Beiträge von Lucius Decimus Maximian

    Kauend versuchte Maximian sich das vorzustellen, was Phiobs ihm da auszumalen versuchte. Pyramiden? Nein, die hatte er noch nicht gesehen und er glaubte sogar niemanden römischer Abstammung zu kennen, der jemals in Ägypten gewesen war - die großen Gelehrten des Staates, die wirklich bedeutenden Architekten und so weiter einmal außen vorlassend (denn von denen kannte er nun wirklich keinen).


    "Hmmm." Das war sein nachdenklicher Kommentar zu diesem Thema. Ein Bild von diesem Land hatte er nach wie vor keins vor dem inneren Auge, zu schwammig waren seine Kenntnisse noch.
    "Die Pyramiden? Diese seltsamen, nach oben hin spitz zulaufenden... Bauwerke? Nein, noch nicht gesehen. Nur mal auf einer Karte, die bei meinem Vater im Officum hängt, weißt du..." Maximian lächelte schief und nahm einen weiteren Happen vom gegrillten Lamm. Es war köstlich!


    "Wie lange ist es her, dass du dein Land das letzte mal gesehen hast und was hast du dort gemacht? Bist du als Sklave geboren worden?"

    Maximian nickte nur zustimmend, ehe er neben Valeria ging, die sich dann auch in Bewegung setzte, um gemächlichen Schrittes dem Zug zu folgen. Auf seinen Mundwinkeln zeichnete sich der Schatten eines Schmunzelns ab, aber er sagte nichts und tat auch weiter nichts, selbst wenn er daran dachte, dass Valerias Hand dort irgendwo neben seiner sein musste. Er hätte sie nur zaghaft suchen müssen, aber mehr als einen leichten Hauch der Wärme dieser Hand ließ er seiner Hand nicht zukommen.


    Nachdem sie dem Zug ein ganzes Stückchen näher gekommen waren und die Stimmen wieder an Lautstärke gewonnen hatten, drehte er seinen Kopf seiner vermeintlichen Cousine zu und faltete die Hände hinter seinem Rücken. Irgendwie war es seltsam, neben ihr zu gehen, denn dort hatte er sich für den Rest seines Lebens nicht mehr gesehen. Eine seltsame Geschichte, die sie miteinander verband und die sie scheinbar nicht so wirklich auseinandergehen lassen wollte.
    Er lächelte über seine Gedanken in Valerias Gesicht, räusperte sich dann leise und blickte wieder nach vorn, sich die Kante des linken Zeigefingers an die Unterlippe haltend.

    Sie wich seinem Blick aus. Maximian ahnte, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte, nickte so überhaupt nicht überzeugt und sog tief Luft in die Lungen, als Valeria sich schon nach dem davonlaufenden Brautzug zuwandte. Kalte Luft. Sie würde dabei helfen einen kühlen Kopf wieder zu bekommen, denn wohl beide anwesenden jungen Menschen fühlten sich ein wenig durcheinander. Was er da jetzt genau tun sollte - oder ob er das überhaupt sollte - wusste er spontan nicht zu sagen.


    Maximian sah ebenfalls kurz dem Zug zu, wie er sich langsam weiter entfernte, dann jedoch gleich wieder zu Valeria zurück, die er angestrengt nachdenkend musterte.
    "Hmmmm ja. Das heißt..." Er seufzte und wuschelte sich leicht verzweifelt durchs Haar, das recht lang geworden war. Dann legte er seine beiden Hände auf Valerias Oberarm und versuchte zu erreichen, dass sie ihn ansah.
    "Valeria? Eins noch, bevor wir wieder zu den anderen gehen:", sprach er eindringlich und mit ernsthaft gerunzelter Stirn. "Ich werde nichts tun, das dich unter Druck setzt. Versprochen. Du hast alle Zeit der Welt zum... Nachdenken. Erst, wenn du dir ganz sicher bist, dann...", sprach er leise und schüttelte den Kopf leicht, wonach er die Lippen aufeinanderdrückte, dann kaum merklich eine Schulter nach oben zog und die Hände von ihren Oberarmen sinken ließ, nachdem sie diese nochmal sanft gedrückt hatten. Dann lächelte er dümmlich.
    "Wir werden sehen, hm?"

