichtszügen lesbar, während er nach dem Zügel unter seinem Knie griff und bereits aufstehen wollte.


    "Eine gute Idee! Wir könnten... huh?"


    Die Hand, die nach dem Zügel gegriffen hatte, tastete im Gras herum und fand nichts. Als er den Kopf drehte, um dem auf den grund zu gehen, konnte er den Zügel tatsächlich auch nirgends erkenne. Himmel!
    Die Augend es jungen Mannes wurden groß und wie von einer Tarantel gestochen sprang er auf und drehte sich im Kreise. Da! Da stand das Pferd! Nein, es lief!


    "Schwarzer, was....?! Bleib stehen! Hörst du?!"


    Einen kurzen Blick Julia zuwerfend, ging Maximian ein paar Schritte, nur um zu merken, dass das schwarze Tier schneller ging, je näher Max ihm kam. Er beschleunigte seinen Gang, was das Pferd ihm abermals gleichtat, dann blieb Maximian stehen. Was sollte er nur tun? Da trabte der Schwarze, munter und vergnügt immer weiter weg von Maximian.

    Es passte zu ihr, was Maximian nun hörte, dachte er. Aus ihrer Vorsicht hätte man schließen können, dass ihr irgendwann einmal irgendetwas widerfahren war, dass sie hatte vorsichtig werden lassen. In ihren Augen konnte Maximian zwar nicht lesen, aber er sah, dass sie schon vieles gesehen hatten.
    Während er ihren ehrlichen Worten folgte, sah er sie aufmerksam und ersnt an. Er wusste nicht weshalb, aber da sie ihm mit solch einer Offenheit entgegentrat, wollte er sie nicht verletzen - das hatten wahrscheinlich schon ausreichend Menschen genug getan.
    Und er konnte sie verstehen. Wenn man auf etwas angesprochen wurde, das einem sehr schwer auf dem Herzen lag, dann schwappte häufig alles über einen herein wie eine Welle auf den Strand. Damit kam der ganze Schmerz wieder hoch und weil man sich nicht anders zu helfen wusste, flüchtete Mann. Die Menschen sind Fluchttiere, hatte ihm mal irgendeiner gesagt und er glaubte, dass er nicht anders reagieren würde, wenn man... wen man ihn auf den Tod Violas ansprechen würde. Bislang hatte er jedoch "Glück" gehabt, denn kurz nach ihrem Tod hatte man ihn nach Rom gehen lassen - und das noch vor ihrer Beerdigung. Maximian wusste bis heute nicht, ob es richtig war, davor schon zu gehen. Er vermisste sie... Aber das wusste nur er und so war er geschützt - keiner konnte ihn darauf ansprechen.
    Mit leicht verlorenem Blick betrachtete Max das Gras vor sich, dann nickte er leicht.


    "Nicht anders hätte ich reagiert, wahrscheinlich. Dabei hatte ich eine gute Vergangenheit. Für dich tut es mir leid und ich will dich auch gar nicht dazu drängen, mir mehr zu erzählen... aber...", druckste er herum, bevor er den Kopf anhob und nur ganz knapp an Iulia vorbeisah. "Wenn es dir besser ginge..."


    Hmmmm... Was dann? Maximian lebte in Rom - gegenwärtig noch - und sie in Confluentes. Dass sie sich einfach so wieder über den Weg laufen würden, wäre an ein Wunder gegrenzt. Und trotzdem... Sie brachte ihm einen Teil ihrer Vergangenheit entgegen, also vertraute sie ihm, weshalb er ihr im Vertrauen begegnen wollte. Wenn er ihr also auf irgendeine Weise hätte helfen können, hätte er es gerne getan.
    Er seufzte und lächelte ein wenig verlegen.


    "Ich meine natürlich nur, wenn du es irgendwann vielleicht einmal wolltest... und wir uns noch einmal sehen würden... Wenn ich dir irgendwie helfen könnte, damit es dir besser geht, würde ich es tun. Gerne sogar."