    Er küsste sie. Ein ganz kurzer Moment, der dann von Valeria sogleich wieder unterbrochen wurde. Sie wandte den Kopf ab und starrte zur Seite. Maximian musterte ihr Profil und biss sich dann kaum merklich auf die Unterlippe, seine Umarmung um Valeria auflockernd, da sie ja ohnehin wieder sicher auf ihren eigenen zwei Beinen stehen konnte.
    Noch ehe sie ihn wieder ansah, überkamen den jungen Mann verschiedene Gefühle. E war sich nicht mehr sicher, ob es von Vorteil für ihn selbst oder für Valeria gewesen war, was er gerade getan hatte. Er fühlte sich unwohl, weil er Valeria damit in eine möglicherweise beklemmende Enge getrieben und sich darüber hinaus bloßgestellt hatte, was ihre gemeinsame, oder besser gesagt getrennte, jüngste Vergangenheit anbelangte. Auf der anderen Seite jedoch hatte er ein nur schwer nachvollziehbares Mitgefühl für Valeria, viel Verständnis für ihre Reaktion und ein Herz, das in einer verloren geglaubten Liebe schon neue Kraft schöpfte und Gewesenes zu vergessen bereit war.


    War sein Blick eben noch vorwurfsvoll und ein wenig auch enttäuscht gewesen, so wurde er nachdem Valeria gesprochen hatte mit einem leisen Seufzen wieder milder, obwohl auch Maximian die Verwirrung über das alles ins Gesicht geschrieben stand.
    "Aber ja, ich... entschuldige. Ich dachte nur, du würdest gern geküsst... werden wollen" sagte er leise, lächelte unsicher aber aufmunternd und machte sich verlegen daran, Valerias Mantelsäume näher aneinander zu ziehen, damit sie es schön warm hatte und nicht frieren musste. Nach einem schweigsamen Weilchen gab es da nicht mehr viel zu richten, also sah er sie an. Blaue Augen und ein Schmunzeln, das nach Hoffnung aussah. Er war ein Trottel. Aber Valeria machte ihn dazu, er konnte nichts dafür. Das Schlimme daran nur: Er hatte nichts dagegen, wenn sie es tat. Schließlich nickte er leicht, trat einen halben Schritt zurück, wobei seine Hände Valerias Arme hinabstrichen. Dann sah er sie ernst an, eine Augenbraue hochgezogen, wodurch er einen leicht zerstreuten Eindruck machte.
    "Passiert das häufiger? Dass du umzukippen drohst?"

    Seine Hand, in die sich kurz zuvor noch weich ihre Wange gechmiegt hatte, sank und Valeria seufzte, nur um danach ein Geständnis abzulegen, das Maximian im allerersten Moment in einem sehr ernsten Blick die Brauen zusammenziehen ließ. Warum ahnte er, dass das, was Valeria sagen würde, sehr viel Bedeutung haben würde? War es ihr Zustand? Oder die Art, wie sie ihn ansah, eindringlich, traurig und bittend zugleich?
    Valeria ließ ihm zwar nicht die Chance sich zu irgendeiner Zeit zu Wort zu melden, aber ohne Zweifel wäre ihm auch zu keiner Zeit etwas eingefallen, das Sinn gemacht hätte es auszusprechen. Der junge Mann sah Valeria direkt an. Nur als sie den Kopf senkte, sah er an eine Hausfassade in Valerias Rücken, bis sie schließlich wieder den Kopf anhob. Er wusste nicht recht, ob er verstand. Ob er noch irgendetwas verstand.


    Unglücklich... untergehen... schwach... wie früher...
    Er fühlte sich in einen Traum zurückversetzt. Einen Traum, der ihn bewusst oder nicht an die Hundert Male heimgesucht haben musste in den vergangenen Monaten. Tröstend war anfangs nichts an diesen Träumen gewesen, denn irgendwann war er erwacht und hatte sich an die Realität erinnern müssen. Dann jedoch hatte das Aufwachen als Flucht vor diesen Träumen sich allmählich zu einem Trost erwachsen, der nicht unbeträchtlich daran mtgewirkt hatte, dass Maximian das Leben ohne Valeria, die eben nicht nur Bettgefährtin, sondern auch Freundin und letztendlich Partnerin gewesen war, wieder zu genießen gelernt hatte - so unfair sich das auch anhörte, wo sie nun direkt vor ihm stand.


    Maximian blinzelte und runzelte leicht die Stirn, als Valeria sich abwandte und sich den Kopf hielt. Noch bevor sie es wahrscheinlich bemerkte, sah er sie schon wanken, sodass er sie auffing, als sie zu kippen drohte und sich reflexartig an ihm festhielt. Dass sie fiel, würden seine Arme nicht zulassen, die sich zögerlich um ihren schmalen Körper legten, um Wärme und Halt zugleich zu spenden. Es war ein seltsames Gefühl. Es war seltsam Valeria zu halten, noch seltsamer, wie sie sich anfühlte und am seltsamsten, wie er sich dabei fühlte. Er konnte sich noch so gut daran erinnern, da eine jede ihrer Berührungen auf seiner Haut ein giftiges Brennen verursacht hatten, weshalb er sie lieber gleich als sofort von sich geschubst hätte. Damals, im Hortus der Regia beispielsweise. Das alles war nicht mehr. Aber dafür ließ sein Kopf es zu, dass ihm warm ums Herz wurde, während er Valeria hielt und ihr alle Zeit der Welt gab, die sie brauchte, um wieder zu sich zu kommen. Nicht nur Sorge hatte ihn ergriffen. Alte Gefühle kamen wieder auf.


    Und dann sah sie zu ihm auf. Er konnte ihren warmen Atem auf seinem Gesicht spüren und schon beinahe ihre Lippen schmecken. In ihrem Rücken bewegte sich eine seiner flachen Hände über den Stoff des Mantels, der trotz seiner Beschaffenheit nicht verbergen konnte, dass Valeria sehr abgenommen hatte. Maximian schluckte, aber seine Gesichtszüge waren weicher als sonst jemals in den vergangenen Wochen.
    "Weißt du... gerade weiß auch ich nicht, was ich denken, und noch weniger, was ich tun soll. Ich halte dich in meinen Armen. Du sagst mir, dass du nicht glücklich bist, allein... und es geht dir offensichtlich schlecht, sodass ich mich frage, wo ich die ganze Zeit gewesen bin." Er pausierte kurz und neigte den Kopf ein wenig mehr zu ihr. Nur eine Idee, die aber seine sorgenvoll blickenden Augen ein wenig kleiner werden ließ und die ihre Nasenspitzen näher zueinander brachte.
    "Ich möchte dir helfen, Valeria. Ich möchte, dass du weißt, wo du mich sehen sollst, wenn du an die Zukunft denkst und dass du nicht mehr befürchten musst unterzugehen, wenn du... wenn du mich siehst. Zumindest nicht mehr aus Schuld."
    Wusste er noch, was er da gerade beabsichtigte zu sagen? Konnte es sein, dass er bereit war Valeria zu verzeihen? Wie, um sich selbst zuzustimmen, nickte er kaum merklich, innerlich aber sehr entschlossen mit dem Kopf.
    "Ich beabsichtige etwas dummes zu tun, Valeria. Es geschieht aus Verzweiflung, aber auch, weil... weil ich es tun muss. Ich hoffe, du verstehst es nicht falsch. Du... lässt mir keine andere Wahl."


    Ganz langsam senkte Maximian seinen Kopf noch ein kleines Stückchen zu Valeria hinab. Ihre Nasen berührten sich sachte, dann stubste seine Nasenspitze ihren Mundwinkel an und dann.... ja, dann tat er, was er hatte tun müssen. Er legte seine Lippen sachte auf Valerias, schloss die Augen uuuuuuuuunnnnnd.... küsste sie!

    Valerias Hand schrumpfte in seiner und Maximian schloss seine Hand fest um die zierliche Frauenhand. Es kam einer freundschaftlichen Geste gleich, etwa weil er spührte, dass sie Halt verlor, weil einiges im Argen lag. Und wenn er sich zuletzt auch nicht imstande gesehen hatte jemals ein Freund für Valeria sein zu können, so stellte er sich damit in diesem Moment gar nicht mal so schlecht an, obwohl er, wenn er einmal ehrlich war, tief in sich drin die Stiche wahrnahm, die ihre Berührungen oder ihr Anblick oder das Wissen darüber, dass man sich nicht gebührend um sie kümmerte, selbst jetzt noch verursachten.
    Er wollte sich gerade darauf konzentrieren nicht darüber nachzudenken, als Valerias Umhang seine Seite streifte. Dann wieder und wieder. Ihr Duft schien mit jedem Schritt, den sie tat, vom wärmenden Stoff zu ihm geweht zu werden. Wieder konzentrierte er sich auf den Abend und den Anlass, die Augenbrauen leicht zusammengezogen, sodass sein Blick ernst an den kieselschleudernden Schuhen des Mannes hefteten, der in immer größer werdender Entfernung vor ihnen in einen Gesang einstimmte.