    Letzteres hatte er mit einem Grinsen gesagt, denn nach seinem Gedruckse - warum hatte er es nicht ohne sagen können? - musste er über sich selbst schmunzeln. Und über die Situation, Zufälle...


    Dann fiel der Stadtname Numantia und Maximian war vor seiner unfreiwilligen Stotterei gerettet und wurde zugleich von Neugier überfallen.


    "Numantia? Ist dein Bruder Soldat? Mein Vater und ein Großteil meiner Cousins und Onkels, allesamt Soldaten, sind dort nämlich auch bis vor kurzem stationiert gewesen. Oder zumindest vorübergehend, weil der Winter den Truppen das Vorrücken unmöglich machte. Wenn dein Bruder bei ihnen ist, dann geht es ihm gut - da bin ich mir sicher."


    Während seinen Worten hatten sich der eingeklemmte Zügel unter seinem Knie gelöst. Noch war er nicht ins Freie gezogen worden, doch mit Sicherheit würde er das bald tun, so wenig Halt wie er jetzt noch hatte und so stark der Schwarze zwischenzeitlich zu Julis Pferd hingezogen hatte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, ehe das Pferd seine Chance wittern würde, doch Maximian ahnte nichts. Julias Interesse an Hinspanien hatte ihn im Bann.


    "Oh ja, Hispania ist ein schönes Land. Es gibt Berge und im Gegensatz dazu überall Hügel und Täler. Grün oder Gold, von Gras, Wein, Olivenbäumen bewachsen oder Korn - was du dir nur vorstellen kannst. Im Sommer sind die Tage lang und die Luft beinahe brennend heiß, sodass die Straßen um die heißeste Zeit des Tages wie ausgestorben sind. Und am Abend dann kommen sie alle heraus und erledigen, was es zu tun gibt. Die Menschen dort sind aber die Perle des ganzen Landes. Sie sind immerzu energisch gut gelaunt und können sowohl schwer arbeiten als auch ausgelassen feiern." Er musste leise kichernd den Kopf schütteln. "Ich rede und rede... Jedenfalls wärest du uns willkommen, man trifft nicht häufig solch einen netten Menschen."

    Was er hörte, überraschte Maximian. Julia erschien ihm ausgeglichen und natürlich - da passte es irgendwie nicht ganz so ins Bild, dass sie einfach "ausgerissen" war. Wobei... hatte Maximian nicht gerade von soetwas geschwärmt? Einen Moment lang blinzelte er verwirrt, dann kratzte er sich unauffällig hinter dem Ohr. War das jetzt... Zufall, oder wie sollte er das verstehen? Schließlich lächelte er schräg und mit immer noch leicht gerunzelter Stirn.


    "Wenn ich es Recht überlege... Vielleicht ist das mit dem Ausreißen doch keine so gute Idee. Ich möchte zumindest nicht in der Haut deiner Brüder stecken, wenn sie nicht wissen, wo ihre Schwester und dazu noch ihre Cousine steckt."


    Damit verschwanden die Runzeln, das Grinsen jedoch blieb noch ein wenig, bis Maximian erkannte, dass Julia sich gerade mit der Landschaft beschäftigte. Er folgte ihrem Blick schweigsam, rupfte erneut einen Grashalm aus und warf ihn weg, als sie ihn wieder ansah.


    "Das kann ich verstehen. Ich bin gerade ein paar Tage hier und habe mich schon nach mehr Freiheit gesehnt. Und.... Nein, eine Arbeit in einem Officum passt nun wirklich nicht zu dir."


    Sein Gegenüber musternd, schüttelte Max bei dieser Feststellung leicht aber bestimmt den Kopf. Dann legte er seinen Kopf schief, als könne er sie so aus einem anderen Lebenswinkel sehen und schob den Unterkiefer beiseite. Ob so manch berühmter Dichter aussah, wenn er über einem seiner später brillianten Werke brütete?


    "Ich könnte mir gut vorstellen, dass du in Britannien eine Pferdezucht eröffnest. Eine, die Tiere hervorbringt, wie dein elegantes und doch stämmiges Pferd."