    Da blieb Valeria stehen. Maximian sah nur ganz langsam zu ihr auf, weil er nicht wusste, ob sie sich ausmalte, welche Wirkung ihre Worte auf ihn haben mochten. Genau genommen wusste er es selbst nicht ganz genau. Das einzige, was er klar sagen konnte, als sein Blick schließlich dem von Valeria begegnete, war, dass er sie immer noch liebte und alles dafür tun würde, damit sie wieder glücklicher sein konnte.
    Er lächelte matt in Valerias Gesicht, das vom letzten Licht des Tages in leuchtendes rot-violett tauchte. Die leichte Brise wehte durch ihr blondes Haar und spielte mit einzelnen Strähnen. Doch all das täuschte nur Lebensfreude vor, denn Valerias missglücktes Lächeln sprach Bände.
    Maximian ließ die Anspannung von sich weichen. Hier war niemand, der sie beobachtete und selbst wenn, dann würde das nichts ausmachen. Valeria brauchte einen Freund, jemand der sie auffing. Die Wut, die er bekam, weil Livianus es scheinbar nicht mehr war, der sie auffangen wollte, schob er mit der Anspannung beiseite und lächelte erneut, wobei er seine freie Hand hob, sie einer Haarsträhne Valerias Haar näherte, diese sachte berührte und dann sanft über Valerias Wange strich.


    "Das macht nichts. Ich kenne dieses Gefühl", sagte er mit ruhiger Stimme und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. "Mir hat es geholfen, wenn ich wusste, dass da jemand ist, der sich anhört, was mir auf der Seele liegt. Ich weiß nicht, ob ausgerechnet ich dieser jemand sein sollte, dem du erzählst, denn ich weiß nicht, was das für Auswikungen haben könnte."
    Er unterbrach sich kurz. In dieser kleinen Pause zuckten seine Mundwinkel lustig kurz nach oben und sein Blick rutschte zu seinem Daumen, der sachte über Valerias Wange strich und dann zusammen mit der Hand sank. Dann sah er Valeria ernst an.
    "Aber wenn du es möchtest, dann werde ich für dich da sein, so gut ich es kann."

    Maximian hatte Valeria beobachtet, wie sie scheinbar den Sonnenuntergang betrachtete und ihm antwortete, sie habe nur viel Arbeit. Das mochte wahr sein. Maximian kannte Valeria recht gut, war er immer der Ansicht gewesen, und so meinte er im Recht zu sein, wenn er bezweifelte, dass es nur das war, was sie so mitnahm. Denn mitgenommen sah sie alle mal aus.
    Er kniff die Augen ein wenig zusammen und richtete seinerseits den Blick nach vorn. Er beobachtete, wie die Schuhe des Mannes vor ihm kleine Kiesel aufsammelten und im Bogen fliegen ließen, weil der Kerl einen Gehfehler hatte. Er fragte sich, ob die Kiesel ihm ins Gesicht schießen würden, wenn der Brautzug plötzlich nicht mehr nur ging, sondern alle losrannten.


    "Nein, ich bin noch nicht eingetreten. Ich habe mir die Freiheit herausgenommen das alles doch ein wenig langsamer anzugehen und mich vorerst ausreichend auf die Jahre in der Legio vorzubereiten. Es gäbe keine größere Schmach, als wenn man als Sohn des LAPP gleich zu Anfang schlapp macht."
    Er grinste und sog tief die frische Luft ein. Dann gingen sie einen kurzen Moment schweigsam nebeneinander her. Maximian wurde das Gefühl nicht los, dass Valeria ihm gar nicht wirklich zugehört hatte. Dann plötzlich legte sich ihre Hand in seine und sie sagte, er würde ihr fehlen.
    Maximian sah Valeria an und folgte ihrem Blick hinunter auf ihre Hände. Er wusste nicht recht, wie er mit ihrer Offenheit umgehen sollte. Umso aufmerksamer wurde er, denn er konnte sich jetzt sicher sein, dass es Valeria nicht gut ging. Seine Finger tasteten mechanisch ihre ab. Sie waren kühl und wirkten knochig. Zerbrechlich. Dann gab er sich einen Ruck und schloss die warme Hand um Valerias, nur um sie nervös lächelnd zu mustern. Er traute sich nicht stehen zu bleiben, noch großartig darüber nachzudenken.


    "Ich habe auch oft an dich gedacht..." drückte er sich vorsichtig aus und wirkte nur noch unsicherer. "Du siehst nicht gut aus, Valeria. Ich weiß nicht, ob es mir zusteht, dir das zu sagen, aber du wirkst.... nicht glücklich. Ist alles in Ordnung?"

    Maximian lächelte leicht nickend, mit Valeria den Blick nach vorn gewandt. Die Sonnenuntergänge in Tarraco wahren fürwahr anders gewesen. Die wenigen schönen Abende in Germanien waren ein schlechter Ersatz, aus vielerlei Hinsicht, und er vermisste die Sonnenuntergänge Tarracos.


    "Ganz gut" antwortete er auf ihre Frage, den Blick immer noch nach vorn gerichtet. Ein wenig Stolz klang wohl in seiner Stimme mit, weshalb er den Kopf mit einem Lächeln Valeria zuwandte.
    "Und dir?" Sein Blick war wohl immer noch recht geschult, was ihr Befinden anging. Er sah natürlich, dass sie sich sehr verändert hatte. Zu ihrem Nachteil, wie er fand. Sie war kaum mehr als ein Strich in der Landschaft und ihre Augen sahen müde drein.


    Es überraschte ihn, dass er sich in ihrer unmittelbaren Nähe nach diesen Wochen, in denen sie absolut keinen Kontakt gehabt hatten, nicht mehr unwohl fühlte und es sogar bewältigte, all die Erinnerungen beiseite zu halten und seine Gefühle selbstkritisch aber ohne größere Anstrenungung auf einem für Anwesende, vor allem aber für sich selbst angenehmen Niveau zu halten und Valeria sogar wieder mit Neugier zu begegnen.

    Grell war das Licht, sodass Maximian die Augen zusammenkneifen musste, um nicht zu erblinden. 'Sieh nicht zu lange in die Sonne', hatte seine Mutter ihn immer getadelt, wenn er sich wieder einmal gefragt hatte, wie ein Stern so hell leuchten konnte. Die Gefahr war gebannt, als die Sonne recht schnell hinter die Erdkugel fiel und das Licht des Tages mit sich zog. Die Farben am Himmelszelt veränderten sich langsam und schnell war das Fehlen der warmen Strahlen spürbar, oblgeich es nicht ungemütlich frisch wurde.


    Der junge Mann ging los, sobald der Zug in Bewegung geriet. Immer an Rand verfolgte er das so häufig beobachtete Geschehen und ließ den Blick schweifen. Er erkannte in der Menge einen ihm bekannten Duccier und andere Gesichter, die vor allem seiner großen Familie entsprangen. Als er den Kopf gerade nach links wandte, war es ihm, als habe er einen Moment lang Valerias Gesicht gesehen.
    Er ließ sich sogleich ein wenig zurückfallen. Tatsache, da war Valeria. Er überflog die Gesichter der Menschen oder besser gesagt Männer, die in ihrer Nähe liefen, um herauszufinden, ob sie in Begleitung war. War sie aber anscheinend nicht. Zumindest in diesem Moment und nicht in Begleitung dieses einen Mannes.


    Sogleich schlich sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht, das es auch noch trug, als er sich neben Valeria hatte treiben lassen und sie von der Seite her ansah.
    "Hmmm. Ein wunderschöner Abend, nicht wahr? Erinnert mich beinahe ein wenig an die Sonnenuntergänge in Hispania, wenn es Herbst geworden ist" sprach er schmunzelnd und sah nach vorn, weil es zu diesem Thema viele Erinnerungen gab.

    Als einer der Gäste gesellte sich auch Maximian an die frische Luft, die angenehm herbstlich nach Vergangenem und Zukünftigem schnupperte. Er hatte sich den Bauch schon ordentlich vollgeschlagen, hatte hier und dort mit Familienmitgliedern oder anderen Bekannten Austausch betrieben und natürlich dem Paar seine Glückwünsche überbracht. Während hinter ihm die Menschen nach draußen strömten, stellte er sich festlich gekleidet und sich von Zeit zu Zeit über den göttlich verwöhnten Bauch fahrend an den Rand der anwachsenden Menschentraube, an deren Kopfende er die hübsche Braut ausmachte. Sie strahlte, fand Maximian, was sicherlich nicht nur an der gerade untergehenden Sonne lag. Apropos untergehende Sonne. Der junge Decima wandte sich dem blutigen Spektakel am Ende des Himmels zu und sog entspannt die frische Luft ein, während er sich noch ein paar Nüsse, die er in der Hand aufbewahrt hatte, in sich hineinschaufelte.

    Diese Umarmung würde ewig währen müssen, wusste Maximian, und so fiel es ihm nicht leicht Valeria einfach so entschlüpfen zu lassen. Er ließ es jedoch zu, wie er auch zugelassen hatte, dass sie allein nach Germanien reiste und senkte einen Moment lang zerknirscht den Kopf, ehe Valeria ihn in ihre Hände nahm. Ihre Blicke trafen sich einen Moment, dann suchten ihre Augen etwas anderes und Maximian wusste nicht mehr, ob er sich noch einmal ihre Augenfarbe einprägen oder ob er seine Augen schließen sollte, damit er keine frischen Erinnerungen an dieses Blau hatte. Er tat beides, sah Valeria noch einmal ganz genau an, ehe er die Augen schloss, damit sie nicht lesen konnte, was ihre Antwort ihm bedeutete.