    Ob sie es sich auch vorstellen konnte? Maximian jedenfalls fand, dass es zu ihr passen würde, weil sie dann viel Zeit mit dem Reiten verbringen könnte und außerdem auf einem gehöft leben würde, das ruhig ein wenig abgelegen liegen konnte. Ja, das passte zu der jungen Frau mit dunklen Haaren und genauso dunklen Augen, die Mut hatte und zugleich beinahe scheu wie ein Rehkitz wirken konnte - egal was sie sagen würde.
    Er schmunzelte und zwinkerte einmal mit dem einen Auge, dann setzte er sich wieder anders hin. Dabei klemmte er den Zügel seines Schwarzen unter ein Knie, sodass er nun mit beiden Händen das Gras betasten konnte.


    "Confluentes? Vorausgesetzt ich kann mir den Namen merken und finde den Weg dorthin, würde ich dich dort gerne einmal besuchen kommen. Und im Gegenzug biete ich dir an, mich und meine Familie in Tarraco besuchen zu kommen. Wir könnten den Landsitz und die Zucht besichtigen - ich muss gestehen, dass ich sie selber noch nicht gesehen habe."


    Eine Hand legte er sich nun in den Nacken.


    "Aber so lange lebe ich ja auch noch nicht in Tarraco."

    Maximian genoss vor allem die Stille um Julia und ihn herum. Es gab hier keine Häuser, keine polternden Wagen und keine Menschenmassen - das hatte ihm gefehlt. So lauschte er auf das Geräusch des Gräser und Blätter, die sich sacht vom Wind wiegen ließen und dem Singen der Vögel und Brummen der Insekten.
    Dann sprach Julia diese Krankheit an. Maximian kannte diese Krankheit oder zumindest glaubte er das. Er hatte eine Halbschwester gehabt, der manchmal ähnliches zugestoßen war. Doch sie lernte damit zu leben und keiner hätte gedacht, dass diese Krankheit irgendwann einmal zu einer richtigen Bedrohung würde werden können. Aber sie wurde es - wenn auch nur indrekt. Das kleine Mädchen, damals 9 Jahre alt, war wieder einmal herumgetobt und hatte sich vom Haus entfernt. Sie kam nicht zurück. Am nächsten Tage fand man sie am Fluss. Offensichtlich hatte sie die Krankheit während des Schwimmens übermannt, sodass sie ertrank.
    All das war schone viele Jahre her und doch stimmten ihn die Erinnerungen ein wenig traurig. Vor allem aber alarmierte es ihn, denn die junge Frau ihm gegenüber wäre, wie seine Schwester, hier draußen völlig hilflos.


    Er wollte ja etwas sagen, da sprach sie aber schon weiter und wechselte das Thema. Vielleicht war es ihr unangenehm darüber zu reden, dachte Maximian und zwang sich, seine Gedanken für den Moment zu vergessen. Jetzt war er ja hier, sodass er ihr hätte helfen können, wenn...
    Über dieses Gedanken musste Maximian jedoch schon wieder leicht schmunzeln. Auch er beobachtete das Mädchen nun wieder. Sie saß ihm mit einigem Abstand beinahe gegenüber, mit angewinkelten Knien. Er spürte, dass sie ein vorsichtiger Mensch war und erkannte das auch in ihrer Haltung. Und doch war sie angenehmer als die meisten anderen Menschen. Wahrscheinlich lag das daran, mutmaßte Max, dass sie genau das mochte, was er auch mochte - so schien zumindest bislang.


    "Nein, weder in Germanien noch in Britannien. Bislang habe ich nur unser Fischerdorf, jetzt Rom und den Weg dazwischen kennengelernt. Und natürlich Tarraco. Aber ich habe mich schon immer gefragt, wie es im Norden aussieht und jetzt verspüre ich Lust mich auf das Pferd zu schwingen und einfach dorthin zu reiten... Tag ein und Tag aus, bis ich dort schließlich angelangt bin."