    Der Kuss war weich und warm, aber er war schnell vorüber. In der Arena toste die Menge, aber hier waren nur sie zwei, beisammen und doch nicht zusammen. Maximian senkte den Kopf wieder ein wenig, seufzte und öffnete langsam die Augen. Ihr Blick war unsicher, seiner war klar, traurig aber klar.


    "Ja.", sagte er leise, nickte dazu und ließ den Kopf ganz fallen. Er wusste nicht, was er noch sagen sollte und führte seine Hände zusammen, auf die er hinab sah. Wie ein kleiner Junge stand er da, der beim Unfug treiben ertappt worden war. Er schluckte, seufzte und sah gequält lächelnd wieder auf.


    "Es tut mir leid, Valeria.", sprach er leise, nickte und ging dann langsam ein paar kleine Schritte zurück. Ganz verbergen konnte er nicht, wie nahe ihm das gerade ging. "Pass auf dich auf, ja? Wenn etwas ist..."
    Er brauchte sicherlich nicht zuende sprechen. Sie wusste ja, wie sie ihn notfalls finden konnte.

    Sie entzog sich der Berührung nicht, schoss es Maximian durch den Kopf, aber so wirklich ruhiger konnte er nicht werden. Sein Blick wanderte immer wieder vom einen zum anderen Auge, glatt ein wenig nervös. Dann senkte sie den Blick jedoch und... umarmte ihn. Zaghaft nur, zurückhaltend, aber er spürte ihren Kopf an seiner Brust. Er brauchte nur den Kopf neigen und würde seine Nase in ihr Haar drücken können.


    Maximian war nicht gleich fähig, sich irgendwie zu bewegen. Diese Berührung war so vertraut und wirkte dennoch unwirklich, sodass er befürchtete, er würde gleich aus einem Traum erwachen und sich müder fühlen, als er das am Abend jemals gewesen war.
    Aber er wachte nicht auf. Er sah auf Valerias Kopf herab und legte seine Wange gegen ihn. Ganz sachte, als würde sie andernfalls wie eine Luftblase zerplatzen. Seine freie Hand legte sich um ihre Taille, drückte sie jedoch nicht an ihn und die andere Hand hielt die zierliche Frauenhand nun fester, aber nicht klammernd. Sie war nicht mehr "seine" und so handelte er nicht unbedacht.


    Das hatte er tun wollen, nachdem er in Germanien gelandet war. Es hätte alles ganz anders laufen sollen... Wer weiß, vielleicht wären sie heute bereits eine kleine Familie. Der Gedanke schmerzte, denn er machte nur allzu deutlich, was er alles verloren hatte. Maximian schloss die Augen und seufzte langgezogen, als würden seine Schultern eine Last tragen, die viel zu schwer für den Körper war und diese Umarmung ein einziger Moment der Entlastung sein.


    Dann sprach Valeria, doch ihre Worte befriedigten ihn nicht. Das hatte er allerdings auch nicht erwartet. Er nickte kaum merklich und drückte nun doch seine Nase in ihr Haupt, somit auch seine Lippen auf ihre goldenen Haare. Er schnupperte, er fühlte, er genoss und verstand.


    "Gib mir Zeit, damit ich das akzeptieren lernen kann.", sprach er leise und strich zögerlich mit dem Daumen über ihre Hand. Dann setzte er noch viel leiser und einem bitteren Lächeln hinzu: "Oder komm zurück zu mir."
    Wollte er wieder enttäuscht werden? Nein, eigentlich nicht. Aber er wollte nicht unversucht lassen, was einen Versuch war. Und Valeria was viele dieser Versuche wert. In diesem Moment wusste Maximian das.

    Valeria kam auf ihm zu, augenblicklich bildete sich ein Kloß in seinem Hals und er schluckte ihn herunter und sah sie unsicher aber direkt an, so wie sie das tat. Dann sprach sie leise, dass sie diesen Ring quasi als Pfand für etwas bei sich trug, das wertvoller war, als Maximian jetzt zu sagen in der Lage war und unmittelbar veränderte sich seine Miene. Seine Arme lösten sich langsam aus der Verschränkung vor seiner Brust.


    Als sie wieder zu sprechen begann, löste sein Blick sich von ihren Augen, wanderte langsam über ihr Gesicht und beobachtete ihre Lippen. Auf seinen zeigte sich ein kaum merkliches, wenig frohes Lächeln, dann rutschte sein Blick wieder dorthin, wo Valerias blaue Augen auf ihn warteten. Ein ganz dünner Faden ihres Duftes lag in der Luft, die selbst hier noch schwer und staubig erschien. Er war nicht mehr der gleiche, den sie in Tarraco gehabt hatte, aber er konnte ihn klar als ihren identifizieren und er wusste nicht, ob er sich mehr freute oder einer großen Qual ausgesetzt fühlte.


    War es, weil er ihr immer noch erlegen war oder weil er einen sentimentalen Augenblick hatte, aber er stellte seinen Verstand ab. Seine Hände zuckten, er zögerte und sah dann dorthin, wo eine von Valerias Händen neben ihrem Oberschenkel weilte. Seine Hand wanderte dorthin, legte sich mit der Handfläche ganz leicht an ihre, bis der Daumen tatsächlich zaghaft andeutete, dass er sich in ihre Hand schieben wollte.
    "Ich kann es nicht genießen.", flüsterte nun er und zögerte den Moment, da er sie wieder ansehen würde, noch etwas hinaus, weil es ihn doch viel Überwindung kostete, weil er nicht wusste, was er dann in ihren Augen lesen oder was sie sagen würde.
    "Du fehlst dazu."

    Ihrer Freundschaft wegen? Maximian hatte in den gesamten letzten Wochen nicht einen Gedanken daran verschwendet, wie er jetzt zu Valeria stand und es hörte sich unpassend an, wenn sie "unserer Freundschaft wegen" sagte. Fiel es ihr wirklich so leicht zu sagen, dass sie noch befreundet waren? Maximian forschte in ihrem Blick, aber außer einem Funkeln, das er nicht recht deuten konnte, sah er nichts weiter, das ihm hätte irgendetwas erklären können.


    Also lächelte er matt und seufzte ganz leise, sodass das Geräusch im Jubel der feiernden Menge unterging. Und er sprach auch leise, aber so, dass Valeria ihn verstehen konnte.
    "Valeria, ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob es mir möglich ist, mit dir befreundet zu sein."
    Er hatte absichtlich kein noch oder nur eingefügt. Egal, was sie beide zu der Situation beigetragen hatten, dass sie nun hier standen und sich nicht mal mehr recht anzusehen trauten, es fiel ihm doch schwer vorzustellen, dass sie irgendwann einmal bei einem Becher Wein an die vergangenen Wochen zurückdenken könnten.
    Und weshalb das Nur? Tja. Seit er sie kennengelernt hatte, wollte er so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen... Das war Freunden sicherlich vergönnt, aber er wollte das auf eine andere Art und Weise. Eine intensivere Art und Weise. Wollte er? Noch?


    Nicht nur ein Ring. Wieder bekam ein kleines Wörtchen viel mehr Bedeutung beigemessen. Vor einigen Wochen hätte er ihr kalt geantwortet, dass er das eben doch war. Jetzt wollte er es ihretwegen und vielleicht auch ein bisschen seinetwegen nicht aussprechen. Dafür bedeutete sie ihm zu viel und langsam aber sicher konnte er sich das gegenüber wieder zugeben.
    Wieder sah er traurig drein, als würde er ihr zustimmen wollen, dass dieser Ring nicht nur irgendein Ring war.

    Maximian ignorierte die beiden Trunkenbolde und realisierte nicht wirklich, was sie sagten. Sein köpchen war ohnehin schon überlastet. :D Sie gab ihm Rätsel auf mit dem, was sie sagte. Ihre Gegenfrage warf ihn dann beinahe gänzlich aus der Bahn.
    Sie wollte ein Stückchen von ihm bei sich tragen? Sie hoffte, sie würde ihn nicht auf ewig tragen müssen? Hä?


    Dicke kams ja aber erst, als sie wissen wollte, ob es ihm gar unangenehm war, dass sie "seinen" Ring noch trug.
    "Unangenehm?", fragte er nach und sah sie abermals überrascht und ausweichend zugleich an. "Nein. Ich meine... Doch, schon. Irgendwie. Schließlich dachte ich, du würdest mich in deinem Leben nicht mehr haben wollen."


    Er sah sie vorsichtig an, denn erstmals drang es in sein Bewusstsein vor, dass das, was sie sagte, nicht einfach nur daher gesagt war. Komischer weise scheute er sich diesmal nicht die Traurigkeit darüber zu übertünchen und zeigte sie einen Moment lang in seinem Blick. Dann räusperte er sich.


    "Du musst ihn nicht ewig tragen, wenn du es für mich tust. Es ist nur ein Ring."