    Leise lachte Max, denn der Gedanke einfach auszureißen gefiel ihm tatsächlich recht gut. Dann lehnte er sich zurück, stützte die Arme auf dem Boden ab. Sein Blick suchte kurz das Pferd von Iulia, das immer noch ausgelassen herumlief und sich seines Lebens erfreute. Ja, so ähnlich musste man sich wahrscheinlich fühlen, wenn man ausriss.


    "Was ich so mache? Hmmm..."


    Maximian tat sehr nachdenklich und grinste nach einer Weile seiner Gesprächspartnerin zu.


    "Als ich noch in diesem Fischerdorf wohnte, habe ich die meiste Zeit draußen verbracht. Ich habe den Kindern das Reiten beigebracht, habe Geld dafür bekommen, wenn ich den Bauern ihre jungen Pferde einritt. Ansonsten habe ich viel gelesen und überall geholfen, wo es nur ging. In einem Dorf gibt es nie genug zu tun."


    Sein Blick war während der Worte abgeschweift und durch das Waldstück gewandert. Nun legte er den Kopf leicht schräg und fasste Iulia wieder ins Auge.


    "Jetzt... Jetzt reise ich und lerne, was man als Decimus wissen muss."


    Ja, das tat er jetzt. Er musste schmunzeln, denn alles war es bestimmt nicht. Und trotzdem, das reichte schon.


    "Du lebst in Rom, richtig?"

    Nein, die Familie kannte Maximian nicht, weshalb er den Kopf schüttelte, dann jedoch musste er seufztend nicken, als sie die Rolle des Nesthäkchens ansprach.


    "Alle sorgen sich ständig: Zieh den Mantel drüber, iss ordentlich, wage dich nicht so weit fort, bleib bei deinem Großonkel..."


    Er grinste und verdrehte theatralisch dabei die Augen. Oh, wie er das... liebte, wenn er Daheim in Tarraco war. Wahrscheinlich ging es dem Mädchen ihm gegenüber nicht anders, sonst hätte sie es ja nicht angesprochen. Schon hatten sie noch etwas gemeinsam, was Max Iulia sehr sympathisch machte.
    Als sie von den Gefahren sprach, musste Maximian sich eingestehen, dass es vielleicht wirklich nicht so gefährlich für eine junge Frau war, hier draußen allein zu sein, als er gedacht hatte. Und doch konnte er den Gedanken nicht beiseite legen.


    "Das ist wohl wahr - und trotzdem: Gesindel gibt es überall."


    Moment einmal? Hatte er das gerade gesagt? Maximian zog die Stirn kraus, als wolle er seinen Worten selber widersprechen. Herrje, er klang schon beinahe wie seine Mutter... Wieder musste Maximian grinsen und dabei den Kopf schütteln. Gerade sprachen sie noch von der ewigen Bemutterei, nun machte er es selber. Genug.


    Maximian sah Julia aufmerksam zu, als sie in Worte fasste, was sie hier raustrieb und es hörte sich für ihn wunderbar an. Hatte sie eine Gabe, was das Benutzen von Wörtern anging, wenn sie etwas beschrieb?


    "Genau das ist auch mein Beweggrund. Ich komme vom Land, aus einem kleinen Fischerdorf in Hispana. Es ist nicht zu vergleichen mit Tarraco oder gar Rom und doch hat es seine Reize. Dort gibt es nur wenige Häuser, ein paar Familien und vor allem viel Freiraum."


    Bei den Erinnerungen an den Ort, der 16 Jahre lang seine Heimat gewesen war, trat ein verträumtes Lächeln aufs Gesicht des jungen Mannes. Nur einen kurzen Moment kamen ihm dabei die Gesichter seiner Mutter und der Halbgeschwister vor Augen, doch er schob sie unterbewusst schnell wieder weg. Über das Gras vor sich streichend, was auf seiner Handfläche ein angenehmes Kitzeln hervorrief, fuhr er fort:


    "Ich hab's in der Stadt nicht mehr ausgehalten."


    Nun suchte Maximian wieder den Blick der Reiterin. Er grinste irgendwie schräg.