    Überrascht hob er die Brauen, als Valerias Blick ihn beinahe durchbohrte und ihm klar zu verstehen gab, dass sie die Kette nicht abnehmen würde. Sein Blick wurde ungleich weicher, denn daran hatte er gar nicht gedacht.


    "Nein...", sagte er und sah ihr zu, wie sie auf ihre Sandale blickte, tat das dann einen Moment lang selbst. "Ich meine..."
    Was? Das sie ihn ruhig tragen sollte? Er verstand es nicht. Auf der anderen Seite war der Ring ja wertlos, für ihn zumindest. Zu einem gewissen Teil. Maximian fühlte Verwirrung in sich aufsteigen, welche sich mittels Runzeln auf seiner Stirn deutlich machten. Dann sah er wieder auf.


    "Es hat mich nur überrascht und irritiert... Mehr überrascht, denn...." Er räusperte sich und wünschte sich, er würde klarer denken und artikulieren können, was angesichts Valerias Gegenwart aber kaum möglich erschien. Es ärgerte ihn und er musste dem auch Luft verschaffen.
    "Naja. Es ist deine Sache, was du damit tust."


    Na, das war eine Leistung gewesen, ganz toll, wirklich. Maximian seufzte und musterte Valeria wieder. Irgendwie konnte er sich die eine Frage nicht verkneifen und deshalb sprach er sie aus, immer wieder von Valeria wegsehend.
    "Ich frage mich nur, warum du ihn noch trägst..."

    Zitat

    Original von Decima Valeria
    Valeria musterte ihn und fragte sich, was da in ihm vorgehen mochte, dass er so angespannt war. Doch sie war klug genug, nicht danach zu fragen. Die Stille zwischen ihnen, die Maximian so kläglich zu füllen suchte, war lediglich durch die Schreie und Rufe der fanatischen Fans unterbrochen. Auch Valeria empfand es als unangenehm.


    "Jaaah....also....hm...ich ähm...gehe dann besser...." stammelte die junge Frau und strich sich die Haare zurück. Sie wusste nicht recht, was sie boch sagen sollte. Wenn diese ganze verdammte Situation nur nicht so...verdammt wäre! Aber sie war es. Und Valeria war nicht egal, was mit Maximian war, so wie es wahrscheinlich andersherum ebenso der Fall war. Valeria seufzte und sah Maximian mit einer Mischung aus Schuldigkeit, Ermüdung und Zuneigung an, kurzum: ebenso unsicher wie er sie.


    Maximian beobachtete, auch wenn er sie immer noch recht unsicher anblickte und nickte abermals langsam, die Lippen ein klein wenig aufeinander gedrückt. Er dachte das selbe wie Valeria und verfluchte das seltsame Gefühl in so einer eigentlich völlig normalen Situation. Woher kam es? Natürlich. Es stand eine ganze Menge zwischen ihnen, das keiner von beiden einfach so ignorieren konnte.


    "Ja....", seufzte Maximian und senkte den Blick. Da aber fiel ihm der Ring wieder ein, den Valeria um ihren Hals trug. Er zögerte einen Moment, aber ehe sie gehen konnte, schluckte er und sah sie wieder an. Den Reflex, die Hand nach ihr auszustrecken, unterdrückte er schwer.


    "Mir ist aufgefallen, dass du... dass du den Ring um deinen Hals trägst." Er sah immer noch unsicher drein, war sich nicht so wirklich sicher, wohin das führen würde und musterte Valeria dabei fragend.

    Zwei Sklaven.... Maximian nickte zögerlich, aber seine Miene war nicht sonderlich zufrieden oder beschwichtigt. Im Gegenteil. Er musterte Valeria einen Moment lang abschätzend, ein Auge ein wenig geschmälert, denn er fragte sich, wo die beiden Sklaven gerade waren. Wenn er nun rasend vor Wut gewesen wäre, hätte er Valeria mühelos schnappen und sie verschleppen können.


    Maximian räusperte sich leise bei diesen Gedanken und lockerte seine Haltung ein wenig. Es war nicht seine Aufgabe für Valerias Wohl zu sorgen und eigentlich war es ihm ganz egal, wie es ihr ging. Naja, zumindest hatte er das gedacht.
    Er sagte nichts weiter dazu, denn damit hätte er sich nur selbst in eine Situation gebracht, in der er sich unwohl gefühlt hätte. Unweigerlich entstand so eine Stille zwischen ihnen, die auch nicht unbedingt angenehm war.


    "Na schön...", sagte er schließlich und räusperte sich noch einmal unterdrückt, sah Valeria dabei etwas unsicher an.